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DONNERSTAG, 3. SEPTEMBER 2015
GELD & GESCHÄFT
GELD & GESCHÄFT
Arbeiten in riesiger
Halle: Und es ist
mucksmäuschenstill
„Für Konzentration
brauche ich Ruhe“
Büroexperte: Schallschutz oft sehr komplex
VON ALEXANDER KLAY
OSNABRÜCK. Im Büro kann es
schon einmal laut werden – vor
allem, wenn viele Menschen in
einem großen Raum sitzen. Andreas Stephan, Leiter des Präventionsfelds Büro bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft
VBG, der gesetzlichen Unfallversicherung, spricht über die
Gefahren und Maßnahmen gegen ein zu lautes Büro.
Unternehmen entdecken den Wert von Schallschutz für ihre Mitarbeiter
Jeder Zweite
wünscht sich mehr Ruhe
am Arbeitsplatz.
Mit klugen Ideen
lassen sich auch große
Räume ruhig gestalten.
Callcenter-Betreiber
buw testet 3-D-Elemente,
die Schall mindern.
VON ALEXANDER KLAY
ESPELKAMP/OSNABRÜCK. Wer sitzt
schon gerne in einem Großraumbüro? Kollegen rücken einem auf
die Pelle, alle sprechen laut
durcheinander, und so wirklich
konzentriert arbeiten kann niemand mehr. Oder doch nicht?
Beispiele aus der Region zeigen,
wie es besser geht. Im 5000 Quadratmeter großen Harting Qualitäts- und Technologiecenter
(HQT) in Espelkamp wird geforscht und getestet – in einer riesigen Büro-Halle.
Hier arbeiten Physiker, Informatiker, Maschinenbauer an Technologien, die in künftigen Produktlinien
zum Einsatz kommen könnten.
Und sie testen die Erzeugnisse auf
Herz und Nieren, was selten leise
ist. Trotzdem ist es in dem Neubau,
der die Anmutung eines Campus’
vermitteln soll, ruhig. Das mag daran liegen, dass die wirklich lauten
Apparate wie eine Klimakammer
hinter Glaswänden in abgetrennten
Räumen liegen. „Einige Tests machen halt richtig Lärm“, sagt Stephan Middelkamp, Leiter des akkreditierten Labors der Harting
Technologiegruppe. Es liegt wohl
aber auch daran, dass sich das
weltweit operierende Unternehmen
vor dem Bau viele Gedanken darum gemacht hat, wie sich ein Großraumbüro besser gestalten lässt.
Middelkamp ist stolz auf das Gebäude. Er zeigt Besuchern gerne
das Prunkstück des Unternehmens.
Auch anderthalb Jahre nach dem
Einzug. Er zeigt auf zwei Mitarbeiter. Ein paar Schritte entfernt sprechen sie quer über einen Tisch hinweg über ein Bauteil. „Sehen Sie:
Die unterhalten sich. Aber man
kriegt eigentlich nichts davon mit.“
So hatten sich das die Planer bei
Harting gewünscht.
Vor dem Einzug gab es viele Vorbehalte gegenüber dem Großraumbüro, erzählt Middelkamp. Zuvor
saßen die 80 Mitarbeiter zwar in alten Gebäuden, teils Baracken aus
den 1950er-Jahren, aber sie hatten
Einzelbüros. Sie fürchteten zu laute
Gespräche unter Kollegen und Telefonate, bei denen jeder mithören
kann. Davon ist wenig geblieben.
Im 1000 Quadratmeter großen Atrium, das das Zentrum des Neubaus
bildet, ist es mucksmäuschenstill.
Während Middelkamp durch die
Halle führt, könnte man fast den
Eindruck gewinnen, in einer Blase
durch den Raum zu schreiten.
Trotzdem stehen und sitzen
überall Mitarbeiter, die miteinan-
„Die unterhalten
sich. Aber
man kriegt
eigentlich nichts
davon mit.“
Stephan Middelkamp,
Harting Technologiegruppe
der reden. Die Kommunikation im
Technologiezentrum ist gewünscht.
„Guckt euch an, redet miteinander“, sagt Middelkamp über die
Philosophie, die hinter dem Neubau steht. Die Harting Technologiegruppe mit weltweit rund 4200
Mitarbeitern und fast 550 Millionen Euro Jahresumsatz will sich ihren Mitarbeitern in der Provinz
zwischen Ostwestfalen und Niedersachsen als innovatives Unternehmen präsentieren, das sich um gesunde Arbeitsplätze kümmert.
