Trockengelegt – Brenner vor dem Aus?

Betriebsleitung
Trockengelegt –
Brenner vor dem Aus?
Das deutsche Branntweinmonopol hat viele Stürme überstanden. Jetzt kommt das
Ende: 2013 zunächst für Verschlussbrennereien, 2017 dann auch für Obst- und Kleinbrenner. Lohnt sich das „Verspriten“ dann noch?
Kein Garantiepreis mehr: Das Brennen
von Getreide und Kartoffeln war bisher wirtschaftlich interessant, weil in
Deutschland die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein einen Garantiepreis
für Rohalkohol bezahlte. Dieser wurde
auf Basis der Vollkosten ermittelt und
war nach der Höhe des Brennrechtes gestaffelt. Zuletzt zahlte das Monopol
durchschnittlich 130 €/hl. Damit war der
Garantiepreis etwa doppelt so hoch wie
der Marktpreis in der EU. Aufbereiteter
Agraralkohol kostete zuletzt 75 €/hl.
Der EU-Kommission ist dieses System
wegen seiner produktionsbezogenen Beihilfen schon lange ein Dorn im Auge.
Dennoch wurde das deutsche Branntweinmonopol immer wieder verlängert.
Ende dieses Jahres ist damit aber endgültig Schluss. Ab 2014 müssen sich die
Brenner am freien Markt bewähren. Sie
sind dann zwar nicht mehr an ihr Kon-
32
top agrar 7/2013
tingent gebunden und dürfen soviel
Rohalkohol erzeugen, wie sie wollen.
Dafür können sie diesen aber nur noch
zu Marktpreisen verkaufen.
Als Ausgleich für den Wegfall ihrer
Brennrechte und als Umstiegsbeihilfe erhalten die Verschlussbrennereien vom
Staat fünf Jahre lang einen Ausgleichsbeitrag von 51,50 €/hl Brennrecht. Das
entspricht aktuell etwa der Differenz
zwischen staatlichem Garantiepreis und
Marktpreis.
Die Beihilfe ist nicht zweckgebunden,
sodass die Brennereien das Geld auch
zum Aufbau anderer Betriebszweige verwenden können, zum Beispiel für die
Energieerzeugung (s. Reportage S. 38).
mindestens 96 % Ethanol für die Lebensmittelverarbeitung oder industrielle Verwertung nutzbar ist.
Reinigungsanlage kaufen? Eine Grup-
pe von 62 landwirtschaftlichen Brennereien aus Niedersachsen und Bayern
überlegt aktuell, die Reinigungsanlage in
München gemeinsam zu pachten und zu
betreiben. Dahinter steckt die Überlegung: Nur wer selbst reinigt und aufbereitet, kann auch aktiv vermarkten und
Marktsegmente mit hoher Wertschöpfung besetzen.
Ein Haken ist die Größe der Anlage.
Um die Reinigungskosten auf 12 bis
14 €/hl zu drücken, müssten die Betreiber deren Kapazität von 300 000 hl pro
Jahr auslasten. Zum Vergleich: Die
Rohalkoholanlieferung aller Verschlussbrenner in Deutschland lag zuletzt bei
rund 600 000 hl.
Zudem wächst auf der Vermarktungsseite der Wettbewerb. Die SüdzuckerTochter „CropEnergies“ hat kürzlich angekündigt, am Standort Zeitz 27 Mio. €
in den Bau einer Veredlungsanlage zur
Herstellung von hochwertigem Neutralalkohol in Lebensmittelqualität zu investieren. Die Inbetriebnahme der Anlage mit einer Kapazität von 600 000 hl
Neutralalkohol ist für 2015 geplant. Das
entspricht etwa der Menge, die bisher
das Monopol erzeugt hat.
Finanziell dürfte die Investition für
den Bioethanol-Riesen kein Problem
sein. CropEnergies brennt allein in Zeitz
jährlich 3,6 Mio. hl Ethanol aus Getreide
und Rübensirup und hat damit im abgelaufenen Geschäftsjahr 87 Mio. € Gewinn gemacht.
Dass der Bioethanolhersteller attraktive Renditen erwirtschaftet, hat mit der
Verwertung der Schlempen zu tun.
