Depression - Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Zentrum für Depressionen, Angsterkrankungen und Psychotherapie
Affektive Psychosen: Zur
Bedeutung der Psychotherapie in
der Behandlung der schweren
Depressionen
Prof.
Dr.
Heinz Böker
Prof. Dr. med.
Heinzmed.
Böker
Psychiatrisches Kolloquium
Frühlingsemester 2015
Psychosen
PUK Zürich, 22.05.2015
22.05.2015
Affektive Psychosen: Zur Bedeutung der Psychotherapie in
der Behandlung der schweren Depressionen
1.
Terminologische Vorbemerkungen: Affektive Psychosen – schwere
Depressionen
2.
Herausforderungen in der Behandlung
3.
Kasuistik
4.
Depressionen als Psychosomatosen der Emotionsregulation
•
Biologische und neurobiologische Dimensionen der Depression
•
Life event-Forschung
•
Social support-Forschung
•
Persönlichkeit
•
Traumatisierung
•
Circuli vitiosi
Seite 2
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Affektive Psychosen: Zur Bedeutung der Psychotherapie in
der Behandlung der schweren Depressionen
5.
Psychotherapie der Depression
•
KBT
•
IPT
•
Psychodynamische Psychotherapie
•
CBASP
•
Top-down- und bottom-up-Effekte als Funktion therapeutischer
Interventionen
•
Normalisierung somatischer Funktionen durch Psychotherapie
•
What works for whom? Auf dem Weg zu einer Differentialindikation
•
Erhaltungspsychotherapie
6.
Ausblick: Perspektiven einer neuropsychodynamischen Psychiatrie in der
Depressionsbehandlung und Depressionsforschung
7.
Zusammenfassung
Seite 3
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Vorbemerkung: Affektive Psychosen
− Krankhafte Verstimmungen, die sich in zwei entgegengesetzten
Richtungen äussern können: als Melancholie und als Manie
− Verlauf:
− Abgesetzte Phasen
− Vollständige Remission
− Gesunde Intervalle
− In den meisten Fällen keine wesentlichen Persönlichkeitsveränderungen
(Residualzustände)
− Synonyma:
− Manisch-depressive Krankheiten
− Affektpsychosen
− Cyclothymien
− Phasische Depression
− Endogene Depression
− Melancholie
Seite 4
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Vorbemerkung: Affektive Psychosen (Fortsetzung)
− Wegfall des Psychosebegriffs: 1980 (DSM-III)
− Affektpsychose:
− Von Th. Ziehen (1911) eingeführte Bezeichnung für Melancholie bzw.
endogene Depression, auch Manie.
− Einteilung von Kleist:
− Agitierte Angstpsychose
− Stuporöse Angstdepression
− Agitierte-stuporöse Angstpsychose
− 1980: «Affective Disorder» (DSM-III)
− Alle Krankheiten mit erheblichen und anhaltenden Verstimmungen:
− Monopolare depressive und manische Phasen
− Bipolare manisch-depressive Erkrankung
− Atypische manische oder bipolare Störungen
− Verstimmungen nach Halluzinogengebrauch
Seite 5
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Veränderungen in der Reihenfolge der krankheitsbedingten
Beeinträchtigungen infolge der 14 bedeutendsten Erkrankungen weltweit im
Zeitraum von 2004 - 2030 (The Global Burden of Disease, 2004 Update, WHO)
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Entwicklung von Arbeitsunfähigkeitsfällen und
-tagen aufgrund psychischer Erkrankungen in
Deutschland in den Jahren 2002 bis 2013
(Index 2002 = 100%)
AU-Fälle
AU-Tage
180
160
Indexwert (2002 = 100%)
140
120
100
80
60
40
20
0
2002
2003
2004
2005
2006
2002 – 2013: 62,2% Zunahme
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2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Statista GmbH, Hamburg
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Fehltage wegen psychischer Erkrankungen in
Deutschland in den Jahren 1997 bis 2013
Seite 8
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Häufigste psychische Erkrankungen in Deutschland
nach Geschlecht im Jahr 2011
Männer
Frauen
0.0%
5.0%
5%
11.4%
1.7%
Somatoforme Störung (Schmerz ohne körperliche Ursache)
4.9%
3.5%
Zwangsstörung
4.2%
18.4%
Alkoholstörung
3.9%
0.9%
3.8%
2.8%
Bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung)
3.1%
1.8%
Psychose (Schizophrenie, Wahn)
3%
1.5%
Medikamentenmissbrauch
Körperlich bedingte Störung (etwa nach einer OP, Drogenmissbrauch)
25.0%
22.6%
Unipolare Depression
Magersucht
20.0%
9.7%
Angststörung
Posttraumatische Belastungsstörung
Bevölkerungsanteil der Betroffenen
10.0%
15.0%
2%
0.2%
1.1%
0.8%
1%
Statista GmbH, Hamburg
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Therapeutische Herausforderungen:
Zur Versorgungslage
• Jahresprävalenz: 6,9% (EU)
• Lebenszeitprävalenz: 17%
• Rückfallwahrscheinlichkeit nach 1. Episode einer schweren Depression
innerhalb von 1,5 Jahren: 50% (APA, 1994)
• Rückfallrate (abhängig von Episodenhäufigkeit): Nach 1. Episode: 50%
Nach 2. Episode: 70%
Nach 3. Episode: 90%
• Lebenszeit-Rückfallwahrscheinlichkeit nach 1. Episode einer MajorDepression: 80% (APA, 1994)
• Chronischer Verlauf: 20% - 40% der Erkrankten sprechen nicht oder zu
wenig auf psychopharmakologische Therapie an (Koscis et al., 2000)
• Vermehrte Inanspruchnahme von medizinischen Einrichtungen (Crown
et al., 2002)
• Zunahme der Anzahl von AU-Tagen und AU-Fällen insbesondere bei
jungen Erwachsenen (DAK 2009)
Seite 10
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Therapeutische Herausforderungen
aus dem Praxisalltag
- Schwere Krankheitsbilder
- Zunahme der Depressionen bei Jugendlichen und jungen
Erwachsenen
- Zunahme der Angststörungen
- Deutliche Zunahme der Sucht-PatientInnen
(Polytoxikomanie)
- Komorbidität (psychiatrische und somatische
Erkrankungen)
- Rezidivierung und Chronifizierung
- Traumatisierung
- Migration
- Arbeitslosigkeit
- Depression und Suizidalität im Alter
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Kasuistik
Herr Z.: Wunsch, nicht länger verurteilt zu werden
D:
Rezidivierende depressive Störung, ggw. schwere Episode mit
psychotische Symptomen (ICD-10: F33.3)
EA:
- Erstmanifestation einer Depression mit 17 J.
- Diagnosestellung und erstmalige stationäre Behandlung: 29 J.
