Höchste - IG BCE

Nr. 27 | MÄRZ 2016
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Nachgefragt
Erfahrungen aus dem
KarisMa
Arbeitszeit
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Mit Erfahrung
Führungspositionen
und
Netzwerke
anders denken
Ehrlichkeit ist wichtig
punkten
Seite 4 – 5
Frauen
Fairness
und
Seite 10
Toleranz
Seite 11
fü
2
in eigener sache
Xxxxxxxxxxxx
INHALT
in eigener sache
Frauentag 2016: Höchste Zeit für Frauen
Cornelia Leunig
2
editorial
Nach dem Jubiläum ist vor dem Jubiläum
Edeltraud Glänzer
3
titelthema
Nachgefragt
Arbeitszeit anders denken
4
workshop
Bridging the gap – aber wie?
Entgeltgefälle in den Betrieben überwinden
6
frauentag 2016
Höchste Zeit für Veränderung
Der Kreis schließt sich immer wieder!
7
projekt
Fame – ein Projekt für berufstätige
Frauen ab 40
8
interview
9
4 Fragen an Petra Reinbold-Knape
projekt
»Ehrlichkeit ist wichtig«
offensive mitbestimmung
KarisMa – Ein Projekt geht an den Start
10
11
IMPRESSUM
Herausgeberin:
IG Bergbau, Chemie, Energie,
Hauptvorstand,
Abteilung Frauen/Gleichstellung
Königsworther Platz 6, 30167 Hannover
Tel. 0511 7 63 12 82, Fax 0511 7 63 17 08
E-Mail: [email protected]
Verantwortlich:
Edeltraud Glänzer
Redaktion:
Petra Adolph, Julia Osterwald,
Cornelia Leunig, Ursula Salzburger
Mitarbeit: Özlem Körber, Sabine Ruhland
Design, Satz & Druck:
BWH GmbH
Beckstraße 10, 30457 Hannover
Fotos/Grafik:
contrastwerkstatt©fotolia (4), animaflora©fotolia (6),
woodapple©fotolia (8), webdata©fotolia,
AlienCat©fotolia (12)
Der Bundesfrauenausschuss hat sich im November für
das Motto des 5. IG BCE-Frauentag entschieden:
»Höchste Zeit für Frauen« lautet es. Nach »Frauen
starten durch« im Jahr 2008 und »Frauen erfolgreich
unterwegs« 2012 ist das die logische Fortsetzung der
guten Frauenarbeit in und mit der IG BCE. Wir kommen voran – aber der Fortschritt ist leider manchmal
eine Schnecke. Wir brauchen also mehr Bewegung.
Deshalb wollen wir Fahrt aufnehmen und sagen laut:
Cornelia Leunig
Es ist höchste Zeit für Frauen. Und wir sagen voller
Leiterin der Abteilung
Stolz auch: Wir haben viele tolle, engagierte Frauen,
Frauen/Gleichstellung
die sich in Betriebsratsgremien, in unserer IG BCE
und in der Politik engagieren und in den zurückliegenden Jahren bis heute gemeinsam viel erreicht haben.
Beides, wo wir Handeln gefordert haben und wo gehandelt wurde, ist Gegenstand des
Frauentags: in den Diskussionen mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Um das Motto in alle Bezirke zu tragen und es inhaltlich zu untermauern/belegen, treten
Kolleginnen aus dem Bundesfrauen- und Bundesjugendausschuss als Botschafterinnen
auf. Sie sagen in ihren Statements, warum es höchste Zeit für Frauen ist und worin unsere Erfolge bestehen. Diese Kombination aus Form, Bild und Inhalt spiegelt sich in einem
Kartenset wider, das von der Abteilung Frauen/Gleichstellung erstellt wurde und zur Bestellung vorliegt. So können alle Frauen bundesweit mitteilen, wo sie höchste Zeit zum
Handeln sehen.
Sozialpartnerfachtagung Arbeit und Leben in Balance
aktuelles
Recht so:
Zur Durchsetzung eines Teilzeitverlangens
Frauentag 2016:
Höchste Zeit für Frauen
12
Herausforderung und Chance
In diesem Jahr können wir auf 10 Jahre Sozialpartnervereinbarung »Für eine chancengleiche und familienbewusste Personalpolitik« mit dem BAVC zurückblicken. Seitdem
hat sich nicht nur in den Unternehmen der chemischen Industrie viel getan. Flexible,
familiengerechte Arbeitszeiten, Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen und der
Kinderbetreuung sowie verschiedene Kontakthalte- und Wiedereinstiegsmodelle sind nur
einige Beispiele.
Wir nehmen dieses Jubiläum zum Anlass, unsere Vereinbarung zu aktualisieren und neu
zu unterzeichnen. Auf einer Sozialpartnertagung am 13. September 2016 in Berlin
werden wir die neuen Inhalte vorstellen und darüber hinaus in Workshops Strategien der
Personalentwicklung und -rekrutierung ebenso diskutieren, wie die neue Partnerschaftlichkeit in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir freuen uns, dass neben Michael
Vassiliadis, Edeltraud Glänzer und Magret Suckale vom BAVC auch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, dabei sein wird.
Bitte merkt Euch diesen Termin schon einmal vor. Die Einladung und der genaue Ablaufplan werden an alle Betriebe der chemischen Industrie geschickt. Idealerweise nehmen die Betriebsräte und Personaler im Tandem an der Veranstaltung teil.
»Ich bin Gewerkschafterin, und das
ist auch gut so.«
Einen Button mit diesem Text können Kolleginnen im Betrieb tragen, wenn sie sich für
ganz persönliche Werbeaktivitäten entschieden haben. Und der kleine grüne Schlüssel an
ihrem Revers macht deutlich: »Ich bin dabei. Ich beteilige mich an der Werbeaktion
›Schlüssel zum Erfolg‹.« Deren Startschuss dafür fiel am 1. Januar 2016, Aktionsende ist
der 30. April 2016. Am zweiten Abend des 5. Frauentags erhalten die besten Werberinnen von ihrem jeweiligen Landesbezirk einen Preis. Die Werberin, die die meisten
Frauen geworben hat, bekommt darüber hinaus noch einen Überraschungspreis.
3
Xxxxxxxxxxxx
editorial
editorial
Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,
Edeltraud Glänzer
stellvertretende
Vorsitzende der IG BCE
nach dem Jubiläum ist vor
dem Jubiläum.
