Menschen im Hotel. Maria Furtwängler, 49, in der Pose der göttlichen Greta Garbo. Das nordisch Noble hat sie mit der schwedischen Diva zwar gemein – aber Furtwängler ist waschechte Bayerin 40 21.1.2016 DAS STERN-GESPRÄCH „ICH, SEXY??? DAS IST MIR NICHT BEWUSST!“ Sie ist die schönste und beliebteste „Tatort“-Kommissarin. Doch jetzt zeigt Maria Furtwängler im Kino, dass sie auch anders kann. Begegnung mit einer Unfassbaren Von Ulrike Posche und Kester Schlenz Fotos: Thomas Rabsch „ICH FAND MICH IMMER ZU KNABENHAFT“ Die „Knäbin“ Maria mit wildem Haar und offenem Blick auf dem Küchentisch. Das Gefühl, nicht weiblich genug zu sein, habe ihr lange im Genick gesessen, sagt sie. Jetzt natürlich nicht mehr 42 21.1.2016 „BOAH, BIN ICH GUT, BIN ICH TOLL!“ Sie wünscht sich manchmal, es hätte ihr jemand beigebracht, so etwas einmal zu sich selbst zu sagen. Stattdessen hadert sie mit ihren Selbstzweifeln oder macht sich vor anderen klein Wir sehen das Gesicht einer 49-Jährigen in gutem Licht. Offen gesagt: Auch wenn das Licht ein bisschen schlechter ist, wirkt sie wie aus Marmor gemeißelt. Wie sie das macht? Sie trinkt keinen Kaffee! M München, Mitte Januar. Maria Furtwängler, 49, erscheint zum Interview. Sie trägt Jeans, einen grauen Pullover und Gucci-Clogs mit Fell. Sie ist makellos schön, neiderweckend schlank, blendend gelaunt. Und sie geht gleich zum Angriff über. MARIA FURTWÄNGLER: Machen wir es kurz. Soll ich Ihnen meine toll formulierten Antworten hier jetzt gleich mal ausgedruckt geben? Die Fragen dazu ergeben sich ja dann. (lacht) Man sagt mir ja nach, ich wolle immer die Kontrolle haben. Her damit.Wir haben alle genug zu tun. Oder wollen Sie mir etwa wirklich Fragen stellen? Womöglich auch nach meinem Privatleben und so? Jetzt, wo Sie’s sagen: gute Idee eigentlich. Okay, dann los. Frau Furtwängler, das Jahr 2016 hält drei Jubiläen für Sie bereit: Ihr Mann wird im Februar 76, Sie werden im September 50, und im November ist – Silberhochzeit! Wie klingt das für Sie? Silberhochzeit? Echt? Hatte ich gar nicht drauf. Lassen Sie mich mal nachrechnen. Stimmt! Wissen Sie, mein Mann und ich haben noch nie großen Wert auf Hochzeitstage gelegt. Und ob ich diesen Geburtstag feiere, weiß ich auch noch nicht. Aber, um Ihre Frage zu beantworten: Für mich klingt das alles nach großer Beständigkeit. Zumindest bis zu Ihrem neuen Kinofilm „Das Wetter in geschlossenen Räumen“. Da vögeln Sie sich sehr unbeständig in einem Luxus- hotel durch einen Bürgerkrieg. Der arabische Liebhaber ist jung, die Minibar voll. Sie saufen, Sie koksen, Sie werfen Ecstasy ein. Frau Furtwängler, was soll das? Bevor Sie sich weiter um mich sorgen: Ich will erst mal wissen, wie Sie den Film fanden. Irritierend. Na, das ist doch schon mal was! Sie spielen eine suchtkranke, desillusionierte PR-Lady, die für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen Hilfsprojekte er findet, Geld besorgt und am Ende zerbricht. Was hat Sie an diesem Stoff gereizt? Die Regisseurin Isabelle Stever hat zwei Jahre lang versucht, mich zu diesem Film zu überreden. Und ich dachte lange: Warum soll ich diese Frau spielen? Aber Isabelle hat nicht locker gelassen, kam immer wieder, und ich bin ihr dankbar dafür. Mich hat ihre Kompromisslosigkeit beeindruckt, ihr Kunstwille. Und 4 21.1.2016 45 