- 10 depressive Episoden
- 3 stationäre Aufenthalte
- Psychoanalyse: 1993 – 2003
2006: - Stat. Behandlung wegen psychotischer Depression (Schuld-,
Verfolgungswahn)
- Auslöser: Trennung von Freundin, zuvor Tod der Mutter
Biographie:
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- 4. / 6 Kindern (Tod des Bruders: 2005)
- „Sandwich-Kind“: Wollte es allen recht machen
- Vater: Direktor, Mutter: Schauspielerin
- BWL-Studium
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Herr Z: (Fortsetzung 1)
Psychogenese / Psychodynamik
-
Ambivalente Identifikation mit autoritärem Vater: „Held“,
„Allmachtsfigur“
-
Blande Beziehung zur intellektuellen, kreativen Mutter: „Ungeborgen“
-
Rigides Über-Ich
-
Masochistische Abwehr aggressiver Impulse
Verlauf
-
Kombinationstherapie: (AD/Neuroleptika + Psychodyn. PT/1 Std./Woche)
-
Initial: „Wird der Therapeut zum Richter?“
-
Abschiednehmen (Vater, Mutter, Partnerin, Verkauf des Elternhauses)
-
Idealisierende Übertragung: Therapeut = Vater-Chef-Ideal
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Herr Z: (Fortsetzung 2)
-
Erleben in Phasen psychotischer Depression
- „Schwerverbrecher, der weggesperrt gehört“
- „Negativ gewendete Grandiosität“
- Selbstüberhöhung, Abreissen des Kontaktes
-
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Leben mit „angezogener Handbremse“ in Provisorien
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Herr Z: (Fortsetzung 3)
-
Ü:
• Angst, nicht zu genügen
• Trennungsangst (Vater ging, wenn es zu Konfrontationen
kam)
-
Masochistische Abwehr: Lust am Selbstquälerischen („Es darf
mir nicht gut gehen“)
-
Annäherung und Auseinandersetzung mit der ambivalenten
Vater-Beziehung
• Aktivität im Altenheim (Vater starb dort, Pat. wird Direktor)
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Herr Z: (Fortsetzung 4)
-
Hineingleiten in depressive Psychose (nach 3jähriger Therapie):
• Angst zu scheitern (Ideal-Selbst, Ideal-Objekt,
Rigides Über-Ich)
• Trennungs- und Verlustangst (Ferien des
Therapeuten)
• Verschmelzen vs. Selbstaufgabe / Rückzug
• Freiwillige stationäre Aufnahme (PUK ZH)
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Herr Z: (Fortsetzung 5)
-
Aktueller Fokus:
• Durcharbeiten der psychodynamischen
Zusammenhänge auf der Ebene der Ü-GÜ-Beziehung
• Der Depressive als Manipulateur!?
• Die Perversion der Depression: Geachtet und geliebt
werden durch Selbstschädigung und
Selbstvernichtung
• Identifikation von Frühwarnzeichen und psychosefördernden Mechanismen
• Umgang mit Aggression: „Das Böse im Hochstapler“
Seite 17
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Depressionen als
Psychosomatosen der
Emotionsregulation
Seite 18
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Sind Depressionen
psychosomatische
Erkrankungen?
E. Jacobson (1971):
• „Multifaktorieller psychosomatischer Ansatz“
• „Einfache Depression“: Abgelöst von den Inhalten
Seite 19
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Die biologische und
neurobiologische Dimension
der Depression
Seite 20
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Der „Körper“ depressiv Erkrankter:
Biologische Zugangswege
 Genetik
 Stressachse
 Neurochemie
 Schilddrüsenfunktion
 Neurorezeptoren
 Chronobiologie
 Neurophysiologie
 Schlaf-Wach-Rhythmus
 Nervenwachstumsfaktoren
Seite 21
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Somatische Befunde bei depressiv
Erkrankten I
• Familiäre Häufung (Merikangas & Kupfer 1995;
Sonery et al. 1997)
• Neurochemische Befunde: Verminderung der
Neurotransmitter Serotonin (Coppen 1967; Stanley
et al. 1986; Maes & Meltzer 1997; Arranz et al. 1997)
und Noradrenalin (Schildkraut 1967; Schatzberg &
Schildkraut 1995; Green et al. 1995)
• Neurotransmitterdysbalance (Siever & Davis 1985;
Müller 1991; Janowsky & Overstreet1995)
• Neurorezeptorbindungsstudien: Veränderungen der
Dichte und Empfindlichkeit der Rezeptoren (Arranz
et al. 1997)
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Somatische Befunde bei depressiv
Erkrankten II
• Überaktivität im Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden
System (Holsboer 1995; van Praag 2004)
• Dysregulation im System Hypothalamus-Hypophyse-Schilddrüse
(Holzboer1995; Rao et al. 1996)
• Chronobiologische Faktoren (Saisonale Depression (Caspar 1994;
Partonen & Löhnquist 1998)
• Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus: Verkürzung der REM-Latenz
(Kupfer & Reynolds 1992; Benca et al. 1992; Pflug 1987)
• Hirnfunktionelle Besonderheiten: Minderaktivität in der linken
Präfrontal-Region , den Temporalregionen und der Amygdala (Ebert &
Ebermeier 1996; Georg et al. 1998), vermehrter Binnenfokus (Northoff
et al. 2003, 2008; Grimm et al. 2011; Böker & Grimm 2012; Ernst et al.
2014, 2015)
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Biologische Marker der Depression
 Genetik und Umweltfaktoren beeinflussen während der Entwicklungsphase und im Erwachsenenleben neuronale
Funktionen und Plastizität
 Modulation immunologischer und endokriner Kaskaden
 Verknüpfung neuronaler, immunologischer und endokriner Systeme über Feedback-Regulationskreise
(Cortisol ↑, Monozyten ↑, proinflammatorische Cytokine ↑, Verminderung von 5-HT)
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Regulation der Hypothalamus-Hypophyse-NNRAchse (Nestler et al. 2002)
PVN:
Paraventriculärer Nucleus des
Hypothalamus (CRF)
Amygdala:
Exzitatorischer afferenter Input → PVN
Hippocampus:
Inhibitorischer afferenter Input → PVN
CRF/Hypothalamus: Freisetzung von ACTH (Hypophyse)
ACTH/Hypophyse:
Stimuliert Freisetzung von
Glukokortikoiden in der NNR
Glukokortikoide/
Dexamethason:
Unterdrückung der Synthese und
Freisetzung von CRF und ACTH
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Prozesshafter Charakter des Verlaufes
affektiver Störungen (Post 1992)
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I.
Auslösung durch Lebensereignisse
II.
Sensibilisierung durch Episodenhäufigkeit
(Gedächtnisspuren)
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Neuronale Mechanismen kurz- und
langfristiger synaptischer Veränderungen
infolge c-fos-Induktion (Post 1992)
TIME
M SEC. SEC-MINUTES
MESSENGERS: 1ST
2ND
MINUTES-HOURS
3RD
DAYS-MONTHS
4TH
YEARS
5TH
 Langfristige Veränderungen der Gen-Expression, durch psychosoziale Stressoren ausgelöst
 Veränderungen der Neuropeptide und neuronalen Mikrostruktur
 Räumlich-zeitliche Kaskade von Anpassungsprozessen an den Synapsen, mit kognitiven
Veränderungen einhergehend
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Die Funktion des Hippocampus bei der Vermittlung
von depressiven Verhaltensmustern
(Duman und Monteggia 2006)
Seite 28
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Die Funktion von Nervenwachstumsfaktoren in der
Pathophysiologie und/oder Behandlung der Depression
(Duman und Monteggia 2006)
Seite 29
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Depression bei Menschen: Hyperaktivität im
Ruhe-Zustand in den kortikal-subkortikalen
Mittellinie-Regionen
Alcaro et al. 2010
Seite 30
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Depression bei Menschen: Hinweise auf
Hypoaktivität im Ruhe-Zustand in
lateralen Regionen
Alcaro et al. 2010
Seite 31
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Ätiologisches Modell zur Vorhersage von
depressiven Episoden (Kendler et al. 1993)
Stichprobe: 680 Zwillinge
Reihenfolge der Prädiktoren:
1. Belastende Lebensereignisse
2. Genetische Faktoren
3. Frühere depressive Episoden
4. Neurotizismus
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Ergebnisse der Life-Event-Forschung bei Depressionen
(Paykel & Dowlatshahi 1988)
• Wesentlich mehr Life events vor Ausbruch der
Depression als bei anderen psychischen Störungen
• Trennungs- und Verlustereignisse (75%)
• Anstieg der Anzahl belastender Lebensereignisse in
den Wochen vor Beginn der Depression.