Im vergangenen Jahr haben
wir unter anderem mit unserem Mitgliederfest in Essen eindrucksvoll unter Beweis
gestellt, dass wir auch nach 125 Jahren eine starke und
durchsetzungsfähige Organisation sind. Und auch 2016 feiern wir eine Reihe von (Mitbestimmungs)Jubiläen, die zeigen, dass Gewerkschaften starke Organisationen sind, die
schon immer ihren Beitrag zur humanen Gestaltung der Arbeitswelt geleistet haben und weiter leisten werden.
100 Jahre nach dem ersten Gesetz zur Mitbestimmung durch
Fabrikräte, 65 Jahre nach Inkrafttreten des Montanmitbestimmungsgesetzes, 40 Jahre nach der Verabschiedung des
Gesetzes zur paritätischen Mitbestimmung in Aufsichtsräten
großer Unternehmen und 15 Jahre nach Einführung der SERegelungen machen wir klar: MITBESTIMMUNG
 ist das demokratische Gestaltungsprinzip der sozialen
Marktwirtschaft und
 ist ein zentrales Element guter Unternehmensführung,
schafft international wettbewerbsfähige Perspektiven und
sorgt für Gute Arbeit.
Wir werden in einer Reihe von Veranstaltungen unter anderem mit der Hans-Böckler-Stiftung immer wieder auf den
Wert der Mitbestimmung hinweisen.
Zum 5. Mal findet unsere zentrale frauen- und gleichstellungspolitische Veranstaltung – unser Frauentag vom 26. bis
28. Mai in Hannover – statt. Unter dem Motto »Höchste Zeit
für Frauen« werden wir aktuelle und zukünftige Herausforderungen diskutieren.
Den inhaltlichen Mittelpunkt wird dieses Mal das Thema
(Arbeits)Zeit bilden. Mit dem Titel: Arbeit.Leben.ZEIT wollen wir mit haupt- und ehrenamtlichen Funktionär(inn)en,
Arbeitsdirektor(inn)en, Politiker(inne)n sowie verschiedenen
Verbandsvertreter(inne)n die unterschiedlichen Facetten des
Themas diskutieren und Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Jahre festlegen.
ausgabe 27 | März 2016
Natürlich werden wir auch Bilanz ziehen, Erfolge feiern und
uns gute Umsetzungsbeispiele der Charta der Gleichstellung
anschauen. Unser Ziel: aus diesen vielen best-practice-Beispielen möglichst zahlreiche Bewerbungen für den Deutschen Betriebsrätepreis zu generieren und damit auch deutlich zu machen: gute Betriebsratsarbeit von und für Frauen
lohnt sich! Grundsätzlich und auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Darüber hinaus wollen wir auch zur Nachahmung
aufrufen und dazu beitragen, dass sich Gute Arbeit schnell
und effektiv verbreitet.
Auch politisch steht uns wieder ein spannendes und herausforderndes Jahr bevor. Das Gesetzesvorhaben für mehr Entgeltgleichheit und Transparenz steht im Laufe des Jahres auf
der Tagesordnung. Wir haben Ende des vergangenen Jahres
einen Workshop mit Betriebsrätinnen und Betriebsräten
durchgeführt und über Instrumente, Maßnahmen und Wirkungen diskutiert. Und auch hier können wir mit Stolz sagen, dass wir »gut unterwegs sind«. Überall dort, wo es Tarifverträge und starke Betriebsrätinnen und Betriebsräte gibt
sind die Unterschiede erheblich geringer. Wir werden also
auch hier laut und deutlich sagen, dass eine Stärkung der
Mitbestimmung auch zu mehr Gerechtigkeit führt.
Das Gleiche gilt im Übrigen auch für ein Rückkehrrecht von
Teilzeit auf Vollzeit. Wer außer unseren Betriebsrätinnen
und Betriebsräten hat hier die Kraft und Stärke zur Durchsetzung. Das Thema Mitbestimmung bleibt auf unserer
Agenda!
Ich wünsche Euch und Euren Familien ein gutes, erfolgreiches und gesundes Jahr 2016. Gemeinsam werden wir
auch in diesem Jahr Zeichen setzen und uns für unsere Kolleginnen und Kollegen starkmachen.
Eure
Edeltraud Glänzer
4
arbeitszeit anders denken
Nachgefragt
bei Dr. Angelika Kümmerling
Die Erwerbsquote von Frauen steigt, das Arbeitszeitvolumen, gerade im Vergleich zu Männern, aber nicht
entsprechend. Warum?
Die Beschäftigungsquote ist nur eine Dimension der Erwerbsbeteiligung. Vielmehr entscheidet die Dauer der Arbeitszeit darüber, ob man finanziell unabhängig ist, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten besitzt und die Tätigkeit zu einer auskömmlichen
Rente führt. In Deutschland arbeiten zwar immer mehr Frauen,
auch Mütter, aber nur mit vergleichsweise wenig Stunden. Knapp
Dr. Angelika Kümmerling ist
wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung des Institutes für Arbeit
und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen
www.iaq.uni-due.de
Dr. Angelika
Kümmerling
die Hälfte aller Frauen arbeitet Teilzeit, ein Drittel davon 20 oder
weniger Stunden in der Woche. Die durchschnittliche Arbeitszeit
teilzeitbeschäftigter Frauen in Deutschland gehört zu den niedrigsten in der EU.
ElterngeldPlus und Kita-Ausbau haben Mütter in
ihrer Erwerbstätigkeit unterstützt. Was braucht es
mehr, um Frauen zu ermutigen, länger zu arbeiten,
um sie in Vollzeitbeschäftigung zu bringen und dort
zu halten?
Kurz: Etwa die Abschaffung von Minijobs und Ehegattensplitting.
Wir müssen an mehreren Stellen ansetzen. Zum einen ist der Gesetzgeber weiterhin gefragt, zum anderen müssen die Unternehmen ihre Instrumente für alle Beschäftigtengruppen maßgerechter
schneidern. Wir brauchen aber auch eine andere Form der partnerschaftlichen Arbeitsteilung. Man kann nicht erwarten, dass
Frauen Vollzeit arbeiten und weiter den Großteil der Hausarbeit
und familiären Organisation übernehmen, während sich Männer
auf die zwei Vätermonate konzentrieren und ab und an das Kind
von der Kita abholen. Männer sehen ihre Rolle da immer noch als
ergänzend. Frauen scheuen oft die Auseinandersetzung und vertrauen darauf, dass sich alles schon fügen wird – in der Konsequenz aus beidem verfestigen sich traditionelle Verhaltensmuster.
