¤ BAU & BETRIEB HELL, MODERN, EFFIZIENT NEUE WERKSTÄTTEN FÜR DAS STAATSTHEATER NÜRNBERG Zum Saisonstart lud das Staatstheater Nürnberg am 17. September zur offiziellen Einweihung der neuen Werkstätten ein. Der Neubau befindet sich „im Grünen“, im modernen Gewerbegebiet Nordostpark. Mit Blasmusik, anerkennenden Reden für die am Bau Beteiligten und die Mitarbeiter des Hauses, Besichtigung und Büffet wurde gefeiert. Zu Recht: Nach einer Bauzeit von nur 11 Monaten konnten die Werkstätten mit modernster technischer Einrichtung an das Haus übergeben werden. Bilder linke Seite: Die Werkstätten im Grünen mit viel Licht und moderner Einrichtung: Blick aus dem Prospektmalsaal, Maschinenraum Schreiner, Prospektmalsaal und Schreinerei (i. Uhrz.-sinn v. l. n. r.) Bilder diese Seite: Feiern in der Montaghalle. Nach der Schlüsselübergabe freuen sich Peter Gormanns und Peter Theiler auf die Saison. Die erste Premiere, „Turandot“, mit Dekors aus den neuen Werkstätten (i. Uhrz.-sinn v. l. n. r.) sches Äquivalent gibt, da es bei uns noch nicht sehr weit verbreitet ist. Für den Bau der Werkstätten tat sich die Stiftung Staatstheater Nürnberg mit der Firma KIB Projekt GmbH aus Nürnberg zusammen. Diese fungierte als Bauherr und tätigte die Investition. Die Stadt wiederum hat mit dem Investor Drei C Invest KG einen Mietvertrag über 30 Jahre abgeschlossen. Die Planungen begannen 2012, und der Bau selbst konnte in nur knapp einem Jahr, von September 2013 bis August 2014, fertiggestellt werden. Aber schon vor der offiziellen Einweihung hatten die Mitarbeiter die Werkstätten eingerichtet und in „Besitz“ genommen. Sie waren versetzt in Urlaub gegangen und hatten ab Juli 2014 den Umzug organisiert und seitdem auch schon dort gearbeitet. Schließlich musste die neue Saison vorbereitet werden! der Architektur selbst folgte das Büro querwärts dem Leitspruch, dass die Form der Funktion folgen solle. So ist der Bau sachlich und funktional in Anlehnung an die Bauhaus-Architektur geplant. Die Hallen wurden in einer kostengünstigen Bauweise aus Stahlbetonfertigteilen und einer Wandbekleidung aus Metall-Sandwichpaneelen errichtet. Das Dachtragwerk besteht aus Stahl- bzw. Spannbetonfertigteilen, auf denen gedämmte Blechpaneele aufgebracht wurden. So ließ sich das Budget zugunsten einer für die Arbeitsanforderungen und sozialen Belange qualitativ anspruchsvollen Inneneinrichtung und für die technische Ausstattung nutzen. Die Werkstätten verfügen über eine Grundfläche von 4400 m² bei einem Bruttorauminhalt von 38.500 m³, das Grundstück hat etwas über 10.000 m². Bei der Organisation des Gebäudes selbst spielten kurze Transportwege und Anliefermöglichkeiten sowie die Energie-Effizienz eine große Rolle. Eine wichtige Anlaufstelle ist die Montagehalle. Diese hat Bühnengröße, sodass sich sich die Dekorationen nach Fertigstellung probeweise aufbauen lassen, bevor sie auf die Bühnen des Staatstheaters kommen. Es gibt eine großzügige LKW-Anlieferungszone mit Hebebühne, damit Dekorationen und Kulissen die Werkstätten direkt von der Montagehalle aus verlassen können. Die Zuganlage (3 Züge à 500 kg) in der Montagehalle war bei der Eröffnung noch nicht installiert, ist aber vorgesehen. Alle Räume der Werkstätten verfügen über Tageslicht, und die technische Ausstattung, wohl die derzeit modernste in Deutschland, gewährleistet einen optimalen Arbeitsschutz. Eine moderne Lackierkabine, Hebeeinrichtungen in der Schreinerei und der Montagehalle sowie eine Sägespäneabsauganlage in der Schreinerei beispielsweise ermöglichen ein Arbeiten in guter Luft. Alle Werkstatträume haben eine direkte Verbindung nach außen, äußerst praktisch für Materiallieferungen und um einmal kurz vor die Tür zu treten — und natürlich für die Lichtverhältnisse. Das Haus besitzt einen geschlossenen Kreislauf der Be- und Entlüftung, entstehende Wärme wird wieder in den Kreislauf eingeführt. So lassen sich die Werkstätten nahezu klimaneutral betreiben. Strom und Wärme Das Projekt von KARIN WINKELSESSER BTR 6 · 2014 ¤ Ursprünglich befanden sich die Werkstätten für beide Häuser direkt im Haus am Richard-Wagner-Platz. 2007, vor dem Um- und Neubau des Schauspielhauses (s. BTR 1/2011), zogen sie in das ehemalige MANWerksgebäude in der Frankenstraße um. Sie wurden dort zunächst als Interimswerkstätten eingerichtet, aber schon damals stand fest, dass die Werkstätten nach der Erweiterung des Hauses keinen Platz mehr in unmittelbarer Nähe von Schauspiel- und Opernhaus haben würden. Das MAN-Werksgebäude hätte aber dringend saniert werden müssen, um den Anforderungen des Arbeitsschutzes sowie der Energieeffizienz gerecht zu werden. Aufgrund der veralteten Bausubstanz war die Nutzungsdauer des Gebäudes auf fünf Jahre begrenzt. Hier setzten Überlegungen für einen Neubau an, verschiedene Optionen wurden geprüft. Schnell stellte sich heraus, dass ein Neubau billiger würde als die Sanierung der großen MAN-Halle. Bei der aktuellen Lösung wurde auf das sogenannte PPP-Modell gesetzt. Public Private Partnership heißt der Begriff, für den es kein deut- BAU & BETRIEB PFOTO /STAAATSTHEATER NÜRNBERG / BTR Sanierung oder Neubau? © D ie Einladung führt in einen Stadtteil Nürnbergs, der für an der historischen Stadt interessierte Besucher nicht unbedingt am Wegesrand liegt. Der sogenannte Nordostpark, ein modernes Gewerbegebiet, liegt nordöstlich vom Stadtzentrum, ist per U-Bahn und Bus vom Stadtzentrum oder der Autobahn und dem Flughafen aber gleichermaßen gut zu erreichen. „In der legeren Campus-Atmosphäre des Nordostparks agieren Global Player wie Alcatel-Lucent S. A., Continental Temic oder Immowelt AG Tür an Tür mit Forschungsinstitutionen der Universität Erlangen-Nürnberg, der Fraunhofer-Gesellschaft und mit vielen kleineren, innovationsstarken Firmen und Existenzgründern“, bewirbt der Betreiber ivg das Gelände auf der Homepage. In der Tat, die Siedlung mit modernen, architektonisch anspruchsvollen Gebäuden inmitten von altem Baumbestand hat nichts mehr mit dem zu tun, was früher als Gewerbepark angepriesen wurde, der tristen Ansammlung grauer, gesichtsloser Kuben. Hier lassen alte Bäume und große Rasenflächen noch die frühere Natur erahnen, nun wird hier Neues erdacht und gebaut. ABBILDUNGEN DIESER SEITEN: 14 thema Das PPP-Projekt — ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb — wurde mit der EU-Bekanntmachung am 19.10.2011 eröffnet. Die KIB Projekt GmbH hatte das Nürnberger Architekturbüro querwärts ins Projektteam geholt, das mit seinem Entwurf für einen Neubau der Werkstätten den Teilnahmewettbewerb für sich entscheiden konnte. Der Architekt Alexander Kromer vom Büro querwärts hat früher im Staatstheater in der technischen Produktion gearbeitet und ist mit der Arbeitsorganisation eines Theater-/Opernbetriebs bestens vertraut. So konnte das Projekt in enger Abstimmung mit Peter Gormanns, seit 2005 Technischer Direktor des Staatstheaters, effizient realisiert werden. Dieser berichtet, dass er mit seinem Team, insbesondere Silke Ludwig als engagierte Hausarchitektin mit allem vertraut, und Werkstätttenleiter Roman Declerc die wesentlichen Parameter für den Bau festgelegt hat, sodass dieser jetzt komplett auf die Bedürfnisse des Hauses zugeschnitten ist. Wesentliche Prioritäten waren in Bezug auf die Belange der Mitarbeiter der Arbeitsschutz, die Ergonomie der Arbeitsplätze und soziale Komponenten (Einrichtung von Sozialräumen, hoher