zur Person - Universität des Saarlandes

Interview zur Person:
„Wie eine Reise im Kopf“
Manfred Leber ist Literaturwissenschaftler, war aber auch lange Zeit
Pressesprecher der UdS. Die Koordination des Zertifikates „Wissen
und Kommunikation", das er im Auftrag der Philosphischen Fakultät
II entwickelte, fällt ebenfalls in seine Zuständigkeit. Im Interview
mit Studenten der Uni (Sarah Schött, Sophia Scherzer, Leila Alam)
reflektiert er seinem Lebensweg und seine Leidenschaft für Literatur.
Herr Leber, warum haben Sie sich für ein Studium der Anglistik
und Germanistik entschieden?
Literatur hat mich schon immer gefesselt und inspiriert. In der Schule war Deutsch mein
Lieblingsfach, Interpretation hat mir Spaß gemacht. Es hat mich beeindruckt, was man alles
aus einem Text rausholen kann, wenn man ihn genau liest. Vor allem bei den Klassikern kann
man diese Erfahrung immer wieder neu machen.
Wie ging es dann nach ihrem Studium weiter?
1981 und 1982 hatte ich in meinen beiden Studienfächern dass Staatsexamen gemacht. Doch
mehr als ins Referendariat zu gehen, reizte es mich, eine Dissertation über Max Frischs Homo
faber zu schreiben. Dafür bekam ich dann auch ein Promotionsstipendium der
Studienstiftung des Deutschen Volkes. Als es ausgelaufen, die Dissertation aber noch nicht
fertig war, ging ich auf Vermittlung meines Doktorvaters Professor Gerhard Kaiser in die
Schweiz, wo ich eine Doktorandenstelle antreten konnte: im Nietzsche-Haus in Sils-Maria,
das sowohl als kleines Museum als auch als internationale Begegnungsstätte für Künstler,
Wissenschaftler und Journalisten zu managen war. Meine spätere Frau Monika und ich
machten das dann zusammen und zu zweit hatten wir dort im schönsten Engadin, wo
Nietzsche seine Hauptwerke schrieb – „6000 Fuß über dem Meere und viel höher über allen
menschlichen Dingen“, wie der Philosoph durchaus nachvollziehbar notierte – eine wirklich
großartige Zeit. Wie es allerdings nach meiner Promotion weiter gehen sollte, war zunächst
die große Frage. Zwar hatte ich auch das Staatsexamen fürs Lehramt, aber es war damals
nahezu aussichtslos, als Lehrer eine Festanstellung zu bekommen. So begann ich mich neu zu
orientieren.
Und wie sah diese Neuorientierung bei Ihnen aus?
Im Nietzsche-Haus lernten wir eine dpa-Journalistin kennen, die mich auf eine Anzeige der
überregionalen Presse aufmerksam machte, die mir interessant erschien: Das Institut der
Deutschen Wirtschaft in Köln bot Fortbildungskurse im Bereich Öffentlichkeitsarbeit an, was
vom Arbeitsamt (wie es damals noch hieß) gefördert wurde. Dort bewarb ich mich und wurde
für eine 15-monatige Fortbildung zum „Journalisten in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“
angenommen. Gegen Ende dieser Zusatzqualifikation sah ich, dass die Universität des
Saarlandes einen Pressesprecher suchte, und bewarb mich dort.
Die Arbeit war also der Grund, weshalb Sie ins Saarland gekommen sind. Gefällt es
Ihnen denn hier?
Ja, ich fand mich an unserer Uni und auch über ihren engeren Umkreis hinaus von Anfang an
gut aufgenommen. Hinzukommt, dass unsere Kinder hier aufgewachsen sind und von den hier
vielleicht mehr als anderswo vorhandenen Chancen auf einen internationalen Bildungsweg
profitieren konnten: zunächst das deutsch-französische Gymnasium, dann die spannenden
internationalen Studienprogramme an der Saar-Uni. Zu allem haben wir hier gute Freunde
gewonnen. Wir fahren aber auch immer wieder gerne in unsere alte Heimat: also nach
Freiburg und in den Schwarzwald, die von hier ja auch nicht allzu weit entfernt sind.
Reisen Sie denn im Allgemeinen gerne?
Ja, gleich nach Abitur und Wehrdienst haben mein Freund aus der Schulzeit und ich erst
einmal den Rucksack gepackt und sind acht Monate durch Südamerika gezogen. Aber auch
während des Studiums zog es mich in die Ferne. Ich hatte ein Stipendium für einen Aufenthalt
in den USA bekommen und dort, an der University of Massachusetts at Amherst, hat es mir
dann so gut gefallen, dass ich noch ein zweites Jahr als „teaching assistant“ dranhängte und
mit einem amerikanischen „Master of Arts“ abschloss.
Inwiefern hat Sie denn Ihre Zeit im Ausland geprägt?
In der sprichwörtlichen Neuen Welt konnte ich für mich persönlich immer noch eine neue
Welt entdecken. Ich fand die Menschen offener und insbesondere in Südamerika auch
spontaner und temperamentvoller als in unseren Breiten. Zunächst war es eine Welt zum
Verlieben, was dann allerdings auch etwas blind machte für Kehrseiten wie verbreitete Armut
und fragwürdige politische Verhältnisse. Letztlich geht es darum, vom Positiven zu lernen
und die Kehrseiten nicht zu übersehen – was freilich auch für zu Hause gilt.
Steht für Sie die Leidenschaft zum Reisen in Verbindung mit der Leidenschaft zur
Literatur?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Man kann das aber in der Tat so sehen. Denn beim
Lesen von Literatur wie beim Reisen sucht man neue Welten, will man Neues entdecken.
Hinzu kommt, dass ich mich gerne emotional mitnehmen lasse. Das bedeutet, dass ich mich in
literarische Welten hineinversetzen kann, dass ich Fiktionales, bevor ich es interpretiere,
wirklich erlebe —gewissermaßen als Reise im Kopf.
Dann noch eine Frage zum Schluss: Sie haben in Ihrem Leben und in Ihrem Studium
viel erlebt. Glauben Sie, dass bei dem heutigen Bachelor-Master System an den
Universitäten dafür noch Zeit bleibt?
Was die verpflichtenden Studienleistungen betrifft, hatte man vor dem Bachelor-MasterSystem in der Tat erheblich mehr Zeit als heute. Vielleicht brauchten wir das damals aber
auch. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der es schwerer war, sich zu orientieren. Manche
Vorlesung von Lehrenden der älteren Generation kam in der Tat etwas angestaubt rüber. Aber
auch die marxistische Literaturbetrachtung, wie sie viele jüngere Professoren damals
propagierten, konnte mich allenfalls in Teilaspekten überzeugen. Dann kamen noch die
Wellen verschiedener Ausrichtungen psychoanalytischer Literaturbetrachtung hinzu und auf
einmal war als letzter Schrei Poststrukturalismus und Diskursanalyse in aller Munde.
Zwischen all dem musste man seinen Weg finden. In dieser Hinsicht war es damals, glaube
ich, schwieriger als heute, da die Zeit großer methodischer Auseinandersetzungen und
Glaubenskämpfe vorbei zu sein scheint. Andererseits glaube ich aber auch, dass ich von den
damaligen Bemühungen um einen eigenen Kurs heute noch profitiere.