CropEnergies trocknet und pelletiert
diese und vermarktet sie als hochwertiges Eiweißfuttermittel mit 29 % Rohprotein unter dem Namen Protigrain.
Auch hier können die meisten landwirtschaftlichen Brennereien nicht mithalten, weil ihre Anlagen für das Trocknen der Schlempen zu klein sind. Lediglich Brennereien, die selbst über eine
Viehhaltung mit Flüssigfütterung oder
eine Biogasanlage verfügen, können die
Schlempen rentabel verwerten.
20 bis 25 €/hl fehlen. Eine gute Ver-
wertung der Nebenprodukte allein wird
aber nicht reichen, damit landwirtschaftliche Brenner am Markt bestehen kön-
Die Abwicklung läuft: Die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat
ihre Reinigungsanlage in Wittenberg
bereits an einen industriellen
Alkoholhersteller verkauft.
Viele hören auf. Weil die Beihilfe be-
fristet ist, werden wohl nur wenige landwirtschaftliche Korn- und Kartoffelbrenner weiter Alkohol erzeugen. „Für die industrielle Verwertung sind die meisten
von uns zu klein und für die Direktvermarktung von Spirituosen zu groß“, beschreibt Martin Empl, der dem Bundesverband deutscher Kartoffelbrenner vorsitzt, das Dilemma.
In der Tat haben die landwirtschaftlichen Brenner beim Rennen um die Kostenführerschaft entscheidende Nachteile.
So bewegen sich industrielle Hersteller
in ganz anderen Größenordnungen. Die
Euro-Alkohol GmbH im westfälischen
Lüdinghausen erzeugt zum Beispiel jährlich 180 000 hl Korn- und Getreidedestillate und vermarktet diese weltweit.
Die größten landwirtschaftlichen Brennereien erreichen gerade mal 10 000 hl.
Hinzu kommt ein weiteres Problem.
Landwirtschaftliche Brennereien können
nur Rohalkohol mit einem Ethanolgehalt
von rund 85 % herstellen. Dieser Rohstoff muss jedoch noch großtechnisch
gereinigt und aufbereitet werden, bevor
er als Neutralalkohol („Primasprit“) mit
Foto: Bundesmonopolverwaltung für Branntwein
W
enn Martin Empl seine Brennerei betritt, beschleicht ihn
Wehmut. Wie es aussieht, kann
der Landwirt aus Augsburg die Produktionsanlage, mit der er bisher jährlich
3 000 hl Rohalkohol aus Feuchtmais gebrannt hat, künftig nicht mehr nutzen.
Denn sogenannte Verschlussbrenner,
die Getreide, Mais und Kartoffeln zu Alkohol unter Aufsicht der Zollverwaltung
brennen, können dieses Jahr letztmals
Rohalkohol an die staatliche Monopolverwaltung liefern. Danach ist Schluss.
Und Empl hat sein Brennkontingent für
2013 bereits ausgeschöpft.
Experten gehen davon aus, dass die
meisten der noch knapp 500 verbliebenen landwirtschaftlichen Verschlussbrennereien die Herstellung von Alkohol beenden. Viele dieser Brennereien
sind genossenschaftlich organisiert, sodass mehrere tausend landwirtschaftliche Betriebe davon betroffen sind.
Bisher hat diesen Part die Bundesmonopolverwaltung in ihren drei Aufbereitungsanlagen in München, Nürnberg und
Wittenberg übernommen. Die Anlage in
Wittenberg wurde bereits an das Chemieunternehmen Brüggemann verkauft,
das inzwischen mit einigen Brennereien
Abnahmeverträge für Rohalkohol abgeschlossen hat. Das Werk in Nürnberg ist
stillgelegt und dient nur noch als Lager.
Nur die Anlage in München läuft noch.
top agrar 7/2013
33
Foto: Dorsch
Betriebsleitung
Martin Empl erwirtschaftete bisher 60 % seines Betriebsumsatzes mit der Brennerei.
Wie bei den meisten Verschlussbrennereien steht die Produktion nun still.
nen – zumindest dann, wenn sie für den
Massenmarkt produzieren. Daran wird
sich auch nichts ändern, wenn sich Hersteller von Agraralkohol zu Erzeugergemeinschaften zusammenschließen, was
der Gesetzgeber im neuen Agrarmarktstrukturgesetz ausdrücklich erlaubt.
