IM NAMEN DES VOLKES - Witt Rechtsanwälte

landgericht
Az.:
Nürnberg-Fürth
1006955/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
- Klägerin -
.
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Wltt Rechtsanwälte
PartG mbB, Habersaathstraße 58, 10115 Berlin, Gz.:
gegen
1)
- Beklagter 2)
- BeklagteProzess bevollmächtigte zu 1 und 2:
.Rechtsanwälte
wegen Schadensersatz
wegen -Schadensersatzerlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 10. Zivilkammer - durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Porzner, den Richter am Landgericht Hähnel und
den. Richter am Landgericht Dr. Regenfus
auf Grund. der mündlichen Verhandlung vom' .
.
- 22.01.2016 folgendes
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- Seite 2 -
END~URTEIL
I.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
63.600,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.08.2015 Zug um Zug gegen Übertragung
der Rechte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der MLR Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG zu zahlen.
11.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der unter I. genannten
ZUQ-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befinden.
111.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Abweichend hiervon trägt die Klägerin allein die Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Regensburg entstanden sind.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen' Sicherheitsleistüng in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages ..
BESCHLUSS
Der Streitwert wird auf 63.600,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begel)rt Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage in Form
der Jreuhänderischen' Kommanditbeteiligung an einer Leasinggesellschaft.
Der verstorbene, von dieser allein beerbte Ehemann der Klägerin (i.F. die Klageseite) beteiligte sich am 02.11.2009 als Treuhandkommanditist an' der MLR Beiei!igungsgesel/schaft
mbH & Co. KG (LF. "MLR
U
)
mi.t einer Beteiligung,ssumme von 60.000,00 € zuzüglich 6 %
(3.600,00 €) Agio. Nach dem Zeichnungsschein erfolgte die Beteiligung gemäß den "be"
kannten Unterlagen zum Vermögensanlagen-Verkaufsprospekt,
inkl. des Gesellschaftsver-
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trags und (... ) des Treuhandvertrags". Die Beträge wurden in der Folge über das Treuhandkonto an die MLR gezahlt.
Die MLR wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 01.10.2007 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die Beschaffung von Kapital für den Erwerb, das Verwalten, die Vermietung und die Verwertung von Immobilien und mobilen Wirtschaftsgütern und fürLeasinggeschäfte durch Beteiligung von Kommanditisten (vgl. Verkaufsprospekt
der MLR, Stand
16.10.2007, LF. "Prospekt"). Die Beklagte zu 2) und die Komplementärin, die MLR Mobilien
Leasing Re.gensburg Verwaltungs GmbH waren GrOndungsgesellschafter der MLR.
Die Leasing- und Marketing Vermittlungsorganisation GmbH (LF. "LMVO") war mit der Eigenkapitalbeschaffung (Provision 10 % des platzierten Kapitals), der Koordination von Vertriebspartnern (Provision 9 % des platzierten Kapitals) und - neben einer weiteren Gesellschaft - mit der Leasingvertragsbeschaffung (Provision 0,5 - 4 % des Anschaffungswertes
der Leasinggegenstände) beauftragt (vgl. Prospekt S. 46, 47). Die LMVO übernahm dar.über hinaus für die MLR den Verkauf der Leasingobjekte und der Leasingforderungen
.
an
'
die Banken, indem sie die entsprechenden Verträge aushandelte und der Geschäftsführung
vorbereitete. Die Beklagte zu 2) ist Alleingesellschafterin der LMVO. Der Beklagte zu 1) ist'
.'
.
der Ehemann der Beklagten zu 2) und Geschäftsführer der LMVO. Die Beklagte zu 2) war
zudem ~usweislich des Prospekts an der Komplenientärin der MlR, der MLR Mobilien Lea-.
sing RegensburgVerwaltungs
GmbH, mit einem Gesellschaftsanteil von 76 % beteiligt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 2} als Gründungsgesellschafterin
,
we-
gen Verletzung von Aufklärungspflichten als Prospektverantwortliche hafte; beide Beklagten
seien zudem Initiatoren des Fonds und wegen Kapitalanlagebetrugs schadensersatzpflichtig. Der Prospekt sie fehlerhaft, da er nicht zutreffend über die Weichkosten aufkläre: Mit
der LMVO seien am 01.10.2007 und 01.11.2007 nicht prospektierte Verträge bzgl. Marke~
tingmaßnahmen
bzw. der Erbringung von Dienstleistungen abgeschlossen worden. Die
Gesamthöhe der Provisionen sei auf Seiten 21/22 des Prospekts irreführend angegeben.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin hätte die Anlage bei Kenntnis dieser Umstände
nicht gezeichnet und stattdessen den Geldbetrag verzinslich angelegt, was' eine Rendite
von 4 % p.a. erbracht hätte. Für die vorgerichtlich Vertretung habe die Klägerin 2.251,48 €
aufgewandt.
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Die Klageseite beantragt:
1.. Die Beklagten werden. als Gesamtschuldner
verurteilt,
63.600,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
zinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit
über dem Basis-
Zug um Zug gegen Übertragung
der Rechte der Klägerin aus ihrer Beteiligung
gesellschaft
an die Klägerin
an der MLR Beteiligungs-
mbH& Co. KG zu zahlen.
;
.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner
weitere
verurteilt,
an die Klägerill
14.685,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
dem Basiszinssatz
hieraus seit Rechtshängigkeit
3. Es wird festgestellt,
über
zuzahlen.
dass sich die Beklagten in Annahmeverzug
befin-
den.