An den Tischen hat jeder Mitarbeiter einen Computer-Arbeitsplatz
und eine kleine Werkbank. Mittendrin steht ein Computertomograf
für Materialtests. Der wuchtige, mit
schwarzen Metallplatten verkleidete Apparat brummt deutlich vernehmbar vor sich hin. Zumindest,
wenn man direkt neben ihm steht.
Einige Schritte weiter, und der
Schall der ununterbrochen surrenden Kühlungsanlage ist kaum noch
zu vernehmen. Hier haben die
Techniker schallmindernden Stoff
eingebaut, zusätzlich langsam laufende Lüfter.
Nicht nur bei dem Computertomografen hat das Unternehmen auf
Lärmminderung gesetzt. Das Technologiezentrum sollte mit seiner
Struktur, viel Glas und viel offener
Raum, nicht nur optisch etwas hermachen. Auch den Mitarbeitern
sollte etwas geboten werden. Beim
Griff in die Trickkiste hat Harting
so ziemlich alles ausgenutzt, was
machbar ist. Für den Schallschutz
sind die mitten im Raum stehenden Schränke mit einer perforierten Oberfläche versehen. Selbst die
offen und mitten im Raum stehende Teeküche ist damit versehen.
Von oben herab hängen sogenannte
Deckensegel, die knapp über den
Köpfen der Mitarbeiter Geräusche
dämpfen sollen. Die Decke selbst
ist mit Akustikplatten bestückt.
Stellwände und Sitzecken sind mit
einem Stoff überzogen, der Schall
besonders gut schlucken soll. Ein
paar grüne Pflanzenbilder an den
Glaswänden bringen zwar in Sachen Schallpegel keinen weiteren
Vorteil – tragen aber zur Harmonie
bei.
Herr Stephan, kann die Geräuschkulisse in einem Büro
krank machen?
Bei Lärm denkt man erst einmal
an einen Gehörschaden. Das ist in
einem Büro natürlich nicht möglich.
Was wir aber kennen, sind Stressreaktionen: Erhöhter Blutdruck, Nervosität und Verdauungsprobleme
können eine Folge sein. Der Stoffwechsel kann durchaus massiv in
Unordnung geraten.
Wie wirkt Lärm im Büro?
Wenn ich eine hohe Konzentrationsfähigkeit brauche, brauche ich
Ruhe dazu. Da fühle ich mich durch
Sachen, die irgendwie auf mich einfließen, gestört. Die Augen kann ich
zumachen, um mich vor Licht zu
schützen, die Ohren nicht. Für geistige Tätigkeiten wie schöpferische
Aufgaben, Entwicklungs- und Planungsarbeiten gilt ein Grenzwert
von 55 Dezibel. In einem Büro werden Sie heute fast nur noch solche
Tätigkeiten finden. Für Routineaufgaben wie die Erfassung von Daten
sind es 70 Dezibel. Solche Arbeitsplätze gibt es aber kaum noch.
Großes Büro, kaum Lä
L rm: Das 2014 eingeweihte Hart
r ing Qualitäts- und
Technologiecenter im ostw
t estfälischen Espelkamp bietet den Mitarbeitern
eine off
f ene Arbeitsumgebung,die nicht auf die Ohren schlägt
g.
Foto: Hart
r ing/Manfred Zimmermann
Dabei hätte Harting beim Bau
noch einiges mehr gegen laute Geräusche in der großen Halle unternehmen können. Die zum Atrium
liegende Brüstung im ersten Stock
etwa sollte einmal hochgezogene
Schallschutzelemente
erhalten.
„Das haben wir verworfen, es wäre
zu ruhig geworden“, sagt Middelkamp. Stattdessen gibt dort nun
Glas den Blick auf die Arbeitsplätze
frei. „Das haben wir gemeinsam
mit den Mitarbeitern entschieden.“
Tatsächlich ist der Wunsch nach
mehr Ruhe in der Gesellschaft
groß: Nirgendwo sehnen sich die
Deutschen mehr danach als am Ar-
3
2
4
5
6
1
Es gibt viele
Möglichkeiten, mehr
Ruhe ins Büro zu
bringen. Experten
raten zu einem umfassenden Konzept für
den Schallschutz,
statt unkoordinierte
Aktionen zu starten.
Problematisch sind
Oberflächen ohne
schallabsorbierende
Wirkung. Sie tragen
zu einer lauten
Umgebung bei.
