Coping und Doping in Zeiten der Arbeitswelt 4.0 (X?)

Neuro-Enhancement - Coping und
Doping in Zeiten der Arbeitswelt 4.0 (X?)
Seifried Seyer, Institut Suchtprävention Linz
Selbstschöpfungspotential
„Wir haben dir keinen bestimmten Wohnsitz, noch ein eigenes
Gesicht, noch irgendeine besondere Gabe verliehen, o
Adam, damit du jeden beliebigen Wohnsitz, jedes beliebige
Gesicht und alle Gaben, die du dir wünscht, auch nach
deinem Willen und nach deiner eigenen Meinung haben
und besitzen mögest. Den übrigen Wesen ist ihre Natur
durch die von uns vorgeschriebenen Gesetze bestimmt. Du
bist durch keinerlei unüberwindliche Schranken gehemmt,
sondern du sollst nach deinem eigenen freien Willen sogar
jene Natur dir selbst vorherbestimmen.“
(Pico della Mirandola, Über die Würde des Menschen, 1486)
Enhancement, Coping, Doping
Enhancement:
Coping
Doping
"Tausendmal
erwacht
man
voller
Hoffnung,
"Ich
wusste
genau,
geschehen
war: Selbstverbesserung,
Traditionell
sindwas
damit
Amphetamine
und amphetaminähnliche
Doping
nur
um
dann
1000
Nachmittage
voller
Die
rote
Pille
– Verabreichung
später
erfuhr
ich,
dass
Substanzen
(Ritalin
- Methylphenidat)
verbunden.
„Doping
ist die
oder
deres Selbstoptimierung
sich zu einem Sklaven
Enttäuschung
zu
erleben.
Tage
Testosteron
gewesen
war Tausend
– hatte
sich
im "Man mussSubstanz
Gebrauch
von
körperfremden
Substanzen
Inzwischen
ist
Modafinil
die
verheißungsvollste
zur
der
Daten
machen,
von
paniagua,
ständig
Blutkreislauf
verteilt
und man
eine
Folge die negativen Folgewirkungen Leistungsinin jeder
Form
oderstößt
physiologischen
Leistungssteigerung,
da schmerzhaft
damit
nach
dikatoren
wie
der
Trittfrequenz
und
gegen
jeneVeränderungen
Mauer
am
äußersten
Ende
heilsamer
ausgelöst:
meine
Substanzen
in abnormaler
Formeliminiert
oder
auf scheinen.
Wirkungsende
weitgehend
seiner
Grenzen
und
versucht
siePersonen
irgendwieder in Watt gemessenen LeistungsMuskeln
besser
durchblutet,
kleine
abnormalem
Wege
an
gesunde
Modafinil wird primär bei der Behandlung
der Narkolepsie
abgabe.
Man muss im wahrsten
zu
überwinden.
Tausend
Tage
empfängt
Verletzungen
repariert,
ein
generelles
mit dem
einzigen
Ziel
der
künstlichen
und
(„Schlafkrankheit“) angewendet und kam
Anfang
diesesjeden
Jahrhunderts
Sinne
des
Wortes
Herzschlag
man
immer
wieder
die
Signale,
dass
Wohlgefühl
erzeugt.
Es
war
nicht
mein
altes
unfairen
Steigerung
der
Leistung
für
den
aufetwas
grundganz
seiner
anregenden
Effekte messen,
zu dem Ruf,
gesunden
jeden
Krümel, den man
Doping
Normales
sei;
Signale
Ich,
das
diesen
Anstieg
hinaufflog,
sondern
Wettkampf.“
Das
Hauptmerkmal
des
Menschen geistig auf die Sprünge zuisst,
helfen.
jeden Löffel Weizenflocken, den
starker
Menschen,
denen
man
vertraut
und
ein
getuntes,
verbessertes
Ich.
Ein
Dopings ist eine Leistungssteigerung über
Film:bewundert.
Ohne Limit
oder
Ausschnitt
Sternstunde
- Hirndoping
man sichReligion
in den Mund
schiebt. Man
die
Die
Botschaft
lautet,
ausgewogeneres
Pedro
dasman
normale
Maß Ich.
hinaus,
umhätte
die gesagt,
alles
wird gut
und:
Schließlich
tun es alle.
ein
gesünderes
Ich."
(Tyler
Hamilton.
