Oftmals hört man sie schon von weitem, die schweren Maschinen

Text: Theres Misar
Fotos: Wohlwend und Co.
Holz
r ü c k e n
Oftmals hört man sie schon von weitem, die schweren Maschinen bei ihrer täglichen Arbeit in den Schweizer Wäldern. Doch es gibt auch heute noch Orte und Situationen, die den Einsatz von «Rückepferden»
erfordern. Und dabei handelt es sich eindeutig nicht um nostalgische Versuche, diese Art der Holzbringung
aus der Vergangenheit zu reanimieren.
R
ückepferde gelangen immer
dann zum Einsatz, wenn
Baumstämme aus schwierigem Waldgelände geholt werden müssen. Hierbei kann es
entweder von der Topografie erforderlich
sein, da gewisse Waldgebiete und Regionen für Traktoren und schweres Gerät
schlicht unzugänglich sind. Oder aber
man setzt aus ökologischen Überlegungen
auf den Einsatz «natürlicher Pferdestärken», damit der Boden geschont wird und
50
das sensible Gleichgewicht des Waldes intakt bleibt. Daher sind Werner Wohlwend
aus S-chanf im Engadin oder Jürg Schenk
aus dem luzernischen Buttisholz – Züchter
und Ausbildner speziell geeigneter Rückepferde – auch nicht als «Nostalgiker» oder
«Ewiggestrige» zu bezeichnen, nur weil sie
sich der Arbeit im Wald mit dem Pferd verschrieben haben.
«Es muss Sinn machen, und das Pferd
braucht den Vergleich mit den Maschinen
nicht zu scheuen», sagt Revierförster Jon
Pa s s i o n w i n t e r 2 0 1 2
Andri Bisaz aus Celerina. «In Gelände mit
dichtem Baumbestand, kluftigem Boden
oder Wassergräben sind die Pferde deutlich effektiver. Es gibt aber auch Wälder, in
denen der Traktor die bessere Alternative
darstellt.» Zudem fände generell in der
Forstwirtschaft ein Umdenken statt und
die Vorteile der Pferde würden zunehmend wiederentdeckt. Entsprechend sei
das Holzrücken mit Pferden heute bereits
wieder Bestandteil in der Ausbildung
Forstwartlernender.
Mango freut sich auf seine Arbeit im Winterwald und strotzt vor Kraft, Motivation und
Energie.
Die besten Rassen
Welche Pferderassen sind denn nun für
diese Arbeit besonders geeignet? Lassen
wir da die beiden Experten sprechen:
«Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob
man Holzrücken lediglich als Sportdisziplin oder als Arbeit im Wald betreibt», so
Jürg Schenk. «Im Wald sind besonders
schwere Freiberger, Noriker, das wiedergeborene Burgdorferpferd sowie französische und belgische Ardenner ideal. Das
Pferd braucht ein Eigengewicht von min-
destens 700 kg, um die schweren Stämme
bewegen zu können.»
Das Burgdorferpferd ist eine Kreuzung
zwischen Freibergerstute und Ardennenhengst. Diese Rasse war in den sechziger
Jahren bereits ausgestorben und wird aktuell vom Burgdorferpferde-Zuchtverein
mit Erfolg wieder ins Leben gerufen.
Des Weiteren werden eigene Zuchtversuche zwischen einem Comtois-Hengst
und einer Noriker-Stute (beide bereits bei
Werner Wohlwend im Einsatz) unternomPa s s i o n w i n t e r 2 0 1 2
men. Wobei die Comtois-Rasse allerdings
mehr mit den «Urfreibergern» verwandt ist
und somit über die eigentlichen «Urgene»
der Freiberger verfügt. Der Comtois bringt
ein lebhaftes Wesen mit sich und ist ein
williger und zäher Arbeiter. Noriker besitzen ein ausgeglichenes Temperament,
sind ausdauernd, fleissig und belastbar.
Beide verfügen über hohe Trittsicherheit
und Wendigkeit. All dies macht eine Kombination aus beidem zu einem sehr interessanten und vielseitig einsetzbaren Pferd.
