Kommunikation Kanton Bern Staatskanzlei Anlass Medienkonferenz der Polizei- und Militärdirektion Thema Weiteres Vorgehen Jugendheim Prêles Datum Donnerstag, 4. Februar 2016 Referent Regierungspräsident Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor Sehr geehrte Damen und Herren Ich begrüsse Sie zur Medienkonferenz zum weiteren Vorgehen im Jugendheim Prêles. Wir werden Ihnen heute die Ergebnisse der Betriebs- und Umfeldanalyse, die Schlussfolgerungen des Kantons und das weitere Vorgehen darlegen. Zum Ablauf: Nach meiner Einleitung wird Ihnen Herr Peter Seiler seitens der externen Experten die zusammengefassten Ergebnisse der Analyse vorstellen. Anschliessend werde ich auf die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen des Kantons und die weiter geplanten Schritte eingehen. Sie haben dann im Plenum die Gelegenheit, Fragen an die Anwesenden zu richten. Schliesslich steht Zeit für Interviews zur Verfügung. Das Jugendheim Prêles Unser Jugendheim Prêles ist ein Erziehungsheim für verhaltensauffällige, normalbegabte junge Männer im Alter bis zu 22 Jahren. Im Heim werden vorwiegend jugendstrafrechtliche Erziehungsmassnahmen vollzogen. Ziel ist es, die jungen Männer zu (re-)sozialisieren. Die zweisprachig deutsch und französisch geführte Institution ist seit 1990 vom Bund als Justizheim anerkannt. Das Jugendheim verfügt über 70 Plätze für junge Männer, wovon derzeit rund 25 besetzt sind, und beschäftigt Mitarbeitende in 80 Vollzeitstellen. Das Heim bietet heute umfangreiche Ausbildungs-möglichkeiten in zahlreichen handwerklichen Bereichen. Auslöser der Betriebs- und Umfeldanalyse Das Jugendheim Prêles ist seit einiger Zeit nicht mehr ausgelastet. Das bestehende Angebot wird zu wenig nachgefragt. Die Belegung war auch in den letzten Monaten tendenziell weiter sinkend. Das Bundesamt für Statistik veröffentliche am 25. Januar 2016 dazu die neuesten Zahlen. Bei Jugendurteilen mit stationärer Massnahme kam es von 2010 bis 2014 zu einem Rückgang von 71 Prozent. Das liegt hauptsächlich daran, dass immer weniger Jugendliche zu einer stationären Massnahme verurteilt werden. Verhältnismässig werden sehr viel häufiger als früher ambulante Massnahmen ausgesprochen. Kamen 2010 auf ein Urteil mit Diese Mediendokumentation ist auch online: www.be.ch/medienmitteilungen Medienkonferenz der Polizei- und Militärdirektion vom Donnerstag, 4. Februar 2016 stationärer Massnahme 2,5 Urteile mit einer ambulanten Massnahme, waren es 2014 noch 5,7. Von diesem deutlichen Rückgang der Nachfrage war und ist das Jugendheim Prêles sehr stark betroffen. Auf nationaler Ebene gilt das auch für die meisten anderen Jugendheime der Jugendheimleiterkonferenz. Dieser jetzt wiederum statistisch belegte Trend machte eine ausreichende Belegung im Jugendheim Prêles in den letzten Jahren sehr schwierig. Die Personalrekrutierung für die Arbeit mit schwer dissozialen Jugendlichen im stationären und v.a. geschlossenen Bereich bereitete den Verantwortlichen zudem aufgrund der geografischen Lage des Jugendheims und des ausgetrockneten Personalmarkts in diesem Bereich auch immer grössere Mühe. Ende 2014 mussten wir schliesslich erkennen, dass sich sowohl die Nachfragesituation als auch die Personalrekrutierung in absehbarer Zeit nicht verbessern lassen. Ich habe deshalb das zuständige Amt für Freiheitsentzug und Betreuung mit einer umfassenden Betriebs- und Umfeldanalyse für das Jugendheim Prêles beauftragt. Die Zielsetzung dieser Betriebs- und Umfeldanalyse wurde damals wie folgt festgelegt: Aufgrund der Ergebnisse der Betriebs- und Umfeldanalyse soll sich die Institution am heutigen Standort auf dem Markt so positionieren, dass das Heimkonzept der heutigen Nachfragesituation auf dem Einweisermarkt entspricht, die Belegungsprobleme