• Untergruppe (20%): keine Life events im Vorfeld
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Social-Support-Forschung
• Psychosoziale Ressourcen
• Stützfunktion sozialer Beziehungen
Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu
erkranken, ist geringer, wenn sich die
PatientInnen sozial eingebunden fühlen (Röhrle
1989)
Seite 34
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Persönlichkeit depressiv Erkrankter – empirische
Persönlichkeitsforschung
•
Häufig komorbide Persönlichkeitsstörung bei 35-65%
(Sass & Junemann, 2003; Corruble et al. 1996)
•
Erhöhtes Suizidrisiko, Ungünstige Prognose (Chronifizierung,
Rezidivrisiko) Alnaes & Torgerson (1997)
•
Kombination von Neurotizismus, lang anhaltenden, schwierigen
Lebensumständen und belastenden Lebensereignissen
(Ormel et al. 2001)
•
Vorherrschen eines ängstlichen Persönlichkeitsstils (Parker, 2000)
•
Neurotizismus, geringe emotionale Stabilität, Interpersonelle
Abhängigkeit, Aggressivität (Hirschfeld et al. 1997)
•
Persönlichkeitsfaktoren => stärkste Prädiktoren für Depressionsverlauf,
grösste Varianzaufklärung neben Symptommerkmalen
(Kronmüller & Mundt, 2000)
Seite 35
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Traumatisierung bei
chronischen Depressionen
(Nemeroff et al. 2003)
• Unter 681 chronisch depressiven Patienten
erlebten 34% Verlust eines Elternteils vor
15.Lbj.; 42% körperlichen Missbrauch; 16%
sexuellen Missbrauch; nur bei etwa 1/3 findet
sich kein Kindheitstrauma
• Effekte bei traumatisierten Pat.:
Medikament: 31% Response (HAMD -8 Pkt)
CBASP: 48% Response (HAMD -11,5 Pkt)
Kombination: 53% Response (HAMD -14 Pkt)
Seite 36
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Depressionen: Psychosomatosen der
Emotionsregulation
•
Bisher kein geschlossenes Modell der somatischen
Ätiopathogenese
•
Neurotransmitter-Dysbalance
•
Endokrinologie
•
Störung der Neuroneogenese
•
Chronobiologie
•
Hirnfunktionelle, z.T. strukturelle Störungen
•
Somatopsychische-psychosomatische Zirkularität
Seite 37
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Ein kombinierter Ansatz zur
Depressionsbehandlung auf der Basis der
Netzwerk-Hypothese (Castren 2005)
- Depression als gestörter Informationsprozess neuronaler Netzwerke
- Induktion aktivitätsabhängiger Plastizität durch Therapie
- Verbesserung der Konnektivität in den betroffenen Netzwerken
Seite 38
22.05.2015
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Depression als Psychosomatose
der Emotionsregulation
Seite
S. 39
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Zirkuläres Modell der Depressionsentstehung I
(modifiziert nach Aldenhoff 1997, Böker 2011)
„frühes Trauma“
Psychisches Trauma: z.B. Deprivation, Missbrauch
Biologisches Trauma: z.B. Virusinfektion
genetisch
unbekannt

Gemischte biologische und psychosozial bedingte Vulnerabilität

Adaption
„biologische Narbe“:
Änderung der Rezeptorstruktur der“second messenger“-Kaskade

Überempfindlichkeit für erregende Neurotransmitter

1. Latenzphase
Seite 40
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Zirkuläres Modell der Depressionsentstehung II
(modifiziert nach Aldenhoff 1997, Böker 2011)
Persönlichkeit
- „Reaktive Identität“
- ängstlich-abhängige Züge
Aktivierung durch psychologische Mechanismen:
Reale und symbolische Verluste und weitere
Beeinträchtigung der Selbstwerthomöostase
Trauer, Rollenwechsel, Rollenkonflikt
Deprivation
„Biologische Ereignisse“:
Virusinfekt
Schwangerschaft, Wochenbett
Operation, Unfall

Fehlen einer adäquaten emotional-kognitiven
Verarbeitung

2. Latenzphase

Seite 41
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Zirkuläres Modell der Depressionsentstehung III
(modifiziert nach Aldenhoff 1997, Böker 2011)
Negativ-emotional kognitive Dissoziation,
Schlafstörungen, Grübeln
„erlernte
Hilflosigkeit“

Psychobiologische Stressreaktion
CRH-overdrive, Kortisolanstieg, Zunahme von ß-Rezeptoren
Reduktion des Kalziumsignals

Depression
-
Dysbalance zwischen Stressachse, serotonergem System und Wachstumsfaktor
Aktivierung des autonomen Nervensystems
Präfrontale kortikale Dysfunktion: veränderte räumlichzeitliche Muster neuronaler Aktivität,
Verstärkung des Feedforward Processing, Verminderung des Feedback und Resonant Processing
Negative affektive Tendenz (negative affective bias)
Stimmungsabhängie Erinnerung (mood congruent recall)
Seite 42
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Circuli Vitiosi der Depression (vgl. Mentzos 1995,
Böker 2003, Böker 2011)
Anklammerung
Rückzug
- Abnahme des
Selbstwertgefühls
- Abnahme des
Selbstwertgefühls
Schuldgefühle
- Aggressive
Spannung
Arbeit
- Realexternalisierung
- Überforderung
Selbst
Partnerschaft
und
Kommunikation
- Blockierte
Kommunikation
- Spannung,
Lähmung
Seite 43
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Kognition
Körper
Psychomotorik
- Verzerrte Körperwahrnehmung
- Subjektiv als
adäquate
Ausdrucksgebung
erlebt: Fixierung
der Depression
- Innenfokus
- Dysfunktionale
Kognition
- Selektive Wahrnehmung:
Kodierung und
Bewertung
Psychosomatische
Zirkularität
- Zunahme der
Blockade
- Autonomes Mitschwingen neuronaler Systeme
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Psychotherapie der
Depression
Seite 44
