Freie Presse, Erscheinungsdatum 20160120, Seite MLe

LESERFORUM
Freie Presse
Mittwoch, 20. Januar 2016
LESEROBMANN
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im Urwald
REINHARD OLDEWEME
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TELEFAX: 0371 656-17041
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D
ie Versuchung war groß,
ich habe mit mir gerungen,
dann habe ich mich dagegen entschieden: Ich habe darüber
nachgedacht, meine Kolumne vom
30. Januar 2013 mit der Überschrift
„Wirklich streiten?“ mit dem gleichen Wortlaut heute noch einmal
auf dieser Seite zu veröffentlichen,
um dann abzuwarten, ob es jemand
merkt. Lieber Leser, ich will Sie weder zum Narren halten – das würde
ich niemals wagen – noch möchte
ich zum Ausdruck bringen, dass ich
mich bei einer Kritik an Inhalten der
Zeitung dazu verleiten lasse, sie
nicht uneingeschränkt ernst zu nehmen. Aber es gibt etwas, das mir zu
denken gibt:
Unter der Überschrift „Jubiläum
im Urwald – Dschungelcamp startet
10. Staffel“ haben meine Kollegen
am vergangenen Freitag erneut die
Kandidaten des TV-Spektakels vorgestellt. Und wieder passierte dies:
Ein Welle des von Unverständnis getragenen Ärgers wegen dieses seitenfüllenden Artikels brach über
mich zusammen. Der Tenor war der
gleiche wie in den Jahren zuvor, er
lässt sich als Frage formulieren: Es
ist schlimm genug, dass es „diesen
Schwachsinn“ gibt und dass Millionen Zuschauer sich jeden Abend
„für dumm verkaufen lassen“, aber
muss die „Freie Presse“ auch noch
darüber berichten?
Meine Antwort hat sich nicht
verändert: Die Zeitung muss nicht,
aber sie kann und darf die Realityshow zum Thema machen, auch
ausführlich, weil durchschnittlich
acht Millionen Fernsehzuschauer
das „Dschungelcamp“ anschauen
und dieses Spektakel somit ein gesellschaftliches Phänomen zur Folge
hat, das man darstellen und hinterfragen sowie zum Gegenstand von
sozialrelevanten Debatten machen
kann und vielleicht sogar muss. Außerdem gibt es Menschen, die womöglich gar nicht wissen, dass es
dieses TV-Format gibt, aber auch sie
haben, wenn sie durch Zufall darauf
stoßen, ein Recht auf sachliche Informationen mit der Möglichkeit,
sich eine eigene Meinung zu bilden.
Fünf Leser wollten von mir wissen, was ich von dem Artikel über
die Dschungelcamp-Kandidaten
halte. „Ich bin gar nicht auf die Idee
gekommen, ihn zu lesen“, habe ich
allen geantwortet und zunächst ein
Befremden ausgelöst. Der Leserobmann liest nicht alles, was in der Zeitung steht? Geht das? Und ob:
Zu meinen Talenten gehört das
Überlesen; eine Fähigkeit, die mir
hilft, viele Dinge gelassener zu sehen, mich weniger ärgern zu lassen.
Das bedeutet: Erfasse ich mit einem
Blick, dass es um ein Thema geht,
das an sich geeignet ist, in mir negative Gefühle wachzurufen (wie die
Jahresbilanz des Fleischerverbandes
oder eine Reportage über dressierte
Wildtiere), leuchtet in meinen Gehirnwindungen eine Alarmlicht
auf, und ich weiß: Besser gar nicht
erst lesen, sonst regst Du Dich nur
wieder darüber auf, dass die Welt ist,
wie sie ist. Bei dieser Kandidatenvorstellung war das der Fall, denn allein
der Gedanke an „gebt dem Volk, was
das Volk verdient“ ließ mich erschauern. Liebe DschungelcampGegner: Überlesen hilft, sich seinen
Teil zu denken allerdings auch.
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Seite B1
Gewalt
Merkel sollte Fehler eingestehen Pure
will niemand
wirklich sehen
Im Leitartikel „Ein
Streichholz im Heustall“
kommentierte der Autor
die Politik der Kanzlerin
und die Forderung der
CSU nach einer Obergrenze bei den Flüchtlingen.
Zwei Meinungen zu den Berichten über den „Tatort“ mit Til
Schweiger und Helene Fischer:
Zur Korrektur drängen
Ja, Angela Merkel ist verantwortlich
für beispiellosen Kontrollverlust
und importierte Unsicherheit.