4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner
weitere
verurteilt,
an die Klägerin
2.251,48 € nebst Zinsen i.n Höhe von 5 Prozentpunkten
dem Basiszinssatz
hieraus seit Rechtshängigkeit
über
zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten halten den Verkaufsprospekt für fehlerfrei. Die Angabe der Höhe der Provisionen sei bei richtigem Begriffsverständnis korrekt; jedenfalls ergebe sich aus der gesamten
Passage. dass damit nicht die Gesamtsumme aller Weichkosten gemeint sein könne. Der
Marketingvertrag
vom ,01.10.2007
weise nur aufgrund eines Redaktionsversehens
LMVO ~Is Vertragspartnerin der MLR aus. Der Vertrag vom 01.11.2007
die
habe typische Ver- .
waltungstätigkeiten zum Gegenstand, die die LMVO jeweils im Auftrag der Geschäftsfüh. rung der MLR ausgeübt habe. Beide Beklagten treten ferner einer Prospektverantwortlichkeit und einer Haftung auf deliktischer Grundlage 'damit entgegen, dass sie auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der von Dritten erarbeiteten und geprüften Prospekte vertraut
hätten .. Vergleichbare Verträge seien bereits mit den Vorgängergesellschaften.
2
der ClF
Car Leasing und Factoring'AG (ClF) und der Innova zweite Beteiligungsgesellschaft mbH
& Co. KG (LF. Innova2). abgeschlossen worden. Ansprüche.seien überdies verjährt
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.
Das Gericht hat 22.01.2016 mündlich verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze; inklusive ihrer Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat g~gen beide Beklagten im wesentlichen Umfang Erfolg.
Ä•
. Die Klage ist zulässig. Die.ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit des Landgerichts NOrnberg-Fürth ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des landgerichts Regensburg, der in ~ 32 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO; ~ 37 Nr. 4 GZVJU
bzw: ~ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG seine Grundlage findet.
Die Feststellungsanträge sind zulässig (~ 256 Abs. 1 ZPO). Nach dem Wissen und der Erfahrung der schwerpunktmäßig mit Kapitalanlagesachen befassten Kammer ist ein Anleger,
der sich an einem geschlossenen Fonds beteiligt h.at, infolge seiner Beteiligung als Gesellschafter oftmals auch in der Folgezeit Ansprüchen eines liquidators, eines Dritten oder der
Finanzbehörden ausgesetzt.
B.
Die Klage ist auch weitgehend begründet. Die Beklagte zu 2) haftet aus dem Gesellschaftsvertrag nach den Gru'ndsätzen der ,culpa in contrahendo wegen"Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz, der Beklagte zu 1) schuldet Schadensersatz aus deliktischen
Anspruchsgru ndlagen.
1.
DieKlägerin .hat Anspruch auf Schadensersatz gegen.die Beklagte zu 2), da der Verkaufsprospekt fehlerhaft war, der Beitritt des Rechtsvorgängersder
Klägerin ausweislieh des
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Zeichnungsscheines
auf Grundlage des Prospekts erfolgte und die Beklagte zu 2} den
Rechtsvorgänger der Klägerin nicht über dessen Fehlerhaftigkeit aufklärten. Die Beklagte
zu 2) war dabei persönlich zur ordnungsgemäßen Aufklärung des beitretenden Rechtsvorgängers der Klägerin verpflichtet und haftet deshalb für Vers,cl)ulden bei Vertragsschluss
nach den
99
280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 8GB (sog ..Prospekthaftung
Im wei-
teren Sinne).
a} Der Verkaufsprospekt ist fehlerhaft. Hinsichtlich der Anforderungen an Vollständigkeit
. und Richtigkeit eines Prospekts ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Nach den von der Rechtsprechung zu
S 5 WpPG
für den Prospekt anwendbaren Vorschriften des
pektgesetz (in der Fassung v. 22.12.2006)
.
entwickelten Grundsätzen, die auf die
99 44
Bör~G, 13 Abs. 1 Verkaufspros'-
übertragbar sind, muss der Verkaufsprospekt
,
die Angaben "in verständlicher und leicht analysierbarer Form" enthalten und "ein UrteiL.. erlauben". Dieses Erfordernis bedeutet nic/1t, dass alle Umstände in einer für je.
,
dermann ohne weiteres Nachdenken und ohne Hinzuziehung von Grundwissen über
wirtschaftliche
oder rechtliche Zusammenhänge
verständlichen Weise ausgebreitet
werden müssen. Der Verkaufsprospekt soll gerade über das herausgegebene Papier informieren. Daher genügt es, wenn die darin enthaltenen Informationen den Leser in die
Lage versetzen, sich zusammen mit allgemeinen Kenntnissen über wirtschaftliche und
juristische
Gegebenheiten und Zusammenhänge ein Bild darüber zu machen, welche
Vor- und Nachteile mit dem Anlageprodukt verbunden sind.
Nach
S 5 WpPG
sind in den Prospekt sämtliche Angaben aufzunehmen, die notwendig'
sind, um ein .Urteil Ober ~ie dort genannte~ A~pekte
LU
gewinnen. Diese Pflicht erstreckt
sich auch auf solche Umstände, von denen zwarnoch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden.
Für die Frage, ob ein Verkaufsprospekt ~nrichtig oder unvollständig ist, kommt es nicht
allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern wesentlic~ auch darauf
an, welches Gesamtbild er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Der
Verkaufsprospekt muss insbesondere durch seine Aussagen von den Verhältnissen ,und
der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens, dessen Papiere zum
Kauf angeboten werden, dem interessierten Publikum ein zutreffendes Gesamtbild vermitteln.
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Abzust.ellen ist dabei auf den Empfängerhorizont; maßgeblich sind somit die Kenntnisse
und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospektes in
Betracht kommt. Wendet '-sich der Emittent ausdrücklich auch an das unkundige und
börsenunerfahrene Publikum, so kann von dem durchschnittlich angesprochenen (Klein)Anleger nicht erwartet werden, dass er eine Bilanz lesen kann. Der Empfängerhorizont
bestimmt sich daher in diesen Fällen nach den Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen {Klein- )Anlegers, der sich allein anhand der Prospektangaben über die Kapitalanlage informiert und Ober keinerlei Spezialkenntnisse
verfügt
(BGH, Urteil vom 18.September 2012 - XI ZR 344/11, WM 2012, 2147 ff.). Stets ist jedoch auf den durchschnittlichen Anleger abzustellen. welcher den Prospekt aufmerksam
und nicht lediglich bloß flüchtig zur Kenntnis nimmt (BGH, Urteil vom 22. Mai 2005 - XI
ZR 359/03; vom 14.Juni 2007 - 11I ZR 125/06, WM 2007, 1503 und vom 28. Februar
2008 - 111 ZR 149/07); hierbei darf davon ausgegangen werden, dass der Anleger den
kompletten Prospekt und nicht etwa nur die Zusammenfassung tatsächlich eingehend
liest (BGH, Urteil v. 12.Januar 2006 -111 ZR 407/04).
