Haus der Gegenwart kommt zum Fliegen

AARGAUER ZEITUNG
MITTWOCH, 23. SEPTEMBER 2015
Stapferhaus
Finanzierung steht – dank Landhandel und Spenden
Darf man
einen Polizisten
«Clown» nennen?
«Der Neubau ist
nötig und das Projekt
überzeugend»
Haus der Gegenwart
kommt zum Fliegen
VISUALISIERUNG POOL ARCHITEKTEN
Für das geplante «Haus der Gegenwart» beim Bahnhof Lenzburg– das Bild zeigt eine Visualisierung – ist die Finanzierung nun weitgehend gesichert.
A
uf diese Idee muss
man erst einmal kommen. Da besitzt das
Stapferhaus eine Parzelle von 4500 Quadratmeter Grösse an
allerbester Lage beim Bahnhof in
Lenzburg. Hier soll das neue «Haus
der Gegenwart» entstehen. Das Projekt liegt vor, die Kosten stehen auch
schon fest: 23,8 Millionen Franken.
Der Kanton Aargau mit 13,7 und die
Stadt Lenzburg mit 2 Millionen Franken unterstützen das Projekt grosszügig. Allerdings nur unter der Bedingung, dass das Stapferhaus die Finanzierungslücke von 7,7 Millionen Franken selber schliessen kann.
Doch wie «findet» man als Stiftung
7,7 Millionen Franken? Die Lösung
besteht aus zwei Teilen: Landverkauf
und Fundraising.
Landverkauf an die CoOpera
Konkret sieht das so aus: Das
Stapferhaus verkauft die gesamte
Landparzelle «Bahnhof Süd» für das
«Haus der Gegenwart» an die CoOpera Sammelstiftung PUK. Im Gegenzug
erhält das Stapferhaus von der CoOpera jenen Teil des Areals, das es für
das «Haus der Gegenwart» benötigt,
im Baurecht. Zudem wird CoOpera
auch die Parkplätze erstellen, die das
Stapferhaus zwingend braucht.
Und was zahlt die CoOpera für das
ganze Areal? Sibylle Lichtensteiger,
Leiterin des Stapferhauses, gibt sich
bei dieser Frage sibyllinisch. «Es ist
und war nicht die Absicht des Stapferhauses, mit dem Land zu spekulieren.
Aber wir sind froh, dass uns die Co-
Opera auch einen sehr fairen Baurechtszins offeriert.»
Man darf also davon ausgehen, dass
der Kaufpreis sich im Bereich von
5,7 Millionen Franken befindet. Das
ist jener Betrag, den die Stiftung
Stapferhaus vor gut einem Jahr selber
für das Areal bezahlt hat.
Mitgeholfen hat auch die Stadt
Lenzburg. Sie hat den Kontakt zur CoOpera vermittelt. «Für uns war es ein
grosses Glück, dass die CoOpera
gleichzeitig auf der Suche nach neuen
Investitionsmöglichkeiten in Lenzburg war», sagt Sibylle Lichtensteiger.
Umso mehr, als es sich bei der CoOpera um eine Stiftung handle, die nachhaltig wirken möchte. Zusammen mit
CoOpera und der Stadt als Partner gebe es nun neue Möglichkeiten für Synergien, hält sie fest.
2,7 Millionen Stiftungsgeld
INSERAT
Auch beim Fundraising hat die Stiftung Stapferhaus erfolgreich gewirkt.
Die Ernst-Göhner-Stiftung sowie die
Avina-Stiftung von Stephan Schmidheiny unterstützen den Bau des Hauses mit namhaften Beträgen. Von
Schmidheinys Stiftung kommt insgesamt eine Million, davon 500 000
Franken für den Betrieb. «Es ist mir
wichtig, nicht nur in eine schöne Hülle zu investieren, sondern auch in relevante Inhalte», begründet Schmidheiny die doppelte Unterstützung.
Überaus grosszügig zeigten sich
auch die Migros, die Beisheim-Stiftung
VON MANUEL BÜHLMANN
Die Kantonspolizistin und ihr Kollege
nehmen im Gerichtssaal Platz. Sie sind
in Uniform erschienen – aber nicht, um
einen Gefangenen zu bringen, sondern
um selbst am Prozess teilzunehmen.
Die zwei Beamten sind Kläger in einem
Fall, der sich hauptsächlich um eine
Frage dreht: Darf man Polizisten ungestraft als «Clowns» bezeichnen? Nein,
finden die Betroffenen und reichten
eine Anzeige wegen Beschimpfung ein.