Deutschland ist gespalten, und mit
dem Verlust der identitätsstiftenden
Kraft verliert unser Land innerhalb
seiner Grenzen den Grundsatz von
„Einigkeit und Recht und Freiheit“.
Die Bundestagsabgeordneten – zumindest die Wahlkreisabgeordneten – sollten doch die Stimmung vor
Ort erkennen und Merkel zur Übernahme der politischen Verantwortung bzw. zur Korrektur der Ansage
„Wir schaffen das“ drängen.
Ulrich Riedel, Theuma
Scheindiskussion beenden
Endlich schneidet jemand mal das
bisher wohl heikle und umgangene
Thema „Plan B“ an. Das heißt, in der
Flüchtlingspolitik muss die Scheindiskussion um Obergrenze und unbegrenztes Asylrecht aufhören.
Scheindiskussion deshalb, weil zum
einen nur der fundamentale Fehler
verdeckt werden soll, die Flüchtlingswelle anzutreiben, statt zu
bremsen, und zum anderen ein unbegrenztes Asylrecht nicht greifen
kann, wenn zwei Drittel eines
Staatsvolkes auf der Flucht sind.
Man stelle sich vor, fünf Millionen
Syrer würden sich als Asylziel Portugal oder Schweden aussuchen mit
jeweils etwa zehn Millionen Einwohnern. Aufhören muss die lächerliche Diskussion, was mit dem
einen Flüchtling geschehen soll, der
draußen steht.
Wolf-Dieter Beyer, Limbach-O.
Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer sind sich bei der Flüchtlingsfrage (noch) nicht einig. FOTO: DANIEL KARMANN/DPA
Kehrtwende wäre richtig
Der Kommentator ist der Meinung,
dass eine Kehrtwende der Kanzlerin
in der Flüchtlingsfrage einem Offenbarungseid gleichkäme. Was wäre
daran so schlimm? Ich gehe davon
aus, dass es inzwischen auch Angela
Merkel klar ist, dass ihre freizügige
Einladung aller Flüchtlinge die Republik vor eine kaum zu lösende
Aufgabe stellt. Vermutlich hat sie
selbst nicht mit dieser unglaublichen Dimension an Flüchtlingen in
diesem kurzen Zeitraum gerechnet.
Und wahrscheinlich auch kein anderer; auch wenn es jetzt hinterher
plötzlich alle besser wissen. Mit ihren Durchhalteparolen hat sie sich
ihr aufgebautes Vertrauen in weiten
Teilen der Bevölkerung verspielt. Je-
der Mensch macht Fehler, aber nur
sehr wenige haben den Mut, dies
auch einzugestehen. Meines Erachtens könnte sich die Kanzlerin Respekt zurückholen, wenn sie dies tun
würde. In der Bevölkerung ist sowieso die Meinung verbreitet, dass es
ein Fehler war – warum es also nicht
zugeben? Sie würde damit sehr viel
Druck von sich selbst nehmen und
kann nur gewinnen. Jedes andere
Vorgehen wäre nur ein Balanceakt
auf dem politischen Drahtseil.
Annette Köhler, Königswalde
Antwort ist eigentlich einfach
Ich weiß nicht, ob die Obergrenze,
die nicht nur Seehofer fordert, eingeführt wird. Logisch wäre das, da in
einer materiell begrenzten Welt wie
der Erde keine unbegrenzten Ausdehnungen stattfinden können, sagt
die Physik. Der muss man nicht
glauben, doch es hat was, sich auf sie
zu verlassen. Doch eine Frage kann
ich beantworten. Nämlich: Und
wenn die Obergrenze von 200.000
erreicht ist, was geschieht dann mit
dem 200.001. Asylbewerber? Die
Antwort ist so einfach wie ungeahnt: Dann, wenn es einen Sinn gibt
für das, was Obergrenze meint, wird
er abgewiesen. Verblüffend, ich
selbst habe lang und intensiv nachgedacht. Auch ich konnte mich
nicht der Logik des Begriffs „Obergrenze“ entziehen. Geht den meisten, falls sie sich darauf einlassen,
womöglich ebenso.
Erich Schäfer, Plauen
Schon im Mittelalter hat sich das Klima verändert
Zum Leserbrief „Zwang zum
Wachstum stößt an seine Grenzen“ über den Weltklimagipfel
meint dieser Leser:
Da haben nun sehr viele Staats- und
Regierungschefs beschlossen, das
Weltklima zu stabilisieren. Der Sonne können sie übrigens durch Beschlüsse nicht vorschreiben, wie sie
sich in den nächsten Jahren verhält.
