ADHS im Erwachsenenalter
Informationen für Patienten und Angehörige
Autorin
Dr. med. Johanna Krause
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalyse
Fachärztin für Neurologie
Niedergelassen in privatärztlicher Praxis in Ottobrunn bei München
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Inhalt
Was ist die ADHS und wie wirkt sie sich auf den Alltag Betroffener aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Welche Ursachen werden bei der ADHS hauptsächlich vermutet?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Gibt es auch positive Aspekte bei Betroffenen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Wie wird die ADHS diagnostiziert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Welche psychischen Begleiterkrankungen treten vermehrt bei der ADHS auf? . . . . . . . . . . . . . . . 15
Wie kann die ADHS behandelt werden?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
–Psychoedukation, Psychotherapie und Coaching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
–Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Weitere Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
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Sie interessieren sich für das Krankheitsbild der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyper­­aktivitätsstörung (abgekürzt ADHS), weil Sie möglicherweise
manche der folgenden Probleme haben; diese Phänomene können, wenn
sie stark ausgeprägt sind, Symptome einer ADHS sein.
➜Sie beginnen eine Arbeit und führen sie häufig nicht zu Ende.
➜Sie schaffen es öfters nicht, Ihre Arbeit in einzelne Schritte zu unterteilen, die es
­Ihnen erleichtern könnten, notwendige Aufgaben besser zu bewältigen.
➜Sie würden gerne Ihren Tagesablauf kontrollieren, aber es gelingt Ihnen nicht, weil
Sie immer wieder das Ziel aus den Augen verlieren.
➜Sie haben häufiger die Arbeitsstelle gewechselt.
➜Sie planen ungern Aufgaben, die Ihnen uninteressant erscheinen, andererseits ver­
gessen Sie Ihre Umgebung, wenn Sie sich mit Themen beschäftigen, die Ihnen sehr
interessant erscheinen.
➜Sie beschäftigen sich gerne und exzessiv mit Internet und Computerspielen.
➜Sie schieben gern Aufgaben vor sich her, bis es eigentlich zu spät ist.
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➜ Das Großraumbüro ist für Sie eine arbeitsfeindliche Umgebung, weil es
Ihnen wegen ständiger Ablenkung durch die Anwesenheit der Kollegen
nicht gelingt, sich auf Ihre Aufgaben zu konzentrieren.
➜ Sie haben Probleme, länger konzentriert zu lernen oder zuzuhören, und
fallen öfters Gesprächspartnern ins Wort.
➜ Sie waren als Kind körperlich deutlich unruhiger als heute.
➜ Sie halten sich ungern an Absprachen und Regeln (z. B. Verkehrsregeln).
➜ Langes Warten oder Schlangestehen fällt Ihnen ausgesprochen schwer;
so haben Sie beispielsweise Ihren bereits gefüllten Einkaufswagen schon
einmal stehen lassen.
➜ Sie reagieren öfters für Andere nicht nachvollziehbar zu spontan und heftig.
➜ Sie finden den Genuss von Kaffee und Nikotin entspannend.
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Was ist die ADHS und wie wirkt sie sich auf den Alltag Betroffener aus?
Die wesentlichen Symptome der ADHS sind Aufmerksamkeitstörung, motorische Hyperak­
tivität und Impulsivität. Zunächst wurde die ADHS als reine Erkrankung des Kindesalters
angesehen, weil die Hyperaktivität als wesentliches Symptom sehr auffällig und nach der
Pubertät bei vielen Betroffenen nicht mehr vorhanden war. Mädchen zeigen dieses Symp­
tom deutlich seltener und wurden deshalb oft als nicht betroffen eingestuft. Es wurde zu­
nächst nicht bemerkt, dass diese offensichtliche Hyperaktivität sich nach der Pubertät in
eine innere Unruhe wandelte, die von den Betroffenen als sehr quälend erlebt wird, aber
als Symp­tom nicht wahrgenommen wurde. Erst im letzten Jahrzehnt des vergangenen
Jahrhunderts gab es in den USA Fachbücher, die die ADHS Erwachsener zum Inhalt hatten.
