KinderBrandBrief and Herrn Brodkorb, Minister für Bildung im Lande

KinderBrandBrief and Herrn Brodkorb, Minister für Bildung im Lande
Mecklenburg Vorpommern
Fritz und Frida von der Insel Ummanz
Hallo Du, Herr Brodkorb,
Vor ein paar Monaten wurde bei uns die Schulzeit mitten in die Nacht gelegt. Das soll heißen, dass
wir, also meine Schwester, 6 Jahre und ich, 8 Jahre, jetzt immer schon mitten in der Nacht aufstehen
müssen, damit wir zum Lernen in die Schule kommen. Das Dumme ist nur, dass wir so früh gar nichts
lernen können und dann in der Schule auch bloß schlafen… zumindest die ersten Stunden ist das so.
Die großen Leute, die das entschieden haben, sagen zu unseren Eltern, dass hätte mit den Bussen zu
tun. Die können uns Schulkinder nämlich nur zu den Zeiten rumfahren wo auch ja kein Tourist
vielleicht mal irgendwo in einen Bus einsteigen will und darum bleibt für uns jetzt nur noch die Nacht
für die Schule. Das ist aber total blöd für uns. Wir werden jetzt mal versuchen Dir das zu erklären
Herr Minister.
Die circadiane Uhr… entschuldige Herr Brodkorb, aber die Mutter schaut uns gerade über die
Schulter und meint, wir sollen nicht so schwere Wörter verwenden, schließlich schreiben wir ja an
einen Minister… Also gut, die innere Uhr ist nämlich eine ganz wichtige Sache und wenn man an der
rumschraubt, dann wird man ganz krank, also zum Beispiel wird man dick und kriegt Zucker, also
Süßes. Das soll ganz schlecht sein. Wir merken auch selbst, dass wir viel misslauniger, also böser sind,
wenn wir immer so früh raus müssen. Dann ist es ganz schwer zu seinen Mitschülern nett zu sein…
oder zu den Lehrern. Die anderen sind dann auch nicht nett zu uns und das macht uns sehr traurig.
Wir sind auch viel mehr krank als früher und irgendeiner von uns hat fast immer früh
Bauchschmerzen. Das war früher nicht so. Wir meinen früher, als wir noch nicht mitten in der Nacht
raus und in die Schule mussten.
Leider kriegen wir auch schlechtere Noten als vor den neuen Schulzeiten. Wir können uns einfach so
früh nicht konzentrieren und der fehlende Schlaf sorgt dann dafür, dass wir auch am Rest des
Schultages nicht richtig dabei sein können. Wir haben das auch dem Herrn Direktor gesagt, dass uns
das nicht gefällt, aber der hat uns nur angelogen. Der hat gesagt, wir sollen unsere Eltern bitten, dass
die uns früher ins Bett stecken. Dabei weiß doch jeder, dass man das mit einem festen Chronotypen
gar nicht tun kann. Oh, entschuldige Minister, schon wieder so ein schweres Wort für Dich. Aber
vielleicht kannst Du einfach jemanden fragen, der es Dir erklärt, denn wir können das ja nun nicht
auch noch machen.
Das weißt Du sicher alles schon, denn Du bist ja der gebildete Minister… oder hieß das Minister für
Bildung? Na egal, aber genau darum verstehen wir auch nicht, warum Du zulässt, dass uns die
Großen Leute, die diese komischen Pläne machen, so quälen dürfen. Im Radio hieß es, dass Du
gesagt haben sollst, es gäbe keinen „Handlungsbedarf“ – Mann eh, so ein schweres Wort. Das
können wir Kinder hier auf Westrügen wirklich nicht verstehen. Unser kleiner Bruder, der ist erst 4
und manchmal noch ganz schön frech, behauptet ja, dass Du das alles mit Absicht machst. Der sagt,
Du willst gar nicht, dass wir richtig klug werden, weil wir dann später nicht mehr blöd genug sind Dich
zu wählen. Der hat Ideen, was?
Gerne würden wir noch sehr viel lernen, aber unter diesen Umständen geht das einfach nicht richtig.
Klar, Schreiben und Lesen, das werden wir schon noch irgendwie schaffen. Dann können wir auch, so
wie Du das mal gemacht hast, ein paar Kindern aus der Klasse aus „Mein Kampf“ vorlesen. Papa hat
das Buch auch im Regal, aber er hat es auf Spanisch. Da heißt es „Mi Lucha“, was vermutlich „Mein
Lutscher“ bedeutet und uns sagen soll, dass man für seine Sachen kämpfen muss. Das ist eine tolle
Botschaft und sicher war genau das der Grund, warum Du damals aus dem Buch vorgelesen hast,
oder? Wir sollen für unsere Zukunft kämpfen, nicht wahr? Na gut, Du tust ja nichts für uns, also
müssen wir selbst etwas machen. Wir schreiben Dir einfach jede Woche einen Brief, bis sich etwas
ändert.
Weitere Publikationen (z.T. auch in engl. Sprache):
„7 Tage oder wie erkläre ich meinem sterbenden Kind die Welt“
„Der kleine Jakob“
„Kernwaffenfähig“
Auf www.verlag-zumkranich.de außerdem erhältlich: