RStV § 20 Stand: 01.08.2013 Edition: 2 Autor: Martini § 20 RStV

RStV § 20 Stand: 01.08.2013 Edition: 2 Autor: Martini
§ 20 RStV Zulassung
(1) 1Private Veranstalter bedürfen zur Veranstaltung von Rundfunk einer Zulassung.
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Unbeschadet der Bestimmungen der §§ 21 bis 39a richtet sich die Zulassung eines
Veranstalters von bundesweit verbreitetem Rundfunk nach § 20a; im Übrigen richtet
sich die Zulassung nach Landesrecht. 3In der Zulassung für Veranstalter bundesweit
verbreiteter Programme ist die Programmkategorie (Voll- oder Spartenprogramm)
festzulegen.
(2) 1Wenn und soweit ein elektronischer Informations- und Kommunikationsdienst dem
Rundfunk zuzuordnen ist, bedarf der Anbieter eines solchen Dienstes einer Zulassung.
2
Stellt die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass diese Voraussetzung vorliegt, muss
der Anbieter, nachdem die Feststellung ihm bekannt gegeben ist, nach seiner Wahl
unverzüglich einen Zulassungsantrag stellen oder innerhalb von drei Monaten den
elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst so anbieten, dass der Dienst
nicht dem Rundfunk zuzuordnen ist. 3Anbieter von elektronischen Informations- und
Kommunikationsdiensten sind berechtigt, bei der zuständigen Landesmedienanstalt
einen Antrag auf rundfunkrechtliche Unbedenklichkeit zu stellen.
(3) 1Das Landesrecht kann ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vorsehen, wenn
Sendungen
1. im örtlichen Bereich einer öffentlichen Veranstaltung und im zeitlichen
Zusammenhang damit veranstaltet und verbreitet werden oder
2. für Einrichtungen angeboten werden, wenn diese für gleiche Zwecke genutzt und die
Sendungen nur dort empfangen werden können und im funktionellen Zusammenhang
mit den in diesen Einrichtungen zu erfüllenden Aufgaben stehen.
2
Unberührt bleiben landesrechtliche Bestimmungen, nach denen Sendungen für eine
beschränkte Anzahl von Wohneinheiten oder Sendungen in Einrichtungen, die sich auf
ein Gebäude oder einen zusammengehörenden Gebäudekomplex beschränken, keiner
Zulassung bedürfen.
(4) 1Die Zulassung eines Fernsehveranstalters kann versagt oder widerrufen werden,
wenn
1. sich das Programm des Veranstalters ganz oder in wesentlichen Teilen an die
Bevölkerung eines anderen Staates richtet, der das Europäische Übereinkommen über
das grenzüberschreitende Fernsehen ratifiziert hat und
2. der Veranstalter sich zu dem Zweck in der Bundesrepublik Deutschland
niedergelassen hat, die Bestimmungen des anderen Staates zu umgehen und
3. die Bestimmungen des anderen Staates, die der Veranstalter zu umgehen bezweckt,
Gegenstand des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende
Fernsehen sind.
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Statt der Versagung oder des Widerrufs der Zulassung kann diese auch mit
Nebenbestimmungen versehen werden, soweit dies ausreicht, die Umgehung nach Satz 1
auszuschließen.
Um das von privatem Rundfunk ausgehende rundfunkspezifische Gefährdungspotenzial
präventiv kontrollieren zu können, stellt § 20 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 RStV die Tätigkeit
privater Rundfunkveranstalter unter Erlaubnisvorbehalt. Die Zulassungspflicht erstreckt sich
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auch auf Teleshoppingkanäle (§ 39 S. 2 RStV). Nur für Hörfunk im Internet lässt § 20b S. 1
RStV eine Ausnahme zu. Für das Zulassungsverfahren legt § 20 RStV allgemeine
Grundsätze fest, von denen die Länder nicht einseitig abweichen dürfen. Sie dürfen diese nur
ergänzen (§ 39 S. 3 iVm § 1 Abs. 2 RStV). Bei bundesweit verbreiteten Programmen richten
sich die inhaltlichen Zulassungsvoraussetzungen nach den §§ 20a, 21–39a RStV, im Übrigen
nach den Landesmedien- bzw. Landesrundfunkgesetzen (Abs. 1 S. 2; → Rn. 4 ff.). Die
Zulassung hängt von persönlichen und sachlichen Voraussetzungen ab, über deren Vorliegen
die jeweilige Landesmedienanstalt entscheidet. Eine Auswahlentscheidung zwischen
verschiedenen Veranstaltern findet nur bei beschränkten Übertragungskapazitäten statt. Der
Inhalt der Zulassung bezieht sich jeweils auf ein bestimmtes Programm und bei bundesweit
verbreiteten Programmen auf eine Programmkategorie sowie ggf. einen bestimmten
Übertragungsweg, nicht jedoch auf bestimmte Kapazitäten. Für elektronische Informationsund Kommunikationsdienste, die dem Rundfunk zuzuordnen sind, etabliert Abs. 2 ein
spezielles Zulassungserfordernis und Zuordnungsverfahren, um das rundfunkrechtliche
Kontrollbedürfnis für derartige hybride Formen neuer Medien befriedigen zu können (→ Rn.
14 ff.). Das Zulassungsverfahren des § 20 RStV umfasst grds. eine vollständige Prüfung aller
Zulässigkeitsvoraussetzungen. Für Veranstaltungsrundfunk (Nr. 1) und Einrichtungsrundfunk
(Nr. 2) können die Länder aber ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vorsehen (Abs. 3 S.
1; → Rn. 19 ff.). So genannten Bagatellrundfunk können sie von der Zulassung gänzlich
befreien (Abs. 3 S. 2; → Rn. 26 ff.). Abs. 4 gibt den Landesmedienanstalten die Instrumente
an die Hand, durch Versagung der Zulassung, Widerruf oder Beifügung von
Nebenbestimmungen zu verhindern, dass ausländische Fernsehanbieter die