Keinesfalls darf in Zukunft Kohlendioxid in die Luft entweichen, sondern muss, wenn schon entstanden,
irgendwo verbuddelt werden. Fossile Energiestoffe sind also Gift für die
Menschheit. Einer meinte sogar, das
sei endlich das Aus der fossilen
Brennstoffe. Ja, wo kam denn das
Kohlendioxid her, das beim Wachsen der Kohlenurprodukte erforderlich war? Haben Raumschiffe es ge-
bracht und gleich den überschüssigen Sauerstoff geklaut? Hier wäre
wirklich der viel strapazierte Begriff
„Nachhaltigkeit“ angezeigt. In einem Kohlekraftwerk wird nur verbrannt, was einmal gewachsen ist,
nicht mehr und nicht weniger.
Schon im Hochmittelalter gab es eine Klimaerwärmung. Immerhin
konnte damals in den Alpen sogar
Wein angebaut werden. Heute ist
dies nicht möglich. Die Regierungschefs haben nun beschlossen, dass
dies auch so bleibt. Ob das trotz allen
Aufwands an Tagungs-, Transportund Verwaltungskosten (klimaschädlich) weiter besteht, bleibt abzuwarten. Übrigens benötigen auch
Palmölpflanzen Kohlendioxid zum
Wachstum und produzieren nebenbei Sauerstoff.
Dietrich Krupinski, Zwickau
Mehr Autoverkehr ist keine Alternative
Zu dem Artikel „Zugstrecke von Chemnitz nach
Aue steht vor dem Aus“
haben uns weitere Leser
ihre Meinung geschrieben.
Dies sind Auszüge aus
den Briefen.
Von langer Hand geplant
Nun soll wieder eine Nebenstrecke
eingestellt werden; diesmal eine
landschaftlich schöne. Die Verkehrsverbünde entscheiden über
Sein oder Nichtsein. Was für eine
Allmacht. Einstellungsgrund: Es
fahren zu wenig Leute mit. Also sollten wohl alle Sachsen mindestens
einmal im Jahr mit der Bahn fahren,
besonders auf Nebenstrecken.
Manchmal glaube ich aber, dies ist
alles schon von langer Hand geplant. Der Citytunnel in Leipzig für
die S-Bahn und die resultierende Infrastruktur kosten jährlich so viel,
dass kein Geld mehr da ist für Regio-
nalnetze in der Fläche. Also, Ihr lieben Eisenbahnfreunde: Fahrt noch
einmal diese Strecke ab, bevor damit
Schluss ist. Es wird wohl am Ende
nicht mehr viel übrig bleiben von
den Nebenstrecken in Sachsen. Vielleicht sollte „Freie Presse“ mal eine
Karte veröffentlichen, auf der alle
Strecken eingezeichnet sind in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die seit der Wende 1989 eingestellt wurden. Oh, das wird hart,
wenn man sich das anschaut.
Christoph Messerschmidt, Lengenfeld
Stadt und Land sind gefordert
Ich fasse es nicht: Die Zugverbindung zwischen Chemnitz und Aue
steht vor dem Aus. Schon jetzt sind
die Züge nach Leipzig für Ältere und
Gehbehinderte kaum zugänglich.
Die Direktverbindung von Chemnitz nach Berlin gibt es schon seit
Jahren nicht mehr, nach München
muss man mindestens einmal umsteigen; all dies im Gegensatz noch
zu den Achtzigerjahren, und nun
soll Aue mit allen Orten auf dieser
Strecke nicht mehr erreichbar sein.
Die Erzgebirgsbahn fährt am Auer
Erzgebirgsstadion vorbei. Auch über
das Jahr 2017 hinaus?
FOTO: GEORG DOSTMANN/ARCHIV
Die Zahlen sprechen für sich: Tausende sind auf dieser Strecke unterwegs, benötigen die Verbindung, um
ihrer Arbeit nachgehen zu können.
Sollen noch mehr Autos die Straßen
verstopfen und die Luft verunreinigen? Nach welchen Kriterien wird
entschieden? Die Stadt Chemnitz
und der Freistaat sind gefordert, und
zwar dringend.