Bei den aktuellen Marktpreisen für
Alkohol und Getreide ist das Brennen
für landwirtschaftliche Verschlussbrenner nicht wirtschaftlich. Allein der
Rohstoff Getreide belastet bei Preisen
von 20 €/dt den Liter Rohalkohol mit 52
bis 54 €/hl. Aufbereitung und Transport kosten weitere 16 bis 18 €/hl. In
der Summe entspricht das bereits fast
dem aktuellen Erlös für Rohalkohol.
Der komplette Aufwand für das Brennen von den variablen über die festen
Kosten bis hin zum Arbeitsaufwand ist
damit aber noch nicht abgedeckt. „Wir
bräuchten mindestens 20 bis 25 €/hl
mehr, als der aktuelle Marktpreis hergibt,
um unsere Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können“, folgert Empl.
Andererseits ist noch nicht klar, wie
sich der Alkoholmarkt nach Ende des
Monopols entwickelt. Einige Brenner
hoffen, dass die Marktpreise steigen und
spezielle Segmente knapp und teurer
werden könnten. Sie wollen deshalb zunächst die Entwicklung abwarten und
erst in ein oder zwei Jahren eine Entscheidung treffen, ob sie weiterbrennen
oder ihre Anlagen verschrotten.
Marktbeobachter gehen aber davon
aus, dass bäuerliche Erzeuger von Agraralkohol nur dann Chancen haben, wenn
34
top agrar 7/2013
sie Marktnischen besetzen und Premiumprodukte mit hoher Wertschöpfung
erzeugen. Das kann die Herstellung besonderer Rohprodukte (z. B. reiner Kartoffelalkohol) oder von Spirituosen-Spezialitäten (z. B. Wodka) mit Direktvermarktung sein.
Obstbrenner liefern bis 2017. Doch
auch auf dem Markt für regionale Spezialitäten dürfte es künftig enger werden.
Denn das Ende des Branntweinmonopols zwingt auch die rund 18 000 noch
aktiven Abfindungsbrenner in Deutsch-
land, sich noch stärker am Markt zu orientieren.
Abfindungsbrenner sind Obst- und
Kleinbrenner, die aus Obst und Getreide
brennen dürfen und dafür einen niedrigeren Steuersatz eingeräumt bekommen
(siehe Kasten „Diese Brenner trifft es“).
Die Menge an Alkohol, die sie nicht
selbst vermarkten können, dürfen sie bisher ans staatliche Monopol liefern. Dafür
bekommen sie einen Garantiepreis, der
etwa doppelt so hoch ist wie der für
die Verschlussbrennereien. Der staatliche
Ankauf der überschüssigen Alkoholmengen läuft jedoch 2017 aus. Nur die Steuerermäßigung soll bleiben.
Nach Angaben des Bundesverbandes
der Obst- und Kleinbrenner verarbeiten
die Abfindungsbrenner bisher rund 40 %
des von ihnen erzeugten Rohalkohols zu
Spirituosen, die restlichen 60 % liefern
sie ans Monopol. Das heißt: Die Obstbrenner müssen in den Direktabsatz einsteigen oder diesen steigern, wenn sie
weiter brennen wollen. Denn am Massenmarkt haben sie wegen der höheren
Produktionskosten pro Liter Alkohol
noch weniger Chancen als die Verschlussbrennereien.
Hubert Fröhlich, Vorsitzender des
Fränkischen Klein- und Obstbrennerverbandes, geht davon aus, dass nur ein Teil
der Betriebe diesen Weg gehen wird. „Etwa 10 % meiner Kollegen bereiten sich
auf den freien Markt vor, der Rest wartet
ab“, beschreibt Fröhlich die Situation in
seinem Verband. Viele ältere Brenner
werden nach Fröhlichs Einschätzung
nicht mehr mit der Direktvermarktung
beginnen, weil dies sehr viel Energie und
Investitionen erfordert.
Trotzdem ist die Stimmung unter den
Diese Brenner trifft es
Das deutsche Branntweinmonopol
hat bisher zwei Arten von Brennereien geschützt:
• Die landwirtschaftlichen Verschlussbrennereien haben aus Kartoffeln,
Getreide und Mais Rohalkohol
gebrannt, wobei der Brennbehälter
durch ein Schauglas verschlossen ist.