i rgendwann war plötzlich bei mir diese Lust da, Grenzen auszuloten, Neuland als Schauspielerin zu betreten. Und außerdem ist Isabelle Stever eine hochintelligente Frau, die ein sehr raffiniertes, durchdachtes Drehbuch geschrieben hat. Wollten Sie so auch Ihr Image der unantastbaren Kommissarin Lindholm zerdeppern? Mag sein. Ich fand es vor allem reizvoll, mal in diese Nacktheit und Verletzlichkeit abzurutschen. In etwas Zerbrechliches, Poröses. Ich bin stolz auf diese Rolle. Und das sag ich nicht oft von mir. Der Film ist alles andere als Mainstream und weiß Gott nicht gefällig, aber er ist besonders, und ich bereue keine Sekunde, ihn gemacht zu haben. Der Film führt das Prinzip der Fundraising-Dinners und Spenden-Galas ziemlich vor. Keine Sorge, dass die Münchner BenefizGesellschaft Sie künftig schneidet? Nein, wieso auch? Unser Film überspitzt natürlich. Ich weiß, wie viel Gutes getan wird. Aber ich weiß eben auch aus meinen eigenen Erfahrungen mit verschiedenen Hilfsorganisationen, dass da, wo viel Geld fließt, gelegentlich auch Missbrauch ist. Das muss man erzählen dürfen. Wo engagieren Sie sich persönlich? Vor vier Jahren haben meine Tochter und ich zusammen mit den German Doctors auf den Philippinen das Malisa Home gegründet. Ein Heim für Mädchen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Derzeit versuche ich das Thema Prävention von sexueller Gewalt gemeinsam mit den German Doctors und World Vision auf den Philippinen stärker in den Vordergrund zu rücken. Die Figur der Dorothea, die Sie spielen, umweht etwas Tragisches, Einsames. Gibt es solche dunklen Facetten auch an Ihnen? Ja. Ich bin von Natur aus nicht nur heiter. Es gibt auch eine einsame, verlorene Seite an mir. Ich hatte und habe immer wieder düstere, melancholische Momente. Aber die akzeptiere ich als Teil meines Wesens. Zudem sind es durchaus kreative Momente. Die Drogenexzesse in Ihrem Film wirken sehr überzeugend. 46 21.1.2016 MARIA FURTWÄNGLER wurde am 13. September 1966 in München als Tochter des Architekten Bernhard Furt wängler und der Schauspielerin Kathrin Acker mann geboren. Sie hat noch zwei Brüder. Der Diri gent Wilhelm Furtwängler war ihr Großonkel. Maria Furtwäng ler ist verheiratet mit dem Verleger Hubert Burda und hat mit ihm zwei erwachsene Kinder. Die promovierte Humanmedizine rin praktizierte als Ärztin, bis sie sich schließlich ganz der Schau spielerei wid mete. Ihre Rolle als „Tatort“Kommissarin Charlotte Lind holm machte sie in Deutschland zum Topstar. Furtwänglers neuer Kinofilm „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ ist ab dem 28. Januar im Kino zu sehen Das betrachte ich jetzt mal als Kompliment. Meine Tochter hat das übrigens auch so empfunden und überrascht gefragt, wieso ich das so gut rüberbringe. Haben Sie denn Erfahrungen mit harten Drogen? Ach, dafür bin ich ein viel zu großer Angsthase. Kontrollverlust ist mir unheimlich. Sachen wie Kokain sind nichts für mich, aber … Jetzt kommt die Drogenbeichte. Ich habe mir mal von einer Freundin eine Ecstasy-Pille besorgt, um auszuprobieren, wie das so ist. Die liegt seit zehn Jahren in einem Schächtelchen und lacht mich an. Das wird sie wohl auch weiterhin tun. Nie gekifft? Doch, klar! In der Schulzeit. Ich hab sogar angebaut. Wow – Maria Furtwängler hatte eine