Tageslichtanteil etc.). Bei BTR 6 · 2014 ¤ BAU & BETRIEB 15 Lob von allen Seiten Die Blaskappelle Philharmenka — die Musiker kommen aus den eigenen Reihen, von den Nürnberger Staatsphilharmonikern — sorgt mit kraftvollem Spiel schon vor dem offiziellen BTR 6 · 2014 ¤ BAU & BETRIEB Schlosserei (520 m²): In der Schlosserei sind derzeit fünf Schlosser und ein Auszubildender beschäftigt. Pro Jahr werden dort 160 Tonnen Stahl und Aluminium verarbeitet. Technische Einrichtung: Kranbahn (in zwei Richtungen verfahrbar), Schweißgasabsauganlage Dekolager Büro- und Sozialräume Montage Prospektsaal Malsaal Der Malsaal ist in die Abteilungen Raumausstatter, Plastiker, Prospektsaal und Dekosaal gegliedert. Schlosser Plastiker Maschinenraum Schreiner Bankraum Schreiner Schreinerei (400 m²): In der Schreinerei arbeiten zehn Personen Technische Einrichtung und Besonderheiten: Hebehilfen, an der Sägespäneabsauganlage ist eine Brikettieranlage angebunden Raumausstatter Dekosaal Kompakt: Der Grundriss zeigt die Raumanordnung um einen Flur und die Verbindungen aller Werkstatträumen nach außen Werkstatt Raumausstatter (160 m²): Sie bietet Platz für zwei bis drei Fachkräfte. Plastikerraum (160 m²): Hier arbeiten unter einem großen Oberlicht zwei Personen. Styropor ist eines der meist verwendeten Materialien. Allein davon werden jedes Jahr 260 m3 verarbeitet. Prospektsaal (430 m²): Hier arbeiten vier Personen. Besonderheiten: Luftwechselrate von 35.000 m³/h Dekosaal (360 m²): Hier arbeiten vier Personen. Besonderheiten: Luftwechselrate von 35.000 m³/h, Trockenspritzkabine Dekolager (315 m²) 17 STAATSTHEATER NÜRNBERG / BTR 16 Der Technische Direktor Peter Gormanns nahm sich Zeit für einen gemeinsamen Rundgang durchs Haus. Auffällig gleich der natürliche Lichteinfall, in älteren, hauseigenen Werkstätten ja durchaus nicht üblich. Am großen Tag der Einweihung wird hier nicht voll gearbeitet, aber auch bei kleiner Besetzung lässt sich nachvollziehen, was für den Technischen Direktor und die Theaterkollegen wichtig war. Gesundes Arbeiten ist eine wesentliche Voraussetzung für Zufriedenheit. Komfortable Arbeitsplätze sind in allen Räumen zu finden. Wo aber Körpereinsatz verlangt wird, Heben vor allem, hat man weitestgehend versucht, diesen durch entsprechende Hebeeinrichtungen zu minimieren. Der Weg führt einen Mittelgang entlang, dem fast alle Werkstätten zugeordnet sind. Dies erleichtert die Orientierung, sorgt für kurze Wege und führt zu Begegnungen von Kollegen, die sich sonst nur selten sehen. Im oberen Geschoss befinden sich die Büros für die Konstrukteure, im Erdgeschoss die Technik- und Sozialräume. Eine Kantine gibt es nicht, dafür kleinere Stationen, wo auch gekocht werden kann — wie wir beobachten konnten. Wer nicht kochen mag, kann die Angebote der benachbarten Firmen- oder die öffentlichen Kantinen im Gewerbepark besuchen — Synergien erwünscht! Wie arbeitet es sich in den neuen Werkstätten? Hierzu äußern sich die Anwesenden durchweg positiv. Die neuen Arbeitsbedingungen bezeichnen sie vor allem in Bezug auf Raum, Licht und Erreichbarkeit als optimal. Die Umgebung mit den innovativen Betrieben und den Forschungsinstitutionen finden sie sympathisch und anregend, es gibt sogar einen Kindergarten und einen Badeteich im Nordostpark. Wie gehen sie mit dem Verlust der Anbindung ans Haus um? Diese sei ja schon seit dem Auszug in die ehemaligen MAN-Werke nicht mehr gegeben gewesen, sagen sie. Und außerdem: „Wir können ja auch so mal ins Theater gehen, ohne dass wir im Haus arbeiten.