Das erste deutschsprachige Fachbuch zu diesem Thema erschien 2003.
Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass es drei Formen der ADHS gibt:
Kombinierter oder Mischtyp
•Betroffene zeigen sowohl Zeichen von Hyper­akti­vität und I­ mpulsivität als auch von Störungen
der Aufmerksamkeit und Konzentration
Unaufmerksamer Typ
•Betroffene weisen vorwiegend Symptome der Aufmerksamkeits- und Konzentrations­störung auf
Hyperaktiv-impulsiver Typ
•Betroffene haben ­vorwiegend hyperaktiv-impulsive Verhaltens­weisen
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ADHS kommt auf allen Kontinenten mit einer durch­
schnittlichen Häufigkeit von etwa 3.4 % vor. Es handelt
sich also nicht um eine Modediagnose, die angeblich
erfunden wurde, um bestimmte Medikamente zu ver­
markten.
So findet sich die erste exakte Beschreibung der Unauf­
merksamkeitsstörung bereits in einem medizinischen
Lehrbuch aus dem Jahre 1792, in dem der Arzt Weickard
unter anderem das Verhalten eines jungen Priesters beschreibt, den schon eine Fliege im
Raum von weiterer Meditation über das Leiden des Erlösers abhält.
30 Jahre später bemerkt der Vater von Heinrich Hoffmann, der Autor des „Struwwelpeter“,
in einem Brief an seinen Sohn, dass er sich Sorgen mache, „dass er nicht untergehe in der
Flut des alltäglichen gemeinen Lebens“. Hier wird die mangelnde Organisation (Desorgani­
sation) von wichtigen Aufgaben im Verlauf des Tages angesprochen.
Diese Beschreibung trifft die Situation vieler Menschen mit der Diagnose ADHS, die nicht
in der Lage sind, die wichtigen von den unwichtigen Aufgaben zu unterscheiden. Sie sind
den ganzen Tag mit irgendwelchen Tätigkeiten beschäftigt, erledigen aber nicht die drin­
genden Aufgaben, die mit Terminen verbunden sind. Sie surfen beispielsweise immer wie­
der im Internet, statt die notwendige Post zu erledigen oder ihren eigentlichen Verpflich­
tungen nachzukommen.
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Darüber hinaus neigen Betroffene dazu, Anderen ins Wort zu fal­
len; bei Kritik und Ärger über das eigene Unvermögen rasten Men­
schen mit ADHS unerwartet schnell und intensiv aus (mangelnde
Affektkontrolle).
Es gibt eine hohe Erwartung an eine konzentrierte Arbeitshaltung,
die heutzutage häufig im Großraumbüro zu erledigen ist. Wegen
der ständigen Ablenkung durch Geräusche, Gespräche und Be­
wegung Anderer ist den Betroffenen ein Arbeiten in einer solchen
Umgebung unmöglich (Stressintoleranz). Es entstehen Selbst­
zweifel – schließlich können Andere in diesem Umfeld gut arbeiten; aus den Selbst zweifeln
resultieren Stimmungsschwankungen (Affektlabilität) und depressive Verstimmungen. Eine
zusätzliche Antriebsstörung und ein zunehmender Mangel an Selbstwertgefühl (Selbstwert­
problematik) führen schließlich zu Arbeitsunfähigkeit.
Welche Ursachen werden bei der ADHS hauptsächlich vermutet?
Ursächlich handelt es sich bei der ADHS um eine überwiegend genetisch bedingte Störung,
die sich auf die Hirnbotenstoffe auswirkt. Es sind mit Sicherheit viele Gene beteiligt, was
die Unterschiedlichkeit der Symptomkombinationen bedingt; es können deshalb innerhalb
einer Familie sowohl sehr hyperaktive und impulsive als auch nicht hyperaktive konzentra­
tionsgestörte Menschen, aber auch nicht von ADHS betroffene Menschen vorhanden sein.
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Eine mögliche Erklärung für die Symptome der ADHS
ist eine erniedrigte Konzentration der Botenstoffe Do­
pamin und Noradrenalin in bestimmten Hirnregionen,
die für Konzentration und Antrieb verantwortlich sind.