Hasch-Plantage! So würde ich das nun nicht nennen. Aber es gab ein kleines Anbaugebiet im Garten meiner Mutter. So ungefähr zehn Pflanzen. Recht stattliche Exemplare. Die sind mir dann aber irgendwann geklaut worden. Ich war sehr enttäuscht. Von Mitschülern geklaut? Vermutlich. Leute, wenn ihr das hier lest: Gesteht endlich. Ruft mich an. Es wird euch erleichtern. Wir müssen da einen Schlussstrich ziehen. (lacht) Können Sie es persönlich nachvollziehen, dass sich Ihre Filmfigur einen deutlich jüngeren Liebhaber nimmt? Natürlich. Es gibt ja diesen Charme der Jugend. Das hat schon seinen Reiz. Die Figur der Dorothea braucht diesen jungen Kerl. Das ist wie der nächste Drink. Hauptsache, sie spürt sich irgendwie. Aber es ist ein Strudel ins Nichts. Jetzt sprechen Sie über Ihre Filmfigur. Wie ist das bei Ihnen selbst? Ich sehe diesen Zauber der Jugend, allein wenn ich meine Kinder ansehe! Aber leider habe ich mich immer schon für ältere Männer interessiert. Als wir die Bettszenen sahen, dachten wir: Gute Güte, was wird der Hubert Burda dazu sagen? Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich hatte ja schon andere Kerle in meinen Filmbetten. Er trägt es mit Fassung. Sie haben einmal gesagt, dass Sie erst in den letzten Jahren gelernt hätten, sich als Schauspielerin zu akzeptieren.Woher kommt dieser Hang zum Selbstzweifel? Weiß ich nicht. Das ist eben so bei mir. Das ist, soweit ich aus der Forschung weiß, auch sehr deutsch. Ich konnte lange nicht sagen: Das hast du gut gemacht, Maria. Das hat sich tatsächlich erst in den letzten Jahren geändert. Wodurch? Ich habe mich weiterentwickelt, arbeite anders, auch mit Coaches. Ist der Begriff „Selbstoptimierung“ für Sie Ansporn oder Unwort? Ich glaube, wir sind ein Land der Selbstoptimierer. Uns wird permanent suggeriert: Nimm diese Creme, damit du faltenfreier bist. Trink das, damit du dünner wirst. Mach die Brüste mehr raus, damit du sexier bist. Ich hasse Selbstoptimierung! Und trotzdem streben Sie nach Perfektion? Zum Glück lässt diese Sucht mit zunehmendem Alter nach. „Perfekt“ gibt es sowieso nicht. Und das „liebevoll mit sich selbst zu sein“, das lerne ich gerade. Das war jetzt mal ein knackiger Satz, was? Ja. Aber was ist daran denn so schlimm, besser werden zu wollen, Frau Doktor Furtwängler? Entscheidend ist das innere Gefühl dazu. Wenn ich darunter leide, dass ich nie so toll aussehen werde, nie so toll spielen werde, nie so viel schaffe, wie ich mir dauernd vornehme, dann ist das ein Problem. Dass man besser werden will, das ist ja okay. Denn es heißt ja auch: Ich will wachsen. Wo ist dann bitte das Problem? Es wird heute von allen verlangt, im Job Spitzenleistung zu bringen, den Säugling im Arm zu schaukeln, den Vorstandsvorsitzenden dabei am Ohr zu haben, mit dem Schuh die Waschtrommel zu verschließen und bei allem auch noch durchgestylt und durchayurvedisiert zu sein. Durchayurvedisiert – tolles Wort! Dieses Frauenbild ist doch absolut verlogen! Es führt zur völligen Überforderung. Und wer ist schuld? Ich denke, das kommt daher, dass diese Sheryl Sandberg … 4 „ICH HASSE SELBSTOPTIMIERUNG!