Beurteilungszeitpunkt für einen Prospektfehler ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Prospekterstellung bzw. Veröffentlichung, sodass später gewonnene Erkenntnisse nicht zu
einer Fehlerhaftigkeit des Prospekts führen. so dass im Rahmen der Beurteilung etwaiger Prospektmängel einzig eine ex-ante Betrachtung maßgeblich isL
b) Nach diesen Maßstäben ist der Verkaufsprospekt der MLR jedenfalls in einem Punkt
fehlerhaft.
(1) Der Verkaufsprospekt stellt die Vertragsbe~iehungen der MLR mit der LMVO und
damit deren Einfluss und den Einfluss der Beklagten zu 2) auf die MLR nicht hinreichend dar. Dieses Defizit wurde auch nicht durch eine spätere Berichtigung in Form
eines Nachtrags o.ä. korrigiert.
Dabei kann dahinstehen, ob der als Anlage K 6 vorgelegte Vertrag über Marketingmaßnahmen vom 01.10.2007 tatsächlich nur versehentlich die LMVO (anstatt der
Komplementärin) als Auftragsnehmerin ausweist und dieser Vertrag auch nie zwischen der MLR und der LMVO vollzogen wurde, so dass insoweit im Ergebnis keine
vom Prospekt abweichende Situation vorläge. Bereits der Umstand, dass weder in
. dem Prospekt noch in, einem Nachtrag Informationen darüber enthalten sind, dass
die LMVO in dem Vertrag vom 01.11.2007 neben den prospektierten Aufgaben der
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Eigenkapitalvermiltlung" der Koordination der Vertriebspartner und der Leasingver-'
tragsvermittlung auch entgeltlich Aufgaben im Bereich der Refinanzierung und Verwaltung übernahm, begründet einen Prospektfehler.
Auch wenn nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten bei ProspektersteIJung
noch. nicht festgestanden hat, dass die LMVO auch Refinanzierungs- (Verhandlungen über den Verkauf von Leasingforderungen an die Banken) und Verwertungsaufgaben (Verhandlungen über den Verkauf von Leasingobjekten) für die MLR Obernehmen sollte, hätte der nur kurz nach Prospekterstellung erfolgte Vertragsschluss
eine Pflicht zur Erstellung eines Nachtrags ausgelöst, so dass der Ehemann der
Klägerin auch insowei.t vollständig informiert worden wäre.
(aa) Die Kenntnis dieser weiteren Aufgabenübertragung auf die LMVO ist für den
.Anleger aus zwei Gründen von Bedeutung.
Erstens besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts, der sich aus der indirekten Beteiligung der Beklagten zu 2) an der MLR Ober ihre Mehrheitsbeteiligung
an der Komplementär-~mbH einerseits und aus ihrer Stellung als Alh9ingesellschafterin der LMVO andererseits ergibt. Die Beklagte ~u 2) steht damit aus
wirtschaftlicher Sicht auf beiden Seiten des Vertrages, so dass die Gefahr begründet wird, dass sie bei Interessenskonflikten bei der Vertragsdurchführung
zu Lasten der MLR Einflüss nimmt. Die Beklagte zu 2) hatte durch ihren
76 %-igen Anteil an der geschäftsfOhrend~n Komplementärin auch die Möglichkeit, faktisch in die Vertragsabwicklungzu
Gunsten ihrer eigenen Gesell-
schaft, der LMVO, ei,nzugreifen.
Dieser Interessenkonflikt wird auch nicht dadurch entschärft, dass die Vergütung der LMVO für diese Tätigkeiten nicht umsatzbezogen. sondern auf Stundenbasis abrechnete. Es handelte sich nach dem geplanten Umsatz der MLR
jedenfalls um einen erheblichen Aufwand. Entscheidend ist der u.mstand, dass
der Vertrag zwischen der MLR ul')d der LMVO, aus dem sich die (weitere) geschäftliche Verflechtung der Beklagten zu 2) ergibt, nicht offengelegt wird. Der
Kapitalanleger war nicht in der Lage dieses Risiko aus dem Prospekt zu erkennen. Dort ist zwar im Abschnitt IV "Risikohinweise der Beteiligung" bei der
Da;stellung prognosegefährdeten Risiken ausdrücklich auch das Risiko eines
IIlnteressenkonfliktes" benannt (vgl. Prospekt S. 16). Es wird in diesem Absatz
jedoch ledigli.ch explizit ausgeführt, dass die LMVO mit ihrem Geschäftsführer
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(dem Beklagten zu 1» auch mit der Vermittlung von Leasingverträgen für andere Leasinggesellschaften betraut ist und damit das Risiko besteht, dass der
Beklagte zu 1) als Geschäftsführer der LMVO die Vermittlung an eine andere
Leasinggesellschaft .bevorzugt und es so zu einer geringeren Rendite der Anlage kommt. Diese Aufklärung über eine die Wettbewerbssituation,betreffende
Interessenkollision mag für den ~nleger auch von Bedeutung sein. Von jegenfalls nicht minderer Bedeutung ist jedoch das Risiko, das sich aus den kollidierenden Interessen der LMVO (Provisionsinteresse)
und der Leasinggesell-
schaft (Abschluss werthaltiger Leasingverträge) ergibt. Vor dem Hintergrund,
dass die Beklagte zu 2) auch Eigentümerin der LMVO war; bestand die Gefahr, dass die Belange der Leasinggesellschaft wegen des Provisionsi~teresses der LMVO nicht in dem gebotenen Maße berücksichtigt werden. Konkret
etwa, dass die LMVO die Bonitätsprüfungen im eigenen, umsatzabhängigen
.