Was muss sich in den Köpfen der Menschen ändern?
Wir brauchen eine andere gesellschaftliche Kultur. Das Bild der
»Rabenmutter«, die ihr Kind zur Fremdbetreuung weggibt, ist immer noch präsent. Früher war es undenkbar, wenn ein Kind unter
drei Jahren fremdbetreut wurde, heute ist das erste Jahr die neue
Norm. Der Gesetzgeber hat sich zuletzt sehr bemüht, modernere
Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa mit dem Elterngeld und
dem Ausbau der Kinderbetreuung – auch wenn hier noch nicht
alles optimal ist. Das Recht auf Teilzeitarbeit führt sicher ebenfalls dazu, dass Frauen mit Kinderbetreuungsverpflichtungen weiterhin berufstätig bleiben. Hier wäre aber auch ein Anspruch
wichtig, wieder auf einen Vollzeitarbeitsplatz wechseln zu können.
Welche Erfahrung machen Sie in Ihrer Arbeit:
Verändert sich etwas?
In meinen Gesprächen mit Personal- und Arbeitnehmervertretungen in meist größeren Unternehmen wurde deutlich, dass das
Thema »Vereinbarkeit« dort sehr präsent ist und auch schon viel
getan wurde: Mit Müttern in Elternzeit wurde Kontakt gehalten,
die Mütter konnten stundenweise wieder anfangen zu arbeiten,
es gab verschiedene Teilzeitmodelle und Home Office. Manche
Gesprächspartner/-innen berichteten, sie würden junge Väter dazu ermutigen, in Elternzeit zu gehen, weil diese die soziale Kompetenz und Verantwortung fördere. Wenn Sie dann nachfragen, ist
häufig nicht alles so golden, wie es zunächst geglänzt hat. Väter
werden zwar ermutigt, in Elternzeit zu gehen, aber bitte nur zwei
Monate und auch nicht am Stück. Die Veränderung von Arbeitszeiten von Müttern ist zwar Tagesgeschäft, aber eigentlich geht
das nur in bestimmten Bereichen der Verwaltung problemlos und
für Männer kommt das nur in begründeten Einzelfällen vor.
Sie beginnen im Auftrag der IG BCE eine neue
Studie zum Thema »Arbeitszeit«. Welche Erwartungen
haben Sie?
Zunächst erwarten wir neue Erkenntnisse über die aktuelle Entwicklung der Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern, Müttern und Vätern. Seit der Krise scheinen sich die Arbeitszeitunterschiede von Männern und Frauen weiter gefestigt zu haben,
5
FOTOLIA©CONTRASTWERKSTATT
arbeitszeit
editorial anders denken
einige Daten weisen sogar auf ein zunehmendes Auseinanderdriften hin. Wir konzentrieren uns auch darauf, in welchen Lebensphasen Arbeitszeit und Arbeitszeitwünsche am stärksten voneinander abweichen. Wir stellen fest, dass sich die Arbeitszeitunterschiede stark über die Branchen hinweg unterscheiden und
wollen auf die Gründe für diese Unterschiede eingehen. Wir erwarten Erkenntnisse darüber, welche (betrieblichen) Faktoren dazu führen, dass Männer Elternzeit nehmen und Frauen schnell
wieder in den Beruf zurückkehren. Mit diesem Wissen könnte Arbeitszeit so gestaltet werden, dass es zu einer Win-Win-Situation
für Arbeitnehmer/-innen und Arbeitgeber/-innen kommt.
Sind die Männer (nicht) bereit für Veränderungen?
Väter betonen in Umfragen immer wieder, dass sie eigentlich weniger Stunden arbeiten wollen und schon eine Anpassung der tatsächlichen Arbeitszeit an die vertraglich vereinbarte als eine Erleichterung empfinden würden. Tatsächlich arbeiten sie aber länger als Nicht-Väter, was in der Konsequenz dazu führt, dass es
den Müttern deutlich erschwert wird, ihre Arbeitszeit zu erhöhen.
Väter, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, berichten immer
wieder, dass ihnen Steine in den Weg gelegt werden. Wenn sie längere Zeit in Elternzeit gehen wollen, wird ihnen mangelnde Kar-
ausgabe 27 | März 2016
riereorientierung vorgeworfen. Mir wurde auch schon berichtet,
dass Väter in Elternzeit kontaktiert wurden, ob sie ihre Elternzeit
nicht verkürzen könnten, man brauche sie dringend bei der Arbeit. Hier muss sich das gesellschaftliche und betriebliche Klima
dringend verändern. Genau wie Frauen, die wieder frühzeitig in
den Beruf einsteigen, keine mangelnde familiäre Orientierung vorzuwerfen ist, ist Männern, die ihre Arbeitszeit reduzieren oder längere Elternzeitphasen einlegen wollen, keine mangelnde Karriereorientierung vorzuwerfen. Allerdings ist das Modell: »Er – Vollzeit,
Sie – Teilzeit« in Deutschland sehr etabliert, auch wenn nicht alle
Beteiligten damit in jeder Lebensphase glücklich zu sein scheinen.
Andere Länder haben gute Erfahrung mit verpflichtenden DaddyMonaten gemacht, das könnte ein Weg dahin sein, traditionelle
Rollenzuweisungen aufzubrechen. Und auch die Arbeitgeber/
-innen könnten sich dann nicht mehr sperren. Was mir zu denken
gibt, ist, dass zwar immer mehr Väter Elternzeit nehmen, aber der
Anteil derjenigen, die dies länger als zwei Monate tut, zurückgeht.
Das spricht nicht für eine Modernisierung des Rollenbildes. Wenn
Männer tatsächlich mehr am Leben ihrer Kinder teilhaben möchten, müssen sie diesen Kampf analog zu den Frauen ausfechten,
die für mehr Teilhabe im Erwerbsleben gekämpft haben. Hier
sollten sie tatkräftige Unterstützung vonseiten der Gewerkschaften
und Betriebsräte erhalten.
