Johannas Ankunft: Eine Geburt zu Hause

Geburtshaus Zehn Monde
Reichardtstraße 22
06114 Halle (Saale)
Tel./Fax. (0345) 68 24 888
[email protected]
www.zehn-monde.de
Ein Geburtsbericht von der Webseite des Geburtshauses Zehn Monde
Johannas Hausgeburt
Nach
einigen
unschönen
Besuchen
bei
einer
Frauenärztin,
wo
meine
Schwangerschaft festgestellt wurde und den Beobachtungen in den Kreißsälen eines
hiesigen halleschen Krankenhauses während meines Praktischen Jahrs als
Medizinstudent stand für mich sehr schnell fest, daß ich wenn irgend möglich nicht in
die Hände von Ärzten geraten wollte, solange Schwangerschaft und Geburt normal
verliefen. Ich „kündigte“ also meiner Frauenärztin und teilte ihr mit, daß ich von jetzt
an die Schwangerenvorsorge bei der Hebamme machen lassen wollte. Sie erwiderte
entsetzt: „Da kann ich aber keine Verantwortung für übernehmen.“ Ich war die ewige
Bevormundung durch sie leid und verabschiedete mich mit einem freudigen „Dafür
brauchen Sie auch nicht verantwortlich zu sein.“ Ich würde sie nie wiedersehen und
war glücklich mit meinem Plan, obwohl ich bis dahin noch gar keine Hebamme hatte.
Allerdings eine Empfehlung von einem Kollegen meines Mannes, dessen Frau bei
Constanze im Geburtshaus entbunden hat. Ich war im 4. oder 5. Monat und
Constanze war noch nicht ausgebucht. So ging ich ab da zu ihr und Schwangersein
begann Spaß zu machen. Endlich wurde ganz natürlich mit meiner Schwangerschaft
umgegangen und nicht so, als lauerte die Katastrophe hinter jeder Ecke. Ich durfte
selbst bestimmen, was ich wollte und was nicht, wurde ernst genommen und
niemand kam mit dem erhobenen Zeigefinger und apokalyptischen Szenarien, wenn
ich ein CTG nicht wollte oder sonst etwas nicht. Nur zum Ultraschall ging ich zum
Frauenarzt, was ich mir im Nachhinein aber lieber hätte schenken sollen, da der
Befund
eines
leichten
beidseitigen
(und
wie
sich
später
herausstellte
vorübergehenden) Nierenstaus mir nur unnötigen Streß einhandelte. Ich war zur
Fein-Sono und Worte wie „Softmarker für Trisomie“, „Fruchtwasserpunktion“ und
„eventuell aus der Schwangerschaft aussteigen“ fielen. Natürlich läßt einen das nicht
unberührt, aber ich entschied, lieber ein behindertes Kind zu kriegen, als ein
gesundes durch eine invasive Untersuchung zu gefährden. Wie in allem wollte ich
Gott vertrauen, daß er die Dinge in der Hand hat. Ich war mir irgendwie auch sicher,
daß mein Kind gesund sein würde.
Mir ging es bis zum Schluß blendend, ich fühlte das Baby strampeln und wußte, auch
als ich fast eine Woche über den Termin ging, daß alles in Ordnung ist. Ab und zu
ging ich in der Zeit, als ich über dem Termin war dann doch zum CTG. Weil es die
Hebammen beruhigte und weil es nett war sie zu sehen.
Der 13. September war der errechnete Entbindungstermin nach der letzten Regel.
Da ich in dem Zyklus, in dem ich schwanger geworden bin, die Temperatur
gemessen hatte, wußte ich, daß der Eisprung später gewesen war und stellte mich
schon darauf ein, daß das Kind länger brauchen würde. Ich rechnete mit dem 17.9.,
schließlich dauerte es aber noch 6 Tage länger.
Zum Ende hin wurden wir dann doch ungeduldig, da der Urlaub meines Mannes dem
Ende entgegen ging und unser Umzug ins Ausland näher rückte.
Am 21. und 22. hatte ich nachts schon mal ein paar Wehen und mein Darm verhielt
sich anders als sonst. Es würde also bald losgehen.