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Relevante Dimensionen für die
Bestimmung des Arbeitsfeldes
der Psychotherapie bei
depressiv Erkrankten
- Lebensereignisse (aktuelle, chronische)
- Persönlichkeit
- Negative affektive Tendenz
- Traumatisierung
- Psychosoziale Ressourcen
Seite 45
22.05.2015
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Selbst und Körper in der Depression: Therapeutische Zugangswege
Psychodynamische
Psychotherapie
Rückzug
Ergotherapie
Schuldgefühle
Anklammerung
CBASP
Sozialarbeit
Arbeit
Berufliche
Rehabilitation
Selbst
Körper
Kognition
Kognitiv-behaviorale
Therapie
Verhaltenstherapie
Partnerschaft
und
Kommunikation
Psychomotorik
Psychosomatische
Zirkularität
Somatische Therapie
Pharmakotherapie
Lichttherapie
Paar- und
Familientherapie
Körpertherapie
Schlafentzugstherapie
EKT / VNS / DBS
Seite 46
22.05.2015
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S3-/NVL-Leitlinie "Unipolare Depression"
Psychotherapie (PT)
• Bei leichten bis mittelgradigen Episoden ist
PT gleichwertig zur Therapie mit AD (Grad A)
• Bei akuten schweren Episoden sollte eine
Kombinationsbehandlung erfolgen (Grad A)
• Bei Dysthymie, Double Depression und
chronischer Depression ist die
Kombinationsbehandlung einer
Monotherapie überlegen (Grad A)
Seite 47
22.05.2015
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Ziele der Psychotherapie:
Die Teufelskreise der Depression
 Tendenz
Depressiver, sich selbst in Frage zu stellen
und sich hilflos ausgeliefert zu fühlen
 Circuli vitiosi der Depression:
- Intrapsychische: Selbstwertgefühl, Schuldgefühl
- Kognitive: Dysfunktionale kognitive Schemata
- Sozial-kommunikative: Blockierte Kommunikation, Konflikte in
Partnerschaft und Familie
- Somatopsychisch-psychosomatische: Hemmungsphänomen,
medikamentöse Behandlung
Seite 48
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Ziele der Psychotherapie:
Die Teufelskreise der Depression
Gestuftes therapeutisches Vorgehen (ausgehend von
momentanen depressiven Blockaden)
- Gestufte Aktivierung im verhaltenstherapeutischen Ansatz
- Negative Sicht der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft
(Kognitive PT; Beck 1976, Hautzinger 2003)
- Zusammenhang zwischen aktueller Gefühlslage und
Beziehungsnetz (Interpersonelle PT; Klermann et al. 1984,
Schramm 1996)
- Information über depressive Erkrankungen (Psychoedukative
Elemente)
- Bearbeitung konflikthafter, teilweise unbewusster Konstellationen,
die von lebensgeschichtlicher Bedeutung sind und sich in der
aktuellen Begegnung zwischen Patienten und Therapeuten
abbilden (Psychodynamisch orientierte Psychotherapie)
Seite 49
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Grundmerkmale erfolgreicher
Psychotherapien bei Depressionen
IPT
STPP
Problemorientierung
Strukturiertheit,
Zielorientiert
Gegenwartsorientierung
Erklärungen, Information
Professionalität,
aktiver Therapeut
Kooperation
Fertigkeiten orientiert
Neulernen, Kompetenzen,
Übungen
Seite 50
22.05.2015
Problemfokussiert
Strukturiertheit, Direktivität
Gegenwartsnähe
Erklärungen, Information
Professionalität
aktiver Therapeut
Arbeitsbündnis
Motivationale Klärung:
Förderung von Introspektion und Selbstreflektionsfähigkeit
KVT
Problemorientierung
Strukturiertheit, Direktivität
Zielorientiert
Gegenwart, Alltagsnähe
Transparenz, Erklärungen
Akzeptanz, Professionalität
Interessierter, aktiver Th.
Kooperation, Arbeitsbündnis
Fertigkeiten orientiert,
Neulernen, Übungen
Rückmeldungen,
Zusammenfassungen
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Top-down- und Bottom-upEffekte als Funktion
therapeutischer Interventionen
Seite 51
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Top-down- und Bottom-up-Effekte:
Änderungen des regionalen Glucose-Metabolismus (PET) bei erfolgreicher
Behandlung mittels KVT und Paroxetin
Behandlungsreaktion nach KVT: Zunahme
des Metabolismus im Hippocampus und
dorsalen Cingulum (BA 24), Abnahme im
dorsalen (BA 9/46), ventralen (BA 47/11) und
medialen (BA 9/10/11) frontalen Cortex
Behandlungsreaktion unter Paroxetin:
Präfrontale Zunahme, Abnahme im
Hippocampus und subgenualen Cingulum
Fazit: Therapiespezifische, inverse
Effekte (KVT: Zunahme im
Hippocampus, Abnahme im
frontalen Cortex; Paroxetin:
Hippocampale Abnahme, frontale
Zunahme)
KVT → Top-down-Effekte
Paroxetin → Bottom-up-Effekte
Seite 52
22.05.2015
Goldapple, K. et al. Arch Gen Psychiatry 2004;61:34-41.
Zunahme des Metabolismus: orange; Abnahme: blau
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Limbisch-kortikale Netzwerke bei Major
Depression: Gruppenmerkmale als Funktion
therapeutischer Interventionen
(Seminowicz et al. 2004)
Antidepressiva-Responder:
-
Aktivierung limbisch-kortikaler Netzwerke (LPFC - subgenuales
Cingulum - OMPFC - Hippocampus), im Unterschied zu NonRespondern
Antidepressiva-Non-Responder:
-
Zusätzliche Störungen limbisch-kortikaler Netzwerke
(ant. Thalamus – AC – subgenuales Cingulum – OMPFC –
Hippocampus)
CBT-Responder:
-
→
→
Seite 53
Aktivierung umgrenzter limbisch-kortikaler (Hippocampus – LPFC)
und kortikal-kortikaler (OMPFC, OF 11 - mF 10) Netzwerke
Charakterisierung depressiver Phänotypen auf neuronaler
Systemebene
Neuronal basierte Algorhythmen für individuelle Behandlung
Depressiver?