Ja, findet der Verteidiger und spricht
von einem «absurden Theater».
VON JÖRG MEIER
Mit viel Geschick und etwas Glück hat das Stapferhaus
Lenzburg innert weniger Monate die Finanzierung für
das 23,8 Millionen Franken teure «Haus der Gegenwart»
beim Bahnhof in Lenzburg gesichert.
VON JÖRG MEIER
Prozess Das Bezirksgericht Bremgarten findet für einen
ungewöhnlichen Fall eine ungewöhnliche Lösung
Stephan Schmidheiny, Gründer und Präsident der AvinaStiftung, erklärt, warum er
das «Haus der Gegenwart»
mit einer Million unterstützt.
Sie haben die Ausstellung «Geld»
im Stapferhaus gesehen. Was hatten Sie für einen Eindruck?
Stephan Schmidheiny: Der Begriff
«Geld» in all seinen Facetten ist ja sehr
schwer zu fassen. Ich war beeindruckt, wie praktisch und anschaulich
das Thema im Stapferhaus in vielen
Dimensionen dargestellt wurde. Ich
bin überzeugt, dass viele Jugendliche
und auch Erwachsene durch diese
Ausstellung zu einem bewussteren
Umgang mit Geld und Gütern inspiriert werden.
Ein Streit um die Evakuierung
Stephan Schmidheiny
HO
Warum engagieren Sie sich mit
Ihrer Stiftung Avina für das neue
Stapferhaus? Was hat Sie überzeugt? Die Ausstellung? Das Konzept?
Es braucht immer verschiedene Aspekte, damit ich mich bei einem Projekt engagiere: Neben dem Konzept
und dem Auftritt sind es immer auch
die Menschen, die dahinterstehen. Das
Team, das uns das Stapferhaus und
seine Zukunft vorstellte, hat uns spontan überzeugt.
Gibt es Themen, die das neue
Stapferhaus Ihrer Meinung nach
aufnehmen könnte oder gar sollte,
weil sie drängend sind?
Das Team des Stapferhauses hat ein
sehr gutes Gespür für unsere Zeit und
ihre Fragestellungen. Ich lasse mich
also gerne vom Stapferhaus überraschen und herausfordern. Persönlich
würde mich interessieren, wie das
Stapferhaus-Team das Thema «Unternehmergeist» umsetzen würde. Ich
glaube, diese Haltung ist in unser beider DNA verankert.
Avina gewährt dem Stapferhaus
gleich eine «doppelte» Unterstützung: einerseits beim Bau, andererseits beim Betrieb. Was sind die
Überlegungen für diese Etappierung?
Wir glauben, mit dieser «doppelten»
Unterstützung den Bedürfnissen des
Stapferhauses am besten entgegenkommen zu können. Der Neubau ist
notwendig und das Projekt überzeugend, da ist man gerne dabei. Aber
nach dem Bau muss ja auch der Betrieb sichergestellt sein. Ich glaube,
dass wir mit unserer Spende auch
noch andere Donatoren zusätzlich
motivieren können.
Das Stapferhaus ist eine aargauische Institution mit nationaler
Ausstrahlung. Was verbindet Sie
mit dem Aargau?
In unserer Familie gibt es lange industrielle Verbindungen mit dem Aargau
im Bereich Zement. In Holderbank
stand ja die erste Zementfabrik, die
später dem Konzern den Namen gab.
Danach kam das Engagement bei BBC
/ ABB dazu, das ich selber während 16
Jahren im Verwaltungsrat begleiten
durfte. Obwohl das Geschäft ausgesprochen global war, gab es doch immer wieder Gelegenheiten zu guten
Kontakten mit Aargauer Behörden
und der Bevölkerung.
CoOpera ist auch für
Ortsbürger «gute Lösung»
Lenzburg Die Ortsbürger
haben den Kauf des Areals
«Bahnhof Süd» intensiv
geprüft. Wegen happiger
Zusatzinvestitionen wurde
verzichtet; auch dank der
«guten Lösung» CoOpera.
Bahnhofareal Lenzburg Süd: Auf der hellblau schraffierten Fläche entsteht das
GOOGLE MAPS/MARCO TANCREDI
neue «Haus der Gegenwart».
und die Paul-Schiller-Stiftung. Über die
Höhe der jeweiligen Beiträge haben
Stiftungen und Stapferhaus im letzten
Moment Stillschweigen vereinbart.
Klar ist aber: die Finanzierung des
Baus und des Betriebs des neuen Hauses ist weitgehend gesichert. Überdies
sind die Vorgaben des Kantons erfüllt.