Karl-Heinz Kleve, Chemnitz
Viele Radler nutzen die Bahn
Wie viel Dummheit müssen wir eigentlich noch ertragen? Da wird den
Bürgern eingeredet, sich ökologisch
zu verhalten, und wenn sie es tun,
dann soll eine beliebte Bahnstrecke
zwischen Chemnitz und Aue nicht
wieder ausgeschrieben werden. Wir
sind begeisterte Radler und hätten
dann keine Möglichkeit mehr, den
wunderbaren Radweg ab Aue bis
Blauenthal und weiter nach Tschechien zu nutzen. Mit einem Bus ist
das nicht möglich. Ebenso scheint
bei der Bahn generell noch nicht angekommen zu sein, dass sehr viele
Radler die Bahn als Zubringer beispielsweise zum Elberadweg nutzen
würden, aber die Mitnahme der Räder ist sehr begrenzt. In anderen touristischen Regionen werden an Bussen spezielle Anhänger zur Mitnahme der Räder eingesetzt bzw. es
könnte ein spezieller Wagen bei der
Bahn für mehr Kapazität sorgen.
Aber leider scheitert es immer wieder am Geld, das anderswo sinnloserweise ausgegeben wird.
Hannelore Sarfert, Chemnitz
Überheblich und beschämend
Eigentlich geht man als langjähriger
Zuschauer des „Tatort“ davon aus,
dass es sich um realistisch dargestellte Fälle handelt. Diese Doppelfolge aber war pure Gewalt, wie aus
US-Actionfilmen bekannt, mit Helden, die im Alltag nicht mal ansatzweise vorstellbar sind. Was die ARD
mit den Fernsehgebühren anstellt,
um solche Figuren in Szene zu setzen, schreit zum Himmel. Was dieser selbst ernannte Märtyrer aller Benachteiligten sich erlaubt, andere
als niveaulos zu bezeichnen, die
noch in etwa nachvollziehbare Polizeiarbeit darstellen, ist überheblich
und beschämend zugleich. Und was
sollte Helene Fischer in der Rolle der
Auftragskillerin bewirken? Ich glaube, jede Theaterschauspielerin hätte
das besser hinbekommen, aber sicher für weniger Gage. Die unrealistische Handlung und die durch Gewalt zugefügten Verletzungen der
Filmhelden mit ihren nie schwindenden Bärenkräften kann unrealistischer nicht mehr dargestellt werden. So ein Filmwerk zur besten
Fernsehzeit auch noch als „Tatort“
anzubieten, ist der Skandal an sich.
Dittmar Seelig, Werdau
Mehr Verstand zugetraut
Til Schweiger kann man nur sagen:
Hochmut kommt vor dem Fall. Und
das kann man wohl auch an die Adresse von Helene Fischer schicken.
Wer sich mit Krieg und Elend befasst und vielleicht sogar selbst erlebt hat, würde sich zu solchem
Müll nicht hergeben. Ich erspare mir
solche Filme und hätte Helene Fischer etwas mehr Verstand zugetraut. Aber meine Menschenkenntnisse haben mich nicht getäuscht.
Und dass Til Schweiger sich mit
Martin Semmelrogge gemeinsam
den Film angesehen hat, erübrigt jeden weiteren Kommentar.
Werner Schneider, Lauter-Bernsbach
EU verhält sich hier
wenig demokratisch
Zu Berichten und Kommentaren
über die politische Entwicklung
in Polen:
„Wahlen ändern nichts, ansonsten
wären sie schon längst verboten“,
sagte Kurt Tucholsky einst. In Polen
hat die Mehrheit der Bevölkerung eine Änderung der Politik gewollt und
auch erreicht. Die Änderung ist aber
nur möglich, wenn auch das Personal daran mitarbeitet, also ist es für
jeden verständlich, dass die neue Regierung die geeigneten Leute einsetzt. Undemokratisch ist die Institution EU, die Wahlergebnisse revidieren will und damit letztlich ein
Wahlergebnis umkehren möchte.
Sieht so Demokratie aus?
Dieter Rindfleisch, Klingenthal
Umweltkatastrophe
auf dem Meeresgrund
Zum Beitrag „Der Müll der Meere“ meint dieser Leser:
Auch dies sollte uns zu denken geben: Mit jedem während der Weltkriege versenkten Schiff liegt eine tickende Zeitbombe auf dem Meeresgrund. Was ist da nicht alles an
Treib- und Kampfstoffen versunken,
die ins Wasser gelangen können,
wenn die Wracks irgendwann verrottet sind. Wenn hier nicht bald jemandem ein großer Wurf gelingt, ist
die Menschheit dieser Umweltkatastrophe schutzlos ausgeliefert.
Gunter Sieber, Limbach-Oberfrohna