Der Alkohol wurde in einem plombierten Vorratsbehälter aufgefangen
und dann vom Zoll komplett abgeholt. Die Produktionsmenge war
durch das Brennrecht gedeckelt. Die
rund 500 Verschlussbrennereien
haben 2011/12 die Ernte von rund
15 000 ha verspritet.
• Die Abfindungsbrenner sind Obst-
und Kleinbrenner, die ohne Zollverschluss brennen. Der erzeugte
Alkohol wird über amtlich festgesetzte Ausbeutesätze auf Basis der
Maischen ermittelt. Die Sätze sind so
festgelegt, dass den Brennern eine
steuerfreie Überausbeute von bis zu
40 % bleibt.
Das Brennrecht der Obst- und
Kleinbrenner ist auf 300 Liter reinen
Alkohol begrenzt. Die rund 18 000
Abfindungsbrenner können den von
ihnen erzeugten Alkohol entweder
steuer-ermäßigt (10,22 € statt regulär
13,03 €/Liter Alkohol) als Spirituosen
verkaufen oder bis 2017 noch an das
Monopol liefern.
Betriebsleitung
„Wir könnten noch mehr verkaufen“
und nach ihr Produktsortiment.
Mittlerweile haben sie 20 Brände und
16 Liköre im Angebot. Eine besondere Spezialität ist selbstgebrannter
Whisky, der in Rhöneichenfässern
lagert.
Inzwischen hat sich der Spirituosenverkauf zu einem wichtigen
Standbein entwickelt. „Die Brennerei
steuert ein Drittel zu unserem
Gesamtumsatz bei“, sagt Anton
Bischof. Allerdings ist auch der
Arbeitsaufwand gestiegen. Der
Landwirt hat deshalb die Schweinemast mit 500 Plätzen aufgegeben und
die Ställe an einen Berufskollegen
verpachtet. Den Marktfruchtbau mit
80 ha führt er aber weiter.
Foto: Dorsch
Anton Bischof hat vor 18 Jahren auf Edelbrände umgestellt.
Die Nachfrage nach seinen Spirituosen wächst so stark, dass
sein Brennrecht nicht mehr reicht.
Anton Bischof hat in eine hochwertige Brennereianlage investiert und erzeugt dort
Edelbrände. Tochter Franziska überlegt jetzt, in die Brennerei einzusteigen.
A
ls 1995 die alte Brennerei am
Ende war, stand Anton Bischof
vor der Frage: Entweder wir erzeugen
Spezialitäten oder wir stellen das
Brennen ein.
Der Ackerbauer und Schweinehalter aus Wartmannsroth in der Rhön
entschied sich mit seiner Frau Anna
fürs Weiterbrennen. Sie investierten
in eine aufwendige Anlage mit
Rührwerk in der Brennblase und
verfeinerten nach und nach die
Herstellung ihrer Obstbrände.
Bischofs haben zwar auch eigene
Streuobstbestände. Sie kaufen aber
das meiste Obst aus dem Maintal zu.
Weil sie ein Obstbrennrecht haben, ist
das zulässig.
Anton Bischof achtet bereits beim
Obst streng auf Qualität. So müssen
die Früchte gut reif sein und dürfen
keine Faulstellen haben. Er beschleunigt die Gärung der Maischen mit
Obsthefen, beginnt aber nach Ende
der Gärung sofort mit dem Brennen.
36
top agrar 7/2013
Das Rührwerk in der Brennblase sorgt
für eine gleichmäßige Erhitzung der
Maische. Nach dem Brennen reinigt
Bischof die Anlage mit einer HochdruckSprühanlage, damit auf den Kupferoberflächen der Anlage keine Spuren des
Brandes übrig bleiben. Damit der
Schnaps reifen kann, lagert der Landwirt
Kernobstbrände mindestens ein Jahr,
Steinobstbrände mindestens zwei Jahre.
Professionelle Vermarktung: Parallel
zur Qualitätsverbesserung professionalisierten Bischofs Marketing und Vertrieb.