“ Die früheren Arbeitsbedingungen möchte jedenfalls keiner der Befragten gegen die aktuelle Situation eintauschen! DIE WERKSTATTRÄUME UND IHRE EINRICHTUNG © Ein Rundgang Festakt für gute Stimmung, höflicher Smalltalk erledigt sich von selbst. Die offizielle Einweihung war bestens geeignet, einmal die Leistungen derer, die im Theater im Verborgenen arbeiten, herauszustellen. Die Kulturreferentin Dr. Julia Lehner gebrauchte hierfür den Begriff des „Uhrwerks“ — als solches müsse das Theater reibungslos funktionieren. Ministerialrat Dr. Tobias Haumer betonte besonders die Unabdingbarkeit einer funktionierenden Infrastruktur für einen Kulturbetrieb wie das Staatstheater Nürnberg. Der Intendant des Staatstheaters, Peter Theiler, berichtete schon von einem ersten Erfolg. Er kam gerade aus Toulouse von einer Probe zu Verdis „Maskenball“, der als Koproduktion beider Theater im Mai Premiere haben wird. Das Bühnenbild wurde schon in den neuen Werkstätten gefertigt und erntete großes Lob von den französischen Kollegen. Der Geschäftsführende Direktor Christian Ruppert hob besonders die engagierte Arbeit der Planer, Bauleute und Mitarbeiter des Theaters hervor. Der pünktliche und erfolgreiche Abschluss der Arbeiten sei ein gutes Omen für das nächste Projekt. Die Sanierung des Opernhauses ist geplant, Gutachten zum Bestand sind dazu sind in Arbeit. Im atheistischen Berlin bei solchen Anlässen nie gesehen war die anschließende ökumenische Segnung des Hauses durch zwei Geistliche der katholischen und der evangelischen Kirche. Das Theater wird als Unterstützer auf dem Weg zur Selbsterkenntnis — dazu wurde auch die Bedeutung der christlichen Religion hervorgehoben: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin …“ schreibt Paulus in seinem 1. Korintherbrief 13, das Hohelied der Liebe. Die beiden Geistlichen Dr. Gerhard Wild und Matthias Untraut übergaben symbolisch den überdimensionalen Schlüssel an die neuen Hausherren. Führungen durchs Haus, ein weiteres Aufspielen der Blaskapelle und ein Buffet rundeten den frohen Saisonstart ab. Georg Lang, seit 30 Jahren am Haus und jetzt Leiter des Technischen Gebäudemanagements, bot anschließend noch einen Rundgang durchs Opernhaus an. Hier wird bald die Generalsanierung erfolgen, aber vorerst ist ein weiteres Ergebnis der Werkstättenarbeit zu sehen: Der Zuschauersaal wurde komplett umgestaltet und wird als Ballsaal hergerichtet. Auf der Bühne entstehen zusätzliche Logen, zwei Etagen übereinander. Der „Opernball“ zu Saisonbeginn hat sich seit einigen Jahren als feste Einrichtung etabliert. Der Weg führt auch an der Schneiderei vorbei. Die Kostümherstellung sei immer im Haus geblieben, dies habe sich bewährt. Mittlerweile läuft schon das Weihnachtsprogramm und die Arbeit in den neuen Werkstätten gewinnt an Routine. ABBILDUNGEN DIESER SEITE: werden im eigenen Blockheizkraftwerk erzeugt. Ein erstaunliches Detail: Gibt es gar einen Überhang an Energie, lässt sich ein Teil des erzeugten Stroms in eine Elektro-Tankstelle neben den Werkstätten einspeisen. Dort können von zukünftigen Sponsoren gestellte Elektroautos für die Mitarbeiter aufgeladen werden, und der Kreislauf schließt sich kostenneutral. Schöne neue Welt! Aufgeräumt: Ausreichend Lager- und Arbeitsflächen in der Werkstatt der Raumausstatter Aufgegeben: Der ehemalige Malsaal wurde ohne Bedauern verlassen. Wenig Platz und schleche Luft beeinträchtigen die Arbeit Montagehalle (470 m²): Technische Einrichtung: Prospektzuganlage (3 Züge à 500 kg) Leitung/Konstruktionsabteilung (220 m²): Eine Werkstattleitung, vier Konstrukteure Sozialräume/Technikräume (350 m²) PROJEKTBETEILIGTE Bauherr: KIB Projekt GmbH Mieter: Stiftung Staatstheater Nürnberg Entwurf: querwärts ARCHITEKTEN GbR Werkplanung: S+P Gesellschaft von Architekten mbH BTR 6 · 2014 ¤ BAU & BETRIEB
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