Gegen Mitternacht auf den 23. versuchten wir es noch einmal mit natürlichen
Prostaglandinen, woraufhin der Schleimpfropf kam. Erstmal sind wir aber schlafen
gegangen. Gegen drei kamen die Wehen schon so, daß ich aus dem Bett sprang,
um sie zu veratmen. Dann legte ich mich jeweils wieder hin, schlief/döste 10 oder 15
Minuten, um für die nächste Wehe aufzuspringen. Ich wollte keine Pferde scheu
machen, schließlich dauert so eine Eröffnungsphase eine ganze Weile. Mein Mann
war zwar aufgeregt, schlief aber trotzdem noch ein paar Stunden. Ich hatte mich früh
für Hausgeburt entschieden, weil es mir das Natürlichste erschien, das Kind dort zu
bekommen, wo es gezeugt wurde. So mußten wir uns auch keine Gedanken über
einen Aufbruch irgendwohin machen. Als es draußen hell war, hatte ich endgültig
keine Lust mehr auf Bett. Wir standen auf und gingen an diesem stillen, schönen
Morgen spazieren. Die Sonne schien und alles war so frisch und friedlich und ich
dachte mir: Ein schöner Tag zum geboren werden!
Die Wehen waren gut im Laufen auszuhalten, kamen in 10-15 Minuten Abständen.
Mein Mann stoppte sie mit seiner Stoppuhr, was mich bald so nervte, daß die Wehen
eine Weile in größeren Abständen kamen und schwächer wurden.
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Wieder zu Hause war auch meine Schwester wach, die bei uns zu Besuch war, in
der Hoffnung, die Geburt noch mitzuerleben. Sie hatte ab Montag Prüfungen und es
war schon Samstag. Sie wunderte sich, daß wir so früh auf waren. Normalerweise
schliefen wir bis mindestens 10 Uhr. Ich sagte, wir hätten eine kurze Nacht gehabt,
aber sie schnallte lange nicht, was wir ihr sagen wollten. Als ich sagte, ich habe
Wehen, war sie ganz aus dem Häuschen. Sie würde dabei sein!
Mein Mann ließ mir derweil ein Bad ein. Es war ganz nett, die Wehen im Wasser zu
beatmen, aber mir war schnell klar, daß das mit der Geburt nichts ist für unsere
schmale, rutschige Wanne. Um 11 rief mein Mann die Hebamme an. Constanze war
gerade bei einer anderen Geburt im Krankenhaus und so kam Hebamme Maria
vorbei, die ich so vom Sehen kannte. Ich stieg aus der Wanne, sie untersuchte mich.
Muttermund war bei 4 cm. Das war doch schon mal was. Mein Mann begann also,
die Geburtssuppe aufzutauen, die er vorher gekocht hatte und mit Nudeln zu
versehen. Maria fragte mich, ob es mir lieber wäre, wenn sie später wiederkäme oder
ob sie dableiben soll. Ich sagte: „Ach, geh ruhig. Ich kann das noch eine Weile
alleine händeln.“
Sie schrieb mir ihre Nummer auf, damit ich sie anrufen kann, aber dann wurden die
Wehen stärker und sie blieb. Mein Mann kam fast nicht zum Suppe machen, weil er
mir in jeder Wehe das Kreuzbein massieren mußte. Das half ungemein. Die Suppe
war kaum fertig, da bekam ich richtig Hunger und mit vielen Unterbrechungen zum
Wehen veratmen aß ich. Vorsorglich stellte ich mir noch einen Eimer hin, falls es
wieder herauskommen sollte (was es aber nicht tat).