.
Provisionsinteresse nicht hinreichend sorgfältig vornimmt und die Leasinggesellschaft die entsprechenden Leasingverträge unter dem Einfluss ihrer Gründungs- und Mehrheitsgesellschafterin an der geschäftsführenden MLR Verwaltungs-GmbH (der Beklagten zu
2» "durchwinkt". Dass es sich dabei nicht nur
um ein fernliegendes, theoretisches Risiko'handelt, sonder~ sich dieses Risiko
auch realisiert hat, zeigt sich in Person des Beklagten zu 1). Dieser räumt
selbst ein, dass er - wenn auch nicht als faktischer Geschäftsführer-
die Be-
klagte zu 2) (seine Ehefrau), in deren Funktion als Mehrheitsgesellschafterin
der MLR-Verwaltungs GmbH des Öfteren vßrtreten und damit direkt auf den
Geschaftsbetrieb der MLR Einfluss genommen hat.
Zweitens führt die nicht prospektierte Übertragung der Verwertungs- und Refinanzierungsaufgaben auf die LMVO dazu, dass beim Anleger ein Irrtum über
den Umfang der operativen Tätigkeit der MLR entsteht. Der Verkauf der Leasingobjekte und der Leasingforderungen war nach dem prospektierten Geschäftsmodell ein wesentliches Element. So wird beispiels~eise im Verkaufsprospekt (vgl. Seite 27, rechte Spalte, 1. bis 3. Absatz) dargestellt. dass die Erlöse aus denforfaitierten
Forderungen ~ und damit gerade das Refinanzie-
rungsgeschäft - entscheidende Bedeutung dafür hatten, dass die in Abschnitt X. prognostizierte Planung überhaupt erreicht w~rden können. Die Aus:'
lagerung dieser Aufgaben auf die LMVO ist für den Anleger von besonderer
Bedeutung, da damit für die MLR ein gesteigerter Überwachungsaufwand
gründet wurde, mit dem ein entsprechendes
Risiko einhergeht.
be-
Die MLR muss-
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te nicht nur die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwertungs- und Refinanzie-'
rungsaufgaben prüfen, sondern dabei die Eigeninteressen der LMVO. die ja
gleichzeitig die Leasingverträge beschaff~n sollte, besonders berücksichtigen.
(bb) Dieser Umstand war für dan Kapitalanlager von wesentlicher Bedeutung. Die
Wesentlichkeit ergibt sich aus zwei Aspekten.
Zum einen begründete die Beauftragung der LMVO erhebliche Verpflichtungen
für die MLR, die im Prospekt in fünf. bis sechsstelliger Höhe angesetzt waren.
Zum anderen wurde durch diesen weiteren Vertrag mit der LMVO die Gefahr
eines Interessenkonfliktes durch die Einflussmäglichkeiten der Beklagten zu 2)
auf die Gesellschaft über ihre beherrschende Stellung in der Komplementärin
noch weiter verstärkt. Die Beklagte zu 2) profitierte über die LMVO bereits auf,
grund der prospektierten Verträge wirtschaftlich erheblich am Geschäftsbetrieb ,
der Gesellschaft, unabhängig von der Erwirtschaftung eines Gewinnes. Sie'
hatte mit jeder Beteiligung weiterer Kommanditisten Anspruch auf mindestens
9 % der Beteiligungssumme sowie auf 0,5 - 4 % der Anschaffungskosten fOr
Leasingobjekte, die sie vermittelte. Durch den nicht prospektierten Vertrag mit
der LMVO wurde ihr faktischer Einfluss auf die MLR neben der Kapital- und
Leasingvertragsbeschaffung
auf VerwaltUngs- und Vertriebsaufgaben zusätz-
lich erweitert.
(cc)
Die Relevanz dieser Umstände fOr den Anleger wurde noch dadurch verstärkt,
dass offenbar die Rollen und Aufgaben der einzelnen- juristischen und natürlichen Personen bei der MLR von Anfang an nicht sauber getrennt wurden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - wie die Kläger geltend machen - abweichend vom Prospekt die LMVO anstatt der Komplementäril) mit der Marketingmaßnahmen betraut wurde oder - wie die Beklagten vortragen - der Ver.
"
trag' vom 1.10.2007 nur "versehentlich" mit der falschen Vertragspartei geschlossen wurde. Selbst wenn die Darstellung, der Beklagten zutrifft, hätte der
Vorgang beim Anlageinteressenten jedenfalls den nachhaltigen Eindruck e~weckt, dass es den handelnden Personen nur darym ging, Gelder in Gestalt
von Provisionen, Vergütungen
ete.
aus der MLR auf die von der Beklagten
zu 2) gehaltenen Gesellschaften zu transferieren und der Beklagte zu 1) dabei
an allen Stellen frei agieren konnte. Offenbar war es so, dass es für die Beteiligten allein entscheidend war, dass entsprechende V~rträge formal vorhanden
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waren, und es nicht darauf ankam, dass die Vertragsbeziehungen
und Leis-
tungen korrekt ausgestaltet werden. In einem solchen Fall besteht aber beim
Hinzutreten weiterer Verträge, die zusätzliche Zahlungen gerade an diese Personen vorsehen, ein gesteigertes.lnformationsinteresse
des Anlegers ..
(2) Das Gericht kann daher offen lassen, ob die Klägerin Ansprüche daraus herleiten
kann, dass am Ende des Abschnitts VI. 9. des Prospekts eine Aussage zur "Gesamthöhe der P~ovisionen, insbesondere Vermittlungsprovisionen oder vergleichbare Vergütungen" enthält, die nicht den Gesamtbetrag aller Weichkosten wiedergibt.