Stimulanzien wie Methylphenidat können dieses Defizit
beheben (siehe Abbildung).
Die Filterfunktionen für Reize sind herabgesetzt, dies
führt dazu, dass Geräusche, Gerüche und Gefühlsein­
drücke viel intensiver erlebt werden. Für manche Betrof­
fenen ist dies so belastend, dass sie sich sozial zurück­
ziehen. Auch die Impulskontrolle ist vermindert, dies
führt dann zu „Vulkanausbrüchen“ oder sogar körperli­
chen Angriffen, die ohne Vorwarnung umgesetzt werden.
Andererseits kann die Reizwahrnehmung herabge ­
setzt sein, wenn der Betreffende sich mit ihn stark inte­
ressierenden Themen beschäftigt; die Umgebung wird
dann nur noch undeutlich wahrgenommen (Hyperfokus­
sierung).
Impulsgebende Nervenzelle
Dopamin
Blockade der
DopaminTransporter durch
Methylphenidat
Synaptischer
Spalt
Dopamin­
Rezeptor
Impulsempfangende Nervenzelle
Wirkmechanismus von Methylphenidat im synaptischen Spalt:
Methylphenidat blockiert durch Besetzung der Dopamintransporter die Wiederaufnahme von freigesetztem Dopamin (Schematisierte Darstellung).
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Gibt es auch positive Aspekte bei Betroffenen?
Die erfolgreichen unter den aufmerksamkeitsgestörten Erwachsenen können ein herausra­
gendes Durchhaltevermögen beim Erforschen von Dingen, die sie interessieren, entwickeln,
so dass sie in kurzer Zeit zu Spezialisten werden. Vermehrte Reizoffenheit, hohe Kreativität
mit der Fähigkeit zu assoziativem Denken außerhalb eingefahrener Gleise und Eloquenz
können durchaus berufliche Vorteile darstellen, die in bestimmten Berufen wie Manager,
Vertreter, Verkäufer, Politiker, Moderator, Entertainer, Künstler, Wissenschaftler und Erfinder
gefragt sind.
Wie wird die ADHS diagnostiziert?
Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter ist eine „klinische
Diagnose“; es gibt keinen sicheren Nachweis­Test, weder auf biolo­
gischer noch auf testpsychologischer Basis. Die Diagnose wird auf­
grund eines eingehenden Interviews, des dabei erhobenen aktuellen
Befundes und der erfragten Symptome im Kindesalter gestellt.
Viele Betroffene haben keine deutliche Erinnerung an ihre Kindheit;
so wird der für die Diagnose notwendige Nachweis des Beginns der
Störung in der Kindheit oft schwierig, wichtige Hinweise geben hier
häufig Bemerkungen in Zeugnissen aus der Schulzeit.
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Kennen Sie einige der Kommentare zur fehlenden Aufmerksamkeit aus Ihren alten Zeug­
nissen?
Oft lässt er sich ablenken und ist unkonzentriert, seine Leistungen bleiben
daher noch unter der Grenze seiner
Leistungsfähigkeit.
Wenn Du wolltest, könntest Du
bessere Leistungen bringen!
Er arbeitete eifrig, aber nicht immer
konzentriert genug mit.
Er ist ein begabter, aber nicht
immer leistungsbereiter Schüler.
Sie könnte bei größerer Aufmerksamkeit
Besseres leisten, lässt sich gern ablenken!
Sie muss sich mehr zutrauen und lebhafter
mitarbeiten!
Spielt ausgelassen, nimmt am Unterricht
nicht teil, ist sehr leicht ablenkbar, Selbstständigkeit mangelhaft.
Sein Fleiß und die Mitarbeit sind
interessensbedingt.
Konzentrier Dich besser!
(Kommentar des Betroffenen:
ich hätte es ja getan, wenn ich
gewusst hätte, was das ist.)
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Die Diagnose kann nur dann gestellt werden, wenn Symp­
tome schon vor dem 12. Lebensjahr vorhanden waren.
