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Fachartikel InfoPunkt / Matthias Frieling / 06.01.2016
INFOPUNKT
OPTIMIERTE FAHRZEUGDISPOSITION IM ÖPNV DURCH BETRIEBSHOF-MANAGEMENTSYSTEME
In ÖPNV-Verkehrsbetrieben wurden in den letzten Jahren viele Prozesse u.a. durch den Einsatz von ÖPNVspezifischen Software-Lösungen optimiert. Im Fokus einiger Verkehrsbetriebe in jüngster Vergangenheit stand
auch das Thema "Betriebshofmanagement" als Bindeglied/Schnittstelle zwischen den typischen organisatorischen
Bereichen Betrieb/Leitstelle und Technik/Werkstatt in ÖPNV-Verkehrsunternehmen.
Typische Zeitdiebe und Kostentreiber im Bereich der Fahrzeug-Disposition sind u.a.:
• die eigentliche Disposition der Fahrzeuge (insbesondere die nächtliche Disposition des Frühauslaufs) nach
definierten Vorgaben (d.h. welcher Fahrzeugtyp auf bestimmten Linien zum Einsatz kommen soll) inkl.
Monitoring des ordnungsgemäßen Auslaufs,
• das Suchen und Auffinden von Fahrzeugen auf dem Betriebshof,
• die Abstimmung zwischen Betrieb und Werkstatt bzgl. Fahrzeug-Anforderungen, -Status und -Verfügbarkeiten,
insbesondere bei unerwartetem Austausch von Fahrzeugen, Sonderfahrten und der Berücksichtigung unterschiedlicher Fahrzeugtypen auf bestimmten Linien.
Insbesondere durch den zusätzlichen Einsatz von Ortungstechnik (das heißt z.B. durch das automatische Erkennen von Fahrzeugen an bestimmten Antennen und anschließender Zuordnung der Fahrzeuge zu bestimmten
Orten auf dem Betriebsgelände) ist der aktuelle Aufenthaltsort jedes einzelnen Fahrzeugs für alle am Prozess der
Disposition beteiligten Mitarbeiter jederzeit eindeutig im Betriebshofmanagementsystem ablesbar.
FUNKTIONEN UND NUTZEN EINES BETRIEBSHOFMANAGEMENTSYSTEMS
Das Ziel der Verkehrsunternehmen ist der optimierte Einsatz der vorhandenen Fahrzeug-Kapazitäten bzw. die
Reduzierung der Fahrzeug-Reserve sowie die Optimierung des Personal-Einsatzes in den relevanten Bereichen.
Fahrzeuge, die im Bestand eines Verkehrsbetriebes sind, sollen möglichst viel ihres Lebenszyklus im (Linien-)
Einsatz sein und möglichst wenige und kurze Standzeiten auf dem Betriebshof und in der Werkstatt haben.
Betriebshofmanagementsysteme können zur Erreichung der Ziele einen großen Beitrag leisten, indem bspw. die
Abstellzeiten auf dem Betriebshof reduziert werden. Durch Vermeidung unnötiger Rangierarbeiten im Stellplatzbereich durch vorausschauende Planung können nach Einfahrt des Fahrzeugs (nach der Rückkehr aus dem Linienbetrieb) auf den Betriebshof nachfolgende Maßnahmen durch den Einsatz eines Betriebshofmanagementsystems
optimiert werden.
•
Optimierung des Fahrzeug-Bestandes: Die Vorgaben, welcher Fahrzeug-Typ auf bestimmten Linien bzw.
Umläufen eingesetzt werden soll, kommen aus dem Fahr-/Dienstplan-Büro unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie z.B. Anzahl erwarteter Fahrgäste, Streckenverlauf, etc.
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•
Die relevanten Fahraufträge des Linienverkehrs sowie die Zuordnung der Fahrer werden über eine Schnittstelle aus dem Personaldispositionssystem in das Betriebshofmanagementsystem importiert. Die Fahrer sehen
auf einem Anzeige-Terminal in der sog. „Dienstantrittsliste“ im Betriebshofmanagementsystem das ihnen bzw.
ihrem Dienst zugewiesene Fahrzeug und den Standort des Fahrzeugs. Die Fahrer melden sich mit ihrem Mitarbeiter-Ausweis am Zeiterfassungs-Terminal an; in der „Dienstantrittsliste“ werden diese entsprechend grün
markiert. Bei Nicht-Anmeldung (z.B. bei Verspätung) werden diese in roter Hintergrundfarbe markiert. Wird für
ein disponiertes Fahrzeug zur geplanten Uhrzeit keine Ausfahrt vom Betriebshof über das angebundene Ortungssystem erkannt, so wird dieses im Betriebshofmanagementsystem entsprechend angezeigt. Das Betriebshofmanagementsystem dient also der Überwachung des ordnungsgemäßen Auslaufs.