Einerseits darf der Leser bei einer Angabe zum Ende eines Abschnitts, welche den
Begriff "Gesamt- ... " verwendet, davon ausgehen, dass es sich um die Summe aller
oder jedenfalls mehrerer der vorstehenden Einzelpositionen handelt; diese Erwartung wird jedoch enttäuscht, da der dort angegebene Betrag und die genannte Quote nur die Kosten für di~ Eigenkapitalvermittlung betreffen. Die von den Beklagten
ins Feld geführte feinsinnige Unterscheidung zwischen "Provisio':len" im engeren
Sinne, die eine Vertriebstätigkeitvergüten
sind, und sonstigen Vergütungen dürfte
dem Leser nicht geläufig sein und muss vom Anleger jedenfalls dann nicht erwartet
werden, wenn es um eine "Gesamt. .."-angabe geht und diese zusätzlich durch die
. Beispiele "insbesQndere Ve(mittlungsprovisionen oder vergleichbare Vergütungen"
. erläutert wird. Hier darf der Anleger wegen der Wortwahl und der Stellung am Ende
des Abschnitts eine Summenbildung erwarten. Auf der anderen Seite lässt sich dieser Fehler recht einfach als ein solcher erkennen, weil'sowohl der Absolutbetrag als
auch die Quote sich decken '.TIitder eingangs der Auflistung auf Seite 21 genannten
Werten für die Kosten für die Eigenkapitalvermitllung. Wenn der Anleger den Abschnitt komplett liest, muss ihm auffallen, dass die 10 %, auf die sich die Gesamthöhe belaufen soll, bereits durch die erste der aufgeführten Positionen erschöpft sind.
Insoweit könnte ein offensichtlicher Fehler vorliegen, der von einem durchschnittlichen Anleger erkannt wird und daher nicht Grundlage einer fehlerhaften Entscheidungsbildu'ng sein kann~
Dem Beweisangebot der Beklagten, die Klägerin als Partei zu vernehmen, ob sie
".7"
.'
den Prospekt gelesen habe, war daher bereits mangels Erheblichkeit nicht nachzu~
gehen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein taugliches Beweismittel für die eigentlich entscheidende Frage, ob.der Anleger dieProspektpassage
gelesen hat, im vor-
liegenden Fall einer Rechtsnachfolge gegeben ist, weil keine der Parteien b~hauptet
.
-'
hat, die Klägerin habe Wissen über diesen Umstand. .
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(3) Ebenso muss nicht weiter aufgeklär1 werden, ob die Vorgänge im Zusammenhang'
mit dem Vertrag vom 1.10.2007 einen Prospektfehler begründen. Zutreffend ist
zwar, dass dem Prospektinhalt nach die Komplementärin(die MLR Mobilien Leasing
Regensburg Verwaltungs GmbH) die Marketingmaßnahmen bewirken und eine Ver-gütung i.H.v. 6 % erhalten sollte. Soweit dieser Vertrag entsprechend dem Vortrag
der Beklagten - den die Kläger nicht einmal ansatzweise erschüttern konnten - nicht
voll4ogen wurde, wären hieraus aber Schadensersatzansprüche nicht abzuleiten.
c) Die Vermittlung der Beteiligung erfolgte anhand des Verkaufsprospektes; .ein Nachtrag
ist nicht erfolgt. Eine Aufklärung über die Prospektfehler erfolgte nicht.
d) Die Beklagte zu 2) haftet wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen.
I
(1) Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach
S
280 Abs. 1, 3,
SS
282, 241 Abs. 2,
S 311
Abs. 2 BGB. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, gewisse ~chutz- und Aufklärungspflichten
ge-
genüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz
haftet. Abgesehen von dem Sonderfall des
S 311 Abs.
3 BGB trifft die Haftung aus
Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen
abschließen will. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen Gesellschafter, d.h. die Gründungs- und die sonstigen AltgeselJschafter. Wer als Gesellschafter die Aufnahme von weiteren Kommanditisten anbahnt, um ihnen die MögliChkeit der Kapitalanlage in der Gesellschaft zu
eröffnen, hat diesen gegenüber gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten.
(2) Die Beklagte zu 2) haftet als Gründungsgesellschafterin, .da sie als Altgesellschafterin den Aufnahmevertrag mit der Klageseite durch Annahme von deren 8eitrittserklärung abgeschlossen hat und damit der Gesellschaftsvertrag modifiziert wurde.
(aa) Zwar hat die Beklagte zu 2) die Beitrittserklärung des Klägers nicht selbst angenommen, sie hat jedoch die MLRzur Annahme für sie ermächtigt. Die Ermächtigung der Beklagten zu 2) liegt in der Zustimmun~ zu den Regelungen
des Gesell-schaftsvertrages, welche. die Aufnahme weiterer Kommanditisten
ndurch die Gesellschaft" in
S3
Abs. 5 vorsieht. Darin liegt die Erklärung des
Einverständnisses der Altgesellschafter damit, dass die MLR im Rahmen der
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gesellschaftsvertrag lichen Grenzen weitere Gesellschafter mit Wirkung für sie,
also auch für die Beklagte zu 2), aufnimmt (vgl. BGH, Urteil v. 14.11.1977,
Az. 11 ZR 95/76). Dies entspricht auch dem prospektierten Geschäftsmodell der
MlR, nach dem Kommanditanteile von 12 Millionen Euro durch Eintritt von Direkt- oder Treuhandkommanditisten
eingeworben werden sollten (vgl. ~ 3
Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages und Prospekt, S. 19). Der Gesellschaftsvertrag regelt zwar für den Direktkommanditiste.n nicht ausdrücklich, dass die Beitrittserklärung durch die Gesellschaft anzllDehmen ist. Dies ergibt sich aber
zum einen aus ~ 4 Abs. 2, der eine entsprechende Regelung für den Treuhänder vorsieht. Es entspricht zum anderen auch der Geschäftspraxis der MlR,
die in der Beitrittserklärung ihren Niederschlag gefunden hat. Darin wird die
Annahme ausdrücklich im Namen der MlR erklärt.