“ Und sie hasst auch noch ein paar andere Dinge, die die moderne Gesellschaft mit sich bringt. Furtwängler ist eine Frau, die sich engagiert, die kämpft. Sie wäre bestimmt eine gute Ministerin „KOPFGESTEUERT – AUSSER WENN ICH SPIELE“ Sie meinen die Facebook-Chefin, Mutter von zwei Kindern und Buchautorin. Genau. Das geht, wenn überhaupt, nur mit richtig viel Kohle und einer Armada an Unterstützung, um alles so perfekt gestylt und gechillt zu schaffen: Megakarriere und tolle Kinder. Dieses Bild ist eine Riesen lüge. Irgendjemand geht dabei drauf. Über Ihr eigenes Frauenbild sagten Sie: „Ich war nicht hübsch, aber schlau.“ Wann haben Sie gemerkt, dass Sie das Sexsymbol für den intelligenteren Herrn sind? Huch! Bis heute nicht. Ich habe auch nie das Gefühl gehabt, gut auszuse hen. Ich fand mich zu knabenhaft. Das war ein richtiger Komplex von mir. Meine Mutter sagte dann auch noch, ich laufe wie ein Matrose. Und das stimmte auch. Das Gefühl, nicht weiblich genug zu sein, saß mir lange im Genick. Und heute? Wenn ich mich in Filmen sehe, oder auf Fotos, dann denke ich schon mal: „Wow, die Frau schaut ja klasse aus, echt cool!“ Aber dann sehe ich mich wieder morgens im Spiegel und denke: Oh nein, so sieht die Furt wängler also in Wirklichkeit aus. Das ist jetzt Koketterie. Nein. Eine Freundin, der ich neulich erzählt habe, dass da eine Frau ganz eifersüchtig reagiert hat, als ich mit deren Mann sprach, die sagte mir: Maria Furtwängler hat das saubere Image der leicht unterkühlten Blondine lange gepflegt. Was hinterm Vorhang lauerte, wusste keiner „Du bist ja auch eine sehr erotische Frau.“ WHAT??? ICH??? Sie sind also eher eine kopfgesteuerte? Ja, außer wenn ich spiele. Wenn ich Interviews gebe, ist alles kopf gesteuert, da ist vom Hals ab alles ausgeschaltet. Sie können Ihre Antworten auch gern tanzen … Ich will damit sagen: Ich bin mir meiner angeblichen Sexiness nicht bewusst. Das Alter … … ist eine permanente Kränkung. Eine einzige Demütigung. Eine gro ße Unverschämtheit. Und doch ist die einzige Chance, nicht alt zu wer den, früh zu sterben. Dann doch lieber alt werden. Werden Sie es hinnehmen? Das sage ich Ihnen in zehn Jahren, wenn ich durchgeliftet bin. (lacht) Ich finde es furchtbar, wenn Schau spielerinnen so tun, als würden sie mit Gurkenmasken und viel Schlaf auskommen. Das ist Dummverkau fe. Ich hoffe jedenfalls, dass ich nichts mache, was mich entstellen wird. Pralle Bäckchen, dicke Lippen, das sieht auf Fotos zwar jünger aus. Aber es ist dann eben nicht mehr das Gesicht, das zu mir gehört, das ich mir erlitten und erlacht habe. Aber es ist in meinem Beruf sicher beson ders schwer, mit Würde zu altern. Hildegard Knef forderte Fotografen auf: Schön in die Fresse blitzen, Jungs! Was ist Ihr Trick, auf Bildern faltenfrei auszusehen? Licht! Licht ist viel wichtiger als jedes Make-up. Stimmt es also, dass Ihnen bei Außenaufnahmen ein Baldachin überm Kopf gebaut wird, um harte Schatten zu vermeiden? Schön wär’s. Aber natürlich habe ich einen Instinkt dafür, was geht und was nicht geht. Licht von oben ist fast immer tödlich. Falsches Licht kann einen vernichten. In Badeanzug-Kabinen zum Beispiel. Oh ja! Da frag ich mich dann: Wol len die was verkaufen, oder wie? Im 1000. „Tatort“, der im Herbst ge sendet wird, da seh ich übrigens herrlich beschissen aus. Aber das ist da egal, weil es in der Filmsitua tion passt. Man darf sich vor lauter Angst, blöd auszuschauen, nicht die schauspielerische Freiheit nehmen. Ich