rundfunkrechtlichen Bestimmungen ihres Heimatlandes umgehen, indem sie ihr Angebot in
Deutschland verbreiten (→ Rn. 29 ff.). Die Regelung setzt die Europaratskonvention über das
grenzüberschreitende Fernsehen in Deutschland um.
A. Allgemeines
1 Die Tätigkeit privater Rundfunkveranstalter steht – anders als etwa grds. Telemedien (§ 4
TMG) – unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Kontrollerlaubnis
soll das Gefährdungspotenzial begrenzen, das mit einer Verbreitung von Rundfunk für die
unbeeinflusste öffentliche Meinungsbildung in einer lebendigen Demokratie einhergehen
kann. Die Vorabkontrolle soll dazu beitragen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen im
Rundfunk in größtmöglicher und unverzerrter Breite sowie Vollständigkeit zum Ausdruck zu
bringen (BVerfGE 114, 371 (387)). Um die beabsichtigte Vorabkontrolle wirksam
durchsetzen zu können, belegt der RStV den Betrieb von Rundfunk ohne Zulassung mit
einem Bußgeld (§ 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 17 RStV).
2 Der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung privaten Rundfunks ist mit der
grundgesetzlich zugesicherten Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. Das
BVerfG (E 57, 295 (326)) hält sogar „bei jeder Form der gesetzlichen Ordnung des
Rundfunks eine vorherige Überprüfung“ (für) „unverzichtbar, ob bei der Aufnahme privater
Rundfunkveranstaltungen oder einem Hinzutreten weiterer Veranstalter den dargelegten
Anforderungen Genüge getan ist“. Sofern sich der Gesetzgeber für eine Rundfunkorganisation
entscheidet, die privaten Rundfunk umfasst, ist dieser dann einem präventiven
rechtsstaatlichen Überprüfungsverfahren zu unterwerfen. Das Verfahren muss sich aber in
seinem Prüfungsrahmen auf die Überprüfung solcher Voraussetzungen beschränken, die
unmittelbar oder mittelbar, etwa in Gestalt allgemeiner Voraussetzungen, wie etwa
Geschäftsfähigkeit oder Zuverlässigkeit des Antragstellers, „nur der Gewährleistung der
Rundfunkfreiheit dienen, um derentwillen es verfassungsrechtlich geboten ist“ (BVerfGE
57, 295 (326)) – nicht aber anderen Zwecken.
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3 Der 10. RÄndStV (2007) hat das Zulassungsverfahren von einem individualisiert
landesrechtlichen zu einem differenzierten, stärker koordinierenden Zulassungssystem
umgestaltet: Es lässt Veranstalter von bundesweit verbreitetem Rundfunk – auch von
rundfunkähnlichen Informations- und Kommunikationsdiensten – nach einheitlichen
Zulassungsvoraussetzungen zu (Abs. 1, §§ 20a, 21–39a RStV); die Zulassung landesweiter,
regionaler oder lokaler privater Rundfunkangebote bestimmt sich demgegenüber nach
dem jeweiligen Landesmedienrecht. Die Länder können vereinfachte Zulassungsverfahren
(Abs. 3 S. 1) vorsehen sowie Bagatellrundfunk (→ Rn. 26 ff.) von der Zulassungspflicht
befreien (Abs. 3 S. 2).
B. Das allgemeine Zulassungsverfahren (Abs. 1)
4 Die Zulassung für den Betrieb von privatem Rundfunk ist ein begünstigender, gestaltender
Verwaltungsakt mit Tatbestandswirkung iSd § 35 S. 1 VwVfG. Ihre Erteilung steht wegen
der grundsätzlichen Rundfunkfreiheit nicht im Ermessen der Behörde. Vielmehr besteht dann,
wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, ein Anspruch auf Zulassung. Um die
Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen sicherzustellen, kann die Zulassung aber mit
Nebenbestimmungen versehen werden (§ 36 Abs. 1 Var. 2 LVwVfG; VGH Mannheim, ZUM
1992, 562 (575)). Das Zulassungsverfahren ist grds. gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar;
ein Beurteilungsspielraum der Medienanstalten besteht nur hinsichtlich der Sicherung der
Meinungsvielfalt (vgl. StGH Baden-Württemberg GewArch. 2005, 260 (263)).
I. Inhalt der Zulassung
5 Die Zulassung spricht dem Veranstalter die Berechtigung aus, bestimmte redaktionelle
Programminhalte zu verbreiten. Der Inhalt der Zulassung bezieht sich jeweils auf ein
bestimmtes Programm und ggf. auf einen bestimmten Übertragungsweg
(Spindler/Schuster/Holznagel/Kibele RStV § 20 Rn. 3). Der Inhalt der Werbung ist nach
Auffassung des BVerwG demgegenüber nicht Gegenstand der Zulassung (BVerwG, NVwZRR 2015, 339 (339 ff.); aA Dörr/Wagner, ZUM 2013, 525 (526 f.)). Der Inhaber einer für
bundesweit verbreiteten Rundfunk (§ 20a RStV) ist daher – entgegen der Auffassung des VG
Berlin (Urt. v. 26.9.2013 – VG 27 K 231.12) nicht gehindert, Werbefenster regional zu
differenzieren. Die Bundesländer wollen dem nun einen Riegel vorschieben, indem sie zum
1.1.2016 ein Verbot regionaler Fernsehwerbung in den 17. RÄStV aufnehmen (vgl.
Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei vom 9. Juni 2015). Hiergegen formiert sich
bei privaten Rundfunkveranstaltern gegenwärtig Widerstand
(http://www.urheberrecht.org/news/p/3/i/5425/ (4.8.2015).
Die Zulassung ist nicht übertragbar, jedoch lässt eine Veränderung in der
Gesellschaftsstruktur des Rundfunkanbieters die Zulassung nicht automatisch erlöschen.
Vielmehr prüfen dann die Landesmedienanstalten die Unbedenklichkeit der Veränderung (§
21 Abs. 6, § 29 RStV).
Die Zulassung ist befristet. Die Zeitspanne differiert in praxi je nach zuständiger