beseitigt sind, die Budget- und Finanzplanung wieder in die schwarzen Zahlen geführt wird und die Grundlage gegeben ist, dass die Institution mittelfristig Stabilität in Funktion und Ausrichtung erlangen kann. Die neue Strategie soll dabei auch in Einklang mit der Personal- und Gebäudestruktur gebracht werden. Erste Zwischenergebnisse der Experten zur Betriebsanalyse Ende Juni 2015 zeigten auf, dass um-gehende Sofortmassnahmen in der Führung des Heimes einzuleiten sind und eine Zwischenphase in der Beurteilung des weiteren Vorgehens nötig wird. Im Auftrag des Projektausschusses hat die Amtsleitung umgehend die entsprechenden personellen und organisatorischen Massnahmen ergriffen und unter anderem eine Übergangsgeschäftsleitung eingesetzt. Eine Planungsgruppe startete anschliessend unmittelbar nach den Sommerferien mit der Prüfung erfolgversprechender Restrukturierungsszenarien, welche neu auch - als Ultima Ratio - eine mögliche Totalschliessung des Heims beinhalteten. Die Überprüfung dieser Szenarien wurde ebenfalls extern begleitet und Ende 2015 abgeschlossen. Der externe Experte wird Ihnen jetzt die Ergebnisse dieser Analyse kurz vorstellen: Ergebnisse der Analyse (Referat Peter Seiler, RPC) Beurteilung der Ergebnisse der Analyse Wie Sie sehen, haben die Ergebnisse der Betriebs- und Umfeldanalyse und die Prüfung verschiedener Szenarien gezeigt, dass die Weiterführung des Jugendheim Prêles im Sinne der ursprünglichen Zielsetzungen nur sehr schwierig umsetzbar und zudem mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden ist. Die bestehende Infrastruktur ist überdimensioniert und kann durch ein Jugendheim in Zukunft nicht in genügendem Masse genutzt und amortisiert werden. Die Nachfrage nach bisherigen oder ähnlichen Angeboten ist instabil und praktisch nur noch von Seiten der Kantone des «Concordat Latin» existent. Der aktuelle Standort erschwert zunehmend die Rekrutierung von geeignetem Personal. Ein vollumfänglich 2/5 Medienkonferenz der Polizei- und Militärdirektion vom Donnerstag, 4. Februar 2016 zweisprachig geführtes Angebot ist aufgrund der unterschiedlichen konzeptionellen Auffassungen der West- und der Deutschschweiz in der nötigen Qualität fast nicht mehr realisierbar. Die Reputation des Heims ist aufgrund der schlechten Auslastung tendenziell beschädigt. Aufgrund der Umfrage bei den Einweisern ist nicht zu erwarten, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren rasch und nachhaltig ansteigen wird. Die jüngsten Daten des Bundesamtes für Statistik bestätigen diesen Trend in aller Deutlichkeit. Der wirtschaftliche Betrieb ist somit nicht gegeben und die laufenden jährlichen Defizite des Heims sind nicht länger verantwortbar. Schliessungsentscheid Die Ergebnisse der Analyse sind also zu unser aller Überraschung sehr deutlich negativ gegen eine Weiterführung mit neuem Konzept ausgefallen. Das ursprünglich von mir und meiner Direktion favorisierte Szenario der Neugestaltung und Reduzierung des Angebots erschien aufgrund der Ergebnisse der Analyse als ausserordentlich schwierig umsetzbar und wenig nachhaltig. Bei einer Weiterführung bestünde mit grosser Wahrscheinlichkeit das Risiko, dass sich die Entwicklung der jüngsten Vergangenheit fortsetzt und weitere für eine Weiterführung notwendige Investitionen, Fehlinvestitionen wären. Gemeinsam mit den externen Experten kamen wir deshalb zum Schluss, dass die Risiken einer Weiterführung die damit verbundenen Chancen bei weitem übertreffen. Der Regierungsrat teilt diese Auffassung. Gleichzeitig sind umgehend geeignete Nachnutzungen für die bestehenden Infrastrukturen zu prüfen. Konsequenzen der Schliessung und weiteres Vorgehen Die geplante geordnete Schliessung des Jugendheims führt zu einem Personalabbau, den wir