(bb) Der Einwand der Beklagten zu 2), nur die MLR sei Vertragspartner der eintretenden Klageseite geworden, kann nicht verfangen. Der Eintritt in eine GmbH
& Co. KG als Publikumsgesellschaft erfolgt wie bei allen Personengesellschaften durch einen Aufnahmevertrag zwischen dem Eintretenden und allen Ge.•
seIlschaftern (vgl. Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/JoosVStrohn,
Handels-
gesetzbuch, 3. Auflage 2014. ~ 105 HGB, Rn. 206). Der Aufnahmevertrag moI
difiziert insoweit jeweils den Gesellschaftsvertrag. Der Verweis auf die Ausführungen des Urteils des OlG Celle vom 16.12.2009 (Az. 9 U 29/09) ü~erzeugt
schon aus dieser Überlegung heraus nicht. In eine Personengesellschaft kann
man nicht durch Vertrag mit der Gesellschaft selbst eintreten. Im Übrigen.wür-'
de die Ermöglichung des Ausschlusses der Haftung des Gründungsgesellschafters aus Verschulden bei Vertragsschluss in der Rechtspraxis dazu führen, dass diese Haftung durch entsprechende Vertragsregelungen jegliche Relevanz verliert. Die Rechtsprechung hat die Pros"pekthaftung im weiteren Sinne
aber gerade aus dem praktischen Bedürfnis heraus entwickelt, im Falle der Insolvenz der Gesellschaft auf verantwortliche Gesellschafter zugreifen zu können.
(ce)
Es ist weiter unerheblich, dass die Klageseite nicht als Direktkommanditist,
sondern nur mittelbar treuhänderisch beteiligt war. Es entspricht ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass bei einem Beitritt zu einer
Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern
vollzieht, solche vor-vertraglichen
Beziehungen zwischen Gründungsgesell-
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schaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden. Kommanditisten jedenfalls dann bel?tehen" wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag
wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll (vgl.
BGH, Urteil v. 09.07.2013, Az. 1I ZR 9/12, Rn. 30; Urteil v. 23.04.2012,
Az. 11ZR 211/09, Rn. 10 - zitiert nach iuris, mit weiteren NachweisEm zur
Rechtsprechung). Dies ist vorliegend der Fall, da nach
S 4 Abs.1
des Gesell-
schaftsvertrages dessen Regelungen analog--awchfür die Treuhandkommanditisten gelten sollen.
e) Die Beklagte zu 2) hat die Verletzung ihrer Aufklärungspflicht zu vertreten. Es ist ihr
nicht gelungen, die aus der Pflichtverletzung folgende, gesetzliche Vermutung zu widerlegen
(ss 276 Abs.
1 280 Abs. 1 S.2 BGB).
J
(1) Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig, da sie den Prospektfehler bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen hätte können. Ausgehend von
dem im Zivilrecht geltenden, aus Gründen des Verkehrsschutzes angewandten objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab durften sich die in die Gesellschaft eintretenden
Kommanditisten darauf verlassen~ dass die Beklagte zu 2) von den maßgeblichen
.Geschäftsvorfällen Kenntnis hatte und in der Lage war, sie beim Eintritt
hi
die MLR
hinreichend über alle wesentliche Umstände aufzuklären.
(2) Soweit die Beklagte einwendet, nicht gewusst zu haben; dass_auch der weitere Vertrag mit der LMVO (Refinanzierungs- und Verwertungsaufgaben) zu prospektieren
gewesen sei, beruft sie sich in der Sache auf einen Rechtsirrtum. Dieser kann sie
nicht exkulpieren. Es oblag der Beklagten insoweit, die Rechtslage sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls auch Rechtsrat einzuholen ..
Auf die Nichtbeanstandung des Pro~pektes durch ein im Jahr 2007 von der Kanzlei
Häckl, Schmidt & Associates GmbH erstelltes Prospektgutachten nach dem IDW S4
Standard durften sich die Beklagte nicht verlassen. Es kann offen -bleiben, ob ein
derartiges Prospektgutachten existiert:
(aa) Zum einen durfte die Beklagte ohne entsprechenden Auftrag von vornherein
nicht darauf vertrauen, dass die Kanzlei Häckl, Schmidt & Associates GmbH
bei der Prospektprüfung ihr aus anderen Prüfungstätigkeiten, etwa für die elF
oder die Innova2 gewonnenes Wissen automatisch auch in dem Prospektgutacht~n berücksichtigen würde, also die Kanzlei bei ihr _ausanderen Tätigkeiten -
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gewonnenes Informationsmaterial selbst erhebt. Die Beklagte zu 2) trägt nicht
~
vor, dass im Rahmen der Begutachtung die Frage der Prospektierung der ge-
.'
planten Verträge mit der lMVO ausdrücklich thematisiert wurde. Dies wäre
aber erforderlich gewesen, da die Beklagte allenfalls in diesem Fall darauf vertrauen durfte, hierüber nicht informieren zu müssen. Der Schuldner kann sich
nur dann auf erteilten Rat verlassen, wenn .dem hinzugezogenen Berater der
relevante Sachverhalt umfassend mitgeteilt wurde und er die erteilte Auskunft
einer
Plausibilitätskontrolle
unterzogen
hat
(vgl.
BGH,
Beschluss
v.
29.07.2014, Az. 11 ZB 1/12, Zif. 77 - zitiert nach juris). Allein der Umstand, dass
der geplante Vertrag bei der Erstellung des Prospektgutachtens nicht aufgefallen ist, ist daher nicht geeignet, einen unvermeidbaren Rechtsirrtum der Beklagten zu begründen.
