LEIBNIZ | LICHT
Hell statt heiß
Chemische Reaktionen mit Licht
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Seinen ersten Aha-Effekt in Sachen Photochemie hatte Marko
Hapke als Postdoc in einem Labor der Universität Yale in den
USA. Seine Aufgabe war es, in
Alkanen (Kohlenwasserstoffen)
die C-H-Bindung zu aktivieren.
Chemiker bezeichnen C-H-Bindungen gern als „heiligen Gral“,
weil sie so stabil sind. „Schwer zu
knacken“, wie Marko Hapke sagt.
Gemeinhin kommen dafür Katalysatoren zum Einsatz, und zwar
bei Temperaturen von mehreren
hundert Grad.
In Yale nun versuchte es Marko Hapke nicht mit Hitze, sondern mit Licht. Er montierte eine
starke Halogenlampe an die Versuchsapparatur, setzte sich eine
Spezialbrille auf, bestrahlte das
Reaktionsgemisch, analysierte
das Ergebnis und war komplett
fasziniert: „Photochemie ist ein
ganz heißes Forschungsgebiet.“
Die Bedingungen sind milder
als bei thermischen Reaktionen.
Unter Lichteinfluss verlaufen die
Reaktionen häufig sauberer. Und:
Licht aktiviert die beteiligten Moleküle spezifischer als Wärme,
denn nicht alle Moleküle lassen
sich vom Licht beeinflussen.
Arzneimittel hergestellt
durch Katalyse
In der Fachliteratur fristet die
Photochemie eher ein Dasein am
Rande. Der Klassiker sind thermische Reaktionen. „Die sind
auch viel leichter zu verstehen
als photochemische Reaktionen“,
sagt Marko Hapke. Licht als Arbeitsmittel sei noch immer ein
bisschen „magic“. Das reizt ihn.
So ging der junge Forscher von
Yale nach Rostock ans LeibnizInstitut für Katalyse (LIKAT), das
international hoch anerkannt ist
und auch die Photokatalyse verfolgt. Dort baute Marko Hapke
eine Nachwuchsgruppe auf und
begann für seine Habilitation zu
arbeiten. Dabei knüpfte er un-
ter anderem an Forschungen zu
einem Katalysatorkomplex auf
Cobalt-Basis an, die am LIKAT
Tradition haben.
Mit einem Cobaltkatalysator
hatten LIKAT-Forscher schon in
den 1990er Jahren der Fachwelt
die Vorzüge photochemisch gesteuerter Reaktionen aufzeigen
können. Eines der Verfahren
dient der Herstellung von Pyridinen, die Pharmaka und Pflanzenschutzmitteln ihre chemische
Struktur verleihen.
Vor allem jedoch erweist sich
der im LIKAT verwendete Typus
von Cobaltkomplexen noch immer als ergiebiger Forschungsgegenstand, um grundlegende
Mechanismen des Katalyseprozesses zu erkunden. Da die erste
Generation der neuentwickelten
Katalysatorkomplexe recht sensibel ist, bereits bei Temperaturen oberhalb von minus 30 Grad
Celsius reagiert und ständig Kühlung braucht, haben Marko Hapke und seine Nachwuchsforscher
Fotos: LIKAT (2); nordlicht/LIKAT
Farbige Kristalle eines
Cobaltkatalysators
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sie weiter modifiziert. Ziel war
es, sie „luftstabil“ zu machen und
auch bei normaler Raumtemperatur damit umgehen zu können.
Hungrig
nach Elektronen
Wichtigster Teil des Katalysators
ist das reaktive Zentrum, in diesem Fall Cobalt. Es ist von einem
organischen Molekül wie ein Gerüst umgeben, dem sogenannten
Liganden, der das reaktive Zentrum stabilisiert. Cobalt zählt zu
den Übergangsmetallen, die den
Namen ihrer Position im Periodensystem verdanken. Bei ihnen
ist nach dem klassischen Atommodell die äußere Umlaufbahn
der Elektronen nur unvollständig besetzt. Übergangsmetalle
trachten deshalb danach, ihre
Elektronenschale zu vervollständigen, idealerweise auf 18 Elektronen.
Cobalt weist auf seiner Außenschale neun Elektronen auf
und versucht, die Lücken mit
Elektronen aus seiner Umgebung zu füllen. Einige spendiert
ihm der Ligand ‑ wie viel, das
hängt von dessen Struktur ab.
