Überarbeitung der Leitlinien zum Integrationskonzept der Stadt Aarau

GV 2014 - 2017 / 220
Einwohnerrat Aarau, 25. Januar 2016
Postulat
„0berarbeitung der Leitlinien zum Integrationskonzept der
Stadt Aarau"
Der Stadtrat wird gebeten, die bestehenden Leitsatze zur Integrationsforderung
der Stadt Aarau zu uberarbeiten und folgende Grundsatze in den Jahreszielen im
Kapitel „Demokratie und Bildung" abzubilden. Es geht der Stadt Aarau um die
Umsetzung einer auf Anerkennung und chancengerechte Teilhabe ausgerichteten
Politik. Die politische Partizipation fur Einwohnerinnen und Einwohner ohne
schweizerisches Burgerrecht soil ermoglicht werden. Sie sollen die Moglichkeit
erhalten, in Kommissionen und Institutionen vertreten zu sein und mitzuwirken.
Der Stadtrat soil sich gemeinsam mit anderen Aargauer Stadten und Gemeinden
dafur einsetzen, dass - durch eine Anderung der Kantonsverfassung - die
politischen Rechte fur Mitburgerinnen und Mitburger ohne Schweizer Burgerrecht
auf kommunaler
Ebene
definiert werden
konnen.
So
konnen
die Aarauer
Stimmburgerinnen und Stimmburger direkt entscheiden, ob auch Aarauerinnen
und Aarauer ohne Schweizer Burgerrecht im Rahmen der Einwohnergemeinde ein
kommunales Wahl- und Stimmrecht erhalten sollen.
Die Oberarbeitung der Leitsatze soli ohne zusatzliche Kosten durch die Fachstelle
Integration vorgenommen werden.
Begrundung
Die
Leitsatze zur Integrationsforderung der Stadt Aarau
basieren auf dem
Integrationsbericht „Erfolgreiches Zusammenleben durch integrationsfordernde
Strukturen" vom 17. Dezember 2007 als Antwort auf ein Postulat in dieser Sache
von 2005.
Im
auslandischen
Integrationsbericht der Stadt Aarau wird die Integration der
Bevolkerung
anhand
des
Kriteriums
der
Chancengleichheit
gemessen. Dabei wird zwischen kultureller, sozialer und politischer Integration
differenziert. Die politische Integration schliesst insbesondere die Teilhabe an
gesellschaftlichen
und
politischen
Entscheidungsprozessen
und
den
Besitz
politischer Rechte ein. In den aktuellen Leitsatzen zur Integrationspolitik der Stadt
Aarau sind diese wesentlichen Bereiche der Chancengleichheit bislang wenig
differenziert beschrieben.
Etwa 20 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in Aarau sind von der
politischen
Mitwirkung
ausgeschlossen.
Ein
grosser
Teil
davon
sind
Auslanderinnen und Auslander der zweiten und dritten Generation. Sie sind in der
Schweiz geboren und aufgewachsen, arbeiten hier, bezahlen Steuern und nehmen
am gesellschaftlichen Leben teil bzw. gestalten dieses mit. Verwehrt bleibt ihnen
die politische Mitwirkung und damit die aktive politische Mitgestaltung ihres
Wohnortes.
Die
Mehrzahl
der
stadtischen
Abstimmungsvorlagen
betreffen
Investitionsprojekte oder andere, direkt budgetwirksame Massnahmen bis hin zur
Festsetzung des Steuerfusses. Diese Vorlagen betreffen alle Einwohnerinnen und
Einwohner Aaraus, die ordentlich steuerpflichtig sind. Sie sollten mitbestimmen
konnen.
Aarau hat eine bedeutende demokratische Tradition: Der Traum von Freiheit und
Gleichheit wurde
hier
starker getraumt
als
anderswo.
Als
Stadt,
wo
sich
uberzeugte Liberale den Idealen der Aufklarung verschrieben, wurde sie zur
ersten Hauptstadt der neuen Helvetischen Republik. Heute ist Aarau Sitz des
„Zentrums fur Demokratie", einer international anerkannten und bedeutsamen
Forschungsstatte im Bereich Demokratie. Es stunde Aarau gut, in diesem Gebiet
wiederum eine Vorreiterrolle zu ubernehmen.
Die
Mehrzahl
der Westschweizer
Kantone
kennt das Auslanderstimm- und
Wahlrecht auf kantonaler und kommunaler Ebene, unter anderem auch unsere
Partnerstadt Neuenburg. Sie machen gute Erfahrungen damit.
In der deutschsprachigen Schweiz haben die Kantone Appenzell Ausserrhoden,
Graubunden
und
Basel-Stadt
ihren
Gemeinden
das
Recht
eingeraumt,
selbststandig ein Auslanderstimm- und/oder Wahlrecht einzufuhren. Auch die
Mehrheit der europaischen Staaten kennt das kommunale Wahlrecht.
In den 1950er-Jahren war in einer Mehrheit der Stimmbevolkerung, damals
ausschliesslich
Manner
mit
Schweizer
Burgerrecht,
noch
unumstritten,
dass
Schweizerinnen nicht stimm- und wahlberechtigt sein konnen. Dies liege einfach
in
der
Natur der
Sache.
Die
Halfte
der
Bevolkerung
wurde
mit
diesem
Argumentarium von demokratischen Grundrechten ausgeschlossen. Dies lasst zu
Recht an der demokratischen Legitimitat von politischen Entscheidungen zweifeln.
Die Einfuhrung des Stimm- und Wahlrechts fur Frauen erfolgte dann zuerst
foderalistisch
in
den
verschiedenen
Kantonen,
ehe
die
Anderung
in
die
nicht wahlen
und
Bundesverfassung aufgenommen wurde.
Heute kann sich
niemand
mehr vorstellen, dass
Frauen
abstimmen durfen. Mitburgerinnen und Mitburger mit auslandischem Pass sind
jedoch weiterhin von politischen Rechten ausgeschlossen. Der Ausschluss eines so
grossen
Teils
Demokratiedefizit
der
Bevolkerung
und
unterlauft
fuhrt
die
zu
einem
Legitimation
ernstzunehmenden
getroffener
politischer
Entscheidungen. Dies muss nicht so bleiben.
Ziel ist eine Politik mit mehr Gleichberechtigung. Der Einwohnerrat der Stadt
Baden hat am 12. Mai 2015 die Leitlinien fur die Integrationspolitik der Stadt
Baden genehmigt. Dort ist festgehalten, dass sich die Stadt Baden auf kantonaler
Ebene fur eine Gesetzesanderung einsetzen will, die das
Einfuhren
von
kommunalem Stimm- und Wahlrecht fiir Niedergelassene ermoglicht.
Als Kantonshauptstadt mit langer demokratischer Tradition sollte Aarau hier in
Nichts nachstehen.
Ulrich Fischer, Pro Aarau
Alexander Umbricht, GLP
Matthias Keller, EVP/EW
Lelia Hunziker, SP
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Daniel Siegenthaler, SP
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Markus Hutmacher, Grune
und weitere Unterzeichner und Unterzeichnerinnen: