Bündner Tagblatt, 19.11.2015

D o n n e r s t a g , 19. Nove m b e r 2 0 1 5
GRAUBÜNDEN
Weil die Zahl der Flüchtlinge steigt,
sollen die Sozialdienste verstärkt werden
Die Zahl der Flüchtlinge, die der Bund Graubünden zuweist, nimmt stetig zu. Für die neun regionalen Sozialdienste,
welchen die Betreuung der anerkannten Flüchtlinge obliegt, bedeutet dies Mehrarbeit. Der Kanton reagiert darauf.
D
▸ ENRICO SÖLLMANN
Die Flüchtlingsströme reissen nicht
ab, die Zuweisungen des Bundes
bleiben konstant hoch. Entsprechend voll sind die Bündner Asylzentren. Anfang Januar 2016 nimmt
der Kanton das ursprünglich als
Reserveobjekt vorgesehene Ferienhaus «Valbella» in Litzirüti vorzeitig
Betrieb, um Asylsuchende unterbringen zu können. Weil der Platz
aber knapp bleibt, ist die Suche
nach einer weiteren Unterkunft bereits im Gang (BT vom 2. September
2015).
Wegbegleitung in die Integration
Konsequenzen hat die steigende
Anzahl Flüchtlinge insbesondere
auch für die neun regionalen Sozialdienste in Graubünden. Sie und ihre
Mitarbeitenden sind nämlich zuständig für die Migranten, die als
Flüchtlinge anerkannt werden. Das
beginnt mit der Wohnungssuche
«Der Aufgabendruck
für die regionalen
Sozialdienste wird
immer höher»
ANDREA FERRONI
Auf die neun regionalen Sozialdienste im Kanton kommt aufgrund der
steigenden Anzahl Flüchtlinge einiges an Mehrarbeit zu. (FOTO ARCHIV)
und soll mit der Integration enden.
Das heisst, die Sozialarbeiter begleiten die Flüchtlinge auf ihrem Weg in
die Selbstständigkeit, bis sie ihren
Alltag bestreiten und gestalten können, ohne auf Hilfe angewiesen zu
sein. Ein Weg, der viel Zeit erfordert,
wie Andrea Ferroni, Leiter des kantonalen Sozialamtes, gegenüber der
BT sagt. Denn neben dem Erwerb
der Sprache ist auch häufig eine
Ausbildung nötig, bis der Einstieg in
die Arbeitswelt möglich ist und ein
Lohn erzielt wird, der ausreicht, um
den Lebensunterhalt selber finanzieren zu können. «Gerade bei den
zahlreichen anerkannten Flüchtlingen, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht haben, besteht ein erhebliches Interesse, sie solide zu integrieren», betont Ferroni. In der
Summe wird die Wegbegleitung der
Flüchtlinge in Zukunft folglich mit
mehr Arbeit für die Sozialarbeiter
verbunden sein. «Der Aufgabendruck für die regionalen Sozialdienste wird tatsächlich immer höher», bestätigt Ferroni. Das hänge
unter anderem auch damit zusammen, weil die Betreuung der Flüchtlinge in der Regel deutlich zeitaufwendiger als etwa jene der deutschsprachigen Klienten sei.
200 Stellenprozente sollen es sein
Der Kanton schaut dieser Entwicklung allerdings nicht tatenlos zu.
Um eine angemessene Betreuung
der Klienten gewährleisten und
gleichzeitig auf den regionalen Sozialdiensten für Entlastung sorgen
zu können, hat die Regierung für
nächstes Jahr 200 Stellenprozente
genehmigt, wie Ferroni sagt. 100
Prozent sicher ist die personelle
Aufstockung allerdings noch nicht.
Das letzte Wort wird der Grosse Rat
während der Dezember-Session im
Rahmen der Debatte zum Budget
2016 haben. Für die «zwei neuen befristeten, drittfinanzierten Sozialarbeiterstellen», wie es im Budget
heisst, wird mit Ausgaben von
177 900 Franken gerechnet.
Der Kanton finanziert die Stellen mit Bundesgeldern, die er als
Globalpauschale für die sozialhilfeabhängigen, anerkannten Flüchtlinge erhält. Diese ist für die Finanzierung von Lebensbedarf, Mietkosten, Krankenversicherung (also generell Sozialhilfekosten) und der
Betreuung zu verwenden. Für die
Wahrnehmung dieser Betreuungsaufgaben durch die regionalen Sozialdienste wird dem Grossen Rat
nun eben die Schaffung der neuen
Stellen beantragt. Dass diese befristet sind und nicht mit Kantonsgeldern finanziert werden, hat
einen einfachen Grund. «Grundsätzlich gilt derzeit ein Stellenstopp
für die kantonale Verwaltung», sagt
Ferroni.