Je mehr Elektronen er abtreten
kann, desto stabiler verhält sich
der Cobaltkomplex. Was dann
noch für eine vollständig besetzte Elektronenschale fehlt, holt
sich das Cobalt von den Ausgangsstoffen der chemischen
Reaktion, der es als Katalysator
zugesetzt wird. Genau das macht
ja seine Wirkung aus: Der Elek­
tronenklau bei den Ausgangs-
Im Labor: ein spezieller
Photoreaktor.
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stoffen erhöht deren Bereitschaft
zu reagieren. Und das heißt für
sie nichts anderes, als eigene molekulare Bindungen aufzugeben
und neue einzugehen.
Die Kunst, einen „luftstabilen“
Katalysator zu entwickeln, besteht also darin, sein reaktives
Zentrum so zu stabilisieren,
dass er gut handhabbar ist und
nicht gleich mit der normalen
Raumluft reagiert. Und dass er
trotzdem ausreichend Hunger
verspürt auf die Elektronen der
chemischen Reaktionsteilnehmer. Wie das Licht mit seiner
physikalischen Doppelnatur – als
Welle und als Teilchenstrom –
diese ­Prozesse beeinflusst und
welche Rolle etwa die Photonen
spielen, das ist häufig noch unverstanden und eine der grundlegenden Fragen, der die Photokatalyse nachgeht.
Nachfrage aus
Wirtschaft und Industrie
Das Ergebnis dieser Forschung
ist „eine echte Rarität“, wie Marko Hapke sagt. Der luftstabile
Cobaltkomplex beispielsweise
weckt das Interesse von Kooperationspartnern in Wissenschaft und Industrie für photochemische Verfahren. Er lässt
sich etwa für die Synthese von
Naturstoffen verwenden, das
sind zum Beispiel Stoffwechselverbindungen von Pflanzen mit
antibiotischer Wirkung. Diese
Synthese kann über die photokatalytische Herstellung von
Pyridinen gelingen. Die ringförmige Pyridin-Struktur bietet
dabei idealen Platz für funktionale Molekülgruppen, die für die
spezifischen Eigenschaften des
Stoffes sorgen.
Naturstoffsynthesen
sind
ein weites Feld mit Zukunft, erklärt Marko Hapke. Für ihn ist
die Nutzung von Licht als Arbeitsmittel ein Königsweg der
modernen Chemie. Spitzenforschung wird kaum mehr daran
vorbeikommen. Hapke nennt
ein weiteres Beispiel aus dem
LIKAT: die photokatalytische
Spaltung von Wasser als Grundlage für zukunftsträchtige Wasserstoffantriebe.
Wie Sonnenlicht Wasser mittels Katalysator in seine Elemente spaltet, ist schon gut verstanden. Eines der größten Probleme
besteht darin, den so erzeugten
Wasserstoff als Treibstoff zu
speichern und den Antrieben zur
Verfügung zu stellen. In ihrem
Projekt „Light2Hydrogen“ entwickelten LIKAT-Chemiker ein
photokatalytisches Verfahren,
das Brennstoffzellen kontinuierlich mit Wasserstoff versorgen
kann, indem es Ameisensäure
photokatalytisch in Wasserstoff
und CO2 umsetzt – bei normalen
Temperaturen.
Marko Hapke
erläutert die Vorteile
von Cobaltkomplexen.
Chancen für neue
LED‘s
Seit seiner Zeit in Yale beobachtet Marko Hapke, wie die Photochemie an Attraktivität gewinnt.
Auch ihn wird sie noch weiter
beschäftigen. Als nächstes –
nach seiner Habilitation an der
Universität Rostock in diesem
Sommer – forscht er zu Fragen
einer effizienteren Ausrüstung
für die photochemische Katalyse, zum Beispiel Lichtquellen.
Mit sogenannten OLED‘s,
Organischen Leuchtdioden, gibt
es inzwischen Lampen mit definierter Wellenlänge, die exakt
im Absorptionsspektrum der
beteiligten Substanzen strahlen
und damit chemische Reaktionen ganz spezifisch steuern
können. Kein Vergleich mit der
Halogen-Lampe in Yale. Vor allem: Hier geht es um eine Chemie, mit der keine thermische
Reaktion mehr mithalten kann.
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