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Funktionelle cerebrale Korrelate der Response und
des verzögerten Wirkungseintritts bei
Antidepressiva (Mayberg et al. 2000)
 Response
 Nicht blosse „Korrektur“ der „pre-treatment abnormalities“, sondern komplexer
Adaptationsprozess inkl. Normalisierung des kortikalen Hypometabolismus und
Veränderungen in spezifischen subkortikalen und paralimbischen Regionen, in denen
zuvor keine metabolischen Auffälligkeiten bestanden
 Limbisch-striatale Abnahme des Glucose-Metabolismus: Subgenuales Cingulum, Hippocampus,
Insula, Pallidum
 Dorsale kortikale Zunahme (PFC, parietal, anteriores/posteriores Cingulum
 Zunahme des Glucose-Metabolismus im Hirnstamm
 Verzögerter Wirkungseintritt
 Fehlende Veränderungen des cerebralen Glucose-Metabolismus im Bereich des subgenualen
Cingulums und des PFC
 Persistenz des 1-Woche-Musters (subkortikale Abnahme, Zunahme im Hirnstamm und limbischparalimbischen Regionen)
 Fehlende Modifikation und Adaptation der frühen metabolischen Veränderungen im weiteren Verlauf
(Woche 6)
Seite 54
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Normalisierung somatischer Funktionen bei
depressiv Erkrankten durch Psychotherapie
• Ca-Dynamik (Aktivierung der intrazellulären
Signaltransduktion; Aldenhoff 2000)
• Kortisolspiegel (Aldenhoff et al. 1997)
• Schilddrüsenhormonspiegel /T-4 (Joffe et al. 1996)
• Schlafarchitektur (Thase et al. 1998)
• Serotonin-Wiederaufnahme (STPP; Viinamäki et al. 1998)
• Hirnaktivierung im DLPFC (Davidson et al. 2002; Drevets
1998; Mayberg et al. 1999)
• Normalisierung des Glucose-Metabolismus
(Goldapple 2004)
• Serotonin-Transporter-Dichte (Mittelhirn) bei atypischer
Depression (Lehto et al. 2008)
• Modulation neuronaler Aktivitätsmuster in den limbisch-frontalen
Netzwerken (Buchheim et al. 2012)
Seite 55
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Mögliche Wirkkomponenten von
Psychotherapie bei Depressionen
• Gestuftes, nicht überforderndes Vorgehen
• Information zum Krankheitsbild, Begründung liefern zu
Entstehungs- und Bedingungsfaktoren
• Ziele konkret formulieren
• Plan, Struktur der Behandlung transparent machen
• Aktuelle Probleme lösen bzw. bewältigen
• Anwendung des Erarbeiteten außerhalb der Therapie
• „Aktive“ Therapeuten
• Bearbeitung der Konflikthaftigkeit, des negativen Selbstbildes und
der negativen kognitiven Schemata
• Neue Beziehungserfahrungen
Seite 56
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Ergebnisse der Psychotherapieforschung bei
depressiv Erkrankten
• National Institute of Mental Health (NIMH, Elkin et al. 1985,
1989):
• Leichte bis mittelschwere Depression: Kognitive Therapie (KT)
und Interpersonelle Therapie (IPT) und Imipramin gleich
wirksam
• Schwere Depression: KT und IPT bedeutend wirksamer als
Placebo, weniger wirksam als Antidepressivum
• NIMH-18-Monats-Katamnese (Shea et al. 1992):
KT und IPT langfristig bessere Effekte (75% ohne Rezidive;
Pharmakotherapie: 50% ohne Rezidive)
• De Rubeis et al. (2005): Bei mittelschwerer und schwerer
Depression kein Unterschied zwischen KVT und AD (nach 16wöchiger Behandlung)
Seite 57
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Metaanalyse naturalistischer
Katamnesestudien
(Gloguen et al. 1998)
• 78 kontrollierte Studien
• Grössere rezidivprophylaktische Wirksamkeit der
kognitiven Therapie im Vergleich mit thymoleptischer
Monotherapie über einen Zeitraum von 1-2 Jahren
• Rezidivrate der ausschliesslich medikamentös
behandelten depressiv Erkrankten doppelt so hoch
(60%) wie die der mit KVT allein oder in Verbindung mit
Antidepressiva behandelten (29%)
• KVT hochsignifikant AD, IPT, STPP überlegen
• Keine Aussagen möglich über Nachhaltigkeit der
Besserungseffekte (nach 16 Wochen)
Seite 58
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Wirksamkeit medikamentöser und
psychotherapeutischer Interventionen:
Monotherapie oder Kombinationstherapie
(AD + KVT) depressiv Erkrankter ?
Keine kurzfristigen Unterschiede
zwischen Monotherapie (mit AD
oder KVT) und Kombinationstherapie:
- Mc Lean et al. (1991)
- Hollon et al. (1992)
- Hautzinger & de Jong-Meyer
(1996)
- Gloguen et al. (1998)
- Lewinsohn & Clarke (1999)
Kombinationstherapie (VT + AD)
wirksamer:
- Thase et al. (1997)
- Keller et al. (2000)
Seite 59
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Ansprechen auf kognitive Verhaltenstherapie (CBASP) vs.
Pharmakotherapie bei chronisch Depressiven hängt von
Kindheitstrauma * ab (N = 681)
Seite 60
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Vergleich der Wirksamkeit von Nefazodon,
CBASP und Kombinationstherapie bei
chronischer Depression (HAMD-Mittelwerte im 12Wochen-Verlauf, Keller et al. 2000)
Seite 61
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Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Kombinationstherapie (AD + KVT) bei
Residualsymptomatik
(Paykel et al. 1999, Teasdale et al. 2001)
158 Patienten (MDD doch nur teilremittiert seit Monaten trotz
angemessener Pharmakotherapie)
* 80 Pat. erhielten zusätzlich KVT (16+2 Sitzungen)
* 78 Pat. wurden unverändert psychiatrisch weiterbehandelt (KG)
Über 1 J. Nachuntersuchung zeigte sich:
KVT
KG
23 (29%) Rückfälle, unveränderte Symptomatik
35 (45%) Rückfälle, unveränderte Symptomatik
KVT
KG
71% Remission und kein Rezidiv
55% Remission und kein Rezidiv
Sign. Differenz!
• Kombinationstherapie im 1-J.-Verlauf wirksamer
Seite 62
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
KVT zur Rückfallverhinderung bei
Recurrent Depression
(Fava et al. 2004)
KVT+TAU (N=20)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
0
12
24
CM+TAU (N=20)
36
48
60
72
• Kombinationstherapie (KVT +TAU) ist im 6-J.-Verlauf deutlich überlegen
im Vergleich mit Kontrollgruppe (CM + TAU)
Seite 63
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Monate
Interpersonelle Psychotherapie (IPT)
depressiv Erkrankter I
- IPT ist unspezifischen psychotherapeutischen Interventionen
überlegen
Weissmann et al.
1979
- Major Depression: IPT der Placeboabgabe überlegen und
Pharmakotherapie fast gleichwertig; gleich wirksam wie KVT
in der Akutbehandlung
NIMH-Studie, Elkin
et al. 1994
- Kombination von IPT und medikamentöser Therapie erzielte
eine bessere rezidivprophylaktische Wirkung als Imipramin
allein
Frank et al. 1991
- 18-Monats-Katamnese: Keine der Behandlungsmethoden
genügte, um eine Remission länger als 18 Monate
aufrechtzuerhalten
NIMH-Studie, Shea
et al. 1992
- Dysthymien: Modifizierte IPT (Fokus auf chronische affektabhängige Symptome) führt zu signifikanter Verbesserung
Markowitz 1994
Seite 64
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Interpersonelle Psychotherapie (IPT)
depressiv Erkrankter II
- Kein Unterschied zwischen IPT und AD.
IPT-Monotherapie und Kombination (mit Amitryptilin):
Höheres soziales Funktionsniveau
- Gleich wirksam wie KVT in der Akutbehandlung
Reynolds et al.
1996
Basler-Jorgensen
et al. (1998)
- Stationäre Depressionsbehandlung: Hinweise auf
längerfristige Behandlungserfolge durch Kombination IPT +
Serotonin vs. Clinical Management + Serotonin
Schramm et al.
2002
- Gleich wirksam wie AD (Akut- und Erhaltungstherapie,
Rezidivprophylaxe)
Feijo de Mello et al.
2004
- IPT ist gleich wirksam wie AD, wirksamer als KBT,
Kombinationstherapie (+ AD) nicht überlegen
Feijo de Mello et al.