6
workshop
fotolia©animaflora
i
19. März Equal Pay Day
Nach den Zahlen des Statistischen
Bundesamts verdienten Frauen im
Jahr 2014 durchschnittlich
21,6 Prozent weniger als Männer.
Rechnet man den Prozentwert
in Tage um, arbeiten Frauen 79 Tage, vom
1. Januar bis zum 19. März 2016, umsonst.
Quelle: Equal Pay Day
Bridging *
the gap – aber wie?
Entgeltgefälle in den
Betrieben überwinden
* Die Differenz überbrücken
Unterbrochene Erwerbsbiografien, prekäre Beschäftigung und unterschiedliches Berufswahlverhalten sind vielfach Ursachen für das Entgeltgefälle zwischen Frauen und Männern. Seit jeher gibt die IG BCE diesem Thema
großes Gewicht, ermittelt die Ursachen und steuert in den Betrieben gegen – um Entgeltgleichheit für Frauen
und Männer zu garantieren. Zu einem Erfahrungsaustausch kamen nun Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie
Expertinnen aus Wissenschaft und Politik nach Hannover, um Analyseinstrumente zu diskutieren, gute betriebliche Beispiele zu präsentieren und konkrete Handlungsschritte im Betrieb auszutauschen.
Sarah Romero, 24 Jahre alt, DiplomJuristin, zurzeit im berufsbegleitenden
Praktikum während ihres Studiums, hat die
Einladung gerne angenommen. Ihre Erwartung war, ganz konkrete Antworten zu bekommen und diese Hoffnung hat sich erfüllt: »Ich habe mich immer wieder gefragt,
wie kann der Gender Pay Gap festgestellt
werden. Hier habe ich erfahren, welche Daten erhoben werden müssen, um Arbeit tatsächlich vergleichen und bewerten zu können. In der Workshop-Phase habe ich mich
mit anderen Interessierten zum Thema
›Aufwand einer Analyse, welche Daten
braucht’s?‹ beschäftigt. Die Teilnehmenden
haben ihre Erfahrungen geschildert, wie
sie im Unternehmen mit der Frage umgehen. Dabei wurde mir deutlich, wie verschieden die Wege sein können. Mein Eindruck war, dass die Betriebsrätinnen und
Betriebsräte dadurch zum Nachdenken angeregt wurden.«
(Auch) Eveline Wengler, Betriebsrätin
bei Bayer Leverkusen, zuständig für Ar-
beitszeit, Entgelt und AT-Beschäftigte am
Standort, und im Gesamtbetriebsrat, benennt klar, wo sie besonderen Handlungsbedarf sieht. »Der Bundesentgelttarifvertrag sorgt in seiner Systematik nicht
grundsätzlich für eine Entgeltungleichheit
von Frauen. Wir als Betriebsrätinnen und
Betriebsräte sollten und müssen gut aufgestellt sein bei der Anwendung und Auslegung des Entgelttarifvertrags. Besonders
im Hinblick auf die richtige Eingruppierung von Frauen bei Einstellungen sowie
mit einem scharfen Blick auf Frauen in
Teilzeit und deren Entgeltentwicklung. Ein
anderer Punkt ist die Anwendung der Altersfreizeit laut Manteltarifvertrag: Hier
werde ich mich in der Bundestarifkommission für eine anteilige Anwendung auch
bei Teilzeit starkmachen – denn davon sind
fast nur Frauen betroffen. Verbündete sind
herzlich willkommen!«
Mit dem von der Universität Duisburg-Essen vorgestellten »Paarvergleich-EG-Check«
lassen sich wertende Diskriminierungen
feststellen. Das möchte ich in den verschiedenen Gremien diskutieren und umsetzen.
Damit sich frau nicht mehr die Frage stellen
muss: »Werde ich fair und gerecht bezahlt?«
Ulla Köhler, Betriebsrätin bei FRIATEC.
Zwei gute Nachrichten gab es zum
Fazit der Veranstaltung:
• Durch das Engagement von Gewerkschaft, Betriebsrätinnen und Betriebsräten, also durch Mitbestimmung, wird
das Thema »Entgeltgleichheit von Frauen
und Männern« deutlich gerechter – der
Gender Pay Gap wird geringer.
• Das Interesse der Teilnehmenden war
so groß, dass sie sich bald wieder treffen
wollen, um sich weiter mit dem Thema
auseinanderzusetzen. »Bei Einstellungen
werde ich jetzt genau hinschauen und
den Vorschlag der Arbeitgeber prüfen,
damit die Schere nicht auseinandergehen
kann«, resümierte eine Teilnehmerin.
Und mit dieser Erkenntnis war sie nicht
alleine.
7
frauentag
editorial
HÖCHSTE ZEIT
für Veränderung
Heute Zeichen für morgen setzen!
Passend zum diesjährigen 8. März erhalten viele Kolleginnen in der IG BCE eine Einladung zu einer Veranstaltung, auf der ein spannender Film gezeigt wird: »Suffragetten«.
D
ie Suffragetten waren Frauen, die
uns den Weg in Sachen Gleichstellung bereitet haben. Ihre Themen
waren unter anderem das Wahlrecht für
Frauen und ihre Selbstbestimmung. Heute,
nach mehr als 105 Jahren, können wir auf
deren Erfolge zurückblicken und feststellen,
es bleibt immer noch viel zu tun. Unsere
Forderungen nach Gleichberechtigung und
Gleichbehandlung finden insbesondere am
Internationalen Frauentag und am Equal
Pay Day (s. Seite 6) eine breite Öffentlichkeit. Und sie sind heute immer noch so
wichtig wie damals.
In den vergangenen hundert Jahren haben
Frauen viel erreicht: in unserer Gesellschaft, unserer Kultur und nicht zuletzt in
unserer Gewerkschaft. Sie haben die Arbeits- und Arbeitssicherheitsbedingungen
für Frauen UND Männer mitgestaltet und
haben dafür gesorgt, dass in einer Vielzahl
von Betrieben die Vereinbarkeit von beruf-
lichen und familiären Aufgaben für Frauen
UND Männer verbessert wurden. Sie engagieren sich in den betrieblichen Interessenvertretungen, kurz: Sie gestalten Gegenwart
und Zukunft! Und das wird und muss auch
so bleiben. Wir stellen immer wieder fest:
Frauen sind aktiv und beharrlich, sie haben
gute Argumente und etwas zu sagen. Sie
überzeugen und sind ein wichtiger Teil von
betrieblicher Interessenvertretung. Deshalb
unterstützen wir die Frauen in ihren persönlichen Belangen genauso wie darin, sich
mit Anderen für ihre gemeinsamen Interessen starkzumachen.
