Junge sind die Verlierer der Krise

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Kurier Gesamtausgabe
issue
28/10/2015
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Junge sind die Verlierer der Krise
Ausgrenzung. EU-weite Studie zeigt starkes Gefälle zwischen den Generationen, Nord- und Südeuropa
VON ULRIKE BOTZENHART
Größter Verlierer der Wirt-
schafts- und Finanzkrise in
der EU ist der Nachwuchs:
Rund 26 Millionen Kinder
und JugendlichesindvonArmut und sozialer Ausgrenzung bedroht mit 27,9 Prozent also gut jederVierte der
unter 18-Jährigen.Und fast
jeder fünfte Europäer unter
25 Jahrenistwederin Ausbildung noch in Arbeit, hat also
derzeit keine Zukunftsperspektive. Diese Details der
Studie über soziale Gerechtigkeitin denEU-Staatensind
für Studienautor Daniel
Schraad-Tischlervon der Bertelsmann Stiftung auch die
gravierendsten:"Die negative Entwicklungseit 2007 für
die KinderundJugendlichen
ist krass. Dass man die
schwindendenChancen der
unter 18-Jährigen und die
steigende Armutund soziale
Ausgrenzung der Generation unter 25 Jahren so deutlich sieht, hat mich schon
überrascht."
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"Auch wegen der gut
funktionierenden
Sozialpartnerschaft
schneidet Österreich
so gut ab."
Daniel Schraad-Tischler
StudienautorBertelsmann Stiftung
Der 38-jährige deutsche
Politologe unterstreicht im
KURIER-Gesprächdie wachsende Kluft zwischen Alt
und Jung. "Im gesamten EUVergleichsind die Verdienstchancen der Jungen durch
die Krise stark gesunken,
währenddieRenten und Einkommen der Älteren stabil
geblieben sind. Das zeigt
sich auch daran, dass sich
beiden über65-Jährigen das
Risiko der Altersarmut von
24,4 Prozentauf17,8 Prozent
verringerthat."
Aber auch die steigende
Verschuldung der öffentlichen Haushaltein der Krise
belaste vor allem die Jugend: Die Investitionenin Bildung, Forschung und Entwicklung-also indieZukunft
stagnierten in Folge.
Schraad-Tischler:"Wer in Bildung und Ausbüdung der
Jungennicht investiert,hat in
der Folge viel höhere soziale
und ökonomischeFolgekosten zu schultern."Oderwie es
Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Aart de Geus formuliert:"Wir könnenuns eine verlorene Generation in
Europa weder sozial noch
ökonomisch leisten."
Studienautor SchraadTischler spricht von "sozialem Sprengstoff"."Auflängere Sicht ist es gefährlich,
wenndas Ungleichgewichtso
groß ist. Die Jugendlichen,
die keine Perspektivesehen,
werden auf die Straßen gehen. So wie wir das schon in
Spaniengesehen haben." In
Spanienkletterte der Anteil
der 20- bis 24-Jährigen, die
weder arbeiten noch in Ausbildung sind, von 16,6 auf
24,8 Prozent.In Italiensogar
von 21,6 auf 32 Prozent.
Hier bedürfe es dringend
auch Strukturreformen.
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ln den vier südeuropäischen Ländern Spanien,
Griechenland, Italien und
Portugal leben zudem 7,6
MillionenKinder in Armut
um 1,2 Millionen mehr als
2007. Aberauch in Großbritannien gelten 32,6 Prozent
derKindervonArmutundsozialer Ausgrenzung bedroht,
in Ungarn sind es sogar 41,4
Prozent.
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Österreich aufPlatz 6
Spitzenreiterin Sachen sozialerGerechtigkeitsind wiedereinmal die Skandinavier,
(siehe Grafik). Österreich ran-
giert, noch vor Deutschland,
auf dem sechsten Platz in
der EU-weitenStudie, in der
3 5 Kriterien-von derArbeitslosigkeitüberdenZugangzur
Büdung bis hin zum Umweltschutz verglichen werden.
"Das liegt insbesondere am
doch gut funktionierenden
Arbeitsmarkt in Österreich,
also einer vergleichsweisen
sehr niedrigen Jugend- und
Langzeitarbeitslosigkeit",
sagt Schraad-Tischler. "Auch
wegendergut funktionierenden
Sozialpartnerschaft
schneidet Österreich so gut
ab", lobt er "die lang etablierten Strukturen der Sozialpartnerschaft". Die Zusam-
menarbeit zwischen Arbeit-
gebern und Gewerkschaften
funktioniere, "was vor allem
in Krisen eine wichtige,weil
stabilisierendeRolle spielt".