Weiterhin müssen bei Patienten ab 17 Jahren gemäß den
Kriterien des Diagnosehandbuchs der American Psychiatric Association (Diagnostic and Statistical Manual of Mental
Disorders [DSM]) für die Diagnose einer ADHS vom unaufmerksamen Typ 5 oder mehr der 9 Symptome von
Unaufmerksamkeit ständig in einem nicht mit dem Ent­
wicklungsstand zu vereinbarenden Ausmaß vorhanden
sein (siehe Seite 13).
Für die Diagnose einer ADHS vom hyperaktiv-impulsiven
Typ müssen 5 oder mehr der 9 Symptome von Hyper­
aktivität und Impulsivität ständig in einem nicht mit dem
Entwicklungsstand zu vereinbarenden Ausmaß vorhanden
sein (siehe Seite 14).
Sind sowohl die Kriterien der Unaufmerksamkeit als auch der Hyperaktivität und Impulsi­
vität erfüllt, liegt eine ADHS vom kombinierten Typ vor.
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Symptome des Aufmerk­samkeits­defizits
Beispiele für die bei Erwachsenen zu erwartenden Symptome
Beachtet häufig Einzel­heiten nicht oder macht
Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei
der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten
Mangelnde Konzentration beim Durchlesen schriftlich fixierter Aufgaben und Arbeits­
anweisungen; bei mündlicher Auftragserteilung Unfähigkeit, so lange konzen­triert zu
bleiben, bis die Handlungsanweisung verinnerlicht ist
Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Auf­
merksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen
aufrechtzuerhalten
Subjektiv langweilige Aufgaben wie Routinearbeiten am Arbeitsplatz, regelmäßige Ar­
beitsabläufe oder uninteressant erscheinende Aufträge lösen eine erhöhte Ablenkbar­
keit aus und führen damit zum Wechsel der Tätigkeit, wichtige und unwichtige Dinge
sind gleichrangig.
Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere
ihn/sie ansprechen
Erwachsene sind häufig mit eigenen Gedanken beschäftigt, oft noch von Vorkommnis­
sen beeindruckt, bei denen scheinbar etwas schlecht gelungen ist, und haben deshalb
kein Ohr für die Umgebung.
Führt häufig Anweisungen anderer nicht voll­
ständig durch und kann Schularbeiten, andere
Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht
zu Ende bringen
Erwachsene erfassen die Aufgabenstellung nur unvollständig und fühlen sich schnell
von zu erledigender Arbeit überfordert; weil keine Gliederung der Arbeit vorgenommen
werden kann, wechseln sie deshalb zu anderer „interessant“ erscheinender Tätigkeit.
Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Ak­
tivitäten zu organisieren
Mangelhafter Überblick bei der Organisation von Arbeiten, Wichtig und Unwichtig wer­
den bei der Planung von Arbeitsabläufen nicht beachtet.
Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen
oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit
Aufgaben, die länger andauernde geistige An­
strengungen erfordern
Mangelnde Fähigkeit zur Gliederung von Arbeitsab­läufen führt zu schnell eintretenden
Überforderungs­gefühlen, häufiger Stimmungswechsel verhindert konstante Arbeits­
leistung, dies bedingt eine oft zu beobachtende Selbstentwertung.
