Landsberger Tagblatt vom 7. Oktober 2015 - 230 Asylsuchende sollen Ansprechpartner bestimmen Bürgerversammlung Erneute Sorgen bei Nachbarn des Hochbauamts VON DIETER SCHÖNDORFER Landsberg Es war zwar keine Informationsveranstaltung zum Thema Asyl, doch die zweite Bürgerversammlung der Stadt Landsberg im Sportzentrum wurde von dieser aktuellen Problematik zum großen Teil bestimmt. Da rückten nicht weniger wichtige Themen wie zum Beispiel das Urbane Leben am Papierbach oder die geplanten Obdachlosenunterkünfte an der Jahnstraße weit in den Abend zurück. Warum der Vortragssaal im Sportzentrum entgegen früherer Veranstaltungen mehr als nur gut gefüllt war – es wurden permanent Stühle nachgeordert – wurde schnell deutlich, als der Asylbeauftragte des Stadtrats, Jost Handtrack, seine inhaltliche Zusammenfassung der Bürgerantworten vortrug, die er mittels Fragebögen zuvor zum Thema Asyl verteilt hatte. „Es bestehen Ängste vor dem Entstehen einer Parallelgesellschaft, vor schwarzen Schafen und es herrscht Verunsicherung aufgrund einer unbekannten Kultur.“ Ängste, die offenbar in der unmittelbaren Nachbarschaft des staatlichen Hochbauamts durchaus vorhanden sind. Ein Anwohner sieht zum Beispiel mit der angekündigten Zahl von bis zu 137 Flüchtlingen in der künftigen Gemeinschaftsunterkunft die soziale Verträglichkeitsgrenze überschritten. „Ich fühle mich bedroht und inzwischen als Bürger zweiter Klasse.“ Was in Sachen Hochbauamt ablaufe, bezeichnete er als „Zwangsintegration“. Oberbürgermeister Mathias Neuner und auch Jost Handtrack versuchten zu erklären, dass weder die Stadt noch der Landkreis Eigentümer des Gebäudes seien und daher keinerlei Handhabe gegen die Umwidmung zur teilweisen Wohnnutzung hätten. „Wir haben dieser Umwidmung unter der Vorgabe zugestimmt, dass nicht mehr als 90 Personen untergebracht werden.“ Das Beispiel der anderen bereits belegten Standorte wie etwa in der Münchener Straße, Iglinger Straße, in Erpfting oder auch in privaten Unterkünften habe gezeigt, dass der Stadtrat mit seinem Kurs der dezentralen Unterbringung und begrenzter niedriger Belegungszahl gute Er- Ein Angebot der Bürgerschaft Noch lange wurde nach der Bürgerversammlung am Montagabend mit dem Stadtratsreferenten für ausländische Mitbürger und Asylsuchende, Jost Handtrack, diskutiert. Wie er dem LT gestern mitteilte, habe der Abend noch einen weiteren „sehr mutmachenden Vorschlag“ aus Reihen der Anlieger des Staatlichen Hochbauamts gebracht. Neben den Bedenken hinsichtlich einer potenziellen Wertminderung der eigenen Immobilien sei der spontane Vorschlag geäußert worden, dass die Bürger auch bereit seien, Geld für einen „Herbergsvater“ in die Hand zu nehmen, um eine solche Betreuungsperson zu finanzieren. Dieser solle sich um die Gemeinschaftsunter- kunft kümmern und, was ganz wichtig sei, permanent vor Ort sein und damit als Anlaufstelle rund um die Uhr dienen. Jost Handtrack: „Ich habe auf die großen Schwierigkeiten hingewiesen, wenn ein solcher Vorschlag an die Regierung von Oberbayern herangetragen werde.“ Er sei jedoch auf viel Verständnis bei den Anliegern gestoßen mit seiner Auffassung, dass Ehrenamtliche, die sich um einzelne Flüchtlinge kümmern, viel sozialen Sprengstoff abbauen können. Er habe noch vor Ort vereinbart, diesbezüglich im Gespräch mit den Nachbarn zu bleiben, wenn die Aufnahme von Flüchtlingen im Hochbauamt anstehe. (hön) fahrungen gemacht habe, die nicht ausbleibenden Probleme im Vergleich zu anderen Städten verhältnismäßig leicht zu lösen seien. Dies bestätigte eine Anwohnerin der neuen Wohnunterkunft an der Iglinger Straße. Dort sei eine vom Bayerischen Roten Kreuz angestellte Sozialpädagogische Fachkraft vor Ort, die auf die Flüchtlinge einwirke und eine Hausordnung sei natürlich zu befolgen und werde auch eingefordert. Zudem bot sich Jost Handtrack ausdrücklich an, jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen: „Kommen Sie auf mich zu, persönlich, per Telefon oder E-Mail.“ Raffael Sonnenschein, der Begründer des Integrationsprojekts „LandsbergLäuft“, hält das für essenziell: „Wir vermitteln den Flüchtlingen zudem das Grundgesetz, übersetzen Regeln, bringen ihnen Sitten und Gebräuche der Region nahe.“ Nur so sei Integration zu erreichen. Das Angebot müsse aber breitgefächert sein. Daher benötige das Projekt noch weitere Helfer, die ehrenamtlich mithelfen möchten. „Wir sind wenig, tun aber viel.“ So suche er zum Beispiel durchaus auch Schachspieler, die Asylsuchende mit ihren Kenntnissen fordern. Ein weiterer Verbesserungsvorschlag kam von einem Bürger, der sich zunächst sehr kritisch geäußert hatte: „Es sollte pro Unterkunft auch unter den Flüchtlingen einen Sprecher geben, der für seine Mitbewohner und die Helfer gleichermaßen als Ansprechpartner zur Verfügung steht.“ Andere wiederum sehen durchaus Chancen durch die Asylsuchenden, sehen eine Stärkung des sozialen Klimas. Außerdem, so ist ein Bürger sicher, sei jede Grundlage für Frieden das Mitgefühl. Der Angst vor Überfremdung oder gar religiöser Unterwanderung entgegnete eine Bürgerin: „Bei 90 Prozent der Asylsuchenden, die in der Iglinger Straße untergebracht sind, handelt es sich um Christen.“
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