Für die Führung der (regionalen und
spezialisierten) Sozialdienste stehen derzeit insgesamt 5150 Stellenprozente zur Verfügung, die an 78
Mitarbeitende vergeben sind. Die
Regierung genehmigte in den vergangenen zehn Jahren zweimal
einen Stellenausbau – 2006 um 1,7
Prozent sowie 2012 um 1,5 Prozent.
Welche der neun regionalen Sozialdienste personell verstärkt werden,
ist derzeit noch unklar. «Klar ist natürlich, dass wir die neuen Ressourcen auf die am stärksten belasteten
regionalen Sozialdienste verteilen
werden», erklärt Ferroni. Stark belastet seien vor allem die Sozialdienste der Agglomerationen beziehungsweise die agglomerationsnahen Dienste.
Windkraftanlagen stossen in der Ostschweizer Bevölkerung mehrheitlich auf Akzeptanz.
Dies zeigt eine Befragung durch die Universität St. Gallen (HSG).
Gewisse Kompromissbereitschaft
Windkraftanlagen stossen dann auf
hohe Akzeptanz, wenn die ökologischen Auswirkungen möglichst gering sind und lokale Investoren beteiligt werden, sagte HSG-Professor
Rolf Wüstenhagen an einer Medienkonferenz. Beim Landschaftsschutz
zeigten die Befragten laut Studie
«eine gewisse Kompromissbereitschaft».
Auf die Frage, wie die Schweiz
ihre Stromversorgung in Zukunft sicherstellen soll, äusserten die Ostschweizerinnen und Ostschweizer
eine klare Präferenz: Über 90 Prozent wünschten die Förderung von
Energiesparen und erneuerbaren
Energien. Auf sehr wenig Zustim-
mung stiessen neue Atom- oder
Gaskraftwerke und Stromimporte.
Im eigenen Kanton möchten 85 Prozent der Befragten die Sonnenenergie, 80 Prozent die Wasserkraft und
68 Prozent die Windenergie fördern. Zustimmung fand die Windkraft auch in der Region Chur, wo in
Haldenstein seit 2013 die bisher einzige Grosswindanlage der Ostschweiz steht.
Auf ihre Erfahrungen angesprochen, zeigten sich Anwohner der
Anlage positiv überrascht. Die Eingriffe ins Landschaftsbild seien weniger schlimm als erwartet, und Befürchtungen wegen Lärms hätten
sich als weitgehend unbegründet
erwiesen, schreiben die Studienverfasser der HSG.
Es besteht eine Diskrepanz
Der St. Galler Baudirektor Willi Haag
und sein Bündner Amtskollege Mario Cavigelli räumten an der Medienkonferenz allerdings ein: Es bestehe eine grosse Diskrepanz zwischen der positiven Resonanz der
Windkraft in der Bevölkerung und
der Realität. Denn in der Ostschweiz
gebe es erst wenige Windkraft-Projekte. «Der Wind wird bei uns nie
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Die unvollendete
HCD-Symphonie
von Arno Del Curto
Seit zwei Jahrzehnten ist Arno Del Curto Trainer
des HC Davos; mit Freude, denn das sei das
Wichtigste. Das sagte der Erfolgstrainer gestern
Abend am Puls-Event im voll besetzten GKBAuditorium. Und die Chance besteht, dass er
seine HCD-Symphonie bis 2021 noch vollendet.
PULS Seit fast 20 Jahren gelingt es dem Eishockeytrainer Arno Del Curto, seine Spieler Tag für Tag zu
motivieren und sie zu Spielerpersönlichkeiten zu
formen. Der einstige Dorfverein ist zum erfolgreichsten Eishockeyclub der Schweiz gereift und zu
einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Tourismuskanton Graubünden geworden. Diesem Erfolgsgeheimnis wollten die unter dem Puls-Dach
vereinten Organisationen der Wirtschaft auf die
Spur kommen, und sie holten Arno Del Curto ins
GKB-Auditorium nach Chur. Und der für seine
Interviews berühmt-berüchtigte Eishockeytrainer
erwies sich als Publikumsmagnet, der seine Fans
auch neben dem Eis nicht enttäuschte.