Kritik muss Österreich
wie auch Deutschland einmal mehr beim Zugang zur
Bildung einstecken: "Bildung
wird in diesen Ländern nach
wie vor vererbt." Herkunft
und Ausbildung der Eltern
hätten also nach wie vor zu
großes Gewicht für die Zukunftschancen des Nachwuchses.
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Darfs ein bisschen weniger sein?
Einstiegsgehälter. Akademiker und Maturanten verdienen heute nur so viel wie vor zehn Jahren
Geld ist nicht alles, aber das HTL-Absolventen 2005: sucht, expandiert.Aber das die Jobs komplexer geworerste volle Gehalt ist etwas 1890 Euro; heuer: 1960 Eu- ist lange vorbei." Ihrer Mei- densind.Auch, weil es genug
Besonderes.Am Monatsletzten kommtdie Abrechnung:
2120 Euro brutto, nach Abzugvon Steuer und Sozialversicherung:1472,12 Euro netto. Das ist dasDurchschnittsgehalt eines Akademikers
beim Berufseinstieg heute.
Genau wie vor zehnJahren.
Nominellsind die Gehälter fürEinsteigernachMatura oder Studium gleichgeblieben(siehe Grafik unten). Vor
zehn Jahren verdiente ein
WU-Absolvent 2280 Euro
bruttoim Monat, heute sind
es 2370 Euro (oder 33.200
Euro brutto im Jahr). Das
Durchschnittsgehalt der
Bei einerTeuerungvon 21
Prozent seither sind die Gehältervon jungen Einsteigern
also realmassiv gesunken.
Conrad Pramböck, Gehaltsexperte der ExecutiveSearch-Firma Pedersen &
Partners, liefertedie Zahlen
eigens für den KURIER.Wir
haben Personalexpertendamit konfrontiert. Die Reaktionen:erst überrascht, dann
nüchternzustimmend.
"Vor zehn Jahrenwar die
Marktlage eine völlig andere", sagt Personalberaterin
Manuela Lindlbauer. "Wir
hatten Hochkonjunktur, Firmen haben Mitarbeiter gero.
nung nachwaren die Gehäl- Akademiker auf dem Markt
ter damals "am obersten Li- gibt.Ist dieKonkurrenzgroß,
mit". Jetzt, woalle einsparen, drücktdas den Preis."Zudem
müssen die Kosten runter. seien die Jungen, weil noch
"Das bekommen vor allem ohne Berufserfahrung ausdie Einsteigerstark zu spü- tauschbar.Für jeden ausgesagt Lindlbauer."Gegen schriebenen Job bewerben
ren",
die Gehaltsvorrückungen sichHunderte Einsteiger,die
der Stammbelegschaftkön- alle das gleiche Könnenmitnen Firmen wenigtun, sie ste- bringen.
hen deshalb bei den Einsteigem auf der Kostenbremse", Reichtumunmöglich
sagt Gisela Titelbach, Perso- Für Personalexpertin Titelnalberaterin bei Iventa.
bach "werden die Jungen
Conrad Pramböck sieht heutezu niedrig bezahlt.FrüwachsendeAnsprüche. "Wo herwaren Wohnungen günsfrüher ein Maturant gereicht tigerunddasGehaltin Relatihat, nimmt man heute einen on höher. Für junge MenAkademiker.Nicht nur, weil schen ist es viel schwieriger
geworden, bei den gestiegenen Lebenskosten ein Auslangen zu finden." Gesellschaftspolitisch hätten die
niedrigen Einstiegsgehälter
viel Sprengkraft. "Setzt man
sie in Beziehung zu den Pensionen, haben wir ein Problem. arbeiten immer mehr
jungeEsLeute
für wenig Geld.
Damitwird es schwierig, die
steigenden Pensionsausgaben zu finanzieren",so Pramböck. Die Frage sei: Wie kann
man es schaffen,junge Menschen auf ein Gehaltsniveau
zu bringen, das ihnen einen
Lebensaufbau ermöglicht.
"Ohne zu erben, mit einem
normalenJob, wirdmanheute nicht mehr reich. Das war
früher möglich, in Banken
und Telekomfirmen. Heute
könnensich die Jungen aus
eigener Kraft kein Wohnungseigentum mehr leis-
ten", sagt Pramböck.
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SANDRA BAIERL
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