Wer will schon ein Pflegekind mit Down-Syndrom? - St. Gallus

Rollingplanet 02.12.15
Wer will schon ein Pflegekind mit DownSnydrom?
Die Familie Fliegauf aus Deggenhausen! Sie entschied sich ganz bewusst für ein Mädchen, das in keinem
Versandhauskatalog zu finden ist. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.
Karin und Markus Fliegauf aus Deggenhausen haben ein Kind mit Behinderung in ihre Familie aufgenommen. (Foto: St.
Gallus-Hilfe.)
Bei Familie Fliegauf in Deggenhausen (Baden-Württemberg) ist immer etwas los. Hier wird gespielt, gemalt,
gesungen und nach Herzenslust herumgetobt. Vor zehn Monaten haben die drei Kinder zwischen drei und
sieben Jahren eine Pflegeschwester bekommen. Die vierjährige Annika (alle Kindernamen von der Redaktion
geändert) hat das Down-Syndrom und wurde vom Betreuten Wohnen in Familien der St. Gallus-Hilfe, einer
Gesellschaft der Stiftung Liebenau, vermittelt.
„Bereits nach zwei Tagen war Annika die kleine Schwester von Luisa, Leander und Samuel“, erzählt Karin
Fliegauf. Allerdings wurde der Umzug zur Pflegefamilie gut vorbereitet. „Wir haben die Kleine ein paar Mal
besucht, bevor sie zu uns kam.“ Nun gehen die Fliegaufs davon aus, dass Annika in ihrer Familie aufwachsen
kann. Vom Alter her ist das Mädchen mit seinen vier Jahren zwar genau zwischen den drei eigenen Kindern.
Ihr Entwicklungsstand entspricht aber eher dem eines Kleinkinds, das heißt, sie läuft noch nicht selbstständig
und spricht noch nicht. „Physiotherapie und Logopädie unterstützen den Entwicklungsprozess“, erklärt Gerhard
Rechtsteiner, der die Familie von Seiten des Betreuten Wohnens in Familien unterstützt.
Orientierung an den Geschwistern
Gut tut dem Mädchen der ständige Kontakt mit ihren drei neuen Geschwistern. „Sie ist einfach immer dabei
und orientiert sich an ihnen“, sagt Familienvater Markus Fliegauf, der Annika ebenfalls ins Herz geschlossen
hat. Vormittags besucht das Mädchen die integrative Gruppe eines Camphill-Kindergartens, nachmittags ist die
Pflegemutter für sie da. Aus beruflichen Gründen kommt Annikas leibliche Mutter, die nach wie vor das
elterliche Sorgerecht hat, im Moment nur einmal im Monat zu Besuch nach Deggenhausen. „Uns verbindet,
dass wir beide das Wohl des Kindes im Blick haben und wollen, dass es bestmöglich durchs Leben kommt“,
sagt Karin Fliegauf.
Familie braucht Ressourcen
Im Vorfeld hat sich die Familie reiflich überlegt, ob sie ein Pflegekind mit Behinderung aufnehmen möchte.
Erfahrungen sammelte sie mit der kurzzeitigen Aufnahme eines Kindes im Zusammenhang mit der
Notfallpflege. „Da haben wir festgestellt, dass wir das als Familie leisten können“, so Markus Fliegauf, der
ebenso wie seine Frau einen Pflegekurs beim Jugendamt absolviert hat.
Sehr förderlich ist, dass Karin Fliegauf Berufserfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung hat. „Das
ist aber nicht Voraussetzung“, fügt Gerhard Rechtsteiner an. Vielmehr schaue man nach den Ressourcen, die
eine Familie mitbringe. Dazu gehöre auch, wie sie im Ort eingebunden sei, so dass im Notfall auch mal jemand
zur Seite stehen könne.
Alternative zur Berufstätigkeit
Die Familie und der Freundeskreis des Ehepaars haben den neuen Familiennachwuchs schnell akzeptiert.
„Nach ein paar Tagen hatte Annika weitere Omas und Opas, Onkel und Tanten. Es ist völlig normal, dass sie
immer mit dabei ist“, erzählt Karin Fliegauf.
Die Aufnahme des Pflegekindes ist für die jetzt vierfache Mutter im Moment auch eine Alternative zur
Berufstätigkeit. „Ich habe immer gern gearbeitet, aber im Moment ist es für die ganze Familie entspannter,
wenn ich zu Hause bin.“ Die Aufnahme von Annika sei für sie eines der sinnvollsten Dinge, die sie je gemacht
habe.
Gelungene Inklusion
Mit Gerhard Rechtsteiner stehen die Fliegaufs in regelmäßigem Kontakt. „Es ist toll, dass wir in ihm einen
Ansprechpartner für alle Fragen haben, die Annika betreffen“, so Markus Fliegauf. Dabei orientiert sich der
Kontakt nach dem Bedarf und an den Fragen, die sich im Alltag stellen. Für Gerhard Rechtsteiner ist die
Vermittlung von Annika in die Pflegefamilie ein schönes Bild von gelungener Inklusion. „Das ist einfach die
beste Art des Aufwachsens mit viel Nähe und Bindung.“
Dieses Beispiel beeindruckt Sie? Das Betreute Wohnen in Familien der St. Gallus-Hilfe sucht für Kinder und
Jugendliche mit Behinderung laufend nach geeigneten Pflegefamilien. Sie werden vom Fachdienst ausgewählt
und für ihre anspruchsvolle Tätigkeit vorbereitet. Sie erhalten bei allen Fragen sowohl während der Vermittlung
als auch während der gesamten Pflegezeit von den Mitarbeitern des Fachdienstes Begleitung.
Kontakt: Betreutes Wohnen in Familien, Region Bodensee-Oberschwaben, Friedhofstraße 11, 88212
Ravensburg, Telefon 0751/977123-103, E-Mail: [email protected]