Die muss willens sein, wie ein Vampir
körperliche
und
geistige
Leistungsfähigkeit
auszusehen.“ (Lance Armstrong,
Dabei
lauert auch
immer
die Angstzu
vor dem
Radsport-Mafia
und
ihre schmutzigen
im Wettbewerb
konkurrenzfähiger
Karriereende,
wenn
man
esPol
nicht
Geschäfte)
machen. Doping
deckt
den
derschafft, Jede Sekunde zählt)
schneller
zu werden.“auf
(Tyler
Hamilton.
Selbstverbesserung
einen
natürlichDie
Radsport-Mafia
undZielpunkt
ihre schmutzigen
kaum erreichbaren
hin ab.
Geschäfte)
Formen des Neuro-Enhancement
• Traditionales Neuro-Enhancement (Bildung, Meditation, Kräuter
…)
• Biologisches Neuro-Enhancement (Züchtung, Pränatale
Diagnostik und Auswahl)
• Genetisches Neuro-Enhancement (Gendoping, Crispr/Cas9,
Pränatale Manipulation und Eingriffe in die Keimbahn)
• Technisches Neuro-Enhancement (Prothesen, Mikroelekronik,
Kryonik, Transhumanismus)
• Pharmakologisches Neuro-Enhancement (Psycho-Pharmaka und
ill. Substanzen: Stimmung, Leistung. Amphetamine, Ritalin,
Modafinil. Crystal Meth ...)
Technisches Enhancement. Narrativ der
Überwindung.
Unglück und dessen Überwindung durch Selbstdisziplin. Ist das emanzipativ oder das
Gegenteil davon? Krüppelexistentialismus (ganz besondere Willensstärke des
anderen). Meet the Superhumans. Channel 4, 2012, It’s Time to the Battle.
https://www.youtube.com/watch?v=kKTamH__xuQ
Technisches Neuro-Enhancement.
Wirkstoffgruppe
Therapeutischer Einsatzbereich
(Psycho-)Stlmulanzien
ADHS im Kindes- und Jugendalter
Narkolepsie; Schichtarbeitersyn- drom;
Schlafapnoe-Syndrom mit exzessiver
Tagesschläfrigkeit
Antidementiva
Leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz
Erhoffte Wirkung bei missbräuchlicher
Anwendung durch Gesunde (Hirndoping)
Pharmakologisches Neuro-Enhancement
Methylphenidat
Modafinil
Donepezil
Rivastigmin
Galantamin
Memantin
Fluoxetin
Sertralin
Citalopram
Escitalopram
Metoprolol
Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit (z.
B. Wachheit, Aufmerksamkeit,
Daueraufmerksamkeit, Konzentration)
Pharmakologisches Neuro-Enhancement
„Versuch gesunder Menschen, die
Leistungsfähigkeit
Gehirns
durch die
Leichte bis mittelschwere
Alzheimer-Demenz; desSteigerung
der Gedächtnisleistung und der
leichte bis mittelschwere Parkinson-Demenz
Lernfähigkeit
Einnahme verschreibungspflichtiger
Leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz
Mittelschwere
bis schwere Alzheimer-Demenz
Arzneimittel
über das normale, nicht
Antidepressiva (SSRI)
krankhaft
veränderte Maß hinaus zu
Episoden einer Major Depression; Zwangsstörung;
Bulimie (als verbessern.
Ergänzung zur Psychotherapie)
Hierbei erfolgt der Konsum
Episoden einer Major Depression; Zwangsstörung;
Panikstörung;
außerhalb der zugelassenen Indikation und
soziale Angststörung; posttraumatische
Verbesserung des psychischen Wohlbefindens
kann
als
[…]
Form
des
Belastungsstörung
(z. B. Aktivierung, Stimmungsaufhellung)
Episoden einer Major Depression; Panikstörung
Medikamentenmissbrauchs
verstanden
Episoden einer
Major-Depression; Panikstörung;
soziale Angststörung, Phobie;
werden,
generalisierte
Angststörung bei dem Arzneistoffe nicht
Beta-Rezeptor-Blocker […] eingenommen
bestimmungsgemäß
Hypertonie; Herzinsuffizienz; ischämische bzw.
Verdrängung, Überwindung
werden.“ (Merchlewicz/Koeppe
2013,traumatischer
9)
koronare Herzkrankheiten; Migräneprophylaxe;
Angststörungen (Off-Label-Use)
Erlebnisse, Entspannung
Hypophysenhinterlappenhormone
Oxytocin
Wehensteigerung, pränatale Blutungen u.a.
