hand bieten Hörgeräte können auch bei mildem Hörverlust nützlich sein Dorothe Veraguth, Leitende Ärztin Audiologie an der ORL-Klinik des Universitätsspitals Zürich und Mitglied der Arbeitsgruppe «milder Hörverlust», zeigt auf, dass Hörgeräte durchaus zu besserem Verstehen auch bei geringfügigem Hörverlust beitragen können. Doch die Sozialversicherungen leisten derzeit keine Zuzahlungen. Eine Behandlung ist sinnvoll, wenn die Betroffenen in ihrem Alltag durch den Hörverlust eingeschränkt sind und ihre Kommunikationsfähigkeiten dadurch leiden. Dorothe Veraguth plädiert für eine sorgfältige Abklärung einer Hörgeräteversorgung auch bei nur mildem Hörverlust.Foto zVg Was ist ein «milder» Hörverlust? Wo beginnt er, wo endet er? Die WHO definiert als milden Hörverlust eine mittlere Hörschwelle in den Haupt-Frequenzen zwischen 26 und 40 dB am besseren Ohr. Verschiedene andere Definitionen klassifizieren in ähnlicher Weise ebenfalls einen Hörverlust <40 dB als mild. Hier beginnt wohl auch das Problem der Bezahlung, denn die IV und die AHV haben die Anspruchsschwelle für ihre pauschale Zuzahlung bei 20 Prozent respektive sogar bei 35 Pro zent (AHV) festgelegt. Was also tun? Die Zuzahlungen an Hörgeräte durch die Sozialversicherungen sind nicht auf einen milden Hörverlust ausgelegt. In dieser Situation müssen allfällige Hörgeräte selber finanziert werden oder gegebenenfalls kann dafür ein freiwilliger Kostenbeitrag durch die Krankenkassen, insbesondere Zusatzversicherungen erfragt werden. Die WHO stuft einen Verlust von mehr als 40 dB als behindernd ein und empfiehlt Hörgeräte. In der EU-Klassifikation gilt ein Hörverlust zwischen 21 und 39 dB als mild. Gemäss WHO waren im Jahr 2000 weltweit rund 360 Mio. Menschen mit mildem Hörverlust konfrontiert, umgelegt auf die Schweiz also rund eine Mio. Menschen. Nicht jede Person mit einer Hörschwelle zwischen 21und 39 dB ist dadurch subjektiv beeinträchtigt und dezibel 3/2015 Dorothe Veraguth, viele Menschen hö ren gut, aber nicht so gut, dass sie alles verstehen können. Sollte denn ein «mil der» Hörverlust auch behandelt respek tive mit Hörgeräten unterstützt werden? 21 hand bieten Hörgeräte können … Auch wenn der Hörverlust wenig ausgeprägt ist, kann Hören schwierig sein. Hörst du die Welt? Manchmal verschlechtert schon ein leichter Hörverlust das Verstehen in Störlärm. Fotos: zVg und Susi Haas. braucht ein Hörgerät. Wichtig ist es in dieser Situation, in einem beratenden Gespräch die persönlichen Bedürfnisse und den individuellen Leidensdruck zu klären. Alltag und bei Berufstätigen auch am Arbeitsplatz. Zur Diagnostik: Welche Empfehlun gen sind angesagt beim Vorgehen von Abklärungen eines Hörverlustes? « Ein nicht be handelter Hörverlust führt zu schlechteren Gedächtnis- und anderen kognitiven Leistungen. Dadurch wird die Leistungs fähigkeit beein trächtigt. dezibel 3/2015 » 22 Neben einem normalen Tonaudiogramm sind sprachaudiometrische Messungen, auch im Störlärm, zu empfehlen. Daneben soll aber auch die subjektive Beeinträchtigung, das HörHandicap, am besten systematisch mit einem Fragebogen erfasst werden. Dabei geht es um die subjektiv empfundenen Einschränkungen durch die reduzierte Kommunikationsfähigkeit im Reicht eine Tonaudiometrie alleine auch? Insbesondere ein leichtgradiger Hörverlust ist mit einem alleinigen Tonaudiogramm nicht ausreichend zu erfassen und erst Messungen der Sprachverständlichkeit im Lärm zeigen das effektive Ausmass der Beeinträchtigung. Was wären aus ORL-Sicht die Aus wirkungen und Konsequenzen eines unversorgten Hörverlusts? Ein nicht behandelter Hörverlust führt zu schlechteren Gedächtnis- und anderen kognitiven Leistungen. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Ein Hörverlust kann zu geringerem seelischem Wohlbefinden, zu einer geringeren Lebensqualität, einer eingeschränkten Teilnahme am sozialen Leben und damit zu Rückzug und Isolation führen. Wo liegt ausser einer verbesserten Hörfähigkeit noch der Nutzen einer Hörgeräteversorgung? Es werden in verschiedenen Studien statistisch signifikant geringere soziale und emotionale Beeinträchtigungen, insbesondere bei älteren Personen festgestellt. Menschen mit leichtem Hörverlust denken selten gleich an Hörgeräte. Wie motivieren Sie als ORL-Ärztin die Betroffenen, sich Hörgeräte zu kaufen? Wichtig ist ein beratendes Gespräch über die möglichen Auswirkungen des Hörverlusts. Würde bei leichten Hörproblemen ein Hörgerät genügen oder sollten immer gleich zwei Hörgeräte ange passt werden? Bei symmetrischen Hörverlusten lohnt es sich in der Regel, beide Ohren mit Hörgeräten zu versorgen, so dass auch das Sprachverstehen bei Nebengeräuschen erleichtert wird. Sind die Hörgeräte dann doch angepasst, wird abschliessend eine Hörgeräteevaluation durch den ORL-Arzt durchgeführt? Auch wenn IV und AHV keine solche abschliessende Beurteilung der Hörgeräteversorgung vorsehen, lohnt sich eine solche Evaluation, insbesondere bei Personen, die das erste Mal Hörgeräte tragen, und für diejenigen, welche unsicher betreffend Kosten/ Nutzen der gewählten Hörgeräte sind. Interview: Karin Huber
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