Sie richteten einen Verkaufsraum im
Keller ihres Hauses ein und ließen von
einer Grafikerin eigene Etiketten mit
Auszügen aus dem Familienwappen
entwerfen.
Seit drei Jahren verkaufen sie die Edelbrände übers Internet. Und vor einem
Jahr investierten sie in einen Verkaufswagen, den sie in einer Schäferwagen-Manufaktur fertigen ließen.
Zudem verbreiterten Bischofs nach
Verschlussbrennerei kaufen? Das
Auslaufen des Branntweinmonopols
stellt für den Brenner aus der Rhön
im Prinzip keine große Hürde dar,
weil er ohnehin schon sehr viel direkt
vermarktet. Das Problem ist vielmehr,
dass die Nachfrage größer ist als seine
Produktionsmenge. Als Abfindungsbrenner ist er an sein Brennrecht von
300 Liter reinen Alkohol gebunden.
Weil das auch nach Auslaufen des
Monopols so bleibt, sind seine
Erweiterungsmöglichkeiten sehr
begrenzt.
Bischofs spielen deshalb mit dem
Gedanken, eine gewerbliche Verschlussbrennerei zu kaufen. Ein
weiterer Grund: Tochter Franziska,
die in Italien Tourismus und Betriebswirtschaft studiert hat, überlegt
ernsthaft, in den Brennereibetrieb
einzusteigen.
„Dann dürfen wir soviel brennen,
wie wir wollen, aber ein kontinuierliches Wachstum wie bisher ist nicht
mehr möglich“, wägt Anton Bischof
ab. Der Brenner schätzt die Investition für eine neue Verschlussbrennerei
einschließlich aller Lagerräume auf
500 000 €. Auch auf der Absatzseite
müsste sich die Brennerei dann wohl
größer aufstellen und nicht nur an
Endkunden, sondern auch an Wiederverkäufer vermarkten.
Bischofs wollen nichts überstürzen
und ihre Entscheidung reifen lassen.
Spätestens 2017, wenn das Branntweinmonopol für Abfindungsbrenner
endgültig fällt, soll aber klar sein,
wohin die Reise geht.
-do-
Obst- und Kleinbrennern viel zuversichtlicher als bei den Verschlussbrennern. „Wir gehen davon aus, dass wir bis
2017 einen guten Übergang in den freien
Markt finden werden“, sagt Gerald
Erdrich, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Klein- und Obstbrenner. Die Abfindungsbrenner seien
schon frühzeitig in die Direktvermarktung eingestiegen und hätten den Selbstvermarktungsanteil in den letzten Jahren
bereits um 10 % gesteigert, begründet
Erdrich seinen Optimismus.
Viele investieren. Die Investitionsbe-
reitschaft unter den Brennern scheint
tatsächlich hoch zu sein. Verbandsvertreter berichten, dass die Hersteller von
Brennereizubehör zurzeit volle Auftragsbücher haben.
Große Hoffnungen setzt Erdrich auf
die Gründung von Erzeugergemeinschaften. „Zusammen lassen sich neue
Produkte, wie Apfelbranntwein oder Apfelessig, leichter entwickeln und vermarkten als allein“, ist der Verbandsgeschäftsführer überzeugt. Welche Möglichkeiten sich hier auftun, zeigt das
Beispiel der Edelbrandgenossenschaft im
Schnell gelesen
• Das Branntweinmonopol läuft 2013 für die Verschlussbrennereien
und 2017 für die Obst- und Kleinbrenner aus.
• Dann wird es sich nur noch für wenige Verschlussbrennereien
lohnen, Alkohol herzustellen.
• Wirtschaftlich interessant dürfte die Herstellung von Sortenalkoholen, z. B. aus Kartoffeln, und von Edelbränden mit hoher
Wertschöpfung sein.
• Die Obst- und Kleinbrenner müssen ihre Vermarktung ausbauen,
um die Mengen, die bisher ans Monopol gingen, zu verwerten.
badischen Sasbachwalden (siehe Reportage S. 38).
Zudem braucht es künftig auch Zusammenschlüsse, um den Vor- und Nachlauf zu verwerten. Diese machen etwa
30 % der Alkoholausbeute eines Brandes
aus und eignen sich wegen ihrer Zusammensetzung nicht für die Herstellung
von Spirituosen. Die Abfindungsbrenner
haben sie deshalb bisher weitgehend ans
Monopol geliefert.