möglichst sozialverträglich ausgestalten wollen. Mit den bisherigen Einweisern werden wir zudem frühzeitig organisatorische Absprachen über die Unterbringung der Jugendlichen führen. Gleichzeitig sind die bestehenden Infrastrukturen einer neuen betriebswirtschaftlich sinnvollen Nutzung zuzuführen. Zum Personalabbau: Von der Schliessung des Heims sind rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Es handelt sich um Mitarbeitende in den Bereichen Erziehung/Sozialpädagogik, Leitung/Administration, Arbeit/Ausbildung/Landwirtschaft/Garten, Sicherheit sowie Infrastruktur. Mit der Schliessung des Betriebs entfallen diese Stellen, und den Betroffenen sind zumutbare Alternativen im Kanton anzubieten. Wir werden deshalb gemeinsam mit den Personalfachleuten des Kantons sozialverträgliche Lösungen suchen und diesen Mitarbeitenden nach Möglichkeit rasch geeignete andere Stellen in der Direktion und in der übrigen Kantonsverwaltung anbieten. Wir haben heute Morgen die betroffenen Mitarbeitenden im Rahmen einer ausführlichen Personalinformation und im Beisein des Personal-verbands BSPV über das weitere Vorgehen und die angebotene Unterstützung in Kenntnis gesetzt. Das loyale und engagiert tätige Personal des Jugendheims trägt selbstverständlich keine Verantwortung für den landesweiten Nachfragerückgang. Es ist mir deshalb sehr wichtig, dass wir für die betroffenen Mitarbeitenden gute Nachfolgelösungen finden. 3/5 Medienkonferenz der Polizei- und Militärdirektion vom Donnerstag, 4. Februar 2016 Zur Umnutzung der bestehenden Infrastrukturen: Für die nachhaltige und langfristige zukünftige Nutzung des Areals nach der Schliessung des Heims stehen für uns drei Elemente im Vordergrund, welche im Rahmen eines bereits im Januar ausgelösten Projekts jetzt noch vertiefter geprüft werden müssen. 1. Administrativhaftplätze in Châtillon Die heutige Praxis, die Administrativhaft in Untersuchungs- oder Regionalgefängnissen zu vollziehen, ist in weiten Teilen nicht rechtskonform, denn die Haftbedingungen entsprechen nicht der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts und missachten die Trennungsvorschriften bezüglich der verschiedenen Haftkategorien. Dies führt zu konstanter Kritik durch die nationale Folterkommission (NKVF). Heute werden in den kantonalen Gefängnissen des Strafvollzugskonkordats der Nordwestund Innerschweiz rund 200 Haftplätze für die Ausschaffungshaft genutzt. Der Kanton Bern belegt im Durchschnitt rund 90 Gefängnisplätze durch die Ausschaffungshaft. Mit der Bildung eines spezialisierten Ausschaffungsgefängnisses im Kanton Bern könnte die Administrativhaft aus den bestehenden kantonalen Gefängnissen ausgegliedert werden. Dies wird dazu führen, dass die in der Untersuchungshaft seit Jahren angespannte Platzsituation beruhigt werden könnte, d.h. es können den Strafverfolgungsbehörden vermehrt Plätze für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft zur Verfügung gestellt werden. Im Strafvollzugskonkordat der Nordwest- und Innerschweiz besteht Einigkeit, dass in einer ersten Phase eine Anstalt mit rund 125 bis 150 Plätzen zu betreiben sei. Des Weiteren würden die Konkordatskantone sich bereit erklären, diese Institution auch zu nutzen. Anzumerken ist zudem, dass der Bund Ausschaffungsanstalten ab 100 Plätzen bis zu 100% subventioniert. Das bedeutet, dass der Betreiberkanton die getätigten Investitionen vollumfänglich zurückerhalten wird. Der Bund vergütet zudem für den Vollzug der Ausschaffungshaft für abgewiesene Asylbewerber eine sog. Tagespauschale von CHF 150.pro Tag. Gemäss dem Sekretär des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz, Dr. iur. Benjamin Brägger, entsprechen die Vollzugsstandards des Jugendheims Prêles grundsätzlich den Anforderungen des