Datum: 24.05.2015 Ostschweiz am Sonntag 9001 St. Gallen 071/ 272 77 11 www.ostschweiz-am-sonntag.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 59'005 Erscheinungsweise: wöchentlich Themen-Nr.: 375.018 Abo-Nr.: 1053061 Seite: 2 Fläche: 95'626 mm² Der Kanton St. Gallen gibt als erste Schweizer Verwaltung einen Bericht in Leichter Sprache heraus. Zielgruppe sind Menschen mit geistiger Behinderung. Das Problem: Leichte Sprache ist gar nicht so leicht. Leichte Sprache - die ersten h 1 Das deutsche Netzwerk Leichte Sprache bietet ein Regelwerk mit «guten» und «schlechten» Beispielen an. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 57952068 Ausschnitt Seite: 1/4 Datum: 24.05.2015 Ostschweiz am Sonntag 9001 St. Gallen 071/ 272 77 11 www.ostschweiz-am-sonntag.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 59'005 Erscheinungsweise: wöchentlich Schlecht: Das Haus des Lehrers. Des Lehrers Haus. Gut: Das Haus von dem Lehrer. Das Haus vom Lehrer. Halt! Schlecht: Themen-Nr.: 375.018 Abo-Nr.: 1053061 Seite: 2 Fläche: 95'626 mm² Schlecht: 1867 1867 Gut: Vor langer Zeit. als 100 Vor Vor mehr mehr Jahren. Schlecht: Peter ist LiminPeter ist nicht krank. nicht Morgen könnte es regnen. Gut: Morgen regnet es vielleicht. Gut: 0 Gut: Peter ist gesund. Schlecht: Schlecht: Schlecht: 14 795 Menschen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gut: Gut: Viele Menschen. Menschen. Viele Gut: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Mitarbeiterinnen. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 57952068 Ausschnitt Seite: 2/4 Datum: 24.05.2015 Ostschweiz am Sonntag 9001 St. Gallen 071/ 272 77 11 www.ostschweiz-am-sonntag.ch ODILIA HILLER Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 59'005 Erscheinungsweise: wöchentlich Themen-Nr.: 375.018 Abo-Nr.: 1053061 Seite: 2 Fläche: 95'626 mm² Leichte Sprache hat der Rorschacher Kommuine wichtige Aufgabe nikationsberater und ehemalige Journalist Rivon der Bundes-Kanzle- rin steht im Artikel 64 vom Grund-Gesetz. Die Bundes-Kanzlerin darf sagen: Diese Person soll Bundes-Ministerin oder Bundes-Minister sein.» So präsentiert sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Menschen mit Lernschwie- «Dringend zu klären ist die Frage nach den Adressaten.» Bettina Bock Universität Jena rigkeiten oder geistiger Behinderung. Auch chard Lehner gefasst. Seine Aufgabe war es, sich Menschen, «die nicht so gut lesen» oder «nicht in einem Dschungel verschiedener, nicht stanso gut Deutsch» können, sind explizit angespro- dardisierter Regelwerke zum Thema Leichte chen. In kurzen, verständlichen Sätzen oder Sprache zurechtzufinden. Eine entscheidende Satzbausteinen, ohne Schlangen- und Fremd- Hilfe war ihm dabei sein eigenes Umfeld: Lehwörter und umständliche Schachtelsätze, sollen ner hat einen 30jährigen Sohn mit geistiger Besie erfahren, was ihr Regierungsoberhaupt so hinderung. «Leichte Sprache ist mein Alltag», alles macht. Diese Art, Texte zu formulieren, sagt er. liegt am anderen Ende der Skala des legendär Eine der Herausforderungen bei der Übersetverschwurbelten Amtsdeutschs und nennt sich zung der Regierungsbotschaft sei die Textsorte Leichte Sprache. gewesen: «Es handelt sich um die Botschaft zu einem Gesetz und nicht um einen GebrauchsSt. Gallen geht voraus text.» Bei der Übertragung in Leichte Sprache ist Als erste Schweizer Verwaltung hat nun der es meist nicht möglich, Satz für Satz vorzugehen Kanton St. Gallen einen Text in Leichte Sprache wie bei einer gewöhnlichen Übersetzung. «Man übersetzen lassen. Es handelt sich um die Bot- muss das Original total auseinandernehmen schaft der St. Galler Regierung zum Gesetz für und ein neues Drehbuch für den Text erschafMenschen mit Behinderung. Im Original um- fen.» Abstrakte Begriffe wie «Leistungsvereinbafasst der Bericht 82 Seiten und zwölf Kapitel. In rung», «Selbsthilfe» oder «Kanton» müssen erst der «übersetzten» Version in einmal erklärt werden. Die Übersetzung sei Leichter Sprache verbleiben 16 dementsprechend in enger Zusammenarbeit Seiten in 20-Punkt-Schrift (siehe mit dem zuständigen Amt für Soziales entstanSeite 3, rechts unten). den - auch in Sachen Verzicht auf bestimmte Was in der deutschen VerwalInhalte, sagt Lehner. tung seit zehn Jahren gefördert Am wichtigsten sei, immer den Empfänger und teils verordnet wird, hat in im Auge zu behalten. «Ich hatte grossen Respekt der Schweiz eben erst begonvor der Aufgabe, denn jeder Text in Leichter nen: Im Rahmen der Umsetzung der UNO -Behindertenrechtskonvention aus Sprache ist im Grunde ein Kompromiss.» Seine dem Jahr 2006, welche die Schweiz am 15. April Übersetzung sehe er deshalb auch nicht als der 2014 ratifiziert hat, soll