In den nächsten Monaten wird das
Stapferhaus die Projektierung des
«Hauses der Gegenwart» angehen, das
Fundraising weiterbetreiben und beim
Kanton die Freigabe der Gelder für das
Projekt beantragen.
Vom Neubau des «Hauses der Gegenwart» soll auch die Stadt Lenzburg
profitieren. Denn das «Haus der Gegenwart» wird ein erster Puzzlestein
in der Entwicklung und Aufwertung
des Bahnareals sein. Der Umzug vom
Schloss und aus dem Zeughausareal
ins neue Haus am Bahnhof soll bereits
im Jahre 2018 erfolgen. «Ich bin zuversichtlich, dass es klappt», sagt Sibylle
Lichtensteiger. «Wir sind immer noch
genau im Zeitplan.»
Mehr Visualisierungen
vom Haus der Gegenwart
finden Sie online unter
www.aargauerzeitung.ch
VON FRITZ THUT
Auch für die Stadt Lenzburg ist das
«Haus der Gegenwart» ein wichtiger
Meilenstein. Gleich zwei Stadträte
informierten gestern Dienstagnachmittag zusammen mit StapferhausLeiterin Sibylle Lichtensteiger über
die lokalpolitischen Aspekte des Millionenprojektes in unmittelbarer
Nähe des Bahnhofs.
Schon an der Ortsbürger-Sommergemeindeversammlung hatte der
Stadtrat informiert, dass die ortsbürgerliche Immobilienkommission den
Kauf der Parzelle «Bahnhof Süd»
prüfe, um der Stiftung Stapferhaus
zu nötigen Mitteln für das «Haus der
Gegenwart» zu verhelfen.
«Ausgangslage und Rahmenbedingungen waren klar», so Martin Stücheli, der im Stadtrat für die Belange
der Ortsbürger zuständig ist. Weil
der neuralgische Ort beim Bahnhof
«wichtig für die Zukunft der Stadt»
ist, habe man «alle Möglichkeiten
durchgespielt».
Mit dem Kauf nicht getan
Schnell hat sich für die ortsbürgerliche Immobilienkommission gezeigt, dass es mit dem Kauf des Areals für rund 5,6 Millionen Franken
nicht getan wäre: Auf dem zur Parzelle gehörenden Land, das nicht
der Stiftung Stapferhaus im Baurecht überlassen worden wäre, hätten Projekte realisiert werden können, ja müssen, die weitere Mittel
gebunden hätten.
Eine Beteiligung an der Tiefgarage
wurde auf 1,2 Millionen veranschlagt. Gesamthaft wären Zusatzinvestitionen angefallen, die die Ortsbürgergemeinde mit gut 13 Millionen
Franken belastet hätten.
«Es wäre nicht unmöglich gewesen, diesen Betrag zu finanzieren»,
so Stücheli, doch stünden mit dem
AARGAU 23
Museum Burghalde, möglichen Vorhaben auf dem Seifi- und dem Zeughaus-Areal bereits weitere grosse
Brocken an. «Es ist sinnvoll, sich
nicht weiter zu verzetteln», hielt Stücheli die Expertisen zusammenfassend fest. Deshalb stellte die Immobilienkommission den Antrag, vom
Kauf abzusehen.
«Diesem Antrag stimmte der
Stadtrat im August zu», so Bau-Stadtrat Martin Steinmann. Nicht zuletzt
dank dem Bauressort war schon
früh eine Verbindung zwischen der
CoOpera-Sammelstiftung und dem
Stapferhaus hergestellt worden. Mit
dieser Alternative spielt der ortsbürgerliche Verzicht für die Perspektiven des «Hauses der Gegenwart»
keine einschneidende Rolle mehr.
Bei der Variante Ortsbürgergemeinde hätte die Gmeind erst im Dezember entschieden. Eine lange Zeit
der Ungewissheit hätte gedroht. «CoOpera als Investor kommt uns wahnsinnig entgegen», freute sich Lichtensteiger. Stadt und Stapferhaus
zeigten sich unisono überzeugt:
«Diese Lösung ist ein grosser Glücksfall für alle Seiten.»
Das umstrittene Wort fällt an einem
Freitagnachmittag im Dezember letzten
Jahres. Die beiden Kantonspolizisten
rücken ins Rudolfstetter Industriequartier aus, weil ein Tanklastwagen mehrere hundert Liter Benzin verliert – es
herrscht Explosionsgefahr. Mehrere
Gebäude müssen evakuiert werden.