Liebe Kolleginnen, sucht Euch Verbündete!
Überzeugt andere und gewinnt sie für eine
Mitgliedschaft in unserer IG BCE. Es ist
höchste Zeit für Gleichstellung. Und die erreichen wir am besten, wenn wir viele und
laut sind. Wir brauchen mehr familienorientierte Arbeitszeiten, Entgeltgleichheit,
mehr Frauen in Führung, eine ausgewo-
gene Teilhabe von Männern und Frauen
in den Interessenvertretungen und in der
IG BCE.
Am 8. März ist Zeit, mehr Frauen zu werben. Nutzen wir die Gelegenheit über das
zu reden, was wir gemeinsam Gutes erfolgreich tun und warum wir es tun: Es ist
höchste Zeit, die Zukunft zu gestalten. Es
ist höchste Zeit für Frauen!
Uns allen einen erfolgreichen 8. März!
i
*Als Suffragetten bezeichnete
man Anfang des 20. Jahrhunderts
mehr oder weniger organisierte
Frauenrechtlerinnen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten,
die vor allem mit passivem Widerstand, Störungen offizieller Veranstaltungen
bis hin zu Hungerstreiks für ein allgemeines
Frauenwahlrecht kämpften. Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Suffragetten
„Höchste
ZEIT FÜR
FÜHRUNG,
AUCH IN
TEILZEIT“
NICOLE MOHR
Bundesfrauenausschuss
Postkarte_DINlang_BuFrA_1601_RZ.indd 4
ausgabe 27 | März 2016
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8
FAME
ein Projekt für berufstätige Frauen ab 40
Sie sind gut ausgebildet, haben Potenzial, Erfahrung, sind hoch motiviert – und doch werden Frauen ab 40 in
der Personalplanung oft vergessen. Nicht so bei Vattenfall Europe Mining & Generation. Hier werden sie gezielt
gefördert.
»Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es
eine Lücke im Talentförderungssystem gibt,
die berufstätige Frauen zwischen 40 und
55 Jahren umfasst«, sagt Alexander Lengstorff Wendelken, Leiter Human Ressource
Management (Personalführung) bei Vattenfall Europe Mining & Generation und
FAME-Projektgründer. Diese Frauen verschwänden aus Sicht der Personalplaner in
der Regel für die Zeit, die sie sich bewusst
vorrangig um ihre kleinen Kinder kümmerten, tauchten dann mit Anfang 40 wieder auf, mit großem Potenzial und hohem
Engagement – fänden jedoch keine Plattform, die es ihnen ermöglicht, sich weiterzuentwickeln und Karriere zu machen.
»Wir möchten diese Frauen für die Personalplanung sichtbar machen und gleichzeitig umgekehrt als Unternehmen mit seinen
Möglichkeiten und Tätigkeitsfeldern für
die Frauen in Erscheinung treten«, beschreibt Alexander Lengstorff Wendelken
den Impuls, bei Vattenfall Europe Mining
& Generation eigens ein Projekt für die berufstätigen Frauen ab 40 ins Leben zu rufen: FAME.
Im Sommer 2014 ist FAME als Pilotprojekt
mit 18 Frauen im Alter zwischen 38 und 55
Jahren gestartet, die aus 100 Nominierten
in enger Abstimmung mit den Führungskräften und Betriebsräten im Unternehmen
ausgewählt wurden. Seither werden die
Frauen in zwei Gruppen zu je neun Teilnehmerinnen geschult: in Konfliktmanagement und Konfliktwahrnehmung in einem
stark männerdominierten Umfeld, in Auftrittskompetenz, insbesondere mittels Sprache, durch Stärkung des Selbstbewusstseins, in Führungsfähigkeiten, -aufgaben
und -methoden, darin, Mitarbeiter(innen)gespräche zu führen. Weitere Bausteine bilden die Potenzialanalyse und ein Assessment Center, die den Frauen Aufschluss darüber geben, was sie können, und die es
ihnen ermöglichen, für sich zu klären: »Will
ich überhaupt Führungskraft werden? Oder
bin ich eher eine Spezialistin?« Module
Netzwerkabende mit Frauen in Führungspositionen ergänzen das Angebot.
Das Projekt durchzusetzen war nicht
schwer. »Wir haben im Unternehmen ein
gutes Verständnis für ›Gender Diversity‹«,
sagt Lengstorff Wendelken. »Schon vor
FAME wurden beim Alter und bei den
Zielgruppen keine Unterschiede gemacht,
wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.« Dem Jugendwahn setzt
Vattenfall ein eigenes Wertesystem entgegen: baut auf Erfahrung, gibt jungen Menschen die Möglichkeit, sich zu entwickeln,
Erfahrungen zu sammeln. »Wir stellen uns
damit gegen den Trend«, bestätigt Lengs-
torff Wendelken, »aber so schaffen wir Karrieren mit Substanz und Bestand.« Den
Ansatz einer Potenzial- statt einer Personenbetrachtung hält der Personalleiter für
nachahmenswert: »Gut ausgebildete, engagierte und motivierte Beschäftigte, egal
welchen Alters, sind eine Chance für jedes
Unternehmen, ihr Potenzial aufzuspüren,
zu entwickeln und zu nutzen wahnsinnig
spannend, für alle Beteiligten.«
Für zwei der Projektteilnehmerinnen hat
sich die Teilnahme bereits gelohnt: Sie
konnten in Führungspositionen vermittelt
werden. Und wann verbucht Personalleiter
Lengstorff Wendelken FAME als Erfolg?
»Wenn wir das Projekt aus dem Projektstatus heraus in den Dauerbetrieb genommen
haben, weil es aus der Organisation heraus
gefordert wurde. Wenn es uns gelingt, den
Kulturwandel mitzugestalten.«
Bisher wird das Projekt im Unternehmen
gut angenommen, die Entscheidung über
die Fortsetzung in einem zweiten Durchgang steht an.
i
Wer sich über FAME informieren
möchte, kann sich an Alexander
Lengstorff Wendelken wenden:
Telefon 0355 2887-3345, E-Mail:
alexander-lengstorffwendelken@
vattenfall.de
FOTOLIA@WOODAPPLE
projekt
9
interview
editorial
Du bist für Bildung, politische
Schwerpunktgruppen und auch
Migration verantwortlich. Kannst Du
kurz beschreiben, welche inhaltlichen
Zielsetzungen Du verfolgst.
