Oberbürgermeister Wolfgang Griesert: Grußwort für Kundgebung bei „Die Würde der Flüchtlinge ist unantastbar!“ am 24. September, Theatervorplatz/Rathaus Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Osnabrückerinnen und Osnabrücker, sehr geehrter Herr Prof. Mokrosch, sehr geehrter Herr Klausing, wir sehen ebenso erschüttert wie erstarrt, ebenso ratlos wie fassungslos die Ereignisse an den Grenzen Europas und an den Grenzen in Europa – Grenzen, die nun auch wieder unseren Kontinent selbst durchschneiden. Sie trennen inzwischen wieder, obwohl sie uns doch verbinden sollen. Das Flüchtlingsdrama hat so viele Gesichter, setzt sich aus so vielen traurigen Schicksalen zusammen, dass das abgewandte Gesicht des ertrunkenen syrischen Jungen Aylan Kurdi zum Symbol für diese Tragödie geworden ist. Und unser Europa hat darauf bisher keine wirkliche Antwort gefunden. Und während Landes- und Bundesregierungen ebenso wie die Länder der EU fieberhaft nach Antworten und Lösungen suchen, während einerseits zu viel und andererseits zu wenig geredet wird, während wir betrübt beobachten, wie brüchig der Nenner unseres Europas ist, setzen die ungezählten Helfer nicht nur in Deutschland, auch in Österreich, auch in Ungarn, auf dem Balkan, auch in Frankreich, in Italien und Griechenland und in anderen Ländern der Europäischen Union dieser Tragödie unverdrossen ihre Humanität entgegen. Während unsere politischen Repräsentanten offensichtlich ziemlich ratlos noch keine gemeinsame Strategie gefunden haben, lassen sich die helfenden Menschen von der Frage des richtigen Weges nicht irritieren. Sie fragen nicht danach, ob wir die Grenzen öffnen oder schließen sollen, ob wir schon zu viele Flüchtlinge aufnehmen oder noch mehr aufnehmen können, ob wir zu wenige abschieben oder noch mehr abschieben müssen, sie fragen nicht, sondern sie helfen einfach: Sie sind für Menschen da, die in Not sind. 2 Die Menschenwürde muss Maßstab für all unser Handeln sein, gerade auch an Tagen, an denen der einzelne Mensch in der Masse unterzugehen scheint - die Würde der Flüchtlinge, die Würde der Menschen ist unantastbar! Meine Damen und Herren, mitunter möchte man verzweifeln an der Schwerfälligkeit unserer Europäischen Union. Vielleicht geht es auch nicht anders, denn die Politiker in den Hauptstädten und in Brüssel sind ja nicht gerade schlauer als wir. Und wer von uns kann schon behaupten, eine praktikable Lösung zu haben?! Und doch möchte man bisweilen darüber verzweifeln, dass sich die europäischen Institutionen erst so spät – zu spät – einer Entwicklung widmen, die uns vielleicht überraschend erfasst hat, auf die wir uns aber doch zumindest schon seit einigen Monaten hätten einstellen müssen. Der Rat der Friedensstadt Osnabrück hatte jedenfalls im Mai, nachdem über 700 Menschen im Mittelmeer ertrunken waren, in einem offenen Brief an den Präsidenten der Europäischen Kommission Juncker, an Bundeskanzlerin Merkel und an Ministerpräsident Weil seine Scham darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Friedensnobelpreisträgerin „Europäische Union“ so viele Menschen – immer noch – im Mittelmeer ertrinken lässt. Meine Damen und Herren, wir schämen uns dafür, dass wir Menschen sterben lassen. Zugleich müssen wir zugeben, dass wir nicht allen, die in Not sind, helfen können. Deswegen habe ich am Dienstag in der aktuellen Stunde im Rat gesagt: „Alles, was die Verfahren beschleunigt, ist gut. Und alles, was Rechtssicherheit gibt, ist gut. Im Sinne dieser Rechtssicherheit möchte ich aber auch betonen, dass die Menschen, die nicht hierbleiben dürfen auch nicht hierbleiben können.“ Aber auch hier gilt: Die Würde des Menschen ist unantastbar! So offensichtlich die Schwächen der EU als Solidargemeinschaft zu Tage treten, so leicht fällt auch die Kritik. Und doch zeigen all die Helfer, dass die EU eben doch zu Recht den Friedennobelpreis erhalten hat: In der Fürsorge, in der Hilfe, in der Betreuung, in der Selbstlosigkeit, in der Geste einer sich anbietenden Hand: jede einzelne Tat nimmt die Würde dieses Friedensnobelpreises für sich in Anspruch. 3 Indem wir helfen, stehen wir für unser Europa ein. Vielleicht ist das Wort aus der Mode gekommen, aber ich möchte es doch benutzen: Unser Europa zeigt in der Hilfe der vielen selbstlosen Menschen seine Barmherzigkeit. Die zu uns geflüchteten Menschen brauchen Ihre, brauchen unsere Barmherzigkeit und so bitte ich Sie, meine Damen und Herren, helfen Sie einfach, so wie sie auch schon in der Vergangenheit geholfen haben. Für das großartige freiwillige Engagement danke ich Ihnen. Denn mit Ihrer Hilfe retten wir nicht nur Menschen, wir retten auch unser Europa. Wir setzen heute, indem wir in der Friedensstadt zusammenkommen, ein wichtiges Zeichen. Wichtiger aber noch ist, dass wir uns fragen, was wir machen können: haben wir ein Zimmer übrig, können wir eine Wohnung anbieten, können wir Geld für Telefonkarten spenden, damit die Flüchtlinge Kontakt zu ihren Familien halten können? Was können wir tun? Mit diesen Fragen danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit in der Gewissheit, dass wir viel Kraft, Aufmerksamkeit, Sensibilität und auch Geld brauchen, um die zu uns kommenden Flüchtlinge zu integrieren. Die vor uns liegende Aufgabe wird aber auch uns verändern – und auch dafür brauchen wir ebenfalls Kraft und Geduld. Ich danke Ihnen!
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