Schallreduzierend
wirken können:
1 Mobiliar, 2 Wand,
3 Akustikplatten,
4 Deckensegel,
5 Lamellen, 6 Bild,
7 Boden, 8 Abschirmungen, Stellwände,
Trennwände
8
7
Quelle: VerwaltungsBerufsgenossenschaft (VBG)
Grafik: Colourbox.de, M. Michel
beitsplatz. So lautet das Ergebnis
einer Anfang August vorgestellten
Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Bundesforschungsministeriums. So sind 48
Prozent der Befragten genervt von
der Geräuschkulisse am Arbeitsplatz – gefolgt vom Straßenverkehr
(43 Prozent) und dem eigenen
Heim. Überraschend: Nicht die ältere Ü-60-Generation habe sich am
ehesten über Lärm beschwert –
sondern die, die gerade in der Reife
ihres Lebens stehen. Die 30- bis
44-Jährigen. Befragt wurden 1003
Menschen in Städten mit mindestens 20 000 Einwohnern.
Dass es bei der Kommunikation
nicht zu laut wird, ist für den Callcenter-Betreiber buw aus Osnabrück eine Selbstverständlichkeit.
Beim Schallschutz im Büro geht es
nicht allein um das Wohl der Mitarbeiter. Auf keinen Fall darf ein
Anrufer mitbekommen, welches
Anliegen gerade am Nachbartisch
mit einem anderen Kunden besprochen wird. „Das darf nicht passieren, das wäre eine Katastrophe“,
sagt Firmensprecher Gero Keunecke. buw ist etwa als Dienstleister
für die Kundenbetreuung für Vodafone, die Telekom oder den regionalen Anbieter Osnatel tätig. Bei die-
sen sogenannten Inbound-Tätigkeiteen geht es oft um sensible Kund
dendaten.
Das Unternehmen ist mit 5400
M
Mitarbeitern
und einem Umsatz
v 137,5 Millionen Euro der drittvon
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größte
Kommunikations-Dienstleisteer in Deutschland. Gerade ist der
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4. Standort in Wuppertal eröffnet
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worden.
In der Regel befinden sich
d neuen Räumlichkeiten nicht in
die
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dem
Zustand, wie sie buw braucht.
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Wenn
der Standort nicht von einem
W
Wettbewerber
übernommen wird,
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heißt
das in der Regel: Neue Möbel
m
müssen
rein, eine neue Decke, neue Fußboden – alles in schallabsorer
bierender Ausführung. „So, wie wir
es brauchen“, sagt Keunecke. Die
speziellen Deckenelemente sind dabei etwa viermal teurer als die
Standardausführung fürs normale
Büro. Zudem werden die Mitarbeiter geschult. „Fängt einer im Raum
an laut zu sprechen, schaukelt sich
das sofort hoch“, sagt der Firmensprecher.
Für den Schallschutz ist bei buw
der Facility Manager zuständig.
Und der probiert regelmäßig Neues
aus. Am Standort Halle/Saale hängen schallbrechende 3-D-Elemente
von der Decke, die aussehen wie eine Poolnudel. In Osnabrück hängen
sogenannte Akustikbilder an der
Wand – sie sollen den Schall schlucken.
Während in den Callcentern bei
buw kein Weg am Gruppenbüro
vorbeiführt, hatten die Mitarbeiter
bei Harting in Espelkamp zwischenzeitlich die Wahl. Als zwischenzeitlich eine Umstrukturierung im Raum stand, wurden sie
von ihrem Unternehmen gefragt:
Im neuen Großraumbüro bleiben?
Oder wieder zurück ins kleine, heimelige Büro? Offenbar war das für
die Mehrheit keine Frage. „Die Leute wollten lieber hier bleiben“, sagt
Stephan Middelkamp.
Für das ostwestfälische Technologieunternehmen soll der Neubau
nun Pate stehen für weitere Projekte. So dürfte der Wunsch nach
mehr Ruhe in den Großraumbüros
tatsächlich bald für weitere Mitarbeiter in Erfüllung gehen. „Die Erfahrungen werden wir in die nächsten Gebäude einbringen“, sagt Unternehmenssprecher Michael Klose.
Als Nächstes steht eine Erweiterung des Ausbildungszentrums an
– auch dieses ist an einen offenen
Campus angelehnt, auch dort wird
in einem großen Raum zugleich
nachgedacht und nebenan gewerkelt. Das Vorbild macht Schule.
Musik am Arbeitsplatz: Ausblen
nden der Geräuschkulisse oder Konzentrationskiller?
Streamingdienste werben mit speziellen Angebo
oten – Psychologin sieht negative Folgen für geistige Leistung
aky OSNABRÜCK. Der Geräuschpegel im Büro kann einem schon
mal auf die Nerven gehen. Hilft
da Musik auf den Ohren? Streamingdienste haben darin längst
ein Geschäft gewittert und werben mit Angeboten für mehr
Konzentration. Wissenschaftler
sehen das jedoch kritisch.
Geht es nach dem Musik-Streamingdienst Spotify, dann gibt es kaum etwas Besseres als Musik bei der Arbeit. Dabei beruft sich der Anbieter
auf die Wissenschaft – Musik helfe,
Stress vorzubeugen und die Konzentration zu verbessern. Laut einer Stu-
die im eigenen Auftrag sieht sich ein
Drittel der befragten Arbeitnehmer
durch Musik bei der Bewältigung
von Stress unterstützt. Ein Fünftel
sieht sie als Ablenkung von langweiligen Jobs. Aber nur 16 Prozent sehen
sich in ihrer Produktivität gesteigert.
Und der Anbieter will ganz genau
wissen, mit welchen Songs sich welche Wirkung erzielen lässt: Zum Ausblenden von Hintergrundgeräuschen
der Kollegen sei „Do I Wanna
Know?“ von den Arctic Monkeys ideal, „We Can’ t Stop“ von Miley Cyrus
fördere die Motivation, „Drunk in
Love“ von Beyoncé trage zur besseren Konzentration bei.
Das sehen nicht alle so. Psychologgin Maria Klatte warnte in der „Zeit“
v negativen Folgen für die Konzenvor
trrationsfähigkeit. „Sprache und flotte
M
Musik
wirken sich besonders störend
a geistige Leistungen aus – sogar
auf
w
wenn
man sie nur leise hört oder
w
wenn
es eine Fremdsprache ist, die
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man
überhaupt
n
nicht
verstehen
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kann“,
sagte sie.
Verteufeln will sie
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das
Musikhören für
m
mehr
Konzentration
a
aber
nicht generell. Langsame
Instrumentalstücke,
wie Meditationsmusik, habe zumindest keine negativen Auswirkungen.
„Solche Musik schafft eine Klangkulisse, die vielen Menschen angenehmer ist als absolute Stille und zudem
auch störende Geräusche
maskieren kann“, sagte
sie der „Zeit“.
Das Technikmagazin
„t3n“ listet teils kostenpflichtige Angebote
auf, die angeblich mehr Produktivität
am Arbeitsplatz versprechen:
Focus at Will: Der Streamingdienst verspricht, mit nach neurowissenschaftlichen Erkenntnis-
sen komponierter Musik die Aufmerksamkeitsspanne zu vervierfachen.
Noisli: Mit einer natürlichen Geräuschkulisse soll die Produktivität
steigen – Knistern eines Lagerfeuers,
Meeresbrandung, Gewitter.
Coffitivity: Jung und dynamisch:
Die Gründerszene trifft sich gerne im
Kaffeehaus. Wer seinen Arbeitsplatz
nicht dahin verlegen kann, findet
hier die passende Klangkulisse.
Spotify: Der weltweit populärste
Streaming-Dienst bietet spezielle
Playlists, die gut für die Produktivität
am Arbeitsplatz sein sollen.
Rainy Mood: Regen- und Gewittergeräusche in Endlosschleife sollen
für Entspannung sorgen. Per kostenpflichtige App können Nutzer ihr eigenes Unwetter kreieren.
MoodTurn: Auch dieser Anbieter
hat sich auf natürliche Geräuschkulissen spezialisiert.
Get Work Done Music: Temporeiche Songs, wenn es schnell gehen
muss. Hier besteht nur die Wahl zwischen „fast“ und „faster“.
Wird der Lärm unterschiedlich wahrgenommen?
Ich mache das bei Seminaren mit
Hörbeispielen deutlich. Einmal spiele ich das Stück „Die Moldau“ von
Bedrich Smetana an, danach den
Anfang eines Stücks der Metal-Band
Metallica. Beide sind gleich laut abgemischt – und da sehen Sie dann
unterschiedliche Reaktionen. Die einen finden Klassik blöd, die anderen
Metallica nervig und stressig. Das
liegt im Auge des Betrachters. Es
lässt sich nicht eindeutig sagen, dass
ein Mensch bei 55 Dezibel mit diesem und jenem Symptom reagiert.
Ist es denn gesund, sich mit
Musik auf dem Kopfhörer von
der Umgebung abzukapseln?