„Wenn Erzeugerorganisationen künftig
diese Mengen sammeln und z. B. zu
Brennspiritus aufbereiten, dann lässt sich
daraus noch eine gewisse Wertschöpfung erzielen“, so Werner Albrecht, Experte für Agraralkohol im Bundeslandwirtschaftsministerium. Andernfalls
müssten Brenner diese Alkoholfraktion
künftig als Abfall entsorgen.
Klaus Dorsch
Lesen Sie auf den folgenden Seiten,
wie sich Erzeugerorganisationen dem
Ende des Monopols stellen.
Betriebsleitung
Biogasanlage statt Brennerei
Eine Brennerei in der Oberpfalz
nutzte ihre Abfindungsprämie
zum Bau einer Biogasanlage.
Die 14 beteiligten Landwirte
verwerten ihre Flächen damit so
gut wie vorher.
ns war klar, dass sich das Brennen für
uns nicht mehr lohnt, wenn das Monopol weg ist. Aber auflösen wollten wir
unsere Genossenschaft auch nicht“, beschreibt Ulrich Hausmann, Vorsitzender
der Brennereigenossenschaft Buchberg,
die Stimmungslage seiner Organisation
vor zwei Jahren.
Die 14 Mitglieder hatten zuletzt jährlich rund 100 ha Triticale an die Brennerei mit einem Gesamt-Brennrecht von
2 300 hl geliefert und suchten nach einer
Alternative mit ähnlicher Wertschöpfung
für ihre Flächen. Die Genossenschaft
entschied sich schließlich für den Bau einer Biogasanlage am Brennereistandort
und stellte bereits 2012 das Brennen ein.
Ausschlaggebend war, dass alle Genossenschaftsmitglieder über ausreichend
Foto: Dorsch
U
Ulrich Hausmann (l.) und Emmeran Gebert bauen die Brennerei Buchberg zu einer
Energiegenossenschaft um. Der Standort eignet sich gut dafür.
Fläche verfügen und somit die Bereitstellung des Substrates gesichert war. Zudem
gehören der Genossenschaft ca. 6 ha
Land direkt neben der Brennerei, sodass
für die Biogasanlage einschließlich aller
Lagerbehälter ausreichend Platz war.
Schließlich erklärte sich auch der Betriebsleiter der Brennerei bereit, die Bio-
E
Alde Gott: Eine Marke
für 350 Brenner
Foto: Dorsch
Die Bündelung ist für Brenner eine Chance, um künftig am Markt zu
bestehen. Die Alde Gott Edelbrände eG in Baden zeigt, wie es geht.
Günter Lehmann ist Geschäftsführer der Alde Gott Edelbrand eG in Sasbachwalden.
Die Genossenschaft vermarktet jährlich 500 000 Liter Brände und Liköre.
38
top agrar 7/2013
in Einzelner ist nicht stark, als
Gemeinschaft kann man besser
vermarkten.“ Weil die Bauern aus
Sasbachwalden am Fuß des Schwarzwaldes dies bereits beim Verkauf ihres
Weines festgestellt haben, gründeten sie
1970 auch eine Genossenschaften für
Obstbrände. Ihre Winzergenossenschaft
bestand da schon mehr als 20 Jahre.
Die Erzeugerorganisation, die heute
unter dem Namen Alde Gott Edelbrände eG firmiert, ist der wichtigste
Abnehmer für ihre 350 Mitglieder. Die
Obstbrenner liefern Rohbrände mit 60
bis 70 % Alkohol an die Genossenschaft,
wobei keine Andienungspflicht besteht.
„Letztlich entscheidet der Preis, ob wir
die Rohbrände bekommen oder nicht“,
erläutert Günter Lehmann, Geschäftsführer der Genossenschaft. „Wir zahlen
deshalb immer über dem Marktpreis.“
Die Genossenschaft bereitet die
Rohbrände in einem Brennkessel auf
und stellt daraus ihre eigenen Brände
und Liköre her. Das Aufbereiten dient
dem Herausdestillieren unerwünschter
Inhaltsstoffe wie Ethylcarbamat. Zudem
kann die Genossenschaft so Produkte
mit einheitlicher Qualität erzeugen.
