28 REPORTAGE STUTTGARTER ZEITUNG Nr. 292 | Donnerstag, 17. Dezember 2015 Die Brennereianlage hat sich Roland Feller maßschneidern lassen. Wer nach seinen Probierstunden Kopfweh kriege, erhalte sein Geld zurück, sagt er. Schöne Grüße nach Havanna Echte Rumbrenner stehen bei der Arbeit bis zu den Knien im Zuckerrohrfeld, haben die Salsa im Blut und schuften für einen der mächtigen Spirituosen-Großkonzerne. Oder auch nicht: ein Besuch bei Roland Feller in Regglisweiler. Von Rüdiger Bäßler Handwerk 2003 besuchte Roland Feller die Brennerine Skibar im Dolomitenort Wolkenstein, am Tresen sitzt Roland schule in Hohenheim, ließ eine komplett neue Feller und nimmt die Flaschenpa- Anlage planen und bauen, spezialisierte sich rade hinten im Regal ins Auge. auf die Whisky-Herstellung und gewann seitHeute mal kein Whisky. Stattdes- her einen Preis nach dem anderen. Die jüngste sen lässt er sich einen unbekannten karibi- Auszeichnung, vergeben nach einem Whiskyschen Rum eingießen und spürt das Glück Blind-Tasting mit 4600 Produkten durch den eines aromareichen feurigen Schlucks am En- Branchenguru Jim Murray, ist erst ein paar Tade einer langen Pistenjagd. Als er am nächsten ge alt. Der Amarone Single Malt aus RegglisMorgen aufsteht, will er auch Rum brennen. weiler schnitt mit 95,5 von 100 möglichen Den besten, wenn es geht. Und so hat vor ein Punkten ab, der Single Malt bekam 92 Punkte. Jetzt also auch Rum. Jeder kann Rum brenpaar Jahren alles angefangen. Vorweihnachtszeit im Dorf Regglisweiler, nen, die Rezepte kann man sich im Internet zuAlb-Donau-Kreis, 8288 Kilometer Luftlinie sammenklicken. Dickflüssige, pappsüße Zuentfernt von Havanna, der Hauptstadt des ckerrohrmelasse braucht es, Wasser, Hefe, Rums. Graue Wollmützen anstatt floral be- eine Destillationsanlage und ein ordentliches druckter Shorts, schwäbische Schaffigkeit an- Holzfass, in dem der Hochprozenter reift und stelle süßen karibischen Müßiggangs. Aber da- seinen Bernsteinton gewinnt. Selbstverständfür ein Geruch in der Luft, ein schweres, betö- lich ist das Quatsch. Keiner kann aus dem rendes Fluidum aus Anis, Vanille und Fenchel, Stand Rum produzieren, nicht mal der Regglisweiler Whiskykönig. „Das Zeug in dem der abendliche Trubel des „Je größer die hat am Anfang einfach nicht geMalecón aufzuleben scheint. gärt“, erinnert er sich. „Die Hefe Die unsichtbare Aromawolke Schwankung hat das einfach nicht gepackt.“ steigt von dem Hof Roland Fellers der Temperatur, Erst ein spezieller, aus dem Ausauf. Da geht er, blond, kantig, ein land gelieferter Hefestamm Mann, der aussieht, als ob ihn so desto schneller schaffte es, den Zucker in der Meschnell nichts umschmeißt. Und die Reifung.“ lasse aufzufressen und den Gärso wirken auch seine schweren Brennmeister prozess in Gang zu bringen. würfelartigen Flaschen aus ro- Werner Huber In Fellers modernem Brenbustem Glas, in die er jetzt zum nerhaus, dem Maschinenraum ersten Mal seine kostbaren Destillate mit dem Namen Rumreich abfüllt. Fla- der Genüsse, dröhnt der Ölbrenner. Der Alkoschen nicht einfach für Männer, sondern für hol verdampft und durchströmt gurgelnd sechs Destillationsstufen, nur um sich später Eroberer und Potentaten. Würde sein Vater ihn noch sehen können, mittels computergesteuerter Kühlung wieder der den Feller-Hof schon vom eigenen Vater zu verflüssigen und – stoßweise und in zarten geerbt hatte, er wäre vermutlich erst erschro- Mengen – in ein großes Plastikfass zu plätcken und dann ziemlich stolz. „Bub, werd‘ schern. Von 8 Uhr morgens bis in die NachtBauer“, habe ihm der Vater geraten, als die stunden kommen jetzt, während der HauptSchulzeit vorbei war, sagt Roland Feller. Das produktionszeit des Jahres, rund 300 Liter zuhat er gemacht – und gesehen, wie die klassi- sammen. Wie Roland Feller und sein Brennschen Milchviehbauern im europäisierten meister Werner Huber die Maische anrühren, Markt unter dem immer stärkeren Preisdruck wie sie kühlen, in welchem Moment sie den ächzten. Als er 1993 daheim die Geschäfte in Vorlauf abtrennen, das alles ist ein furchtbar die Hand bekam, schaffte er die Tiere ab, eröff- strenges Betriebsgeheimnis. „Das geht nur mit nete am Rand von Regglisweiler eine Pferde- Probieren“, sagt der Chef und beendet damit pension für 45 Rösser und umkreiste kritisch jede weitere lästige Nachfrage. Auf der anderen Hofseite, in einem Backdie alte Brennereianlage auf dem Hof, in der oberschwäbisches Obstwasser Marke Rachen- steingebäude, in dem die Feller-Vorfahren Stroh und Heu lagerten, vorbei am Unterstand putzer gebrannt wurde und sonst nichts. E für die Getreidemühle und den Einmaischbot- sitzer immer wieder Interessierte zu Probiertich, dämmern die Schätze ihrer Vollendung stunden. Feller preist die Reinheit seiner Proentgegen. Durch das Halbdunkel schleichen dukte und gibt stets ein Versprechen: „Wer die Revierkatzen Lucy und Mimi, unbezahlte morgen früh Kopfweh hat, der kriegt sein Geld Angestellte im Dienste der gehobenen Destil- zurück.