Steigerung der sozialen Kontaktfähigkeit,
Förderung des interpersonellen Vertrauens
Pharmakologisches Neuro-Enhancement
Einnahme von Substanzen zur Leistungssteigerung
• USA: Die Meta-Analyse von Steve Sussmann und Kollegen hat ergeben,
dass an Stelle der häufig genannten 16 % oder gar 25 % in den USA eher
4 % (Jahresprävalenz) älterer Teenager und junger Erwachsener zu
pharmakologischen Studierhilfen greifen.
• D: Studie DAK (2009): Rund 5 % der Erwerbstätigen im Alter zwischen 20
und 50 "dopen„ nach eigenen Angaben.
• D: Die Lebenszeit-Prävalenzen von illegalen Neuroenhancern
(Amphetamine, Kokain, Ecstasy) lagen bei Schülern (2,42 %) und
Studenten (2,93 %) höher als für den Gebrauch von
verschreibungspflichtigen Neuroenhancern (1%).“ (Robert Koch Institut
2011, 16)
• D (2013, Mainz): Stichprobe 2569 Studenten. Hier gaben 20 % der
Befragten an, Arzneimittel oder illegale Drogen wie z.B. Amphetamine oder
Kokain nur zum Zweck der geistigen Leistungssteigerung einzunehmen
Pharmakologisches Neuro-Enhancement
Allein bei der Wiener Gebietskrankenkasse hat sich die Zahl der
Verschreibungen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht:
2004 wurde es mehr als 3.300 Mal verordnet, 2014 bereits über 11.250 Mal.
Schleichende Pharmakologisierung des Alltags
Bewältigungs- oder Copinghypothese 1990er
Jahre; Enhancer: Beruhigungsmittel und
Stimmungsaufheller
Die Lebensumstände der Menschen, die durch
die Logik neoliberaler
Modernisierungsprozesse geformt werden,
machen den Gebrauch psychoaktiver
Substanzen erforderlich, „weil anders die Arbeit
nicht zu ertragen wäre“.
Amendt, G. (2003): No Drugs No Future: Drogen im Zeitalter der Globalisierung. S.13
No Drugs No Future
Die aktuelle Form des Kapitalismus unterscheidet sich von der
traditionellen kapitalistischen Marktwirtschaft durch das Tempo, mit
dem er in den Industriegesellschaften des Nordens Wohlstand
schafft und zugleich gewachsene gesellschaftliche Strukturen
vernichtet.
Alles, was den Lebenslauf strukturierte und die Sozialverhältnisse
organisierte, ist in Frage gestellt – z. B. Übereinkünfte über den Ort
der Arbeit, die Dauer der Arbeitszeit, die vertragliche Sicherung
des Arbeitsplatzes (bis zu Verbot der Kinder- und Sklavenarbeit).
Nur mit Hilfe von psychoaktiven Substanzen zur Herstellung einer
inneren Gleichgewichts und synthetischen Aufbaustoffen zur
Herausbildung eines leistungsfähigen Körpers ist der neue „neue“
Mensch als Produkt eines Anpassungsprozesses an die
Beschleunigungskräfte der Informationstechnologien formbar.
No Drugs No Future
Es entsteht ein kollektiver Zustand einer permanenten
Überforderung und chronischen Überreizung, für den
die körpereigene Chemie nicht mehr ausreicht, um den
Organismus des Menschen physisch wie psychisch an
die Geschwindigkeit der Maschinen und Prozessoren
anzupassen. Daher entsteht das Verlangen nach
Hilfsmitteln zur pharmakologischen Wiederherstellung
einer ausgeglichenen „harmonischen“ Persönlichkeit“.
Der Gebrauch von psychoaktiven Substanzen wird – laut
Uchtenhagen – im Sinne einer „sozialen Indikation“
zunehmen – d. h. um mit den Anforderungen des
Alltags besser zurecht zu kommen.
Genussmittel werden als Instrumente der sozialen
Steuerung gesehen.
X? - Arbeitswelt 4.0?
X? – Trübe Aussichten
Trübe Aussichten? Verregnete Versprechen einer
eingetrübten Moderne
1.Fortschritt (Wachstum): Beschleunigung, Überflüssige Generation
2.Selbstbestimmung (Autonomie) durch Steigerungsspiel
3.Wettbewerbslogik (Aufrüstung und Enhancement des Selbst)
4.Zielperspektiven (sinnhaftes Handeln): Entfremdung und Burnout
5.Tauschgerechtigkeit (Arbeitsmarkt)
X? – Fortschritt (Wachstum): Beschleunigung
X? – Zukunftsaussichten und Zielhorizonte
X? – Zukunftsaussichten und Zielhorizonte
Arbeitswelt 4.0
Arbeitswelt 4.0
Automatisierung wird für immer kleinere Serien möglich – dennoch bleibt
ƒ
menschliche Arbeit weiterhin wichtiger Bestandteil der Produktion.