Darauf legen Wiederverkäufer wie der
gasanlage zu führen. Hätte
die Genossenschaft nicht auf
die Energieerzeugung umgestellt, hätte er seinen Arbeitsplatz verloren.
Startkapital reicht. Die
Abfindungsprämie von insgesamt 592 000 € nutzt die Genossenschaft als Eigenkapital
für die 2,2 Mio. € teure Investition. „Darüber hinaus
brauchen unsere Mitglieder
kein Kapital einzubringen“,
so Emmeran Gebert, Geschäftsführer der Genossenschaft. Hätte man die Genossenschaft aufgelöst und die
Anteile an die Landwirte zurückgegeben, müsste jedes
Mitglied die ihm zustehende
Abfindung versteuern.
Mit der Biogasanlage haben
sich die Mitglieder nun einen
weiteren Betriebszweig geschaffen. Die 366 kW-Anlage verbraucht jährlich etwa
140 ha Silomais und 60 ha
Triticale-Ganzpflanzensilage
(GPS). Zudem vergärt die
Anlage die Gülle von sechs
beteiligten Milchviehbetrieben. Die Mitglieder liefern
Fachhandel großen Wert.
Die Mitarbeiter der
Genossenschaft, ein
Destillationsmeister und ein
ausgebildeter Brenner,
stufen die angelieferten
Rohbrände in Qualitätsstufen ein, die sie separat
brennen und unterschiedlich lange lagern:
• Silber-Qualitäten werden
im Jahr der Anlieferung verkauft;
• Gold-Produkte lagern drei
Jahre und
• Brände der PremiumSerie fünf Jahre.
Die Erzeugerorganisation
verkauft alle Qualitäten seit
15 Jahren unter ihrer
Dachmarke „Alde Gott“,
pro Jahr rund 500 000 Liter
Edelbrände und Liköre.
Starker Vertrieb: Die
Genossenschaft nutzt dazu
das bundesweite Vertriebsnetz der Winzergenossenschaft, die ihre Weine unter
der gleichen Marke
die Substratmengen entsprechend ihrer Anteile an der
Genossenschaft.
Die Genossenschaft bezahlt dafür vorläufig 35 €/t
Frischmais (35 % TS), 28 €/t
Triticale-GPS und 4 €/m3
Gülle. „Wenn unsere Rechnung aufgeht, verwerten wir
jeden Hektar so gut wie mit
der Brennerei und können
doppelt soviel Fläche einsetzen“, ist Geschäftsführer Gebert zufrieden.
Die Genossenschaft feilt
weiter an der Optimierung
der Anlage. Aktuell schließt
sie einen Wärmeliefervertrag
mit einem kommunalen Wärmenetzbetrieber, der mit der
Biogas-Abwärme 50 Häuser
in zwei Ortschaften heizt. Als
Reserveheizung dient der
vorhandene Ölkessel der
Brennerei.
„Mittelfristig könnten wir
unseren Betriebsstandort zu
einem Biomassehof mit
Trocknung ausbauen“, blickt
Ulrich Hausmann nach vorn.
Zudem gibt es Überlegungen,
den Strom direkt zu vermarkten.
-do-
verkauft. Die wichtigsten
Abnehmer für ihre Spirituosen sind Handelsagenturen
und der gehobene Lebensmitteleinzelhandel.
Die Edelbrand-Genossenschaft ist zwar bereits gut
aufgestellt. Der Ausstieg aus
dem Branntweinmonopol
ist trotzdem ein großes
Thema im dreiköpfigen
Vorstand und sechsköpfigen
Aufsichtsrat. „Vielleicht
investieren wir in eine
Verschlussbrennerei, um
den Vor- und Nachlauf
unserer Mitglieder aufzubereiten und zu verwerten“,
berichtet Lehmann von den
Überlegungen der Gremiumsmitglieder.
Zunächst warten die
Südbadener aber die
Entwicklung ab und rüsten
sich finanziell für das Ende
des Monopols. Lehmann:
„Wir bilden Eigenkapital,
damit wir dann die notwendigen Investitionen stemmen können.“
-dotop agrar 7/2013
39