“ Verzögert einsetzende Kopfschmerlation, schreiten ihr Reich ab, suchen mordlüs- zen nach Alkoholgenuss seien „immer ein Zeitern nach Eindringlingen, die es wagen, sich an chen von schlechter Qualität“. die Getreidesäcke heranzumachen, die hier Der größte Teil der Wertschöpfungskette auch gestapelt sind und die Roland Feller zur obliegt seiner persönlichen Kontrolle. Wie das Herstellung von Grain Whisky geht, hat er als junger Bursche vorhält. Kalt ist es, der Atem bildet „Wenn einer in gesehen, damals, als er ein ganWolken, die Dachschindeln liegen meinen Laden zes Jahr lang ein Praktikum auf direkt auf dem ungedämmten Geeinem landwirtschaftlichen Gegeht, muss er bälk. Im Sommer aber heizt sich müsebetrieb in der Bretagne abdas alte Heulager auf, bringt die sehen: da wird solvierte. Seine Arbeitgeber haFässer zum Schwitzen, und der geschafft.“ ben ihre Ernte liebevoll verRum diffundiert durchs Holz. Das packt, fuhren damit auf sämtliBrennereiunternehmer freut den Brennmeister Huber. Roland Feller che Märkte in der Umgebung „Je größer die Temperaturund parlierten dort stolz und schwankung, desto schneller die freundlich mit der Kundschaft. Reifung“, erklärt er. Reifung heißt: der Rum „Als die zurückkamen und die Geldkassette hat die Alkoholschärfe verloren, ist weich und aufgemacht haben, ist das Geld schon rausgeauf vielfältige Weise aromatisch geworden. juckt“, sagt Roland Feller. Vor zweieinhalb Jahren kam der erste Rum Die Gesundheitsapostel, Prohibitionisten hier in gebrauchte, auf komplizierten Wegen oder geläuterten Trinker auf Bekehrungsmisbeschaffte Cognacfässer, deren Hölzer mit sion haben den Whiskyunternehmer bisher in französischem Rémy Martin geweiht und Ruhe gelassen. Nur einmal hat er einer Bitte durchtränkt sind. 500 Liter gehen rein. Jetzt, des örtlichen Fußballvereins nachgegeben und nach zweieinhalb Jahren Reifezeit, sind sie nur Jugend-Trainingsjacken bezahlt, auf denen noch halb voll. Der Verkauf kann beginnen, „Feller Whisky“ stand. Eine Mutter hat ihn pünktlich zur Hauptsaison auf dem Hof, wenn dann angesprochen und kritisch gefragt, ob vorne im brandneuen Verkaufsraum die An- das wirklich das richtige Werbeumfeld sei. „Da zugträger erscheinen, um sich mit Firmenprä- habe ich gesagt, die haben recht.“ Er zog sich senten einzudecken. Roland Feller kommt als Heimatsponsor wieder zurück. dann aus der Brennerei rüber, packt die BestelPlötzlich spuckt und speit die Brenneraplungen eigenhändig ein, verweist auf seine paratur. Ausgelaugte graufarbene Melasse schönen, alten Streuobstbäume vor der Tür, wird auf Computerbefehl in ein außen liegenerklärt, von welchen Äckern er sein Getreide des Fass gepumpt. Später geht alles als Dünger bezieht und wie wenig er von industrieller auf die Feller’schen Felder. Herrlich: ein NaNahrungsmittelproduktion hält. „Wenn einer turkreislauf, dessen Ziel der Genuss ist. Käin meinen Laden geht, dann muss er sehen: da men Leute von einem der Milliardenkonzerne wird geschafft.“ In seinen Adern, sagt er, fließe wie Suntory oder Diageo zu ihm und würden auf immer „grünes Blut“, und wer ihn einen ihm einen fetten Scheck für seine Brennerei Bauern nennt, beleidigt ihn nicht, denn als auf den Tisch legen – er würde ihnen ein Gläsnichts anderes sieht er sich. chen einschenken und sie dann wieder vom Roland Feller ist aber auch noch Verkäufer Hof komplimentieren, schwört Roland Feller. und die wichtigste Marketingfigur seiner kleiNoch ein paar Tage bis zum Jahresende, nen Firma. „Wer bringt’s am besten rüber? Der dann ist Urlaub. Wolkenstein wartet, die SkiProduzent!“, ruft er. Im Brennerhaus steht ein bar und der Flaschenwald. Weiß der Teufel, langer Tisch mit Bänken, dahin lädt der Hofbe- welche Abenteuer sich darin noch verbergen. Foto: Andreas Reiner
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