Lass mich mit dem Bereich der Bildung beginnen. Eine gute Aus- und Weiterbildung
ist für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, aber natürlich auch für die Kolleginnen und Kollegen von entscheidender
Bedeutung. Dies war zwar auch vorher
schon so, aber über die stärkere Digitalisierung von Produktion und Dienstleistung
werden sich die beruflichen Anforderungen stark verändern. Im Augenblick wird
die Debatte unter den Schlagworten Industrie 4.0 oder auch Arbeit 4.0 geführt. Da
wir erst am Anfang dieser neuen Digitalisierungswelle stehen, können wir noch
nicht hundertprozentig wissen, welche
Qualifikationsanforderungen
entstehen
werden. Wir wissen aber, dass wir nicht
nur im Bereich der Ausbildung, sondern
auch in der Weiterbildung die Belegschaften kontinuierlich fit machen müssen. So
können sie die neuen Herausforderungen
bewältigen. Damit hängt zusammen, dass
sich die Struktur der Beschäftigten in den
letzten Jahrzehnten stark verändert hat.
Die Belegschaften sind viel ausdifferenzierter, als sie es früher einmal waren. Diese Individualisierung haben wir durch die
Einführung von Zielgruppenarbeit in der
Abteilung Politische Schwerpunktgruppen
beantwortet. Es gilt neben unseren traditionellen Beschäftigten, die uns schon lange
die Treue halten, auch neue Beschäftigtengruppen zu gewinnen. Ob es sich nun um
Teamassistent(inn)en, dual Studierende
oder auch Leiharbeitnehmer/-innen handelt. Sie alle wollen wir durch ein spezifisches Angebot für die IG BCE gewinnen.
Zu diesen neuen Gruppen werden
wahrscheinlich auch immer mehr
Menschen mit Migrationshintergrund zählen. Was kann eine
Gewerkschaft überhaupt leisten,
um diese Menschen in die Betriebe
zu integrieren?
Wir sind auf verschiedenen Ebenen aktiv
geworden: Der geschäftsführende Hauptvorstand hat mit Vertreterinnen und Vertretern unserer Sozialpartnerverbände ein
ausgabe 27 | März 2016
4
Fragen an
Petra Reinbold-Knape
Spitzengespräch geführt, bei dem die
Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze
für Flüchtlinge vereinbart wurde. Kurz danach haben wir auf unserem Mitgliederfest
in Essen eine Spendensammlung für terre
des hommes gestartet und stellen Geld für
die Arbeit vor Ort zur Verfügung.
Welche Zugangsmöglichkeiten zum
deutschen Arbeitsmarkt gibt es für
diese Menschen?
Sprachkurse für alle sind die zentrale
Grundvoraussetzung für alles Weitere. Dafür haben wir uns in der Bundesagentur
für Arbeit starkgemacht, damit schnell und
unkompliziert entsprechende Mittel bereitgestellt werden. Ein weiteres Themenfeld
ist die Prüfung und Anerkennung von
Schul- und Berufsabschlüssen aus den
Herkunftsländern. In der chemischen Industrie haben wir mit unserer tariflichen
Reglung »Start in den Beruf« ein gut funktionierendes Instrument, um nicht nur
Flüchtlingen eine Brücke in Ausbildung
und Beruf zu bauen.
Wo siehst Du weiteren Handlungsbedarf und welche Schwerpunkte setzt
Du dabei?
Zunächst einmal müssen die vielen Initiativen und Projekte greifen, die einen Berufseinstieg ermöglichen sollen; angefangen bei Sprachkursen über Praktika und
Ausbildung bis hin zur Festanstellung. Hier
sind dann auch unsere Betriebe gefordert.
Investitionen zum Berufseinstieg heute, sichern die Arbeits- und Fachkräfte morgen.
Darüber hinaus müssen wir die großartige
Hilfsbereitschaft weiter stärken und unterstützen. Aber wir müssen auch die Sorgen
und Ängste der Menschen aufgreifen, die
durch die Flüchtlingsmigration verunsichert sind. Wenn es uns gelingt, eine
Balance zwischen praktischer Hilfsbereitschaft und Verständnis für die Verunsicherung herzustellen, dann können
wir den Hasstiraden von Populisten den
Boden entziehen. Denn wir leben schon
seit Jahren in einer bunten Gesellschaft, in
der wir den guten Willen aller Beteiligten
brauchen, ein tolerantes und lebenswertes
Umfeld aufzubauen.
Geboren am 16. April 1959 in Kassel. Nach der
Ausbildung zur Bürogehilfin bei Enka Glanzstoff
(1975/76) tätig bei der Stadt Kassel von 1977 bis
1979. Ab 1979 bis 1982 Verwaltungsangestellte
bei der IG Chemie-Papier-Keramik. Besuch der
Akademie der Arbeit in Frankfurt. 1983 bis 1997
Gewerkschaftssekretärin im Landesbezirk Hessen,
den Verwaltungsstellen Marl und Hagen
sowie im Landesbezirk Nordrhein-Westfalen.
Dann stellvertretende Bezirksleiterin und Bezirksleiterin in den Bezirken Hamm und Recklinghausen. 2007 bis 2015 Leiterin des Landesbezirks
Nordost und seit Juli 2015 Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE.
Petra Reinbold-Knape
Mitglied im geschäftsführenden Hauptvorstand
der IG BCE
10
projekt
»Ehrlichkeit ist wichtig«
Die IG BCE hat vor zwei Jahren ein Projekt zur Erschließung von Kunststoffbetrieben gestartet. Ziel war es,
Betriebe mit Betriebsratsstrukturen und später auch
mit Tarifbindung auszustatten. Acht Kolleginnen und
Kollegen sind dafür in vier regionalen Clustern aktiv.