Verliert häufig Gegenstände, die er/sie für Auf­
gaben oder Aktivitäten benötigt
Unfähigkeit, sich an Handlungen zurückzuerinnern (z. B.: Wo habe ich meinen Schlüssel
abgelegt?), bei starker Reizoffenheit; Verlust der Fähigkeit geplant vorzugehen, keine
Erinnerung an Ausgangssituationen, damit verbunden der Eindruck, sich ständig in ei­
ner unvorhergesehenen Situation zu befinden
Lässt sich öfter durch äußere Reize leicht ab­
lenken
Hohe Ablenkbarkeit bei großer Reizoffenheit durch schlecht steuerbare Konzentration
und Fokussierung auf die Gesprächs- oder Arbeitssituation
Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich
Häufig vorhandenes Gefühl, an vorzeitigem „Alzheimer“ zu leiden, weil der Tagesablauf
als eine Aneinander­reihung von unvorhersehbaren Ereignissen wahrgenommen wird
und damit die eigentlich geplanten Vorhaben in Vergessenheit geraten
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In Anlehnung an DSM
Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität
Symptomwandel im Erwachsenenalter
Zappelt häufig mit Händen oder Füßen oder rutscht
auf dem Stuhl herum
Erwachsene wippen mit den Füßen, lassen häufig das ganze Bein zittern, trommeln
mit den Fingern auf Tischplatten oder Armlehnen von Stühlen, gelegentlich verkno­
ten sie ihre Beine oder schlingen sie um Stuhlbeine, um die motorische Unruhe zu
kontrollieren, sie schlagen beim Sitzen ein Bein unter und haben oft Probleme mit
Nägelkauen.
Steht in der Klasse oder in anderen Situationen, in
denen Sitzenbleiben erwartet wird, häufig auf
Erwachsene vermeiden Langstreckenflüge, weil sie die erzwungene körperliche
Ruhe nicht ertragen; Restaurant-, Theater- und Kinobesuche führen zu großer in­
nerer Anspannung, weil wenig Gelegenheit zu Bewegung existiert.
Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situa­
tionen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendli­
chen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjek­
tives Unruhegefühl beschränkt bleiben)
Erwachsene lieben Berufe mit der Möglichkeit sich zu bewegen; sie sind häufig in
Außendienstpositionen mit wechselnden Gesprächspartnern oder Orten zu finden,
sie verzichten ungern auf ihr Handy, sie brauchen viele Reizquellen, sie möchten
sich durch Außenreize stimulieren.
Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder
sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen
Erwachsene treiben gerne Sportarten, die mit Risiko verbunden sind, wie Drachen­
fliegen, Bungee-Jumping oder Motorradfahren; die extreme Reizsituation führt zu
einer intensiven Konzentrationsleistung, was von den Betroffenen als angenehm
erlebt wird.
Ist häufig „auf Achse“ oder handelt oftmals, als
wäre er/sie „getrieben“
Hektisches Rennen vermittelt ein Gefühl von Lebendigkeit, deshalb auch der Ver­
such, ständig mehrere Arbeiten gleichzeitig zu bewältigen; das Hasten von Arbeit
zu Arbeit entlastet von starker innerer Unruhe.
Redet häufig übermäßig viel
Die Sprechweise ist oft schnell und undeutlich, wird von der Umgebung häufiger als
aggressiv erlebt, Gesprächspartner kommen kaum zu Wort, da der Betroffene
schnell auf ein Thema hyperfokussiert ist, „Smalltalk“ wird als langweilig empfunden.
Platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die
Frage zu Ende gestellt ist
Die überbordenden Ideen müssen schnell formuliert werden, bevor sie vergessen
sind, es fehlt wie bei Kindern das „Stop – Listen – Go“.
Kann nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist
Die andauernde innere Spannung äußert sich in Ungeduld gegenüber der Langsam­
keit anderer, betroffene Mütter leiden unter der langsamen Auffassungsgabe ihrer
Kinder bei den Hausaufgaben; Schlangestehen oder Stau beim Autofahren führen
zu aggressiven Verhaltensweisen.
Unterbricht und stört Andere häufig
Mischt sich ungefragt in Gespräche ein. Wenn ein Betroffener selbst nicht handeln
soll, kommt in ihm schnell eine innere Unruhe auf, die dazu verleitet, die Arbeit
selbst zu übernehmen. Beispiel: die tüchtige Mutter, deren Tochter keine Chance
erhält, eigene Fertigkeiten zu entwickeln.
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In Anlehnung an DSM
Standardisierte Fragebögen werden zur Erfassung der aktuellen Beschwerden sowie rück­
blickend der Symptome im Kindesalter angewendet.
Welche psychischen Begleiterkrankungen treten vermehrt
bei der ADHS auf?
