Einfluss von Produktplatzierungen auf das Essverhalten von Kindern

Institut für Publizistik und
Kommunikationswissenschaft
Einfluss von Produktplatzierungen auf das Essverhalten von
Kindern
Ergebnisse einer Schulstudie
(interner Vorab-Bericht)
Naderer, Brigitte;
Universität Wien
Zusammenfassung:
Die Werbewirtschaft zielt mit ihren Produkten ganz bewusst auf Kinder ab, die sich gegen
persuasive Botschaften jedoch nur in einem geringen Maße schützen können. Eine Mehrheit
von programminterner Werbung, sogenannte Produktplatzierungen, beinhaltet ungesunde
Lebensmittel, die einen hohen Fett-, Salz- oder Zuckergehalt aufweisen. Erste Studien weisen
bereits Verhaltenseffekte von Produktplatzierungen nach. Die Ergebnisse der vorliegenden
Studie zeigen, dass Kinder tatsächlich eher zu einem Produkt greifen, wenn sie dieses kurz
zuvor in einem Film gesehen haben, besonders dann, wenn das Produkt im Film von einem
Akteur konsumiert wurde. Das Erkennen der persuasiven Intention bei Kindern sowie die
elterliche Kommunikation mit den Kindern über Produktplatzierungen können diese
Verhaltenseffekte nicht aushebeln.
Danksagung:
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den beiden Direktorinnen für ihr Interesse und ihre
Unterstützung bedanken. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei allen LehrerInnen, die mit
ihrer Bereitschaft das Projekt unterstützt haben, und bei allen Eltern, die sich die Zeit
genommen haben, den Fragebogen auszufüllen. Ein großer Dank geht selbstverständlich auch
an alle Kinder, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.
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1. Produktplatzierungen und Kinder
Kinder stellen für die Werbewirtschaft eine bedeutende Zielgruppe dar. Zum einen da sie die
Konsumentscheidungen ihrer Eltern wesentlich beeinflussen, zum anderen da Kinder als
Konsumenten der Zukunft in ihren Produktpräferenzen noch formbar sind (McNeal, 1992).
Auch als gegenwärtige Konsumenten spielen Kinder eine Rolle. Sie geben ihr Geld in erster
Linie für Dinge wie Süßigkeiten, Snacks, Spielsachen und Kleidung aus. Die Werbewirtschaft
konfrontiert sie daher im Fernsehen besonders stark mit diesen Produkten (Boyland et al.,
2012).
Werden
diese
Produkte
innerhalb
eines
Filmes
gezeigt,
spricht
man
von
Produktplatzierungen. Produkte die am häufigsten in Filmen beworben werden, sind Soft
Drinks. Aber auch Süßigkeiten, gesüßte Frühstücksflocken und Snacks spielen eine
bedeutsame Rolle (Sutherland et al., 2010). Erste Verhaltensstudien zeigen, dass Kinder zu
den Produkten greifen, die zuvor in Kinderfilmen präsentiert wurden (Auty & Lewis, 2004;
Matthes & Naderer, 2015). Angesichts der intensiven Bewerbung ungesunder Produkte in
diesen Filmen ist es daher von gesellschaftlicher Relevanz zu untersuchen, unter welchen
Umständen Produktplatzierungen besonders wirkungsvoll sind, und wie mögliche Effekte
ausgehebelt werden können.
2. Mediennutzung von Kindern
Fernsehen
ist
bei
österreichischen
Kindern
die
beliebteste
medienunterstützte
Freizeitgestaltung, die von einem Großteil täglich ausgeführt wird (Pfarrhofer, 2012).
Immerhin 45% der Kinder im deutschen Sprachraum verfügen über ein eigenes Gerät in
ihrem Zimmer (Feierabend et al., 2013) und rezipieren die angebotenen Inhalte somit auch
häufig ohne elterliche Aufsicht (Pfarrhofer, 2012).
3. Verarbeitung von Werbeinhalten
Kinder beginnen bereits mit dem Vorschulalter (3-6 Jahre), eine gewisse Werbekompetenz
auszubilden. Diese geht jedoch nur so weit, dass sie zwischen Werbung und redaktionellem
Inhalt unterscheiden können. Die Absicht von Werbung erschließt sich gerade jüngeren
Kindern jedoch noch nicht. Bei Schulkindern (7-11 Jahre) entwickelt sich ein stärker
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werdendes Markenbewusstsein und sie sind besser in der Lage die Absicht von persuasiven
Botschaften zu durschauen (Terlutter & Spielvogel, 2010).