bin da sehr viel entspannter geworden. Ein kleines Gedankenspiel: Wenn Sie bei einem Abendessen neben sich selbst sitzen würden, würden Sie sich mögen? Ich denke schon. Denn da würde je mand neben mir sitzen, der Humor hat, neugierig ist und zu großer Em pathie fähig. Solche Menschen mag ich. Gute Frage übrigens. Danke, die ist Richard David Precht eingefallen. Ich bin mir sicher, dass sich bei Din ners noch nie jemand neben mir gelangweilt hat. Ich kann mich aus dem Stand heraus unglaublich für Schraubenschlüssel interessieren, wenn mein Tischnachbar gerade Schraubenschlüsselfabrikant ist. Aber manchmal denke ich auch: Frag mich doch auch mal, was ich mache, du Rindviech! Was wäre Ihre Antwort? Das ist das Irre: In solchen Situatio nen stammle ich oft rum und win de mich. Vor Monaten noch bei einer großen Frauenkonferenz, zu der mich die Bundeskanzlerin einge 4 48 21.1.2016 laden hatte. Lauter Präsidentinnen, Vorstandschefinnen, Topfrauen. Da nuschelte ich dann: Hm, ja, also, ich mache ein bisschen Schauspielerei und so. Sie neigen zur kleinen Selbstentwertung? Ich wünschte, es hätte mir jemand beigebracht, auch mal zu sagen: Boah, bin ich gut, bin ich toll! Apropos toll: Das blaue Kleid, das Sie bei der Bambi-Verleihung trugen, hatte obenrum nur ein ganz schmales Lätzchen vor der Brust kleben, der Rest war nackt … Das sah nur so aus. Da war ein durchsichtiger Strumpfhosenstoff ringsum. Zeigen Sie Ihrem Mann vorher solche Ausgehkleider? Wenn ich meinem Mann früher was gezeigt habe, dann sagte er jedes Mal: Da ziehst du aber eine Jacke drüber, oder? Da habe ich es mir irgendwann abgewöhnt. Macht er noch Komplimente? Ja, klar! Ihm hat sogar der Film gut gefallen. Ich hatte Sorge, er schläft nach fünf Minuten ein, oder so. Er fand es nicht unangenehm, zuzusehen, wie Sie in einen Papierkorb kotzen? Nee. Das Meiste davon ist ja rausge schnitten worden, dabei habe ich so toll gekotzt! Verraten Sie uns, wie man das auf Kommando hinkriegt? Mit Wassermelone im Mund. Die flutscht am besten. Ein harter Übergang jetzt, aber: Würden Sie sagen, dass Sie eine freundliche Ehe führen oder eine glückliche? Uff. Ihr Mann sagte einmal: „Sie müssen Freunde haben, inklusive der Ehefrau.“ Die Frau als Freundin – spricht da ein Aufgeklärter oder ein Abgeklärter? Ein Ungeklärter vielleicht. (lacht) Klingt vielleicht banal, aber das A und O in einer langen Ehe ist Res pekt. Durch schwierige und gute Phasen hindurch. Die lange Dauer einer Ehe stellt ja einen ungeheuren Reichtum dar. Wenn man umein ander weiß, sich kennt und groß zügiger wird – mit sich und dem anderen. Das klingt jetzt ein bisschen un romantisch. 50 21.1.2016 Ich würde ja auch nicht behaupten, nach 25 Jahren noch eine wildromantische Ehe zu führen. Loki Schmidt hat einmal gesagt, das Geheimnis einer langen Ehe seien getrennte Schlafzimmer. Eine Option? Da ist sicher viel dran. Ich glaube vor allem, dass Liebe eine Geisteshaltung ist, eine Entscheidung. Und eine glückliche Ehe ist demnach Beschlusssache? Ja, das ist nichts, was man umsonst kriegt. Frau Furtwängler, Sie sind ein politischer Mensch, was haben Sie gedacht, als Sie vom SilvesterSkandal in Köln hörten? (Spricht jetzt derbes Bairisch) Ausländer raus, hob I g’dacht, des Boot is voll, hob I g’dacht. Der Seehofer un i sichern