Wenn man in einem Kunststoffbetrieb im Landesbezirk Bayern einen Betriebsrat gründen will, kann man sich auf die Unterstützung und Hilfe von Iris Schopper verlassen. Seit 2013 betreut sie
gemeinsam mit einem Kollegen ein Projekt in den Bezirken Augsburg, München und Kelheim-Zwiesel, dessen Zweck es ist, die
Mitbestimmung in der Kunststoffindustrie voranzutreiben. Für
Iris Schopper ein Herzens-Job/eine Herzens-Aufgabe, sagt sie.
28 Jahre, gelernte Industriekauffrau, Bereich Export.
2007 in die IG BCE eingetreten, mit 22 Jahren in den
Betriebsrat gewählt. JAVund Jugendreferentin, tätig
in der Frauen- und Jugendarbeit, Tarifkommissionsmitglied 2013–2016 Projektsekretärin »Mitbestimmung
in der Kunststoffindustrie
vorantreiben«.
Iris Schopper
Projektsekretärin
Kunststoff Bayern
Ein Teil meiner Arbeitszeit besteht darin, Daten zu pflegen und
damit unser Projekt zu dokumentieren. Schließlich will die IG
BCE auch von unseren Erfahrungen profitieren. Die übrige Zeit
planen und veranstalten wir zum Schichtwechsel Aktionen vor
den Werktoren von Unternehmen, die noch keinen Betriebsrat
haben. Wir stellen uns den Beschäftigten vor, bieten ihnen Hilfe
an, fragen sie, ob irgendwo der Schuh drückt, verteilen Postkarten,
die Interessierte ausfüllen und uns zuschicken können, wenn wir
mit ihnen in Kontakt treten sollen. Das erfordert Zeit und Geduld,
denn oft sind die Vorbehalte groß, sich gegenüber dem/der
Arbeitgeber/-in aufzustellen. Deshalb ist, wenn erst einmal ein
Kontakt hergestellt ist, Ehrlichkeit in meiner Arbeit das Wichtigste. Wenn eine Handvoll Beschäftigter zu mir kommt und um
Hilfe bei der Betriebsratsgründung bittet, sage ich ehrlich, dass es
eine größere Gruppe braucht, damit eine erste Wahlversammlung
überhaupt stattfinden kann. Und ich enthalte ihnen nicht vor,
dass es kein leichter Weg wird, weil im Zweifelsfall der/die
Arbeitgeber/-in nicht begeistert davon sein wird, nach Jahren oder
gar Jahrzehnten ohne Betriebsrat plötzlich eine betriebliche Interessenvertretung in seinem/ihrem Unternehmen zu haben.
Die Angst, dass die Geschäftsführung verärgert sein könnte und
den entschlossenen Beschäftigten persönlich negative Konsequenzen drohen, ist groß, verständlicherweise. Deshalb ist es
wichtig, dass ich den Beschäftigten diese Ängste und Befürchtungen nehmen und ihnen klarmachen kann, dass die Gesetzgebung auf ihrer, auf unserer Seite ist. Aber natürlich darf ich ihnen
auch nicht verschweigen, dass das nicht in jedem Fall hilft, beispielsweise wenn der/die Arbeitgeber/-in Schlupflöcher findet.
Umso wichtiger ist es, keinen Schnellschuss zu machen, sondern
langsam und behutsam vorzugehen, kontinuierliche Gespräche zu
führen. Mein Kollege und ich beraten die Leute dabei bei jedem
Schritt, bereiten Aushänge mit vor, überprüfen Listen. Das sorgfältige Vorgehen ist wichtig, um die juristische Unanfechtbarkeit des
Prozedere zu gewährleisten. Betriebsratswahlen sind ein höchst
aufwendiger, sehr bürokratischer Akt.
Ist die Entscheidung für eine Betriebsratswahl getroffen und sind
erste Vorbereitungen abgeschlossen, suchen wir sofort das Gespräch mit dem/der Arbeitgeber/-in. Die IG BCE schreibt die Sozialpartnerschaft groß, und das gilt für uns natürlich auch. Eine
Einigkeit herzustellen, ist oft nicht leicht, weil es sich in der Mehrzahl um schnell, irgendwo auf der grünen Wiese, gewachsene Betriebe handelt, die innerhalb kurzer Zeit Profit gemacht haben –
auch in der Regel auf Kosten der Belegschaft –, da sind die
Arbeitgebenden dann nicht begeistert, wenn plötzlich jemand,
vermeintlich, ihre Gutsherrenrechte beschneiden möchte. Aber
wir versuchen immer einen Konsens zu finden, die Vorteile eines
Betriebsrates zu erläutern, das Wahlverfahren zu erklären. Gerade
als Frau muss man sich da eine rhetorische Klappe zulegen. Aber
genau das, macht mir auch wahnsinnig viel Spaß – der Nervenkitzel, der damit verbunden ist.
Grundsätzlich finde ich es eher traurig, dass es noch so viele Betriebe gibt, die keine Mitbestimmungsstrukturen haben, und so
viele Beschäftigte, die sich am Mindestlohn entlanghangeln. Mitbestimmung ist so wichtig! Glücklicherweise haben wir auf der
anderen Seite auch die positiven Beispiele. Es freut mich, wenn
ich mitbekomme, ein von uns erschlossener Betrieb befindet sich
jetzt in Haustarifverhandlungen. Dann weiß ich, es geht voran.
Auch deshalb macht mir meine Arbeit Spaß. Und wegen der Menschen. Mit der Zeit bauen sich Vertrauensverhältnisse auf, man
geht gemeinsam durch dick und dünn, das verbindet.
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Betriebsräte gründen
Die Broschüre zum Projekt
gibt es unter:
http://www.boeckler.de/pdf/
p_mbf_frerichs_betriebsraete_2015.pdf
Erste Schritte | Erfahr
Eine Publikation im Rahmen
ungen | Gute Praxis
der Offensive Mitbestimm
ung
11
offensive
editorial mitbestimmung
KarisMa – Ein Projekt geht an den Start
Seit mittlerweile fünf Jahren läuft das Projekt »Frauen
Macht Erfolg – Frauen auf dem Weg in Führung«, mit
beeindruckender Bilanz.