51
auf der Weide, auch bei Kälte von bis zu
–35 °Celsius. Daher werden die Pferde
auch nie geschoren. Lässt man der Natur
ihren Lauf, bildet sich eine dichte Unterwolle, welche die Feuchtigkeit vom Körper
weg an die langen Deckhaare leitet. Nur
ganz selten muss Wohlwend ein nassgeschwitztes Pferd zusätzlich mit einer Wolldecke schützen.
Der Vergleich
Im Gegensatz zu Maschinen, die zeitweise
witterungsbedingt ihre Arbeit einstellen
müssen, kann mit Pferden praktisch immer gerückt werden. Kühle Temperaturen
sind ideal. An heissen Sommertagen ist die
Belastungsgrenze der Tiere zwar schneller
erreicht. Aber trotz allem bringen sie viele
Vorteile mit sich. Das Pferd hat als leistungsfähiges Arbeitstier bei der Waldarbeit längst nicht ausgedient. «Trotz hoch
Langholzbringung.
Werner Wohlwend hat speziell trainierte
und ausgebildete Pferde. «Besonders wichtig sind Gelassenheit und ein klarer Kopf.
Diese Eigenschaften zeigen sich bereits
beim jungen Pferd. Man sieht sehr schnell,
ob sich eine Remonte für die Arbeit im
Wald eignet», sagt «Wohli», wie er unter
Freunden genannt wird.
Kaltblutrassen sind «Spätzünder». Das
heisst, die Pferde werden nicht vor dem 6.
Lebensjahr voll belastet, um Gelenke und
Sehnen nicht vorzeitig zu verschleissen.
Die Jungpferde werden bereits als Fohlen
an Maschinen und Geräusche gewöhnt.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist ausgeprägte Konditionierung
der Pferde auf die Stimme. Sie müssen
immer die gleichen Kommandos erhalten.
Die Arbeit im Wald setzt zudem ein hohes
Mass an Selbstständigkeit der Pferde voraus. « Sie müssen mitdenken können», sagt
Wohlwend. Dabei hält er einen Rhythmus
52
Geduldig wartet Mango auf die Kommandos
von Wohli.
von drei Stunden Arbeit und drei Stunden
Ruhepause strikt ein. «Eben gerade wegen
der Kopfarbeit, die an die Substanz der
Pferde geht. Aber auch der Führer braucht
ein hohes Mass an Kondition und Konzentration», erklärt Wohlwend.
Seine beiden Noriker Moritz (900 kg)
und Ardenner Mango (800 kg) haben relativ kurze Beine und ihr Körper scheint aus
lauter Muskeln zu bestehen. Als hätten sie
Zahnstocher an der Kette, ziehen sie die
schweren, langen Baumstämme zur Strasse. «Es sind tolle Pferde», sagt Wohlwend,
«ich brauche sie kaum zu führen, sie finden den besten Weg aus dem Unterholz
praktisch alleine».
Sie sind in der Lage, für kurze Zeit ihr
eigenes Gewicht zu ziehen, also annähernd eine Tonne. Entsprechend gross ist
der Energiebedarf: die Pferde erhalten pro
Tag 20–25 kg Heu und 10–15 Liter Kraftfutter. Sie stehen das ganze Jahr draussen
Pa s s i o n w i n t e r 2 0 1 2
technisierter Holzgewinnung hat die
Arbeit mit Pferden im Wald und in den
Alpen noch heute durchaus ihre Berechtigung», ist Wohlwend überzeugt. «Immer
wieder wird der ökonomische Vorteil der
Maschine in die Waagschale geworfen»,
erklärt der bärtige Bündner. «Es geht nicht
nur darum, ein Kulturgut zu erhalten. Die
Arbeit mit dem Pferd ist eigentlich günstiger. Zum einen braucht es keine befestigten Waldwege oder Strassen, und zum
anderen beleben sie mit ihren Hufen
­
gleichzeitig den Boden. Mein Wunsch
wäre die sinnvolle und vermehrte Zu­
sammenarbeit zwischen Tier und Maschine, zwischen Traditionellem und Modernem.»
Alle weiteren Informationen findet man unter
den folgenden Links:
www.burgdorferpferd.ch
www.engadin-reiten.ch