Die Hellebarden am Wolfgang können warten
Radio-Journalist Jürg Feuerstein, gestählt durch
manches Interview im Eishockeystadion, gelang
es, die «faszinierende Persönlichkeit, die viele Leu-
2006 und 2012 letztmals ausgebaut
Hohe Akzeptanz für Windkraftanlagen
Das Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen
(HSG) befragte im Auftrag der Kantone St. Gallen, Graubünden und
Thurgau sowie des Bundesamts für
Energie 1095 Personen zu erneuerbaren Energien und speziell zur
Windenergie. Drei Viertel der Befragten würden den Ausbau der
Windenergie akzeptieren, sowohl
auf nationaler Ebene als auch in
ihrer näheren Umgebung.
B ü n d n e r Ta g b l a tt
die Bedeutung der
Wasserkraft
haben», sagte Cavigelli. Das Produktionspotenzial für
Windenergie sei in
Graubünden beschränkt.
Trotzdem hat sich der
«Wasserkraft-Kanton» zum Ziel gesetzt, bis im Jahr
2035 mit Windparks 200 Gigawattstunden Energie zu erzeugen.
Auch im Kanton Thurgau liesse
sich «eine erhebliche Menge» Windenergie produzieren, wie Andrea
Paoli, Leiter der Abteilung
Energie
beim Departement
für Inneres und
Volkswirtschaft,
sagte. Windkraftanlagen
liessen
sich heute wirtschaftlich betrei- Die bisher einzige Grosswindanlage der Ostschweiz
ben. (SDA)
steht in Haldenstein. (BT-ARCHIV)
Talk mit Tiefgang: Radio-Journalist Jürg Feuerstein
interviewt HCD-Trainer Arno Del Curto. (NW)
te im Kanton inspiriert und elektrisiert» (so die Beschreibung von GKB-CEO Alois Vinzens) greifbar zu
machen. Zwar sorgte Del Curto in seiner unübertrefflichen Art auch im GKB-Auditorium für beste
Unterhaltung («Auch mich werden sie einmal mit
Hellebarden den Wolfgang hinunterjagen»), das
Gespräch hatte aber auch sehr viel Tiefgang. «Ich
habe eine Symphonie im Kopf, aber diese bleibt
wohl unvollendet», sagte Del Curto zu seinem steten Streben, noch besser zu werden und seine Spieler zu Sonderleistungen anzuspornen. Spass zu haben, etwas zu wagen und sich weiterzuentwickeln
sei wichtig, «aber das Wichtigste ist Freude», sagte
Del Curto. Auf die Frage von Feuerstein, woher denn
er selber diese Energie nehme, sagte er: «Die Energie habe ich vom lieben Gott.» Im Beisein seiner
85-jährigen Mutter sprach Del Curto aber auch über
schwierige Momente, wie der Tod seines Vaters
oder die Trennung von seiner Leaderfigur Reto von
Arx. «Dies war der Grund, weshalb auch ich letztes
Jahr den HCD verlassen wollte.» Er ist aber geblieben, und so besteht die Chance, dass der HCD 2021
auch sein 100-Jahr-Jubiläum mit Del Curto an der
Bande feiern kann. (NW)
Tamins erhält Schutz
vor Steinschlag
TAMINS Geologische Untersuchungen infolge
eines Steinblockschlags im Jahr 2012 haben laut
einer Mitteilung ergeben, dass im Gebiet Sgaiwald
oberhalb von Tamins mit Steinschlagereignissen
von «hoher Intensität» gerechnet werden muss. Bei
der Gemeindeversammlung am Dienstag stiess der
Antrag des Gemeindevorstands zum Bau eines Erddamms auf breite Zustimmung. Das Steinschlagschutzprojekt kostet 2,6 Millionen Franken. Die Gemeinde Tamins übernimmt dabei rund 667 000
Franken, während die verbleibenden Kosten durch
Kantons- und Bundesbeiträge abgedeckt werden,
hiess es in der Mitteilung weiter. Einstimmig genehmigt wurde der Voranschlag 2016 mit einem Gesamtertrag von 5 597 040 Franken und einem Gesamtaufwand von 5 525 115 Franken. Der Gemeindesteuerfuss wurde zudem für ein weiteres Jahr auf
100 Prozent der einfachen Kantonssteuer festgelegt. Die Gemeindeversammlung stimmte ausserdem auch der Teilrevision der Anstellungs- und Besoldungsverordnung zu. Das Pensum des Gemeindepräsidenten beträgt neu 30 Prozent, das der Gemeindevorstandsmitglieder zehn Prozent (BT)