jetzt persönlich die boarischen Außengrenzen. Persönlich! Ernst gemeinte Leserbriefe in diesem Ton findet man tatsächlich in den Münchner Zeitungen. Ja leider. Im Ernst, ich bin schon empört darüber, wie einige Männer sich jetzt hinstellen und tönen. Männer, die sich noch nie um Frauenrechte geschert haben. Einige von denen haben damals sogar noch gegen das Gesetz der Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt! Ich finde es auch bedrückend, dass es jetzt gar nicht um das eigentliche Thema geht. Es geht nur darum, daraus politischen Profit zu schlagen. Was ist denn das eigentliche Thema? Die Frauen, denen das passiert ist. Das Sexualstrafrecht muss endlich verschärft werden. Das haben Regierung und Opposition soeben beschlossen. Die Gesetzesänderung reicht meiner Meinung nach nicht aus. Der Grundsatz „Nein heißt nein“ muss gelten: Jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung muss strafbar sein. 60 Prozent aller Frauen haben solche sexuellen Übergriffe schon erlebt. Wenn ich daran denke, wie oft ich als Schülerin auf dem Nachhauseweg belästigt wurde. Meistens Exhibitionisten, aber auch Zudringlichkeiten in der vollen U-Bahn oder unsittliches Begrapscht-werden im Vorbeigehen. Und jedes Mal war ich so geschockt und tief beschämt, dass ich mich nicht zur Wehr gesetzt habe. Frauen wird ja auch oft suggeriert, sie seien selber schuld, so wie sie sich gekleidet oder verhalten hätten. In Köln waren die Täter offenbar Migranten und Flüchtlinge. Aber das ist doch kein typisches Migrantenproblem! Wir leben doch in einem gesellschaftlichen Klima, in dem so ein Verhalten toleriert wird. Unfassbare 95 Prozent der Frauen, die in Deutschland sexuelle Gewalt erleben, bringen diese nicht zur Anzeige. Und wenn doch, werden 87 Prozent der Täter nicht verurteilt. Dennoch: Ist es nicht auch ein Problem, das jetzt aus repressiven, islamischen Gesellschaften zu uns eingewandert ist? Das patriarchalische Frauenbild ist in diesen Ländern sicher vorherrschend, und radikalere Strömungen in Nordafrika sind dabei, das zu zementieren. Das kollidiert dann schon mit unserer Weltanschauung. Müssen wir unsere Außendarstellung überdenken? Weniger sexy, weniger Porno, weniger Minirock? Ich meine jedenfalls, dass es gerade bei den jungen Frauen heute ein Missverständnis gibt. Viele meinen, sexuelle Selbstbestimmung bestehe darin, dass sie sich extrem ver äußern und alles zeigen; dass sie ihren Selbstwert über die Erregung und Geilheit des Mannes definieren. Darüber müssen wir nachdenken. Und die Politik muss das auch. Glauben Sie, dass Angela Merkel am Ende des Jahres noch Kanzlerin ist? Ich wünsche es mir! Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass sie heute die eine oder andere Äußerung oder manches Selfie bereut, ich sehe niemanden, dem ich im Moment eher zutrauen würde, die komplexe Situation wieder in den Griff zu bekommen. Ich wünsche es mir unbedingt! Gerade jetzt! (Frau Furtwängler haut nun sehr fest mit der Hand auf den Tisch.) 2 Ulrike Posche und Kester Schlenz trafen die „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler in München zum Verhör. Sie erlebten eine coole, souveräne und sehr offene Frau, die ab 13 Uhr vor allem an eines dachte: Endlich was essen!
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