Schweizerischen Bundesgerichts in Bezug auf die Administrativhaft. Der zentrale Haftperimeter müsste allerdings zusätzlich mit einem detektierten Sicherheitszaun gegen Entweichungen geschützt werden. Diese Kosten werden mit grosser Wahrscheinlichkeit vom Bund übernommen. Da das Bundesamt für Justiz den Neu- und Umbau des Jugendheims Prêles mit rund CHF 10 Millionen subventioniert hat, würde der Kanton Bern für diesen Betrag pro rata rückzahlungspflichtig. Eine Beibehaltung der Infrastruktur des Jugendheims zugunsten des Straf- und Massnahmenvollzugs – auch wenn nur in Teilen – würde diese Rückzahlungspflicht vermindern. Die bestehenden Strukturen im Heimteil Châtillon eignen sich aus diesen Gründen nach Auffassung der Polizei- und Militärdirektion sehr gut für die dauernde Nutzung für Administrativhaftplätze. Diese Nachnutzung hat zudem den Vorteil, dass zahlreiche bisherige Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben und natürlich auch den bisherigen Mitarbeitenden des Jugendheims angeboten werden können. 4/5 Medienkonferenz der Polizei- und Militärdirektion vom Donnerstag, 4. Februar 2016 2. Kollektivunterkunft für Asylsuchende in La Praye Die bestehenden Wohninfrastrukturen im Heimteil La Praye eignen sich demgegenüber gut für die dauernde Nutzung als Kollektivunterkunft für Asylsuchende. Die heute ungenutzten Räume könnte der Kanton für eine dringend notwendige strategische Raumreserve für die Asylunterbringung nutzen. Das umfangreiche und grosse Areal des Jugendheims bietet dazu vielfältige Möglichkeiten. Mit der relativ grossen Distanz zur nächstgelegenen Wohnsiedlung stört die Unterbringung die Umgebung zudem nur gering. Es bestehen darüber hinaus Synergien zum geplanten Ausschaffungsgefängnis in Châtillon. Die bestehenden Mitarbeitenden des Jugendheims könnten bei Interesse auch hier für die Betreuung der Asylsuchenden eingesetzt werden. Mit der Nutzung der Infrastrukturen des Jugendheims für den Asylbereich würde zudem der als Postulat angenommenen Motion Mühlheim (M 152/2015) nachgelebt. 3. Auslagerung der Landwirtschaft und der besonderen Infrastrukturen, wie Garage und Gärtnerei an Private Der bestehende Landwirtschaftsbetrieb ist nur für die heutige Ausbildungs- und Beschäftigungskonzeption des Jugendheims Prêles von Bedeutung. Mit der geplanten Nachnutzung der Infrastrukturen für Administrativhaftplätze und die Unterbringung von Asylsuchenden erscheint die Verpachtung und Auslagerung der Landwirtschaft als notwendige und sinnvolle Nachnutzungsoption. Auch die heute bestehenden besonderen Infrastrukturen für die Ausbildung der Jugendlichen, wie Garage und Gärtnerei, können nach der Schliessung des Heims voraussichtlich nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Infrastrukturen streben wir deshalb auch eine möglichst kostendeckende private Nutzung an. Zu den organisatorischen und finanziellen Konsequenzen: Die Schliessung des Heimbetriebs erfolgt geordnet bis Ende 2016. Für die aktuell im Heim platzierten Jugendlichen werden wir in dieser Zeit gemeinsam mit den Einweisern Alternativlösungen suchen. Die Kosten für den sozialverträglichen Abbau des Personals werden durch die nicht mehr notwendigen Investitionen in die Infrastruktur bei einer Weiterführung des Heims und durch das nicht mehr bestehende jährliche Defizit des laufenden Betriebs aufgewogen. Zum weiteren Vorgehen: Die notwendigen Arbeiten für die geordnete Schliessung des Heims und die gleichzeitige vertiefte Prüfung der Nachnutzung werden im Rahmen eines im Januar gestarteten Projekts in Angriff genommen. Wir gehen heute davon aus, dass die Schliessung Ende Jahr abgeschlossen sein wird und die Nachnutzungen vertraglich festgelegt sein werden. 5/5
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