Landesmedienanstalt. Baden-Württemberg und Bayern befristen Hörfunkzulassungen auf in
der Regel acht Jahre (§ 12 Abs. 2 S. 2 LMedienG BW; Art. 26 Abs. 1 S. 2 BayMG;),
Schleswig-Holstein und Hamburg auf maximal zehn Jahre (§ 17 Abs. 1 S. 3 MStV HSH),
Nordrhein-Westfalen auf mindestens vier und höchstens zehn Jahre (§ 8 Abs. 1 S. 1 LMG
NRW).
6 Die Zulassung beinhaltet nicht die Zuweisung einer Übertragungskapazität, also einer
Sendefrequenz, eines Kabel- oder Satellitentransponderplatzes. Diese Zuweisungen erfolgen
nach den §§ 50 ff. RStV. Diese Aufspaltung firmiert auch unter der Bezeichnung
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„Führerscheinprinzip“ (vgl. auch Hahn/Vesting/Schuler-Harms RStV § 51a Rn. 25;
Hahn/Vesting/Bumke RStV § 20a Rn. 6).
II. Zuständigkeit
7 Die Zuständigkeit für die Erteilung der Zulassung liegt bei den Landesmedienanstalten. Sie
bestimmt sich grds. nach dem jeweiligen Landesrecht. Die örtliche Zuständigkeit variiert
landesrechtlich je nach Übertragungsweg und Verbreitung. (vgl.
Spindler/Schuster/Holznagel/Kibele RStV § 20 Rn. 3). Die Zulassung bundesweiter
Veranstalter erfolgt nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RStV intern durch die „Kommission
für Zulassung und Aufsicht“ (ZAK) als Organ der zuständigen Landesmedienanstalt (§ 35
Abs. 2 S. 2 RStV), während nach außen die Landesmedienanstalt, bei der der entsprechende
Antrag eingegangen ist, auftritt (§ 36 Abs. 1 S. 1 RStV).
III. Zulassungsvoraussetzungen
8 Die persönlichen Zulassungsvoraussetzungen, welche die Landesmediengesetze an die
Zulassung knüpfen, entsprechen idR im Wesentlichen dem Katalog des § 20a Abs. 1-3 (der
für bundesweit verbreiteten Rundfunk gilt). Eine Erlaubnis erhalten nach den meisten
Landesmediengesetzen nur natürliche und juristische Personen des Privatrechts, nicht aber
beispielsweise die BGB-Gesellschaft oder eine OHG sowie eine KG (HRKDSC, § 20 Rn. 4).
Zulassungsberechtigt sind auch nur Veranstalter, welche die Gewähr dafür bieten, das
Programm entsprechend der Zulassung und den gesetzlichen Vorschriften zu veranstalten und
zu verbreiten. Manche Länder verlangen auch ausdrücklich, dass die Veranstalter ihre
wirtschaftliche und organisatorische Leistungsfähigkeit nachweisen müssen (vgl. etwa § 25
Abs. 2 LMG RhPf). Denn nur so ist eine hinreichende Kontinuität im Programm und
organisatorische Verfestigung des Veranstalters gewährleistet, die einen handlungsfähigen
Ansprechpartner sicherstellt (vgl. Hahn/Vesting/Bumke RStV § 20 Rn. 38).
9 Um die Staatsfreiheit des Rundfunks zu sichern und um zu vermeiden, dass einzelne
Personen eine dominierende Wirkungsmacht auf die Öffentlichkeit ausüben, schließen die
Landesmediengesetze (ebenso wie § 20a Abs. 3 RStV für bundesweit verbreiteten Rundfunk)
einige Personengruppen als Veranstalter aus, etwa Veranstalter, die eine enge Verknüpfung
zur Politik oder Verwaltung aufweisen, ausgenommen Kirchen und Hochschulen (vgl. § 6
LMG NRW). Jedoch gebietet die Staatsfreiheit nicht, jeglichen Veranstalter auszuschließen,
an dem eine politische Partei als Gesellschafter beteiligt ist. Vielmehr kommt es darauf an,
dass die Parteien keinen bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung oder die
Programminhalte nehmen können (BVerfGE 121, 30).
10 Als sachliche Zulassungsvoraussetzung müssen die Veranstalter insbes. schlüssige
Gesamtkonzepte vorlegen, welche die Programmart, -kategorie und Sendezeit angeben. Für
bundesweit verbreitete Programme schreibt Abs. 1 S. 3 eine Festlegung auf die
Programmkategorie verbindlich vor, also darauf, ob es sich um ein Voll- (§ 2 Abs. 2 Nr. 3
RStV) oder Spartenprogramm (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 RStV) handelt.
11 Eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Veranstaltern ist nur bei
beschränkten Übertragungskapazitäten notwendig und gerechtfertigt. Sie betrifft dann
systematisch nur die Zuweisung der Übertragungskapazitäten, nicht die Zulassung eines
Programms. Da über Zuweisung und Zulassung jedoch einheitlich entschieden wird, sind die
Kapazitäten mittelbar auch für die Zulassung relevant. Im Falle des Antragsüberhangs lassen
sich im lokalen Hörfunkbereich Frequenzen splitten, in anderen Bereichen scheidet das
regelmäßig aus. Nur einem Bewerber kann dann die Zulassung erteilt werden
(Hahn/Vesting/Bumke RStV § 20 Rn. 44 mwN). Sie muss dann – vor dem Hintergrund des
verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 iVm Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten
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derivativen Teilhaberechts – auf der Grundlage objektiv sachgerechter und individuell
zumutbarer Kriterien erfolgen (vgl. dazu allgemein Martini, der Markt als Instrument
hoheitlicher Verteilungslenkung, 2006, S. 82 ff.).
12 Den zuständigen Gremien (namentlich den Landesmedienanstalten, der Kommission für
Zulassung und Aufsicht (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 RStV) bzw. der Gremienvorsitzendenkonferenz (§
36 Abs. 3 RStV) kommt bei dieser Auswahlentscheidung ein (grundrechtlich gebundener)
Bewertungsspielraum zu. Zu berücksichtigen haben sie dabei insbes.