•
Anzeige des Abstell-Parkplatzes unter Berücksichtigung des Fahrzeug-Zustands und des kurzfristigen Fahrzeug-Bedarfs, z.B.
• Reicht der Kraftstoff-Vorrat noch für einen weiteren Einsatz?
• Wann steht die nächste Innen-/Außen-Reinigung an?
• Wurden bereits Mängel für das Fahrzeug aufgenommen oder besteht seitens des Werkstatt-Bereichs eine
Fahrzeug-Anforderung (z.B. aufgrund technischer oder gesetzlicher Untersuchungen, etc.)?
• Wird ein solcher Fahrzeugtyp für unmittelbar anstehende Ausläufe benötigt?
Können diese Fragen IT-gestützt durch ein Betriebshofmanagementsystem direkt nach der Einfahrt eines
Fahrzeugs automatisiert beantwortet werden, so kann dem Fahrer z.B. über auf dem Betriebshof aufgebauten
Displays der anzusteuernde Stellplatz (z.B. Abstellhalle, Tank-/Waschhalle, Werkstatt oder Stauraum) angezeigt und das Fahrzeug an den Bereich "Werkstatt/Service" übergeben werden.
•
In Kombination mit Werkstattmanagementsystemen können die anstehenden Folgearbeiten optimiert werden:
Entweder durch von der Werkstatt selbst geplanten Werkstatt-Anforderungen oder durch Einsicht in die
"Rückkehrer-Liste" im Betriebshofmanagementsystem wissen die Werkstatt-Mitarbeiter, welche Fahrzeuge sie
im Verlaufe des Tages "hereinbekommen" und können so die erforderlichen Werkstatt-Mitarbeiter und Ersatzteile einplanen und ggf. mehrere Tätigkeiten aufeinander abstimmen und abarbeiten.
•
Werkstatt-Meister „planen“ den Fahrzeugbedarf des Folgetages, d.h. welche Fahrzeuge zwar (bedingt) einsatzbereit sind, aber am nächsten Tag entweder nach Möglichkeit nicht disponiert oder nur für einen Kurzeinsatz (z.B. zur Abdeckung der "Früh-Spitze" im Schüler- und Berufsverkehr) disponiert werden; nach Möglichkeit werden diese Fahrzeuge schon so geparkt (oder erhalten eine entsprechende Kennzeichnung), dass eine
automatische Zuteilung zu diesen sog. Kurzeinsätzen problemlos und automatisiert funktioniert. Das im Betriebshofmanagementsystem definierte relevante Kriterium ist also die Rückkehr-Uhrzeit des Fahrzeugs auf
den Betriebshof; das Betriebshofmanagementsystem teilt im Rahmen der automatischen Disposition diesen
Fahrzeugen nur solche Fahraufträge zu, die planmäßig zu der definierten Uhrzeit beendet sind.
•
Zum Ende des Tages kehren vermehrt die Fahrzeuge auf den Betriebshof zurück; diese werden getankt und
gereinigt, ggf. kleinere Reparaturen durchgeführt und auf entsprechende Spuren in der Abstellhalle geparkt.
Fahrzeuge, die für den nächsten Tag nicht einsatzbereit sind, werden im Status auf „Nicht betriebsbereit“ gesetzt. Sobald in der Nacht ausreichend betriebsbereite Fahrzeuge in der Abstellhalle zur Verfügung stehen,
beginnt der „automatische Dispositionsprozess“ im Betriebshofmanagementsystem:
• Die automatische Disposition der Fahrzeuge erfolgt nach bestimmten Vorgaben, wie z.B. Bustyp (Solooder Gelenk-Bus, Klimatisierung der Fahrzeuge, Antrieb (Diesel- oder Hybrid) oder Ausstattung mit Fahrgastzählsystemen).
• Bedingt betriebsbereite Fahrzeuge oder von der Werkstatt angeforderte Fahrzeuge werden maximal nur
für einen Kurzeinsatz disponiert.
•
Der Einsatz eines Betriebshofmanagementsystems eröffnet die Möglichkeit weiterer papierloser Prozesse,
indem der erforderliche Abstimmungsaufwand zwischen Leitstelle und Werkstatt, der sonst außerhalb eines
Systems z.B. über E-Mail, Fax, Telefon stattfindet, nun direkt im System stattfinden kann ("das Betriebshofmanagementsystem ist die Kommunikations-Drehscheibe").