Voraussetzung für die Diagnose ist eine psychiatrische Un­
tersuchung. Der Untersucher muss bei Vorliegen von ADHS­
Symptomen eine andere psychische Störung als Ursache
ausschließen; sehr häufig bestehen bei der ADHS auch zu­
sätzliche begleitende psychiatrische Erkrankungen wie
Depressionen oder Angststörungen, weiterhin Teilleistungs­
störungen wie Legasthenie, Essstörungen und Suchtver­
halten.
Bei Verdacht auf eine neurologische Erkrankung (z. B. Rest­
less­legs­Syndrom) oder internistische Störung (z.B. Schild­
drüsenüber­ oder ­unterfunktion) sind entsprechende Un­
tersuchungen erforderlich.
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Wie kann die ADHS behandelt werden?
Die Therapie der ADHS erfolgt auch im Erwachsenenalter multimodal, d. h. die Behandlung
wird nicht auf eine Art der Therapie eingegrenzt.
Psychoedukation, Psychotherapie und Coaching
Nach der Diagnosestellung sollte eine gründliche Aufklärung über das Krankheitsbild statt­
finden (Psychoedukation). Viele Betroffene haben bis zur Diagnosestellung ein Leben mit
vielen Rückschlägen und Enttäuschungen hinter sich, eine weitergehende Psychotherapie
kann ihnen helfen, das verlorene Selbstvertrauen wieder zu gewinnen. Verhaltenstherapie
und Coaching helfen dem Patienten, Strategien zur Bewältigung seiner alltäglichen Pro­
bleme zu entwickeln.
Anregungen zum Selbstmanagement für Erwachsene mit ADHS:
Tricks: In der ersten Reihe sitzen
und den Vortragenden beobachten,
statt hinten zu sitzen und die Um­
gebung zu studieren.
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Ruhe suchen: Lernen zu Zeiten, wenn alle
anderen in der Umgebung schlafen, weil
dann die Konzentration länger anhält.
Ruhepausen einplanen: Es ist erlaubt,
nichts zu tun, wenn vorher auch lang weilige
Tätigkeiten eingeplant worden sind.
Nie ein neues Projekt
beginnen, bevor nicht die
letzte Arbeit beendet ist,
auch wenn es noch so
spannend ist. Für mehrere
Aufgaben gleichzeitig reichen
selten Kraft und Ausdauer.
Für einige Betroffene gilt: Lieber fertig
als perfekt! Die Belohnung liegt in der
abschließenden Betrachtung, nicht alle
Aufgaben können interessant sein!
Routine schaffen: Sie ist zwar nicht spannend,
aber sie hilft gegen Chaos, außerdem ist sie weniger
anstrengend als tägliches Neustrukturieren über­
sprudelnder Ideen und neuer Lebensformen.
Ohrstöpsel: Die Geräusche
durch andere lenken in Prüfungs­
situationen nicht so ab, hilft die
Konzentration zu erhalten.
Marker benutzen: Hilft den Lernstoff durch
Farbreize attraktiver zu machen; Möglichkeit,
einen Text zu strukturieren.
Viele Betroffene berichten von einer wohltuenden Entspannung nach sportlicher Betätigung,
die Patienten mit dem Mischtyp haben meist schon Erfahrung aus ihrer Kindheit, weil sie
sich intensiv mit Sport beschäftigt haben.
Patienten mit vielen Traumatisierungen profitieren von einer tiefenpsychologisch orientier­
ten Therapie.
Medikamentöse Therapie
In vielen Fällen wird eine medikamentöse Behandlung erforderlich sein, um eine Stabilisie­
rung zu erreichen, die erst eine Beschäftigung mit den Problemen ermöglicht.
Die Medikamente stellen dabei einen Krückstock zum Gehen dar, die Bewältigung des All­
tags muss weiterhin von dem Betroffenen selbst geleistet werden. Die Besserung der De­
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fi­zite wird von den Patienten als große Erleichterung empfunden, als ob eine schwere Last
von ihren Schultern genommen würde. Sie fühlen sich erstmals in der Lage, durch eine
deutliche Verbesserung ihrer Selbstorganisation, ein normaleres Leben zu führen.