Das Bewusstsein, das man gerade mit persuasiven Botschaften konfrontiert wird, ist laut
Studien für Kinder während der Rezeptionssituation jedoch nur schwer abrufbar und daher
wird das Verlangen nach den gezeigten Produkten bei Kindern durch ihr Persuasionswissen
kaum vermindert (Livingstone & Helsper, 2006). Nur durch die begleitende Kommentierung
eines Erwachsenen ist es den jungen Rezipienten möglich, während der Auseinandersetzung
mit Medieninhalten Werbebotschaften kritisch zu verarbeiten (Rozendaal et al., 2011). Aus
diesem Grund wurde in dieser Studie zusätzlich erhoben, wie Eltern mit ihren Kindern über
Produktplatzierungen und über Werbung im Allgemeinen sprechen. Ziel der Studie war es zu
erforschen, ob die eigene Persuasionskompetenz oder aber die Erziehungs- und
Kommunikationsstile der Eltern das tatsächliche Verhalten in Bezug auf die Produktwahl
beeinflussen können.
4. Darstellung der Studie
Im Juni 2015 wurde an den Volksschulen St. Andrä-Wördern, Laaben, Innermanzing und
Altlengbach eine Studie zur Produktwahl und Produktbeurteilung nach der Rezeption eines
Kinderfilmes mit Produktplatzierungen durchgeführt. Im Kern der Studie stand die Frage, ob
die Kinder nach dem Schauen eines Filmes häufiger das in dem Film gezeigte Produkt
wählen.
Abbildung 1: Produkt-Interaktions-Placement
4.1.
Abbildung 2: Hintergrund-Placement
Rahmenbedingungen
Dazu wurden 307 Schüler im Alter von sieben bis elf Jahren in der Studie untersucht. Die
Durchführung erfolgte ausschließlich mit elterlicher Einwilligung sowie mit schriftlicher
Bewilligung des NÖ Landesschulrates. Den Kindern wurde ein selbsterstellter acht-minütiger
Film gezeigt, der die Schatzsuche der Panda-Zwillingsbrüder Peppino und Rondo darstellt. Im
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Film wurde die Marke entweder in Verbindung mit einem der Pandas (Produkt-InteraktionsGruppe) gezeigt oder lediglich im Hintergrund eingebettet (Hintergrund-Placement-Gruppe).
Zusätzlich dazu gab es eine Kontrollgruppe, in der der Film ohne Produktplatzierungen
gezeigt wurde. Die eingeblendete Marke war eine Fritos-Chipstüte. In der ProduktInteraktions-Gruppe wurden die Pandas dabei gezeigt, wie sie die Chips konsumieren
(Abbildung 1). In der Hintergrund-Placement-Gruppe wurden die Chips in einem Rucksack
gezeigt, den die beiden Pandas auf ihrer Reise mitgenommen haben (Abbildung 2).
4.2.
Durchführung
Die Kinder wurden zufällig auf die Gruppen verteilt. Ihnen wurde in Kleingruppen (max. 10
Kinder) der Film vorgeführt. Anschließend wurde in der Gruppe ein Ballspiel gespielt,
während die Kinder nacheinander einzeln von einer Projekt-Mitarbeiterin befragt wurden. Zu
Beginn des Interviews hatten die Kinder die Möglichkeit, zwischen drei vergleichbaren
Chipstüten (darunter die Fritos aus dem Film) zu wählen. Sie wurden gebeten, den anderen
Kindern nichts von den Snacks zu erzählen und wurden dann noch zu ihrer Meinung zum
Film und zu ihrem Erkennen der persuasiven Absichten befragt. Danach wurden sie zur
Gruppe zurückgebracht und das nächste Kind wurde interviewt. So konnte das
Persuasionswissen und das tatsächliche Verhalten der Kinder in Bezug auf die Marke
gemessen werden. Die Darbietung der Snacks und der Aufbau der Studienräume waren nach
genauen Regeln festgelegt.
Zusätzlich zu der Befragung mit den Kindern wurden Elternfragebögen ausgeteilt. 148 davon
konnten in die Analyse einbezogen werden. In diesem Fragebogen wurde erhoben, wie Eltern
den
Werbekonsum
Produktplatzierungen
ihrer
Kinder
sprechen
und
regulieren,
was
ob
ihre
sie
mit
Meinung
ihren
zu
der
Kindern
über
Werbepraxis
Produktplatzierungen ist.
4.3.