Menschen mit Behinde- Weisheit letzter Schluss. Wichtiger Teil einer Übersetzung in Leichte Sprache rung eine «aktive Teilnahme am politischen, sei jedoch immer die Prüfung wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ledurch Betroffene. Lehner arbeiben ihres Landes ermöglicht werden». Dazu ge- hört auch ein möglichst freier Zugang zu schriftlichen Informationen als Teil der vielbeschworenen «Barrierefreiheit». Die Übersetzung in Leichte Sprache gilt in Fachkreisen als tete dafür mit der Rorschacher Behindertengruppe «Wir für uns» zusammen. Dort sei sein Text gut angekommen. «Sie ha- ben sich bei der Lektüre wiederMöglichkeit, Informationen auch denjenigen gefunden.» Menschen zugänglich zu machen, die kognitiv nicht dazu in der Lage sind, komplexere Texte Vieles ist ungeklärt zu lesen und zu verstehen. Was Leichte Sprache allerdings genau umDen St. Galler Übersetzungsauftrag in die fasst und an wen sie sich exakt richtet, ist bisher Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 57952068 Ausschnitt Seite: 3/4 Datum: 24.05.2015 Ostschweiz am Sonntag 9001 St. Gallen 071/ 272 77 11 www.ostschweiz-am-sonntag.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 59'005 Erscheinungsweise: wöchentlich Themen-Nr.: 375.018 Abo-Nr.: 1053061 Seite: 2 Fläche: 95'626 mm² weitgehend ungeklärt. «Die Frage nach den Linguistik an der ZHAW in Winterthur, begrüsst Adressaten der Leichten Sprache zu klären, ist eine der dringlichsten Aufgaben der zukünftigen Forschung», schreibt die deutsche Sprachwissenschafterin Bettina Bock in der Publikation «Sprache barrierefrei gestalten» aus dem die ersten Gehversuche aus St. Gallen. Sie betont, dass vieles, was in Sachen barrierefreie Kommunikation wissenschaftlich noch unge- klärt ist, unbedingt in Zusammenarbeit von Linguistik, Sozialarbeit und Heilpädagogik er- Jahr 2014. Umstritten ist beispielsweise, ob arbeitet werden sollte. «Alle drei Perspektiven auch Menschen mit Migrationshintergrund können dazu beitragen, dass sinnvolle, kreative oder Leseschwäche davon profitieren. Das Ein- Lösungen zum Erreichen eines künftigen Stanüben falscher Schreibweisen («Bundes-Kanzle- dards der Leichten Sprache gefunden werden», rin») beispielsweise kann auch Verwirrung stif- sagt die Linguistin. ten. Mangels eines durch die Sprachwissenschaft geprüften Standards ist die Qualität der «Nicht wirldich brauchbar» Übersetzungen sehr breit gestreut. Zudem leiFür die Feststellung, dass viele det durch den weitgehenden Verzicht auf Verbindungswörter und Nebensätze oft die Logik und damit der Inhalt - der Texte. Die wissenschaftliche Forschung macht sich eben erst auf den Weg, die drängendsten Fragen zu klären: Was muss Leichte Sprache können? An welche Zielgruppen soll sie sich richten? Erreicht man mit der grösstmöglichen Einfachheit der Sprache tatsächlich auch die «Verständlichkeit für alle», von der die begeisterten Anhänger der Leichten Sprache träumen? Schliesst man gewisse Kreise damit schon wieder aus? Ob die Barriere zwischen Menschen mit und ohne Be- Texte in Leichter Sprache für Lai- Kompetenzzentrum im Aufbau kurze Sätze und wenig Fremdwörter. «Man en nicht unbedingt besonders verständlich wirken, hat sie ein gewisses Verständnis. «Wir arbei- ten aus Sicht der Sprachwissenschaft darauf hin, dass professionelle Übersetzer und ihre Techniken einbezogen werden.» Nur so könnten «begründete Übersetzungsentscheide» entstehen, die ei- ner inhaltlichen und sprachlichen Prüfung standhalten. Jill Aeschlimann, wissenschaftliche Mitarbeihinderung tatsächlich kleiner wird durch das terin beim schweizerischen Dachverband der Dazwischenschalten von Texten, die das Erst- Elternvereine für Menschen mit einer geistigen leseniveau teils deutlich unterschreiten, ist Behinderung, weist darauf hin, dass es für eine jedenfalls noch nicht nachgewiesen. gute Verständlichkeit von Informationen für Menschen dieser Zielgruppe mehr braucht als Das Departement Angewandte Linguistik der muss solche Texte mit Kapiteln und Absätzen Zürcher Hochschule für Angewandte Wissen- klar strukturieren und mit Bildern ergänzen.» schaften (ZHAW) baut in Zusammenarbeit mit Im St. Galler Text fehlen solche Elemente, wesder Universität Genf und der Fachhochschule halb Aeschlimann diese Version nicht für wirkNordwestschweiz zurzeit ein nationales Kom- lich brauchbar hält. «Aber es ist ein lobenspetenzzentrum «Barrierefreie Kommunikation» werter Versuch.» auf. Susanne Jekat, Professorin für Angewandte Im Netz: www.bundeskanzlerin.de, www.insiemeplus.ch, www.linguistik.zhaw.ch Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 57952068 Ausschnitt Seite: 4/4
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