Meinungsvielfalt und Angebotsvielfalt (§ 51a Abs. 4 Nr. 1),
insb. die Auswirkungen auf die Vielfalt des Gesamtangebotes (§ 25 Abs. 1 S. 1 RStV)
und die Einbindung kultureller Programmbeiträge (§ 25 Abs. 3 S. 1 RStV),

inwieweit das Programm das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse sowie
das kulturelle Leben darstellt (§ 51a Abs. 4 Nr. 2)

die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Angebots sowie das Nutzerinteresse (§ 51a Abs.
4 S. 2),

die Programmkategorie (Abs. 1 S. 3),

die Erfüllung der europäischen Eigen- und Auftrags-Programmquote (§ 6 Abs. 2
RStV),

die Meinungsmacht (§ 25 Abs. 2 RStV),

die Wettbewerbssituation im In- und Ausland sowie im dualen Rundfunksystem,

den lokalen oder regionalen Bezug des Programms,

die redaktionelle Mitbestimmung.
Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Veranstalters darf im Rahmen der
Auswahlentscheidung aus Rücksicht auf neue Mitbewerber nur als Hilfskriterium
herangezogen werden. Anderenfalls wäre die Chancengleichheit der Bewerberinnen und
Bewerber gefährdet.
13 Die Zulassung ist für den Veranstalter mit Gebühren verbunden, die je nach Umfang der
Zulassung einen fünfstelligen Betrag erreichen (vgl. etwa § 2 Abs. 1, Nr.1.1 Gebührensatzung
LfM NRW).
C. Zulassung von rundfunkähnlichen Informations- und
Kommunikationsdiensten (Abs. 2)
14 Rundfunkähnliche elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste (IuKDienste) unterwirft Abs. 2 S. 1 seit dem 3. RÄndStV vom 19.12.1996 einer Zulassungspflicht,
wenn und soweit sie dem Rundfunk zuzuordnen sind. Das Überprüfungsverfahren des Abs. 2
soll angesichts der zunehmenden Konvergenz der Medien insb. für hybride Dienstformen
Rechtssicherheit herstellen.
I. Begriff der dem Rundfunk zuzuordnenden elektronischen
Informations- und Kommunikationsdienste (S. 1)
15 Elektronische Informations- und Kommunikationsdienste bilden den Oberbegriff für
Telekommunikationsdienste, Rundfunk und Telemediendienste (BT-Drs. 16/3078, S. 13).
Welche Dienste dem Rundfunk zuzuordnen sind, konkretisiert Abs. 2 S. 1 nicht näher, wohl
aber § 2 Abs. 1 S. 1 RStV (dazu im Einzelnen die Kommentierung zu § 1 Rn. 1 ff.). Diese
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Norm hat die Aufgabe, Rundfunk von Telemedien trennscharf zu scheiden. Zur
Unterscheidung hebt sie auf die Relevanz für die Meinungsbildung, nicht auf die technische
Art der Übermittlung ab. Ein besonderes Regulierungsbedürfnis leitet sich für den Rundfunk
danach aus seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft ab (vgl. auch etwa
BVerfG NJW 1994, 1942 (1943)). Die Medienanstalten haben diese Kriterien dahin gehend
konkretisiert (Die Medienanstalten, Drittes Strukturpapier über die Unterscheidung von
Rundfunk und Mediendiensten, 2003, 9), dass nach ihrer Auffassung ein Dienst – unabhängig
von seinen technischen Gegebenheiten – umso rundfunktypischer ist,