2006
Seite 65
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Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Psychodynamische Kurzzeitpsychotherapie (STPP)
im Vergleich mit Pharmakatherapie I
 Kombinationstherapie ist Pharmako-Mono-Therapie überlegen: Symptombesserung, Remissionsrate, psychosoziale
Anpassung, krankheitsbedingte Fehltage
Burnand et al.
(2002)
 Kombinationsbehandlung ist Pharmako-Monotherapie
überlegen (6-Mon.-Remission: 59,2% / 40,7%)
 Geringere Drop-out-Rate: 22% / 40%
De Jonghe et
al. (2004)
 Short Psychodynamic Supportive Psychotherapy (SPSP)
gleich wirksam wie AD; Kombinationstherapie (SPSP + AD)
wirksamer als AD
de Maat et al.
(2007)

Maina et al.
(2004)
Kombinationstherapie (STPP + AD) wirksamer als
Supportive Therapie + AD
 Gleiche Wirksamkeit von Kombinationstherapie (STPP + AD)
und medikamentöser Monotherapie nach 6 Monaten
 nach 2 Jahren: tiefere Rückfallrate bei Kombinationsbehandlung
Seite 66
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Maina et al.
(2008)
Psychodynamische Kurzzeitpsychotherapie (STPP)
im Vergleich mit Pharmakatherapie II
 Hinsichtlich Symptomreduktion sowie Verbesserung Funktionsniveau beide Therapien gleich wirksam bei milder
und mittelschwerer Depression
 Remissionsrate im 4-Mt.-Follow-up: 57% (STPP); 68% (AD)
Salminen et al.
(2008)
 Interpersonelle Beziehungen unter Kombinationstherapie
deutlicher verbessert als unter Pharmakamonotherapie
Molenaar et al.
(2007)
 nach 4 Wochen: AD wirksamer
nach 8 Wochen: gleiche Wirksamkeit (AD-Mono + STPP-Mono)
Decker et al.
(2008)

Kool et al.
(2007)
Kombinationsbehandlung (STPP + AD) bei Patienten mit
komorbider Persönlichkeitstörung wirksamer als ADMonotherapie
Seite 67
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Zusammenfassung der Ergebnisse zum
Vergleich AD – Psychotherapie
• Leichte bis mittelgradige Störungen: Untersuchte PTVerfahren im Vergleich mit medikamentöser Therapie
gleichwertig
• Höherer Schweregrad: Tendenz, dass Kombinationsbehandlungen statistisch überlegen sind
• Nettoeffekte: Berücksichtigung von
Spontanremission/Plazeboeffekt und Abbruchraten)
• Langzeitverlauf: Kombinationsbehandlung ist
medikamentöser Monotherapie überlegen
• Komorbide Persönlichkeitsstörungen:
Kombinationstherapie im Vergleich mit AD-Monotherapie
wirksamer
Seite 68
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Fazit zu Kurzzeit-Psychotherapiestudien
• Psychodynamische Kurzzeittherapien sind gleich effektiv wie
andere Psychotherapiemethoden
• Eine grosse Anzahl Patienten remittiert während
Kurzzeittherapien nicht
• Problematik:
– Rückfallhäufigkeit und Chronfizierung depressiver Störungen
– häufige Komorbidität
– Fehlende Identifikation möglicher Prädiktoren für den
Therapieverlauf
Seite 69
22.05.2015
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Depressionsbehandlung
- Empirische Wirksamkeitsstudien - Zusammenfassung der bisherigen Datenlage I • Psychotherapeutische Behandlungsverfahren, die speziell auf
die Therapie der Depression abgestimmt sind (KVT, IPT, STPP),
sind gleich wirksam wie AD (De Rubeis et al. 1999, Hollon et al.
2002, Leichsenring et al. 2004)
• Remission bei 50% (und mehr) am Ende der Behandlung
(Churchill et al. 2002)
• Bedeutung Methoden-unspezifischer Faktoren (therapeutische
Beziehung ) und des natürlichen Depressionsverlaufs
• Keine Wirksamkeitsunterschiede zwischen
störungsspezifischen Therapieverfahren (Wampold et al. 2002)
Seite 70
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Depressionsbehandlung
- Empirische Wirksamkeitsstudien - Zusammenfassung der bisherigen Datenlage II • Leichte bis mittelgradige Störungen:
Untersuchte PT-Verfahren im Vergleich mit medikamentöser
Therapie gleichwertig
• Höherer Schweregrad:
Tendenz, dass Kombinations-behandlungen statistisch
überlegen sind
• Langzeitverlauf:
PT und/oder Kombinationsbehandlung ist medikamentöser
Monotherapie überlegen
Seite 71
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Fazit: Langzeitpsychotherapie
• Wirksamkeit!
• Nachhaltigkeit!
• Reduktion der Rezidivrate
• Günstiges Kosten-Nutzenverhältnis
• Die Behandlung schwerer komorbider
depressiver Erkrankung benötigt Zeit!
Seite 72
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
What works for whom?
 Bisher keine Differenzialindikation zwischen
einzelnen PT-Verfahren möglich
 Pragmatische Indikationsregeln
 Berücksichtigung von State-Variablen:
Schweregrad, kognitive Störungen
 Berücksichtigung von Trait-Variablen:
Persönlichkeit, Traumatisierung
Seite 73
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Indikationskriterien
Psychodynamische Psychotherapie
affektiver Störungen
Leidensdruck:
Hoher Leidensdruck
→
Setting B (mittlere Sitzungsfrequenz, i.d.R. 1 Wochenstunde)
Niedriger Leidensdruck
→ Setting A (niedrige Sitzungsfrequenz)
Motivation:
Grundsätzliche Voraussetzung
→
abklären
→
evtl. fördern
Introspektionsfähigkeit:
Hohe Introspektionsfähigkeit
→ Setting B (mit Fokus auf den aktuellen Konflikten)
Weitergehende Bearbeitung depressionsfördernder
intrapsychischer und interaktioneller Mechanismen
→ Setting C (höhere Sitzungsfrequenz)
Seite 74
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Indikationskriterien
Psychodynamische Psychotherapie
affektiver Störungen
Schwere und Dauer der Erkrankung:
Langjähriger Krankheitsverlauf, hohe Rezidivrate,
Chronifizierung, erhebliche psychosoziale Einbussen
→
Setting A (bzw. Erhaltungspsychotherapie) oder
→ Setting D (Gruppentherapie)
Persönlicheitsstruktur:
Strukturdiagnose (vgl. Mundt, 1996)