Unter Umständen treiben Sie dabei den Teufel mit dem Beelzebub
aus. Da ist die Frage: Was hauen Sie
sich gerade aufs Ohr? Wenn ich das
zur Entspannung mache und Hintergrundgeräusche unterdrücke, ist
es vielleicht noch akzeptabel. Aber
sehr häufig treten beim Musikhören
Spitzen von mehr als 85 Dezibel
auf, die als Lärm zu bezeichnen
sind. Das wäre kontraproduktiv.
Ist das Thema Lärm im Büro
in den Köpfen von Unternehmern präsent?
Ich denke schon. Wir erleben,
dass es öfter Nachfragen gibt. Vor
einigen Jahren haben wir der Ar-
beitsschutz-Messe in Düsseldorf
den Schallschutz im Büro in einem
kleinen Raum erlebbar gemacht.
Vielleicht haben wir das Thema
damit angefeuert, vielleicht ist es
generell in die Köpfe gekommen.
Der Trend geht zum Großraumbüro, das als laut gilt. Ist
das tatsächlich so?
Natürlich ist da ein subjektives
Empfinden mit dabei. Wenn Sie in
einem Ein- oder Zweipersonenbüro
gesessen haben, sich da ganz wohl
gefühlt haben und dann alle Wände
herausgerissen werden, ist bei den
meisten Leuten die Reaktion: Das
mag ich nicht. Objektiv kann ein
Großraumbüro leiser sein, wenn die
Abschirmung der Geräuschkulisse
stimmt. Das ist aber ein sehr vielschichtiges Thema.
Lässt sich ein Büro mit kleinen Mitteln gut umgestalten?
Mit kleinen Mitteln ist das meist
schwierig. Sie müssen schauen: Wie
ist das Büro gestaltet? Je mehr
schallharte Oberflächen Sie haben,
desto länger hält sich der Schall im
Raum, und desto problematischer
wird das. Das läuft häufig im Trialand-Error-Verfahren: Es werden ein
paar Bilder an die Wand gehängt –
und hinterher heißt es, es bringt
nichts. Sie müssen sich Gedanken
machen, was Sie tun. Das Material
dafür ist nicht teuer. Der Kostenfaktor ist das Know-how: jemand, der
weiß, was er machen muss.
Was ist dabei so schwierig?
Das hört sich erst einmal paradox an: Wenn der Raum eine gute
Akustik und damit eine gute
Sprachverständlichkeit hat, verstehen Sie jedes Wort. Dann können
schon 40 Dezibel störend sein.
Sie müssen den Raum also so optimieren, dass er eine schlechte
Sprachverständlichkeit hat. Also
Materialien einbauen, die viel
Schall im Frequenzbereich der
Sprache, 250 bis 2000 Hertz, absorbieren. Dafür brauchen Sie jemanden, der das vernünftig plant.
Wo liegen die Fallstricke?
Bei den Schlagworten Sichtbeton, Glas, Betonkernaktivierung
(Klimatisierung
durch
Betondecken, d. Red.) kann man meist
sagen: akustisch eine Herausforderung. Da haben Sie überall reflektierende Flächen, die den Schall
lange im Raum halten. Da können
Sie einen Teppichboden reinlegen
oder ein bisschen schallabsorbierendes Material an die Wand hängen, das bringt fast nichts. Mit einer abgehängten Decke wird es
nachträglich schwer, weil Leitungen im Weg sind. Wenn es doch
klappt, wird die Klimatisierung
versperrt. Bei Neubauten muss
man das also alles in der Planung
berücksichtigen. Inzwischen gibt
es Deckensegel, die eine Klimatisierung per Betonkernaktivierung
zulassen und eine gute Wirkung in
der Akustik erzielen. Außerdem ist
auf Möbel mit schallabsorbierendem Material zu achten.
Normales Gespräch kann zu laut sein
Überblick über Lautstärken verschiedener Geräusche
nahes Flüstern, ruhige Wohnstraße
40 dB(A) ziemlich leise
Unterhaltungssprache
50 dB(A) normal
Unterhaltungssprache (1 m Abstand), Bürolärm 60 dB(A) normal bis laut
laute Unterhaltung, Rufen, Pkw (10 m Abstand) 70 dB(A) laut bis sehr laut
Straßenlärm bei starkem Verkehr
Flugzeugtriebwerk
80 dB(A) sehr laut
120 dB(A) unerträglich/schmerzhaft
Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit · Grafik: Matthias Michel