je höher die Wirkungsintensität der verbreiteten Inhalte als solche ist,

je stärker die redaktionelle Gestaltung der Inhalte ist,

je realitätsnäher die Inhalte präsentiert werden,

je größer seine Reichweite und seine gleichzeitige Rezeptionsmöglichkeit/tatsächliche
Nutzung sind und

je weniger Interaktivität des Nutzers den Rezeptionsvorgang bestimmt (Passivität des
Nutzungsverhaltens und einfache Bedienbarkeit des Empfangsgeräts).
16 Web-TV oder Web-Radioprogramme, die nur von weniger als 500 potenziellen Nutzern
zur gleichen Zeit empfangen werden können, sind entsprechend der Wertung des § 2 Abs. 3
Nr. 1 RStV als Telemedien, nicht als Rundfunk zu behandeln. Sie sind nicht nach § 20 Abs. 2
S. 1 zulassungspflichtig. Ebenso sind Video-on-Demand-Angebote nicht Rundfunk, sondern
Mediendienste auf Abruf iSd § 2 S. 1 Nr. 6 TMG (vgl. dazu die Kommentierung zu § 2 TMG
Rn. 30). Anders verhält es sich aber im Hinblick auf den zeitversetzten Videoabruf von
Fernsehsendungen (sog „Near-Video-on-Demand“), Livestreaming von Fernsehsendungen,
also die zusätzliche zeitgleiche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das
Internet, sowie Webcasting, also die ausschließliche Übertragung von Rundfunkprogrammen
über das Internet sowie IPTV-Angebote (vgl. BT-Drs. 16/3078, 13).
II. Entscheidung über die Rundfunkähnlichkeit (S. 2)
17 Die Entscheidung über die Rundfunkähnlichkeit trifft – als Organ der
Landesmedienanstalten (§ 35 Abs. 1 S. 2 RStV) – die „Kommission für Zulassung und
Aufsicht“ (ZAK) – § 36 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 Hs. 1 RStV. Die Entscheidung erfolgt
einvernehmlich (§ 36 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 Hs. 2 RStV). Jeder Anstalt kommt daher eine
Vetoposition zu. Erzielen die Landesmedienanstalten kein Einvernehmen, ist das Angebot als
Telemedium zu behandeln. Das soll unterschiedliche Deutungen des Rundfunkbegriffs in den
Ländern und entsprechend dem Grundgedanken „in dubio pro libertate“ größtmöglichen
Freiheitsschutz der Anbieter gewährleisten. Ist die Rundfunkähnlichkeit festgestellt, hat der
Anbieter nach Bekanntgabe unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, einen
Zulassungsantrag zu stellen oder seinen Dienst innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe
der Entscheidung so anzupassen, dass keine Rundfunkähnlichkeit mehr vorliegt (Abs. 2 S. 2).
Die kurze Frist soll schnell Rechtsklarheit über die Einordnung des Dienstes verschaffen und
Umgehungen rundfunkrechtlicher Vorschriften nach Möglichkeit ausschließen (Begründung
zum 9. RÄndStV, LT-Drs. RhPf 15/432, 19 f.).
III. Negativattest (S. 3)
18 Um Rechts- und Planungssicherheit zu erhalten und sich insbes. nicht dem Risiko einer
Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 17 Var. 2 RStV
auszusetzen, besteht für Anbieter – ähnlich wie beispielsweise im Falle des baurechtlichen
Negativattests nach § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB – die Möglichkeit, von der zuständigen
Landesmedienanstalt eine Unbedenklichkeitsbestätigung zu erhalten (Abs. 2 S. 3). Diese
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Bestätigung ist – ebenso wie die Entscheidung über die Rundfunkähnlichkeit – ein
Verwaltungsakt. Eine einmal getroffene Entscheidung kann daher grds. nur nach Maßgabe der
§§ 48, 49 VwVfG verändert werden.
D. Das vereinfachte Zulassungsverfahren (Abs. 3)
19 Abs. 3 S. 1 gestattet es den Ländern, für bestimmte Konstellationen, namentlich sog
Veranstaltungsrundfunk (Nr. 1, unten I., → Rn. 20 ff.) und Einrichtungsrundfunk (Nr. 2,
unten II., → Rn. 23 ff.), vereinfachte Zulassungsverfahren einzuführen. Für sog
Bagatellrundfunk (unten III., → Rn. 26 ff.) können die Länder auf ein Zulassungsverfahren
ganz verzichten (Abs. 3 S. 2). Diese Formen der Rundfunkveranstaltung lösen aus der Sicht
der Länder im Hinblick auf ihre geringere Ausstrahlungswirkung nur ein eingeschränktes
rundfunkrechtliches Kontrollbedürfnis aus.
I. Veranstaltungsrundfunk (S. 1 Nr. 1)
20 Veranstaltungsfunk zeichnet sich durch eine zeitlich (→ Rn. 22) und örtlich (→ Rn. 22 )
(→ Rn. 21) beschränktes Programm aus, das einen Annex zu einer öffentlichen
Veranstaltung bildet. Typische Anwendungsfelder sind begleitende Sendungen im Hörfunk
oder Fernsehen während Messen, Sportveranstaltungen, Ausstellungen, Kulturwochen,
Schützenfesten und Tagungen. Einen sachlichen Zusammenhang zur Veranstaltung verlangt
die Vorschrift nicht ausdrücklich. Ein solcher ist der Ratio der Vorschrift jedoch immanent,
soll sie nicht Umgehungstatbeständen Tür und Tor öffnen und ihrem Grundgedanken gerecht
werden, (nur) eine angemessene Verbreitung der Inhalte lokaler Veranstaltungen zu