(bb) Zum anderen war in dem Zeitpunkt, in dem die Kanzlei Häckl, Schmidt &
Associates GmbH die Prospektprüfung vorgenommen habe, weder der Vertrag
mit der lMVO bereits abgeschlossen noch stand nach der eigenen Einlassung
der Beklagten bereits fest, dass die lMVO mit den Verwaltungstätigkeiten
traut würde.
(cc)
be-
.
Drittens ist zu beachten, dass die elF und die Innova2 zwar gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, gerade die Rolle der .lMVO und der Beklagten zu 2) aber in
erheblichem Umfang divergiert. Dies foigt gerade aus dem von den Beklagten
vorgelegten Prospekt der Innova2. So ist die Beklagte zu 2) b~i der MlR die
Mehrheitsgesellschafterin
(76 %) der Komplementär-GmbH, während bei der
Innova2 die Komplementärin von einer anderen juristischen Person gehalten'
,wurde, an der wiederum zu ledigliGh 50 % die lMVO beteiligt war. Der beschriebene Interessenkonflikt und die Einflussnahmemöglichkeit
waren daher
, ungleich weniger stark als bei der MLR, was bedeuten kann, dass dort die
Prosl?ektierungspflicht fehlt, hier aber bestand .
.f)
Die Beklagte zu 2) hat daher Schadensersatz zu leisten (9 249 Abs. 1 BGB). Die Klageseite hat daher Anspruch so gestellt zu werden, wie wenn sie die Beteiligung nicht
gezeichnet hätte. Sie kann daher Erstattung des von ihr gezahlten Kaufpreises abzOglieh anzurechnender erhaltender Zahlungen aus der Beteiligung Zug-um-Zug gegen
Übertragung der Rechte aus der Beteiligung verlangen.
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2.
Der Klageseite steht ein deliktischer Schadensersatzanspruch gemäß
S 826
BGB gegen
den Beklagten zu 1) zu.
a) Wer Kapitalanlagen vertreibt und dabei AnlageinteresseJiten vorsätzlich durch Falschangaben täuscht, indem er eine anleger- bzw. objektwidrige Empfehlung abgibt oder
(
abgeben lässt, und die Schädigung der Anleger zumindest billigend in Kauf nimmt, ist
diesen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet
(vgl. BGH, Urteil v. 19.02.2008, Az. XI ZR 170107; BGH, Urteil v. 29.09.2007, Az. XI ZR
179/07). Der Beklagte zu 1) halals Geschäftsführer der LVMO, welche von der Fondsgesellschaft unter anderem mit der Eigenkapitalbeschaffung betraut war, nicht dafür
Sorge getragen, dass die Anleger ordnungsgemäß über die mit der Beteiligung verbundenen Risiken aufgeklärt wurden: Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte
zu 1) unstreitig nicht persönlich als Vermittler gegenüber den Anlegern tätig geworden
ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Geschäftsführer einer
Gesellschaft, welche Anlagegeschäfte vermittelt, dafür Sorge zu tragen, dass die Kunden der Vermittlungsgesellschaft ordnungsgemäß aufgeklärt werden (vgl. BGH, Urteil v.
22.11.2005, Az. XI ZR 76/05). Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne gehörige.
Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluss veranlasst oder bewusst nicht verhihdert, missbraucht seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Anlegern gemäß ~ 826 BGB auf Schadensersatz (vgl. BGHa.a.O. mit weiteren
Nachweisen). Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall, in dem es zwar nicht
um die Vermittlung vo.n Börsenoptionsgeschäften geht, sondern uni die Vermittlung einer Beteiligung als Treuhandkommanditist an einer Publikumsgesellschaft, übertragbar.
Eine Haftung des Geschäftsführers der für den Vertrieb der Beteiligung verantwortlichen
Gesellschaft ist dann anzunehmen,' wenn er Kenntnis davon hat, dass die Einwerbung
des Eigenkapitals auf Grundlage eines Beteiligungsprospektes erfolgt, der in wesentlichen Punkten unzutreffend oder lückenhaft ist, und er nicht dafür Sorge trägt, dass im
Rahmen des Vertriebs die darin enthaltenen falschen Informationen richtig. gestellt wer.den, bzw. die lückenhaften oder unterbliebenen Informationen über.die für den Anleger
wesentliche Umstände der Beteiligung, ergänzt werden, so dass sich für den Anleger
eine vollständige Aufklärung ergibt. Eine Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen
des
~ 826 BGB kommt daher in erster linie bei bewusst falschen Informationen in Betracht. .
In diesen Fällen ist das Kriterium der Sittenwidrigkeit ohne weiteres erfüllt. Eine (lediglich) .nicht vollständige oder unterbliebene Aufklärung ist dagegen nicht p.er se mit einer
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bewusst falschen Information gleichzusetzen. Die Sittenwidrigkeit ist in diesem Fall regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn be~ondere Umstände hinzutreten die die vollständige Aufklärung nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus sittlichen Gründen geboten erscheinen lassen. Dies sind Umstände, die das Verhalten nach den Maßstäben
der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich. erscheinen lassen (BGH, Urteil y. 04.06.2013, Az. VI ZR 288/12, Rn. 14 - zitiert nach juris, m.w.N.).
b) Nach Maßgabe dessen haftet der Beklagte zu 1) wegen vorsätzlicher sittenwidriger
Schädigung der Anleger sowohl im Hinblick auf eine bewusste Täuschung der Anleger
als auch im Hinblick auf eine unterbliebene Aufklärung.
Wie bereits oben dargestellt, führte die bereits unmittelbar nach Erstellung des Prospekts durch den Abschluss des Vertrags vom 1.11.2007 in die Wege geleiteteÜbertra.