Mittel der ersten Wahl ist Methylphenidat, das den Rücktransport des Botenstoffs Dopamin
in die Zelle durch Blockade der Dopamintransporter hemmt und somit die Konzentration
von aktivem Dopamin bei der Impulsübertragung zwischen zwei Nervenzellen erhöht (siehe
Abbildung auf Seite 9). Auch Noradrenalin wird durch Methylphenidat beeinflusst.
Methylphenidat wird in der Behandlung von Kindern mit ADHS schon seit vielen Jahrzehn­
ten angewendet, über 200 Studien zu Wirkung und Nebenwirkungen der Substanz liegen
vor. Auf Grund seiner chemischen Struktur fällt das Mittel zwar unter das Betäubungsmit­
telgesetz, aber die Entwicklung einer späteren Drogenabhängigkeit durch Langzeiteinnahme
konnte bisher auch in langjährigen Verlaufsstudien nicht nachgewiesen werden.
Eine weitere zugelassene Substanz zur Behandlung der ADHS bei Erwachsenen ist Atomo­
xetin, das ausschließlich die Noradrenalintransporter blockiert.
Die Einstellung auf die jeweils im Einzelfall erforderliche optimale Tagesdosis verlangt viel
Erfahrung und Geduld von Patient und behandelndem Arzt. Die benötigte Dosis ist nicht
abhängig vom Körpergewicht und muss bei jedem Patienten durch eine langsame Stei­
gerung der Wirkmenge bestimmt werden. Wenn im Rahmen dieser Steigerung Kopfschmer­
zen und Unruhe bemerkt werden oder vermehrte Konzen­trationsstörungen wieder auftre­
ten, sollte die Dosis reduziert werden.
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Weitere Informationen
Fachliteratur
ADHS im Erwachsenenalter.
Literatur:
J. Krause und K.-H. Krause, Schattauer-Verlag, 4. Auflage 2014
Selbstbeschreibung
Psychoedukation und Coaching.
ADHS im Erwachsenenalter.
ADS – das kreative Chaos.
R. D’Amelio, W. Retz, A. Philipsen und M. Rösler,
Urban & Fischer-Verlag 2008
W. Beerwerth, Herder-Verlag 2012
Ratgeber von Therapeuten
Zwanghaft zerstreut oder die Unfähigkeit,
aufmerksam zu sein.
E.M. Hallowell und J. Ratey, Rowohlt-Verlag 1999
Die Chaosprinzessin.
S. Solden, BV-AH-Verlag 2008
ADHS bei Frauen – den Gefühlen ausgeliefert.
D. Ryffel-Rawak, Huber-Verlag 2010
Kognitive Verhaltenstherapie der ADHS
des Erwachsenenalters.
S. A. Safren, C. A. Perlman, S. Sprich und M. W. Otto,
MWW-Verlag 2008
Psychotherapie der ADHS im Erwachsenen­alter: Ein Arbeitsbuch.
B. Hesslinger, A. Philipsen und H. Richter,
Hogrefe-Verlag 2004
ADHS bei Erwachsenen – ein Leben in Extremen:
Ein Praxisbuch für Therapeuten und Betroffene.
Wir fühlen uns anders! Wie betroffene
­Er­wachsene mit ADS/ADHS sich selbst und
ihre Partnerschaft erleben.
M.D. Ohlmeier und M. Roy (Hrsg.) Kohlhammer-Verlag 2012
D. Ryffel-Rawak, Huber-Verlag 2010
www.adhs-deutschland.de
Coaching
Information zum Krankheitsbild ADHS, Gruppen
in der gesamten Bundesrepublik, Telefonberatung
Suche dir Menschen, die dir guttun:
Coaching für Erwachsene mit ADS.
www.adhs.info
www.zentrales-adhs-netz.de
C. Beerwerth, Herder-Verlag 2012
Information zum Krankheitsbild und Adressen
Selbsthilfe:
19
Novartis Pharma GmbH
Roonstraße 25
90429 Nürnberg
317703 11/2014