ermöglichen (aA Hahn/Vesting/Bumke, § 20 Rn. 105). Auf Mediendienste auf Abruf und
andere Telemediendienste erstreckt sich Abs. 3 Nr. 1 nicht. Denn er setzt Sendungen iSd § 2
Abs. 2 Nr. 2 RStV und damit ein Rundfunkprogramm iSd § 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV voraus.
21 Örtlich muss die Sendung auf den jeweiligen Veranstaltungsort beschränkt sein. Anders
als der Wortlaut insinuiert, bezieht sich die Beschränkung dabei nicht auf den örtlichen
Radius der Aufnahme, sondern auf die Verbreitung der Sendung. Deren räumliches
Verbreitungsgebiet muss lokal begrenzt sein.
22 Die Sendung muss sich auf den jeweiligen Veranstaltungszeitraum beschränken („im
zeitlichen Zusammenhang“). Während einige Bundesländer eine Maximaldauer der
Vorhaltung zur Ausstrahlung vorsehen, etwa 14 Tage nach § 86 Abs. 2 LMG NRW, ist in
anderen Bundesländern auch monatelanges Veranstaltungsradio nicht unüblich. Dem
Grundgedanken der Vorschrift läuft das jedoch zuwider, da „Veranstaltung“ ein zeitlich
begrenztes definiertes Ereignis meint.
II. Einrichtungsrundfunk (S. 1 Nr. 2)
23 Außer für den örtlichen und zeitlichen Bereich öffentlicher Veranstaltungen können die
Länder vereinfachte Verfahren grds. auch für Rundfunk in Einrichtungen zulassen, die einen
bestimmten wirtschaftlichen Zweck, wie zB Kaufhäuser, Hotels, Ladenlokale, oder einen
überwiegend sozialen Zweck, wie zB Krankenhäuser, Schulen, Pflegeheime, Tagesstätten,
erfüllen sollen (S. 1 Nr. 2).
24 Voraussetzung ist dafür, dass die Sendungen nur in den Einrichtungen empfangbar
sind. Das heißt nicht, dass der Empfang notwendig nur auf das Gebäude der Einrichtung
beschränkt sein muss. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus Abs. 3 S. 2 („
zusammengehörender Gebäudekomplex“). Diese Vorschrift deutet an, dass ein
zusammengehörender Gebäudekomplex in den Fällen des S. 1 Nr. 2 möglich (wenn auch
nicht zwingende Voraussetzung für die Zulassung eines vereinfachten Verfahrens) ist. Sonst
hätte es der Differenzierung zwischen S. 1 und S. 2 nicht bedurft. Maßgeblich ist, dass die
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Einrichtungen dem gleichen Zweck verschrieben sind (Hahn/Vesting/Bumke RStV § 20 Rn.
106). Gleichartige Einrichtungen, wie etwa Filialen einer Warenhauskette, können eine
gemeinsame Rundfunksendung nutzen.
25 Alleine die eingeschränkte Empfangbarkeit und die gleiche Zweckrichtung der
Einrichtungen genügt für eine Privilegierung nicht. Die Sendungen müssen darüber hinaus in
funktionellem Zusammenhang mit der Einrichtung stehen. Gemeint sind damit vor allem
Hinweis- und Informationsfunktionen, etwa in Hotels oder Pflegeeinrichtungen. Denkbar
kann prinzipiell – je nach Zweck der Einrichtung – auch eine Unterstützung des
wirtschaftlichen Ertrags durch musikalische Untermalung sein. Die Ausstrahlung von Musik
schließt insoweit einen funktionellen Zusammenhang keineswegs aus (vgl. OVG Münster
ZUM-RD 2005, 48). Allerdings darf dann die Sendung, um keine Umgehungstatbestände zu
schaffen, nicht inhaltlich üblichen Rundfunksendungen entsprechen und etwa regelmäßige
Nachrichten und Wetterberichte enthalten (HRKDSC RStV § 20 Rn. 18).
III. Bagatellrundfunk (S. 2)
26 Die Länder dürfen einige Veranstaltungstypen nicht nur einem vereinfachten
Zulassungsverfahren unterwerfen, sondern nach eigener Entscheidung zulassungsfrei stellen.
Dies gilt für Rundfunk, der eine derart geringe Verbreitung hat, dass er weder tatsächlich
noch potenziell auf den Rundfunkmarkt einwirken kann. Er firmiert unter der Bezeichnung
„Bagatellrundfunk“. In vielen Ländern muss er lediglich der zuständigen Aufsichtsbehörde,
regelmäßig der Landesmedienanstalt, angezeigt werden, vgl. etwa § 3 Abs. 3 S. 3 BremLG.
27 Voraussetzung für die Zulassungsfreiheit ist eine beschränkte Anzahl an Empfängern,
sei es in Wohneinheiten oder Einrichtungen. Einige Landesmediengesetze konkretisieren die
beschränkte Anzahl von Wohneinheiten auf bis zu 250 (§ 12 Abs. 6 LMG BW), andere auf
bis zu 100 (§ 1 S. 2 NdsMedienG). Auch eine Zahl von 700 Wohneinheiten von der
Rundfunkzulassung zu befreien, wie es § 1 Abs. 2 SächsPRG 1996 tat, wäre jedoch mit dem
staatlichen Überwachungsauftrag, der aus der Gewährleistungsfunktion für die
Rundfunkfreiheit erwächst (→Rn.1f.) , nicht mehr vereinbar. Denn 700 Rezipienten bilden
bereits einen unregulierten Rundfunkmarkt, der im Interesse einer Sicherung der
Meinungsvielfalt einer Vorabkontrolle bedarf (VerfGH Sachsen NVwZ-RR 1998, 345 (348
ff.)). Der Begriff der Einrichtung unterscheidet sich von demjenigen des S. 1 Nr. 2 (→Rn.
23ff.) dadurch, dass es hier entscheidend auf den engen räumlichen Zusammenhang