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Die folgende Abbildung stellt die typischen Prozesse im Tagesablauf auf einem Betriebshof in zeitlicher Abfolge in
den Bereichen Leitstelle und Werkstatt dar:
Im Hintergrund eingezeichnet ist ebenfalls die sog. Tagesganglinie, d.h. ein typischer Kurvenverlauf, der die Anzahl benötigter Fahrzeuge im Tagesverlauf zeigt. Die "kritische" Uhrzeit mit dem höchsten Fahrzeugbedarf ist
zwischen 7:00 und 8:00 Uhr, d.h. zur Abdeckung des Schüler- und Berufsverkehrs werden die meisten Busse
benötigt.
Das Betriebshofmanagement wird typischerweise von folgenden Anwendergruppen genutzt:
1) Bereich Betrieb/Leitstelle
• (automatische) Fahrzeug-Disposition
• Fahrer-Anwesenheitskontrolle und Überwachung des (pünktlichen) Auslaufs
• Protokollierung von Fahrzeug-Defekten auf Strecke und Organisation von Tausch-Fahrzeugen
• Erfassung von Mängeln
2) Bereich Technik/Werkstatt
• Auffinden von Fahrzeugen auf dem Betriebshof (in Kombination mit Ortungstechnik)
• Abarbeitung von Mängeln (ggf. Übernahme der Mängel in Aufträge im Werkstattmanagementsystem)
• Setzen des Einsatzstatus eines Fahrzeugs
• Stellen von Fahrzeuganforderungen und somit Beeinflussung der Kurzeinsätze
• Einsicht in die Rückkehrzeiten von Fahrzeugen
• Erstellen von Auswertungen (z.B. Ausfallstatistiken, etc.)
INTEGRATION IN BESTEHENDE SYSTEMLANDSCHAFT
Die folgende Abbildung zeigt eine exemplarische Integration des Betriebshofmanagementsystems in eine typische
IT-Systemlandschaft eines ÖPNV-Verkehrsunternehmens:
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Exemplarisches Schaubild zur Integration des Betriebshofmanagementsystems
Zeiterfassung
(Anmelde-Terminals)
Automatisches
Fahrgastzählsystem
Zeitbuchung /
Anwesenheit
Tankdatensystem
Tankdaten und berechtigungen,
etc.
Linien/Kurse
Fahrzeug-Anforderungen
Fahr-/
Dienstplanung
Umläufe, Dienste
Personaldisposition
Fahrzeug-Status
Fahraufträge
Dienstantrittsliste
Betriebshofmanagement
Rückkehrer
Werkstattmanagement /
Instandhaltung
Fahrer-Anzeige
(Dienstantritt)
Ortungsdaten
Steuerungsdaten
Mängelmanagement
OrtungsSoftware
Je nach Anbieter können die Schnittstellen variieren; es sind integrierte Systeme von Herstellern auf dem Markt,
die verschiedene der o.g. Systeme in ihrem Portfolio haben.
Aus organisatorischen Aspekten betrachtet gehört das Betriebshofmanagement tendenziell eher zum Bereich
"Betrieb". Aufgrund der engen Verzahnung zum Mängelmanagement, des Fahrzeug-Status als relevantes Kriterium und da das Fahrzeug das von beiden Bereichen gemeinsam genutzte Objekt darstellt, sollte eine Integration
zum Werkstattmanagement und damit eine gemeinsame Nutzung der Bereiche Betrieb und Technik sinnvollerweise angestrebt werden.
FAZIT
In einem Betriebshofmanagementsystem laufen viele Informationen zusammen. Alle beteiligten Mitarbeiter haben
Zugriff auf die gleichen Daten, z.B. über den Fahrzeugzustand, momentane Einsatzsituation und Werkstattaufenthalte. Es sind automatisierte Prozessüberwachungen möglich, die Abweichungen (z.B. Fahrer noch nicht zum
Dienstantritt angemeldet, verspätete Ein-/Ausfahrt, Fahrzeug-Bedarf übersteigt den Fahrzeug-Bestand betriebsbereiter Fahrzeuge, etc.) erkennen und Nachrichten an die am Prozess beteiligten Mitarbeiter schicken.
IHRE ANSPRECHPARTNER
Bitte nutzen Sie folgende Kontakte, um weitere Informationen zum Thema "Betriebshofmanagementsysteme im
ÖPNV" zu erhalten:
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Matthias Frieling, Seniorberater Anwendungen und Prozesse ([email protected])
Dietmar Rosendahl, Berater Anwendungen und Prozesse ([email protected])
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