ƒ
Flexibilität ist nach wie vor der Schlüsselfaktor für die Produktionsarbeit in
Deutschland – in Zukunft aber noch kurzfristiger als heute. Flexibilität
muss in Zukunft zielgerichtet und systematisch organisiert werden –
»Pauschal-Flexibilität« reicht nicht mehr aus.
Industrie 4.0 heißt mehr als CPS-Vernetzung. Sie umfasst intelligente
ƒ
Datenaufnahme, -speicherung und -verteilung durch Obj. u. Menschen.
ƒ
Dezentrale Steuerungsmechanismen nehmen zu. Vollst. Autonomie
dezentraler, sich selbst steuernder Obj. gibt es auf absehbare Zeit nicht.
ƒ
Sicherheitsaspekte (Safety und Security) müssen schon beim Design
intelligenter Produktionsanlagen berücksichtigt werden.
Aufgaben traditioneller Produktions- und Wissensarbeiter wachsen weiter
ƒ
zusammen. Produktionsarbeiter übernehmen vermehrt Aufgaben für die
Produktentwicklung.
Mitarbeiter müssen für kurzfristigere, weniger planbare Arbeitstätigkeiten Onƒ
the-Job qualifiziert werden.
Quelle: Fraunhoferinstitut / Dieter Spath et al.
Arbeitswelt 4.0
Smart Jobs: „Die Schaffung
neuer kollaborativer Formen der
Arbeitsorganisation in der Smart
Factory, die auf qualitative
Anreicherung, interessante
Arbeitszusammenhänge,
zunehmende
Eigenverantwortung und
Selbstentfaltung ausgerichtet ist“
Die Just-in-time Ich-AG als Ziel?
Resilienz bedeutet Widerstandsfähigkeit,
aber auch Agilität, Adaptivität,
Redundanz, Dezentralität und
Lernfähigkeit. Ein breites
Produktspektrum mit
kundenspezifischen Merkmalen muss
bei hochgradig saisonaler Nachfrage
produziert werden.
Durch eine situative Anpassung der
Produktionslinien wird eine Just-in-timeProduktion bei optimaler
Kapazitätsauslastung erreicht.
Arbeitswelt 4.0
Carl Benedikt Frey and
Michael A. Osborne: The
Future of Employment:
How Susceptible are Jobs
to Computerisation?
Studie „The Future of
Employment “ (Oxford)
schätzt, dass in 20 Jahren
die Hälfte der heute in den
USA existierenden Jobs
verschwinden wird. An
ihre Stelle treten
Computer – sei es
physisch als Roboter oder
unsichtbar als Software.
Arbeitswelt 4.0
Brynjolfsson/McAfee: The Second Machine Age. Wie die nächste digitale
Revolution unser aller Leben verändern wird. (MIT)
Massenarbeislosigkeit zumindest als Übergangsphänomen. „Der technische
Fortschritt in seiner rapiden Weiterentwicklung wird den einen oder
anderen hinter sich lassen – möglicherweise auch viele.“
„Anders als in früheren Perioden steigert Technologie heute unsere geistigen
Kräfte und verbessert unsere Fähigkeit zu denken. Dampfmaschinen und
Motoren ergänzten oder ersetzten Muskeln. Jetzt verstärken wir unser
Gehirn. Dies ist eine grundsätzlich andere Technologie, die sich viel
breiter auswirken wird.“
Die Wirtschaft wird künftig noch dynamischer. Wir müssen deshalb ständig
neue Möglichkeiten suchen, um arbeiten zu können. Wir können nicht
erstarren oder verhindern, dass der Fortschritt Jobs eliminiert. Man sollte
die neuen Technologien nutzen, um andere Arten von Arbeit in neuen
Bereichen zu schaffen. Wir nennen das «mit den Maschinen rennen
statt gegen sie»
Ausblick: der flexible Just-in-time Selbstunternehmer
Arbeitswelt 4.0
Die Prekarität ist Teil einer neuartigen Herrschaftsform, die auf der Errichtung
einer zum allgemeinen Dauerzustand gewordenen Unsicherheit fußt und
das Ziel hat, die Arbeitnehmer zur Unterwerfung, zur Hinnahme ihrer
Ausbeutung zu zwingen. Zur Kennzeichnung dieser Herrschaftsform, die,
obschon sie in ihren Auswirkungen stark dem wilden Kapitalismus aus
den Frühzeiten der Industrialisierung ähnelt, absolut beispiellos ist, hat
jemand das treffende und aussagekräftige Konzept der Flexploitation
vorgeschlagen." (Bourdieu, Prekarität ist überall)
Sind Techniken der Selbstoptimierung und des Neuro-Enhancements die
angemessenen Lebensstile, um im Rahmen der angesprochenen
Flexploitation ein gelingendes Leben führen zu können?