ankommt (Hahn/Vesting/Bumke RStV § 20 Rn. 108): Die Einrichtungen müssen sich auf ein
Gebäude oder einen zusammengehörenden Gebäudekomplex beschränken, der funktionelle
Zusammenhang ist nicht entscheidend.
IV. Landesrechtliche Ausgestaltung
28 Etwa die Hälfte der Bundesländer hat ein vereinfachtes Verfahren iSd Abs. 3 S. 1
vorgesehen. Bagatellrundfunk iSd S. 2 ist in fast allen Bundesländern zulassungsfrei.
Vereinfachtes Verfahren
Baden-Württemberg
Bayern
§ 12 Abs. 6 LMG
Art. 26 Abs. 6 BayMG
Berlin-Brandenburg
Bremen
Bagatellrundfunk
Art. 1 Abs. 2 SBayMG
§ 38 MStVBB
§ 9 Abs. 1 BremLG
§ 3 Abs. 3 BremLG
Hessen
§ 1 Abs. 2 HRPG
Mecklenburg-Vorpommern
§ 1 Abs. 4 RGMV
RStV § 20 Stand: 01.08.2013 Edition: 2 Autor: Martini
Seite: 8 09.10.2015 13:49:00
Niedersachsen
§ 1 S. 2 NdsMedienG
NRW
§§ 83–86 LMG
§ 85 Abs. 1 LMG
Rheinland-Pfalz
§ 26 LMG
§ 24 Abs. 4 LMG
Saarland
§ 49 Abs. 5 LMG
Sachsen
§ 1 Abs. 2 SächsPRG
Sachsen-Anhalt
§ 23 Abs. 1 MG
Schleswig-Holstein/Hamburg
§ 54 Abs. 1 MStVHSH
Thüringen
§ 54 Abs. 2 MStVHSH
§ 1 Abs. 3 TRG
E. Grenzüberschreitendes Fernsehen (Abs. 4)
29 Abs. 4 setzt die Europaratskonvention über das grenzüberschreitende Fernsehen
(Änderungsprotokoll v. 9. September 1998, SEV-Nr.: 132) um. Deren Ziel ist es, zu
verhindern, dass ausländische Fernsehanbieter die rundfunkrechtlichen Bestimmungen in
ihrem Heimatland dadurch umgehen, dass sie ihr Programm von Deutschland aus verbreiten.
30 Dies will Abs. 4 durch die Instrumente der Versagung und des Widerrufs der Zulassung
(S. 1) sowie, falls das im Einzelfall ausreicht, durch den Erlass von Nebenbestimmungen
(S. 2, § 36 Abs. 1 VwVfG) sicherstellen. Abs. 4 stellt dafür drei (kumulative)
Voraussetzungen auf (unten I.-III.; → Rn. 31 ff.), die jedoch um das Verfahren nach Art. 24a
der Europaratskonvention ergänzt werden (unten IV.; → Rn. 38). Die Instrumente des S. 1
und S. 2 stehen in einem Stufenverhältnis zueinander: Von den (einschneidenden)
Instrumenten des Widerrufs bzw. der Versagung dürfen die Landesmedienanstalten erst dann
Gebrauch machen, wenn sich das Ziel, die Beseitigung des Verstoßes gegen die
Europaratskonvention, nicht bereits durch Erlass einer Nebenbestimmung (als milderes
Mittel) erreichen lässt. Das ergibt sich zwar nicht mit eindeutiger Klarheit aus dem Wortlaut
des Abs. 4 („kann“), sehr wohl aber aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, dem jegliches
staatliches Handeln unterworfen ist.
I. Ausrichtung auf Bevölkerung eines Konventionsstaats (Nr. 1)
31 Von den Instrumenten des Abs. 4 darf die Landesmedienanstalt nur Gebrauch machen,
wenn das Programm ganz oder in wesentlichen Teilen auf die Bevölkerung eines anderen
derjenigen 26 Staaten ausgerichtet ist, die (ebenfalls) das Europäische Übereinkommen
über das grenzüberschreitende Fernsehen ratifiziert haben.
32 Das Programm muss im adressierten Europaratsstaat zumindest technisch empfangbar
sein. Indizien für die Ausrichtung sind der beantragte Ort der Einspeisung in Kabelanlagen,
der Übertragungsweg (Satellit) und die tatsächliche Empfangsqualität (HRKDSC RStV § 20
Rn. 23).
33 Inhaltlich kann sich die Ausrichtung unmittelbar aus der ausdrücklichen Adressierung des
Programms oder mittelbar, insbes. aus der verwendeten Sprache, der anvisierten
Werbekundschaft und der Berichterstattung, ergeben.
II. Niederlassung zu diesem Zweck (Nr. 2)
34 Während die Voraussetzungen der Nr. 1 leicht erfüllbar sind, liegen die Hürden für die
Nr. 2 sehr hoch: Es muss eine Niederlassung in der Bundesrepublik (→ Rn. 35) mit
Umgehungsabsicht vorliegen (→ Rn. 36).
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35 Niederlassung ist der Sitz des Anbieters, nicht etwa der Ort, an dem die Sendung
produziert wird.
36 Eine Niederlassung bezweckt eine Umgehung, wenn es für den Anbieter keinen anderen
vernünftigen Grund gibt, sich nicht im anderen Staat niederzulassen und dort eine Zulassung
zu beantragen. Als Kriterium kann hierbei auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Anbieters
abgestellt werden: Wenn er überwiegend im anderen Staat wirtschaftlich tätig ist, ist das ein
deutliches, aber widerlegbares Indiz für einen Umgehungszweck.
III. Von der Konvention umfasster Umgehungszweck (Nr. 3)
37 Nicht jedes nationale Verbot eines Unterzeichnerstaates, das ein Anbieter umgehen will,
erfüllt die Voraussetzungen des Abs. 4. Vielmehr muss die Konvention dieses als
Grundbestand europäischer Überzeugungen umfassen. Umgehungsrelevante
Regelungsgegenstände der Konvention sind (vgl. Zusammenfassung des Vertragsbüros,
http://conventions.coe.int/treaty/ger/Treaties/Html/132.htm (4.11.2013))

