Man kann Gärten lieben, ohne selbst Gärtner zu

P OR T R Ä T
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BIOTERRA
3 / 2016
F O T O : ST E FA N WA LT E R
«Man kann Gärten
lieben, ohne selbst
Gärtner zu sein.»
Was kann ein Garten für den
Menschen bedeuten? Albert Lutz,
Direktor des Museums Rietberg,
erzählt von seiner eigenen
Gartenzeit, der Ausstellung
«Gärten der Welt» und seiner
Hoffnung, die er in die Gartenkultur setzt.
Von Carmen Hocke r
Er war vorgewarnt und konnte sich ihrem Charme doch nicht
entziehen. Wie viele vor ihm vergass Albert Lutz die Zeit,
während er ihren Wegen folgte und sich von ihrer Ausstrahlung vereinnahmen liess. Woran mag es liegen, dass die Gärten von Rousham noch über zweihundert Jahre später Menschen so faszinieren? Sind Gärten nicht immer auch Ausdruck
des Naturverständnisses einer Epoche? Oder gibt es etwas
Universelles, Verbindendes, das die Zeit überdauert? Antworten auf solche Fragen sucht die Ausstellung «Gärten der
Welt», die von Mai bis September 2016 im Museum Rietberg
in Zürich zu sehen sein wird.
Zwei Jahre lang besuchte Albert Lutz Gärten in Europa und
Asien, die für die Entwicklung der Gartenkunst eine bedeutende Rolle spielten. In enger Zusammenarbeit mit dem Literaten und Gartenhistoriker Hans von Trotha wurden Gärten und Themen herausgefiltert, die den Besucher auf einen
multimedialen Spaziergang durch die Entwicklung der Gartenkultur einladen. «Wir können keine Gärten in die Ausstellung verpflanzen, aber wir können ihr Potenzial zeigen.» Um
den Gartenplan des ägyptischen Tempels des Amun-Re von
Karnak erlebbar zu machen, wurde eine Designerin beauftragt, die sonst Computerspiele animiert. Kunstwerke verschiedener Epochen zeigen, wie Menschen Gärten wahrnehmen und auf sie reagieren. So bannte der Impressionist Max
Liebermann die Flüchtigkeit des Augenblicks in seinem
Garten am Berliner Wannsee auf Leinwand. Den Schweizer
Künstler Adolf Dietrich dagegen beschäftigte ein Sujet auf
der gegenüberliegenden Strassenseite. Der fremd anmutende Barockgarten des Nachbarn schien so gar nichts mit den
heimatlichen Bauerngärten am Bodensee gemein zu haben
und faszinierte deshalb umso mehr. Weder Eindruck noch
Abbild eines Gartens sind die Blütenstaub-Felder des zeitgenössischen Bildhauers und Konzeptkünstlers Wolfgang Laib.
Seine fragilen Werke sind vielmehr Sinnbild eines Gartens.
«Mich fasziniert an seiner Arbeit, dass im Pollen die ganze
Energie der Pflanzenwelt liegt», sagt Albert Lutz. Eine Besonderheit der Ausstellung ist, dass über die Museumsräume
hinaus auch der Park bespielt wird, mit einem Wandelgarten,
einem Sommerfest und Open-Air-Kino.
Albert Lutz’ Erinnerungen an seine eigene Gartenzeit gehen bis in die Kindheit in Graubünden zurück. Erinnerungen
an einen Garten mit Gemüse, Blumen, Obst und einem Hühnerstall. Als Bub bepflanzte er dort eigene Beete und half der
Mutter beim Umschichten des Komposthaufens. Mit dem
Wechsel auf die Sekundarschule und dem Eintritt ins Internat
schien seine persönliche Gartenzeit zu enden. Bis zum heutigen Tag besitzt Albert Lutz keinen eigenen Garten. «Man
kann Gärten auch lieben, ohne selbst Gärtner zu sein.»
Schliesslich könne er als Spezialist für chinesische Kunst
auch Bilder wertschätzen, die er selbst nicht imstande sei zu
malen. «Sein» heutiger Garten ist der Rieterpark, in dem das
Museum liegt. Auf seinem Weg zur Arbeit geht er seit fast
dreissig Jahren am Morgen durch die weitläufige Gartenanlage, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand. Es sei inspirierend, dass das Museum inmitten solch eines Parks liege. Doch
nicht nur das. Wie intensiv seine Beziehung zu ihm ist, wird
deutlich, als Albert Lutz von einem lange zurückliegenden
Ereignis berichtet: von «Lothar», dem Sturm, der nicht nur
die hundertjährige Blutbuche, sondern auch Zedern und Linden entwurzelte. «In solch einem Moment fühlt man sich ein
bisschen, als sei man selbst verletzt.» Obwohl die Zerstörung
riesig war, sind die Wunden verheilt und der Garten hat eine
Erneuerung erfahren. Albert Lutz wagt kaum zu sagen, dass
der Park jetzt viel schöner sei. Die Geschlossenheit, die im
Laufe der Jahrzehnte entstanden war, sei einer Offenheit gewichen, die den Garten einladender wirken lasse. Den Blick
über den Gartenzaun betrachtet er auch im übertragenen
Sinn als wesentliche Seite des Menschseins. Albert Lutz
glaubt fest daran, dass Menschen durch die Liebe zum eigenen Garten auch eine Liebe zur Welt entwickeln können, mit
der Einsicht, «dass die Welt schützenswert ist wie der eigene
Garten».
Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Rahmenprogramm:
www.rietberg.ch
In Zusammenarbeit mit Bioterra findet auf dem Gelände des Museums
Rietberg ein Kräutermarkt statt. Mit speziellem Gartenprogramm für
Kinder. Termin: Pfingstmontag, 16. Mai, von 10 bis 17 Uhr.
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