Ist heute die Affirmations- oder Dopinghypothese zutreffender als die
Wiederherstellungs- oder Copinghypothese?
Neuroenhancement – Ethische Aspekte
•
•
•
•
Optimierung und effizientere „Bewirtschaftung“ des gesunden
menschlichen Geistes. Ist Verbesserung nicht moralisch geboten,
wenn die Möglichkeit dazu besteht? Allerdings:
Verschlimmbessern.
Ist es wirklich notwendig, dass Lernfähigkeit, Gedächtnis und die
Aufmerksamkeitsspanne ab 55 stärker nachlassen?
Ist es ethisch geboten, sich neurodegenerativen Vorgängen passiv
auszuliefern, oder handelt es sich dabei eigentlich schon heute
eher um eine Form von Ungepflegtheit oder Verwahrlosung?
Ganz allgemein findet man die moralische Intuition, die zum
naturalistischen Fehlschluss führt, häufig in der Vorstellung,
„natürliche“ Methoden zur Steigerung der geistigen
Leistungsfähigkeit (z. B. Meditation, Sport oder richtige Ernährung)
seien in einem prinzipiellen und spezifisch ethischen Sinne direkten
Interventionen, etwa mit Hilfe pharmakologischer Instrumente,
vorzuziehen.
Neuroenhancement – Ethische Aspekte
•
•
•
Wenn man mit vertretbarem Risiko die ethische Einsichtsfähigkeit
und das prosoziale, altruistische Verhalten bei Gesunden
verbessern könnte, entstünde dann eine moralische Verpflichtung,
dies auch tatsächlich zu tun. Sollten wir in forschungspolitischer
Hinsicht diesen Bereich besonders fördern?
Angenommen, wir entscheiden uns für eine teilweise und
kontrollierte Freigabe des pharmazeutischen kognitiven
Enhancements bei Gesunden: Was genau bedeuten dann
staatliche Fürsorgepflicht, Chancengleichheit und
Verteilungsgerechtigkeit? (Analogie: Bildung)
Sollte eine militärische Anwendung pharmazeutischer
Neurotechnologien generell verhindert werden, oder gibt es
Anwendungsbereiche, in denen sie sogar ethisch geboten ist?
Neuroenhancement – Ethische Aspekte
•
•
•
Moderate vs. Radikale Verbesserung. Ritalin ist ja von seiner
Wirkung sehr beschränkt. NBIC-Technologien (Neuro-, Bio-,
Informations-, Cognitive-Technologien) erwecken
Erlösungsphantasien: sehr unwahrscheinliche Ansätze: personality
upload.
Kompetitiven vs. non-kompetitiven Verbesserungen:. Erhoffen
eines Wettbewerbsvorteils oder Verbesserung von persönlicher
Befindlichkeit. Fairness der selektiven Zugangsmöglichkeiten. Im
Hinblick auf non-kompetitive Verbesserungshandlungen spielen
diese Argumente keine Rolle.
Freiwillige vs. Nicht-freiwillige Formen von
Verbesserungshandlungen. Es gibt aufgezwungene
Verbesserungshandlungen. Elterliche Verbesserungshandlungen
zielen auf die Verbesserung der Chancen der Kinder.
Neuroenhancement – Ethische Aspekte
•
Bei Erwachsenen ist das Recht auf Selbstbestimmung im
Vordergrund. Recht auf Naturbelassenheit. Gefahr der kollektiven
Nötigung. Verbesserungsspirale (man ist auf immer weitergehende
Verbesserungsmittel angewiesen).
Trotz vielfältig neuer Fragestellungen lassen sich Kriterien zur
Beurteilung formulieren und gleichen klassisch moralischen Kriterien:
• Gerechtigkeit
• Offene Zukunft
• Selbstbestimmung
• Freiheitsspielräume nicht einschränken