Ergebnisse
Die dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Ergebnisse ohne die Kontrollgruppe
(n=266), da in dieser Gruppe keine Fragen zum Persuasionswissen gestellt wurden. Die
Ergebnisse zeigen, dass Kinder, die mit einem Produkt-Interaktions-Placement konfrontiert
wurden, häufiger zu dem gezeigten Produkt griffen, als jene die lediglich ein HintergrundPlacement zu sehen bekamen (Abbildung 3). Die Darstellung von Produktplatzierungen führte
bei Kindern zu einem erhöhten Erkennen der persuasiven Absichten. Dieser Effekt wurde
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besonders bei älteren Kindern festgestellt. Jedoch konnte dieses Erkennen der persuasiven
Intention nicht verhindern, dass die Kinder das gezeigte Produkt wählten.
Abbildung 3: Wahl der platzierten Chips nach Gruppen, Angaben in Prozent
Auch die elterliche Werbe-Mediation und die Kommunikation mit dem Kind über
Produktplatzierung konnte das Wahlverhalten der Kinder nicht beeinflussen (n=148). Damit
deuten die vorliegenden Studienergebnisse darauf hin, dass es Kindern in einer
Rezeptionssituation ohne elterliche Aufsicht nicht möglich ist, sich vollständig vor
Werbeeffekten zu schützen.
5. Resümee
Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass Kinder in ihrer Produktwahl von
Produktplatzierungen beeinflusst werden können, insbesondere dann wenn es sich um
Produkte handelt, die von den gezeigten Akteuren konsumiert wurden. Dieses Ergebnis ist im
Hinblick auf das aktuelle Medienumfeld der Kinder als durchaus problematisch zu betrachten.
Die starke Konzentration auf die Bewerbung von ungesunden Lebensmitteln mit
wirkungsvollen Persuasionstaktiken und die Anfälligkeit der jungen Rezipienten für diese
Persuasionsbotschaften macht es notwendig, Kinder stärker vor Produktplatzierungen zu
schützen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es Kindern, wenn sie alleine fernsehen und
somit nicht von ihren Eltern durch Kommentare begleitet werden, nicht möglich ist, sich
gegen Werbeeffekte zu schützen.
Es ist daher ratsam, dass Eltern gemeinsam mit ihren Kindern Medieninhalte rezipieren.
Zudem sollten künftige Studien erforschen, welche Maßnahmen es Kindern ermöglichen, in
einer
unbeaufsichtigten
Situation
bei
Werbeeffekten
von
Produktplatzierungen
gegenzulenken.
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6. Quellen
Auty, S., Lewis, C. (2004). Exploring children’s choice: The reminder effect of product placement. Psychology
& Marketing, 21 (9), 699-716.
Boyland, E. J., Harrold, J. A., Kirkham T. C., & Halford J. C. G. (2012). Persuasive techniques used in television
advertisements to market foods to UK children. Appetite, 58(2), 658-664.
Feierabend, S., Karg, U., & Rathgeb, T. (2013). Kinder und Medien: Ergebnisse der KIM Studie 2012, Media
Perspektiven, 2013(3), 143-154.
Livingstone, S. & Helsper, E. J. (2006). Does advertising literacy mediate the effects of advertising on children?
A critical examination of two linked research literatures in relation to obesity and food choice. Journal of
Communication, 56(3), 560-584.
Matthes, J., & Naderer, B. (2015). Children's consumption behavior in response to food product placements in
movies. Journal of Consumer Behaviour, 14(2), 127-136.
McNeal, J. U. (1992). Kids as customers: A handbook of marketing to children. Reference, information and
interdisciplinary subjects Series. Lexington.Mass: Lexington Books.
Pfarrhofer, D. (2012). Oberösterreichische Kinder-Medien-Studie 2012. http://www.edugroup.at/educationgroup/detail/medien-studien-der-education-group.html Zugegriffen: 22. Oktober 2013.
Rozendaal, E., Lapierre, M. A., van Reijmersdal, E. A., & Buijzen, M. (2011). Reconsidering advertising literacy
as a defense. Media Psychology, 14(4), 333-354.
Sutherland, L. A., MacKenzie, T., Purvis, L. A., & Dalton, M. (2011). Prevalence of food and beverage brands
in movies: 1996–2005. Pediatrics 125(3), 468 -474.
Terlutter, R. & Spielvogel, J. (2010). Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Werbekompetenz bei Kindern.
Der Markt – International Journal of marketing, 49(1), 17-41.
Kontakt:
Mag. Brigitte Naderer MA, [email protected]
Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
Währingerstraße 29, A-1090 Wien; T +43-1-4277-493 09
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