Typus Melancholicus-Struktur
→ Eher zurückhaltende Indikationsstellung (Circulus vitiosus aus
„Sollensdruck“ und Eingesperrtsein in Pflichtsituation)
→ Narzisstische Struktur
→ Depressive Struktur (i.S. neurotischer Depression)
Seite 75
22.05.2015
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Psychodynamisch orientierte Psychotherapie
affektiver Störungen
Setting A:
Seite 76
22.05.2015
-
Niedrige Sitzungsfrequenz (z.B. Abstände von
zwei bis vier Wochen über viele Jahre
-
Kurze Sitzungsdauer (z. B. 20-30 Minuten)
Konstant akzeptierende, therapeutische Haltung
(trägt zu der neuen Erfahrung schuldfreier
Autonomie und einer schamfreien Bindung an
das Objekt bei)
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Psychodynamisch orientierte Psychotherapie
affektiver Störungen
Setting B:
-
Mittlere Sitzungsfrequenz (zumeist eine
Wochenstunde)
-
Inhaltlicher Schwerpunkt: Aktuelle Konflikte
-
Seite 77
22.05.2015
(z. B. Partnerschaft, Beruf)
Zunächst keine, später gelegentliche Deutung
der Übertragung und Rekonstruktionen
Zur therapeutischen Haltung: Das ambivalente
Introjekt ist in der Reflektion des Therapeuten
von grosser Bedeutung
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Psychodynamisch orientierte Psychotherapie
affektiver Störungen
Setting C:
Seite 78
22.05.2015
-
Höhere Sitzungsfrequenz (zwei bis drei
Wochenstunden)
-
Deutung der Übertragungsbeziehung
Evidenzerleben des Patienten (die
Wertschätzung des Objektes bleibt auch trotz
spürbar gewordener Aggression und
Abgrenzung erhalten)
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Psychodynamisch orientierte Psychotherapie
affektiver Störungen
Setting D:
-
Ambulante Gruppenpsychotherapie (eineinhalb
Wochenstunden)
-
Bewältigung und Prophylaxe der Erkrankung
bei
langen Krankheitsverläufen (psychoedukative Elemente)
Steigerung der sozialen Kompetenz im
interaktionellen Erfahrungsaustausch
Multilaterale Übertragungen: Erfahrung und
Auflösung sozialer Circuli vitiosi in der
aktuellen Gruppensituation
Schrittweise Bearbeitung des ambivalenten
Wunsches nach dem Ideal-Objekt
-
Seite 79
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Erhaltungspsychotherapie bei
depressiv Erkrankten
Indikationen zu einer langfristigen niederfrequenten Psychotherapie
(Schauenburg, Clarkin 2003)
•
Erhebliche Restsymptomatik zu Therapieende (z. B. Schlafstörungen)
•
Zurückliegende rasche Rückfälle nach Therapieende
•
Mehr als drei eindeutige vorherige Episoden
•
Erste Episode sehr schwer und vor dem 20. Lebensjahr
•
Ausgeprägte Persönlichkeitsstörung
•
Ausgeprägte (v. a. soziale) Ängstlichkeit und Scham
•
Soziale Isolierung
•
Belastende Lebensumstände (Armut, Alleinerziehenden-Status,
Gewalt, Krankheit etc.)
•
Ausdrücklicher Wunsch des Patienten!
Seite 80
22.05.2015
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Angsterkrankungen und Psychotherapie
Perspektiven einer
neuropsychodynamischen
Psychiatrie in der
Depressionsbehandlung und
Depressionsforschung
Seite 81
22.05.2015
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Neuropsychodynamische Psychiatrie
 Neurobiologischer Kontext
• Gabbard (2005): «Die Domäne des Geistes und die Domäne des
Gehirns sprechen verschiedene Sprachen. Der moderne dynamische
Psychiater sollte zweisprachig sein – er muss sowohl die Sprache des
Gehirns als auch die Sprache des Geistes beherrschen, um dem
Patienten eine optimale Behandlung zukommen zu lassen»
Seite 82
22.05.2015
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Neuropsychodynamische Psychiatrie
 Definition
• Neuropsychodynamische Psychiatrie ist ein diagnostischer und
therapeutischer Ansatz und ein wissenschaftliches Modell, das im
Hinblick auf die Erklärung, das Verstehen, die Erforschung, die
Diagnostik und Behandlung psychopathologischer Phänomene
unbewusste Konflikte und Dilemmata und Verzerrungen der
intrapsychischen Strukturen und der verinnerlichten
Objektbeziehungen umfasst, auf die Funktionalität und
Dysfunktionalität psychischer und neuraler Mechanismen fokussiert
und diese Elemente im Zusammenhang mit den neuesten
Erkenntnissen der Neurowissenschaften integriert.
Seite 83
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Depression: Abnorme reziproke Modulation
zwischen VMPFC/ACC und linkem und rechten
DLPFC
VMPFC
Hyperaktivität:
Negative emotionale
Wahrnehmung
Linker DLPFC
Hypofunktion:
Negative
Kognitionen
Northoff et al. 2004
Böker u. Northoff 2005
Northoff und Böker 2007
Seite 84
22.05.2015
Rechter DLPFC
Hyperfunktion:
Aufmerksamkeit/Erwartung
negativer Emotionen
Schwere der Depression
(BDI, HAMD) korreliert mit
Aktivierung in der rechten
Amygdala und im VMPFC
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Psychiatry Research, 141(1):1-13, 2006
Desymbolisierung in der schweren
Depression und das Problem der Hemmung
(Böker, Northoff 2005, 2010)
 Depression = Nicht mehr zu
unterdrückender Schmerz
über den Selbstverlust
(A. Miller)
Seite 85
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Ein neuropsychoanalytisches Modell
der Störung des emotionalen
Selbstbezuges Depressiver
Northoff, Böker (2002) Neuro-Psychoanalysis
Böker, Northoff (2005) Psyche
Northoff, Böker (2007) Psychother Psychosom
Böker, Northoff (2010) Psyche
ACHTUNG: BAUSTELLE!
Seite 86
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Ein neuropsychoanalytisches Modell der Störung
des emotionalen Selbstbezuges Depressiver
 Fokus der psychoanalytischen Sichtweise:
•
•
•
•
•
Zustand des Selbst
Art und Weise der gelebten Erfahrung
Auf welche Weise sind Erfahrungen enkodiert und symbolisiert?