Die Mitarbeiter einer nahen Firma kehren zu früh zurück, die Beamten bitten
sie, nochmals nach draussen zu gehen.
Der Beschuldigte, selber langjähriger
Feuerwehrmann, hält die Massnahme
für übertrieben – und teilt das den Polizisten mit. Ein Disput folgt, der in der
Bezeichnung «Clown» gipfelt. So weit
sind sich die Beteiligten einig.
Doch die Schuld am unerfreulichen
Verlauf des Gesprächs sehen beide Parteien bei der Gegenseite. «Er hat sich
mehrmals geweigert, das Gebäude zu
verlassen», sagt die Polizistin. «Ich war
verärgert», sagt der Beschuldigte. Er
habe zu erklären versucht, dass ein
Feuerwehroffizier bereits davor Entwarnung gegeben habe. Doch er sei
barsch unterbrochen worden. «Die
Feuerwehr sagt das, die Polizei dies.
Das kam mir ein wenig vor wie ein
Witz.» Der Ausdruck «Clown» sei ihm
rausgerutscht, später habe er sich dann
dafür entschuldigt: «Das Wort war vielleicht doch ein wenig zu hart.»
Ein ehrenwerter Beruf
Der Verteidiger des Beschuldigten
verlangt einen Freispruch. «Der Prozess ist ein Ärgernis», sagt er. Nicht nur
für seinen Mandanten, sondern auch
für alle Aargauer Steuerzahler. «Der
Staatsapparat sollte nicht auf solche
Lappalien reagieren müssen.» Ehrverletzend und strafrechtlich relevant sei
die Bezeichnung «Clown» ohnehin
nicht. «Schliesslich handelt es sich
dabei um einen ehrenwerten Beruf,
wie Richter oder Anwalt.»
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten fordert in der Anklage hingegen
eine Verurteilung wegen Beschimpfung
und eine bedingte Geldstrafe von zehn
Tagessätzen à 400 Franken sowie eine
Busse von 800 Franken.
Doch bevor er ein Urteil fällt, versucht der Gerichtspräsident, zwischen
den Parteien zu vermitteln – mit Erfolg.
Der Beschuldigte entschuldigt sich, die
Polizisten ziehen ihre Klage zurück.
Der Fall ist damit erledigt.
Rollerfahrerin
prallt gegen ein Reh
Wildunfall Eine 18-jährige
Rollerfahrerin ist am frühen
Dienstagmorgen bei Leuggern
mit einem Reh kollidiert.
Am selben Tag registrierte die
Polizei über ein Dutzend weitere Unfälle mit Wildtieren.
754 Rehe wurden im vergangenen Jahr
auf Aargauer Strassen überfahren und
getötet – Unfälle mit Rehen sind also
relativ häufig. Dass aber ein Roller mit
einem Reh kollidiert, kommt sehr selten vor. Dementsprechend überrascht
dürfte eine 18-jährige Frau gewesen
sein, als gestern Dienstag kurz nach
sechs Uhr morgens zwischen Hettenschwil und dem Weiler Hagenfirst bei
NACHRICHTEN
DIEBSTÄHLE
Kantonspolizei sucht
Schmuckbesitzer
Vor gut einer Woche fand die Grenzwache in einem Auto unbekannten
Schmuck. Dabei wurden zwei Litauer
verhaftet, die im Verdacht stehen, den
Schmuck gestohlen zu haben. Nun
publiziert die Polizei Fotos des Diebesguts (alle auf aargauerzeitung.ch)
und hofft, dass sich der rechtmässige
Schmuckbesitzer meldet. (AZ)
Leuggern ein Reh direkt vor ihr auf die
Strasse sprang. Es kam zur Kollision,
wobei die Rollerfahrerin stürzte und
vorerst nicht ansprechbar war.
Eine Ambulanz brachte die Rollerfahrerin ins Kantonsspital Aarau. Gemäss
einer Polizeimeldung erlitt sie beim
Wildunfall eine Gehirnerschütterung.
Die Verletzungen waren damit weniger
schwer als zunächst befürchtet. Für das
Reh endete die Kollision tödlich.
Allein am Dienstagmorgen gingen bei
der Kantonspolizei Aargau über ein
Dutzend Meldungen über Kollisionen
mit Wildtieren, vor allem mit Rehen
und Füchsen, ein. Die Kantonspolizei
warnt vor Wildunfällen, die sich im
Herbst häufen. Sie mahnt zu vorsichtiger Fahrweise, insbesondere bei Dunkelheit und auf Ausserortsstrecken entlang von Wäldern und Wiesen. (AZ)
INSERAT