das Verbot von Pornografie, Gewalt, Anstachelung zum Rassenhass sowie der Schutz
der Jugend (Art. 7),

das Recht auf Gegendarstellung (Art. 8),

die Verbreitung europäischer Produktionen und Ausstrahlung von Kinofilmen (Art
10),

Werbeverbote für Tabak, Medikamente und medizinische Produkte sowie
Einschränkung der Werbung für Alkohol (Art. 15 f.),

die Dauer und Häufigkeit der Werbung (Art. 11 ff.),

Zulässigkeitsgrenzen des Sponsorings (Art. 17 f.).
Nicht umfasst sind insbes. steuerrechtliche und arbeitsrechtliche Aspekte, die ein
Unternehmen bewogen haben, eine ausländische Niederlassung zu wählen, um Belastungen
im Inland zu entgehen.
IV. Verfahren (Art. 24a der Konvention)
38 Liegen die Voraussetzungen des Abs. 4 Nrn. 1–3 vor, ist das Verfahren nach Art. 24a der
Konvention einzuhalten, bevor die Landesmedienanstalt die vorgesehenen Maßnahmen
ergreift. Dies ergibt sich aus Art. 24a der Konvention, auf den die amtliche Begründung zu §
20 des 4. RÄndStV (LT-Drs. Thür 3/222, 55 f) ausdrücklich hinweist. Die Verfahrensschritte
sind:

Die Bundesrepublik Deutschland unternimmt den Versuch einer gütlichen Einigung
mit dem anderen Staat (Art. 24a Nr. 2 lit a).

Wenn das innerhalb von drei Monaten nicht zu einem Erfolg führt, wird der Ständige
Ausschuss nach dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende
Fernsehen mit der Angelegenheit befasst. Er nimmt innerhalb von sechs Monaten
Stellung zum Vorliegen eines Missbrauchs iSd § 20 Abs. 4 Nr. 3 RStV bzw. Art. 24a
Nr. 1 der Konvention (Art. 24a Nr. 2 lit. b und c).

Stellt der Ständige Ausschuss einen Missbrauch fest, ergreift die Bundesrepublik
Deutschland die geeigneten Maßnahmen zu ihrer Beseitigung. Bleibt sie untätig,
kommt es zu einem Schiedsverfahren (Art. 24a Nr. 3 und 4).
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V. Bewertung
39 Die Hürden für Maßnahmen nach Abs. 4 liegen so hoch, dass sie kaum praktisch
relevant werden dürften (HRKDSC RStV § 20 Rn. 28). Bisher ist in keinem Staat der
Konvention ein Missbrauchsfall zutage getreten, der zu einer Versagung oder einem Widerruf
auf der Grundlage des Abs. 4 geführt hat.
F. Rechtsschutz
40 Rundfunkanbietern kommt ein grundrechtlich geschützter Anspruch auf Zulassung
(Hahn/Vesting/Bumke RStV § 20 Rn. 48–51) zu, den sie verwaltungsgerichtlich mithilfe
einer Verpflichtungsklage durchsetzen können. Das subjektive Recht ergibt sich aus Art. 5
Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG. Es darf grds. nur insoweit und nur so lange eingeschränkt werden, wie
technische Kapazitätsgrenzen bestehen.
41 Landesmedienanstalten können gegen Zulassungen klagen, die andere Medienanstalten
für in ihrem Sendegebiet ausgestrahlte Rundfunkprogramme erteilt haben (BVerwG ZUM
1998, 170). Denn ihre Letztverantwortung für die Rechtmäßigkeit der in ihrem
Zuständigkeitsbereich ausgestrahlten Programme begründet eine verteidigungsfähige
Rechtsposition. Die Überlappung gemeinsamer Verantwortungsbereiche war zugleich die
Triebfeder für die Schaffung gemeinsamer Gremien und Kommissionen (vgl. dazu insbes. §
35 Abs. 2 RStV), die konfliktträchtige Zulassungen einer einvernehmlichen Entscheidung und
inneren Koordination zuführen sollen.
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