Vorherrschende Emotionen
Abwehr- und Bewältigungsmechanismen
 Voraussetzungen: Abwehr- und Bewältigungsmechanismen setzen als
komplexe emotional-kognitive Interaktionen eine neuronale Integration
(zwischen verschiedenen Hirnregionen, funktionale Konnektivität) voraus
 4 Prinzipien der neuronalen Integration, die mit spezifischen
Abwehrmechanismen assoziiert werden können
1)
2)
3)
4)
Seite 87
Top-down-Modulation und Somatisierung
Reziproke Modulation und Introjektion
Modulation durch funktionelle Einheit und sensori-motorische Regression
Erhöhtes processing der internen körperlichen Stimuli/Verminderung der
emotionalen Stimuli und Ich-Hemmung
22.05.2015
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Zentrum für Depressionen,
Angsterkrankungen und Psychotherapie
Selbst-referentielles Processing
und Ich-Hemmung
 Selbst-referentielle Stimuli (sensorisch, emotional, kognitiv):
• Bezugsetzung zur eigenen Person
• Voraussetzung für die Bildung eines Konzeptes des eigenen Selbst:
Mentales, phänomenales Selbst als Subjekt des Erlebens (Damasio
1999, Panksepp 1998, Northoff, Böker 2004)
 Ich-Hemmung (bei Depressiven):
• Erhöhtes Processing der internen körperlichen Stimuli
• Vermindertes Processing der emotionalen Stimuli
• Dysbalance interner körperlicher und emotionaler Stimuli:
• Verstärktes Körpererleben
• Emotionale Hemmung schlägt um in eine Ich-Leere und IchHemmung
• Zusammenhang mit Dysfunktion der kortikalen Mittellinie-Strukturen
(CMS): Störung des Zusammenspiels der CMS als funktionelle
Einheit
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Bottom-up- und Top-down-Modulation und Somatisierung:
Reziproke Anpassung zwischen emotionaler Verarbeitung und der
Verarbeitung interner Körperfunktionen
Prozessing der emotionalen Stimuli:
Top-down Modulation
Prozessing der körperlichen Stimuli:
Bottom-up Modulation
Somatisierung: Vorherrschen der internen Körperverarbeitung gegenüber
emotionaler Verarbeitung
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Reziproke Modulation und Verminderung: Introjektion
Emotionale Aufgabe:
Erleben
Kognitive Aufgabe:
Beurteilung
A. ‘Reziproke Modulation’
Introjektion:
• Störungen der emotionalkognitiven Neuanpassung
• Erleben der Aussenwelt wird
in Erleben des inneren Selbst
umgewandelt (Innenfokus)
B. ‘Reziproke Verminderung’
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Emotional-kognitive Interaktion
Entwicklung funktioneller Einheiten im
Zeitverlauf: Modulation durch Umkehr
Unerwartetes emotionales Urteil
Erwartetes emotionales Urteil
Aufmerksamkeit
• Kortikale Mittellinienstrukturen (CMS): Kontinuierlich hohes Niveau
neuronaler Aktivität auch unter Ruhebedingungen
• Zunahme der funktionellen Konnektivität zwischen anterioren und
posterioren Regionen im Ruhestand
• Abnahme bei aktiven kognitiven Aufgaben
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Modulation durch funktionelle Einheit
und Sensori-motorische Regression
• Störungen der funktionellen Konnektivität zwischen orbitofrontalem
Cortex, medialem präfrontalem und prämotorischem/motorischem Cortex
bei ehemals Stuporösen
• Umwandlung emotionaler in motorische Symptome
• Symptomatische Überlappung von Stupor und Konversion
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Selbst-referentielles Processing
und Ich-Hemmung
 Selbst-referentielle Stimuli (sensorisch, emotional, kognitiv):
• Bezugsetzung zur eigenen Person
• Voraussetzung für die Bildung eines Konzeptes des eigenen Selbst:
Mentales, phänomenales Selbst als Subjekt des Erlebens (Damasio
1999, Panksepp 1998, Northoff, Böker 2004)
 Ich-Hemmung (bei Depressiven):
• Erhöhtes Processing der internen körperlichen Stimuli
• Vermindertes Processing der emotionalen Stimuli
• Dysbalance interner körperlicher und emotionaler Stimuli:
• Verstärktes Körpererleben
• Emotionale Hemmung schlägt um in eine Ich-Leere und IchHemmung
• Zusammenhang mit Dysfunktion der kortikalen Mittellinie-Strukturen
(CMS): Störung des Zusammenspiels der CMS als funktionelle
Einheit
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Dreidimensionale Diagnostik psychischer Störungen im
neuropsychodynamischen Kontext
A. Neuronale Prozessierung in
Netzwerken und Regionen
und ihre Beziehung zueinander
B. Balance zwischen
extrinsischen Stimuli
und intrinsischen
Aktivitäten und ihrer
räumlich-zeitlichen
Struktur
C. Intrinsische
Aktivität mit ihrer
räumlich-zeitlichen
Struktur inkl. ihrer
Balance zwischen
Selbst- und
Objektspezifität
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Northoff und Böker,
2015
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse und
psychotherapeutische Haltung
• Depression
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•
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Dysfunktion der kortikalen Mittellinie-Strukturen (CMS)
Erhöhtes Arousal (Hyperaktivität CMS)
Hypoaktivität DLPFC
Störung des selbstreferentiellen Bezuges
Verstärktes Körpererleben
Therapie:
• Berücksichtigung von State-Variablen
• Längerer Verlauf: Berücksichtigung von Trait-Variablen
• Neuropsychodynamische PT:
• Phasentypischer, stufenweise angepasster Fokus
• Beginn:
• Containment
• Berücksichtigung der Angst und Agitation
• Verlauf:
• Zunehmende Fokussierung auf konflikthafte Formen der
Selbstwertregulation und Beziehungserwartung
• Psychotherapeutische Erhaltungsstrategien im Langzeitverlauf
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Neuropsychodynamisch
orientierte Psychotherapie
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Neuropsychodynamische Perspektiven in
der Depressionsbehandlung
und -forschung
• Neuropsychodynamische Psychiatrie ist zweisprachig:
Sprache des Gehirns, Sprache des Geistes
• Trägt zur Überwindung fest verankerter Dichotomien in
der Begegnung mit somatopsychischenpsychosomatischen Phänomenen bei
• Schärft den Blick für die Bedeutung der
Emotionsregulation, des emotionalen Arousals und die
Bedeutung der therapeutischen Beziehung im
Akutstadium und im Langzeitverlauf bei affektiven und
psychotischen Störungen
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Zusammenfassung I
• Zirkuläre Verknüpfung der Wirk-und Auslösefaktoren
der Depression (biologische Disposition,
Persönlichkeit, lebensgeschichtliche Erfahrungen,
aktuelle Belastungen): Mehrdimensionale Therapie
• Indikationsstellung: Individuumorientiert
(Persönlichkeitsstruktur, Traumatisierung)
• Synergistische Effekte von Pharmakotherapie und
Psychotherapie: Top-down und Bottom-up
• Psychotherapeutisches Verfahren, die speziell auf die
Therapie der Depression abgestimmt sind (KVT, IPT,
STPP): Kein Wirksamkeitsunterschied
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Zusammenfassung II
• Psychodynamische Psychotherapie trägt zu einer adäquaten
Behandlung depressiv Erkrankter bei, bei denen eine
persönlichkeitsstrukturell verankerte Dynamik intrapsychischer
und/oder interpersoneller Konflikte zur Auslösung depressiver
Episoden und zur Chronifizierung des Krankheitsgeschehens
beiträgt
• Abgestufter Einsatz unterschiedlicher therapeutischer
Interventionen unter Berücksichtigung von Trait- und StateVariablen!
• Bedeutung der therapeutischen Beziehung
• Zeitfaktor, Netzwerkdynamik und Gen-Expression: Ausreichend
lange Dauer der Behandlung!
• Weiterentwicklung der Differentialindikation auf der Grundlage
funktionaler Subtypen
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Schlussüberlegungen…
• Pharmakotherapie und Psychotherapie bei
Depressionen benützen verschiedene Methoden, um
zum Behandlungserfolg zu kommen
• Besserung erfolgt über verschiedene Mediatoren und
Wege
• Letztlich bewirken unterschiedliche Zugänge jedoch
identische psychobiologische Veränderungen
• Die Wirkmechanismen sind bislang unklar…
• Carry-over-Effekte von Psychotherapie: Nachhaltigkeit,
Verringerung der Rezidivraten
• Bedeutung einer mehrstufigen Therapieevaluation!
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Böker H., Hartwich P., Northoff G. (Hrsg.)
Neuropsychodynamische Psychiatrie
Unter Mitarbeit von:
• Michael Dümpelmann
• Theo Piegler
• Manfred Wolfersdorf
• Holger Himmighoffen
• Heinz Weiss
Springer, Heidelberg
Erscheint: Herbst 2015
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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