.
gung nicht unwesentlicher operativer Aufgaben, die laut Prospekt von der Fondsgesell~
scliaft selbst wahrgenommen werden sollten, auf die LMVO dazu, dass die Gefahr besteht, dass diese nicht mehr im Interesse der Fondsgesellschaft und damit der Anleger
erfüllt wer,den, sondern vornehmlich im Interesse der LMVO, deren Alleingesellschafterin die Ehefrau des Beklagten zu 1), nämlich die Beklagte zu 2), ist. Diese.Gefahr wird
noch durch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse (die Beklagte zu 2) hält einen Anteil
von 76 % an der geschäftsführenden Komplementärin der Fondsgesellschaft) verstärkt,
da dies es ermöglicht, dass die LMVO zu ihren Gunsten Einfluss auf Entscheidungen
der MLR nimmt, was letztlich dazu führen kann, dass diese - den operative Tätigkeiten
weitgehend enthoben - zu einer Art leeren Hülse ohne Kern degradiert wird. Dass der
Be1<.lagtezu 1) hierüber nicht aufgeklärt hat, sondern es hingenommen hat, dass die
zentrale Stellung der LMVO in dem den Anlegern. präsentierten Unternehmenskonzept
verschwiegen wird, ist auch als unanständig und verwerflich in oben genanntem Sinne
.
.
. anzusehen, da der Beklagte zu 1) nicht lediglich Geschäftsführer der LMVO ist, sondern
zugleich als Ehemann der Beklagten zu 2) von Zahlungen der Fondsgesellschaft an die
LMVO aufgrund der nicht prospektierten Verträge sowie ggf. von einer Einflussnahme
der LMVO aur die Fondsgesellschaft zu ihren Gunsten, zumindest mittelbar auch wirtschaftlich profitieren würde. Verstärkt würde dies noch dadurch, dass auf eine klare
Einhaltung der vertraglichen Verhältnisse und eine Trennung der einzelnen.Gesellschaften mit ihren jeweiligen Rollen, wie sie im Prospekt beschrieben waren, nicht der gehö-'
rige Wert gelegt wurde, was in dem "Redaktionsversehen" zum Ausdruck. kommt. Der
Beklagte zu 1) hätte daher den ~on ihm als Geschäftsführer der LMVO koordinierten
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Vertriebsorganisationen,
Vermittlern etc. mitteilen müssen, dass gegenüber der im
.Prospekt dargestellten Situation ein neuer relevanter Umstand eingetreten ist, und diese
anhalten müssen, die Anleger darüber zu unterrichten. Dass dies nicht mehr rechtzeitig
vor Einwerbung des Ehemannes der Klägerin möglich gewesen 'Wär~l ist nicht ersichtlich, zumal dieser erst zwei Jahre nach Abschluss des Vertrags vom 1.11.2007 seinen
Beitritt zur MLR erklärt hat.
c) Das sittenwidrige Verhalten des Beklagten zu 1) war - wre die Klagepartei insoweit unwidersprochen darlegte - auch ursächlich für ihre Anlageentscheidung, wofür im Übrigen
.
.
auch eine tatsächliche Vermutung besteht.
d) Der Beklagte zu 1) handelte auch vorsätzlich. Für den Vorsatz im Rahmen des
S 826
BGB genügt bedingter Vorsatz. Dabei braucht der Täter nicht im Einzelnen zu wissen,
welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr
reicht aus, dass er die Richtung, in der sich ~ein Verhalten zum Schaden irgendwelcher
anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens biiligend in Kauf genommen hat (BGHZ 160, 149, 156,
BGH NJW 2004, 2668). Nach den Gesamtumständen besteht an einer vorsätzlichen
Handlungsweise des Beklagten kein Zweifel.
e) Der Inhalt der Pflicht zum ~rsatz des Schadens bestimmt sich auch im Hinblick auf den
vertraglichen Schadensersatzanspruch nach den
99 249 ff. BGB.
3.
Die Klageseite hat Anspruch auf prozesszinsen
(9 291
8.1 BGB), so dass sie Verzinsung
ab Re~htshängigkeit verlangen kann.
Ein Anspruch auf Zinsen LH.v. 4 % p.a. als entgangener Gewinn konnte der Klagepartei
auch unter Berücksichtigung der aus
9
287 ZPO re.su~tierenden Erleichterung nicht zuer-
kannt werden. Es fehlt an konkretem Vortrag hinsichtlich der alternativ getätigtenInvestition; allein der pauschale Verweis auf eine verzJhsliche Anlage ohne nähere Nennung (Kreditinstitut, Laufzeit, damalige marktübliche Konditione~)reicht dazu nicht.
Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der vorge~ichtlichen Rechtsanwaltskost.en wäre
. I •
~
unabhängig von, der Frage eines Verzugs deswege'h begründet, weil die vorgenannten Beklagten vertragliche bzw. deliktische Pflichten. Verletzt haben. Wer durch derar:tige pflicht-
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- Seite 19-
'verletzungen geschädigt wird, darf sich anwaltlicher Hilfe bedienen. Der Klägerin jst aber
der Nachweis einer Zahlung nicht gelungen. Die als K 8 vorgelegte Rechnung.3/15
über
2.251,48 € belegt nicht die Begleichung. Der als K 9 vorgelegte EDV-Ausdruck enthält andere Rechnungsnummern, Datumsangaben und Beträge; er weist insQesondere eine Zahlung LH.v. 840.62 auf eine Rechnung 759/15 aus, die offenbar durch eine Rechtsschutzversicherung ("RSV") erfolgt ist, und die durchlaufenden Gerichtsgebühren LH.v. 1.998,00 €.
c.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den ~~ 92 Abs. 2 Nr.1. 709 S. 2 u. 3 ZPO.
Bei der Streitwertfestsetzung hat das Gericht den Zahlungsantrag zu Ziffer I. mit 5 %. angesetzt. Die Anträge bzgl. der Zinsen und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als
Nebenforderungen streitwertneutral, ebenso der Feststellungsantrag bzgl. des Annahmeverzugs.
v
\J'~
fSorzner
Vorsitzender Richter
am Landgericht
Richter
am Landgericht
Verkünde~am 11.03.2016
Urkundsbe-;;~t~r der Geschäftsstelle
.-
\.
U6r. ~eaenfus
Ridter
am Landgericht.