Seit Dezember letzten Jahres hat diese Initiative nun eine kleine
Schwester, und das kam so: Immer wieder wiesen Frauen ab 50
Jahren im Rahmen des Projektes darauf hin, dass sie in der Personalentwicklung selten berücksichtigt würden und kaum eine
Chance hätten, sich weiterzuqualifizieren. Die IG BCE verstand
dies als Handlungsauftrag – und brachte ein neues Projekt – eigens
für die Frauen 50plus – auf den Weg: »KarisMa – Karriere 50plus
– Mit Erfahrungen punkten!« Es steht ganz im Zeichen des IG
BCE-Anspruchs: erfahrene und gut ausgebildete Frauen, ihre Ressourcen und ihr Potenzial weiterzuentwickeln und zu nutzen. Ziel
ist es, die Chancen und die Gleichstellung der Frauen 50plus im
Unternehmen zu erhöhen und so ein neues Bild der »weiblichen
Karriere 50plus« zu kreieren. Ein erster Schritt wird sein, die besonderen Belastungen für die Frauen 50plus auszumachen, um, in
einem nächsten Schritt, deren (Um-)Gestaltung zu bewirken: zur
Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit über die gesamte Lebensarbeitszeit.
Im Rahmen der ESF-Richtlinie »Fachkräfte sichern: weiter bilden
und Gleichstellung fördern« nutzten IG BCE und Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) die Chance, das Projekt »KarisMa –
Karriere 50plus – Mit Erfahrungen punkten!« einzubringen. Der
Startschuss fiel am 1. Dezember 2015.
5.
Eine Befragung der Zielgruppe Frauen 50plus in den Unternehmen zu ihren Lebensentwürfen und -plänen mit anschließender Auswertung.
6.
Eine Auswahl von 5 Unternehmen aus den 20 Interviewten, um Handlungsempfehlungen zu entwickeln.
i
Interessierte wenden sich bitte an:
[email protected].
Wir werden weiter berichten.
Die nächsten Projektschritte sind:
1.
Die Gründung einer paritätisch besetzten Projektsteuerungsgruppe. Das Projekt wird begleitet von Dr. Ute Schlegel vom Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH (QFC).
2.
Die Akquise und Auswahl von 20 Unternehmen, die einen
Branchenquerschnitt hinsichtlich Größe, Produktionsprofil, Region, Tradition, Eigentumsverhältnisse bilden.
3.
Die Sensibilisierung in den avisierten 20 Unternehmen mit
Auswahl geeigneter Interviewpartner/-innen aus der Zielgruppe der weiblichen Fachkräfte 50plus, der Verantwortlichen aus Personalabteilungen und Betriebsräten.
4.
Entwicklung eines Interviewleitfadens und Durchführung
qualitativer Interviews zu Fragen wie:
– Wie ist die Einstellung im Unternehmen zur Zielgruppe
Frauen 50plus?
– Welche Chancen erhält die Zielgruppe im Rahmen der
Personalentwicklung?
– Welche Erwartungen an die Zielgruppe gibt es?
– Welche Konzepte gibt es für Rückkehrerinnen in den
Beruf?
ausgabe 27 | März 2016
Die Steuerungsgruppe des Projekts »Offensive Frauen«
(von links: Marion Hackenthal, Edeltraud Glänzer, Rolf Erler,
Petra Adolph, Petra Reinbold-Knape) freute sich über die
zahlreichen Teilnehmenden und die guten Diskussionen beim
Austausch- und Vernetzungsworkshop im September in
Kassel. Neben den verschiedenen Erfahrungsberichten zur
Situation der Frauen in Büro, Labor, Produktion und zum
Frauenkolleg, stand der Vortrag der stellvertretenden IG BCEVorsitzenden Edeltraud Glänzer im Mittelpunkt der Veranstaltung. Sie betonte die Bedeutung des Projekts für die
praktische und betriebliche Umsetzung der strategischen
Handlungsfelder der Organisation und lobte die bezirklichen
und betrieblichen Aktivitäten. Petra Reinbold-Knape (gHV)
hob zum Abschluss hervor, wie wichtig es sei, jetzt »dranzubleiben« und die guten Projektverläufe und -ergebnisse
konsequent für die Mitgliederwerbung zu nutzen.
Interessierte an Projekt und Veranstaltungsdokumentation
wenden sich bitte an Marion Hackenthal:
[email protected].
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aktuelles
RECHT SO:
Zur Durchsetzung eines
Teilzeitverlangens
Will der/die Arbeitgeber/-in einen ordnungsmäßigen Antrag
auf Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, muss er/sie dies
dem/der Arbeitnehmer/-in spätestens einen Monat vor dem
gewünschten Beginn der Verringerung schriftlich mitteilen.
Tut er/sie dies nicht, verringert sich nach Paragraf 8 Absatz 5
Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz die Arbeitszeit entsprechend dem Verlangen des/der Beschäftigten. Das kann
der/die Arbeitgeber/-in auch nicht über eine Änderungskündigung rückgängig machen. Diese hat nur dann Bestand,
wenn der/die Arbeitgeber/-in ausreichende Tatsachen vorbringen kann, die er/sie nicht bereits dem Teilzeitverlangen
des/der Beschäftigten hätte entgegenhalten können (BAG vom
20. Januar 2015 – 9 AZR 860/13).
Eine Frage – eine Antwort
Bis zu welchem Jahr laut BGB mussten
Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis
fragen wenn sie einer beruflichen Tätigkeit
nachgehen wollten?
Die ersten zehn Einsendungen mit der richtigen
Antwort erhalten einen kleinen Preis.
Bitte die richtige Lösung auf eine Postkarte
schreiben und senden an:
IG BCE
Abteilung Frauen/Gleichstellung
Königsworther Platz 6
30167 Hannover
oder per E-Mail an:
[email protected]
Einsendeschluss
8. April 2016
Vorbildlich sind Unternehmen, die Frauen wie
Männern die gleichen beruflichen Entwicklungschancen
einräumen – unabhängig von ihrem Alter.
Vorfahrt
haben die Menschen, die anderen
Menschen in unserer Gesellschaft unabhängig von Alter,
Rasse, Hautfarbe, Religion und Herkunft als Nachbarin
und Nachbar die Hand zu einem gemeinsamen Leben
reichen.
Vorankündigung
für das neue Projekt
mit dem Schwerpunkt »IG BCE-Frauen unterstützen geflohene Frauen«, das auf dem 5. Frauentag am 26. Mai 2016
vorgestellt wird.
TERMINE
8. März | Internationaler Frauentag
19. März | Equal Pay Day
28. April | Zukunftstag
Mitglied in der IG BCE
werden . . .
Ja klar!
Online-Beitritt geht immer:
www.igbce.de