In der Stube hatten wir die Geburtsstätte hergerichtet: Die Couch ausgeklappt, davor
eine dünne Matratze, alles mit alten Laken bedeckt. Kaum war die Suppe gegessen,
ging’s so richtig los. Ich hatte kein Gefühl mehr für Zeit. Eine Wehe nach der anderen
kam. Irgendwann war ich bei 8 cm. Eine zweite Hebamme war dazugekommen, weil
sie die Geburt nun bald erwarteten. Allerdings stand noch ein Saum vom Muttermund
und sie konnten die Pfeilnaht zuerst nicht tasten. Sie spritzten mir Buscopan, in der
Hoffnung, es würde den Muttermund weicher machen. Schließlich stellten sie fest,
daß der Kopf gerade stand, sich nicht ins Becken gedreht hatte. Sie ließen mich im
Wechsel jeweils drei Wehen auf der einen und dann auf der anderen Seite liegen,
schüttelten mein Becken und gaben sich optimistisch, daß das Kind sich sehr
wahrscheinlich noch drehen würde. Ich merkte trotzdem, daß sie besorgt waren und
hatte Angst, im Krankenhaus zu enden. Ich konnte mich erinnern, daß ein hoher
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Geradstand im Krankenhaus sehr oft Kaiserschnitt bedeutet und den wollte ich auf
keinen Fall. Die Wehen waren zu der Zeit sehr schmerzhaft, wohl weil Babys Kopf
immer gegen den Muttermundsaum drückte. Ich kämpfte mit dem Schmerz und mein
Mann war mit den Nerven fertig, weil ich dauernd jammerte: „Es tut so weh! Wann
hört das auf?“ Die zweite Hebamme ging wieder und Maria telefonierte mit
Constanze, schilderte ihr den Fall. Constanze kam wenig später und irgendwie
brachte ihr Erscheinen den Wendepunkt. Sie strahlte so viel Optimismus aus, daß
ich wieder sicher war, es schaffen zu können. Ich schaukelte mein Becken und
versuchte, trotz der Schmerzen und der anwesenden Leute tief in mich rein zu hören
und meinen Instinkten nachzugeben. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, aber
ich glaube, gespürt zu haben, als der Kopf dann endlich ins Becken kam. Die Wehen
waren weiterhin echt übel und ich atmete eine Zeitlang in eine Tüte, weil mir die
Hände und das Gesicht vom Hyperventilieren kribbelten. Constanze untersuchte
mich noch mal und drückte dabei den immer noch stehenden, schmerzenden
Muttermundsaum über das Köpfchen weg. Ab da ging es vorwärts. Es tat immer
noch weh, machte mir aber längst nicht mehr so viel aus. Die Preßwehen kamen und
ich gab mich den Urgewalten hin, so froh zu wissen, daß das Baby auf dem richtigen
Weg war. Ich schrie und machte Laute jenseits von dieser Welt. Die Fenster standen
offen, weil mir so warm war, aber mir war es so egal, was die Nachbarn dachten. Am
Schluß war ich im Vierfüßlerstand auf unserer schönen Couch und krallte mich in
einen dauernd zusammenfallenden Kissenstapel vor mir. Es brauchte ein paar
Anläufe, um den Kopf über den Damm zu bringen. Constanze machte Dammschutz
mit Dammassageöl und heißen Kaffee, soweit ich mitbekommen habe. Es brannte,
als der Kopf im Ausgang steckte und ich dachte: Ist der immer noch nicht draußen?
Wie groß ist der denn noch? Ich war ganz ungeduldig, ihn rauszukriegen und
schaffte es schließlich.
Dann ein Ruckeln und Ziehen. Die Schultern, dachte ich. Und dann lag sie unter mir.
Streckte die Arme von sich und guckte mit ihren großen Augen ganz erstaunt in die
Welt. Es war 17.13Uhr.
Ich blutete wohl stärker, so daß die Hebammen sich beeilten, sie abzunabeln (die
Nabelschnur durfte der Papa durchschneiden) und die Plazenta zu holen. Aber ich
fühlte mich gut und wußte, daß alles in Ordnung ist. Es war nur ein Scheidenriß, der
blutet, wie sich dann herausstellte. Ich bekam sie auf den Bauch und war so
erleichtert und froh. Nur mein Zwischenbeinbereich brannte ganz unangenehm und
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ich war zuerst gar nicht begeistert, als Constanze meinte, daß sie nähen wollte. Ich
hatte im Krankenhaus oft gesehen, wie schmerzhaft die Naht für Frauen war, trotz
Betäubung. Am Ende hab ich so gut wie gar nichts gemerkt. Johanna Luise wurde
gewogen, gemessen, angezogen und ich telefonierte mit meiner Mama, um das
freudige Ereignis mitzuteilen.
Dann zogen wir um ins Schlafzimmer. Die anderen räumten ein bißchen auf.
Ich schlief wie ein Stein in dieser Nacht. Mein Mann beruhigte die Kleine, die sich mit
dem Absetzten des Kindspechs plagte. Meine Schwester war ganz gerührt. Es war
die erste Geburt, die sie gesehen hat und ich freue mich, daß sie dabei sein konnte.
Die Nachbarn haben wider Erwarten gar nichts mitbekommen.
Zum Schluß noch einmal herzlichen Dank an Constanze und ihre Kolleginnen, die es
mir möglich gemacht haben, ohne Dammschnitt, Kaiserschnitt und anderen
unschönen Dingen zu gebären. Mehr wollte ich ja eigentlich nicht. ;-)
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