David besiegt Goliath - swiss e

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20.11.-22.11.2015
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gedruckt & mobil suedostschweiz.ch AUSGABE GRAUBÜNDEN Dienstag, 10. November 2015 | Nr. 307 | AZ 7000 Chur | CHF 3.30
REGION
David
besiegt
Goliath
Die Swiss E-Technic AG aus Mastrils hats
geschafft: Nach einem jahrelangen Patentstreit
um ein Wandheizgerät gegen den deutschen
Grosskonzern Viessmann hat das kleine Bündner
Unternehmen recht bekommen – zur Freude von
Geschäftsführer Jörg Füllemann (links) und
Projektleiter Roman Koch. SEITE 3
NACHRICHTEN
SPORT REGION
Bundesratskandidat:
Wer ist Norman Gobbi?
Sven Jung: Der
20-jährige Verteidiger
stiess auf Umwegen
zum HC Davos. SEITE 29
Als «Lega-Regierungsrat und SVP-Kandidat» will
der Tessiner Norman Gobbi in den Bundesrat. In seiner
Heimat hat der Senkrechtstarter nicht nur Freunde. SEITE 11
Bilder Yanik Bürkli und Keystone
Angst vor dem Ende der EU
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20046
9 771424 751007
Luxemburg versucht
derzeit mit drastischen
Worten, die Länder im
Osten der EU unter
Druck zu setzen.
Ein Kommentar
F ll
von Fabian Fellmann,
EU-Korreespondent
D
ie Worte werden zunehmend dramatisch: Wegen der Flüchtlingskrise
denken EU-Politiker inzwischen sogar laut über
ein Auseinanderbrechen der EU nach.
Aus Luxemburg, das derzeit den Rat
der EU präsidiert, erschallte gestern
sogar die Warnung vor einem Krieg in
Europa: Falscher Nationalismus könnte dazu führen, sagte Aussenminister
Jean Asselborn. Für Dezember hat er
eine Diskussion der Mitgliedsländer
über die Schengen-Verträge angesetzt.
Die Botschaft ist klar: Die Staaten
müssen einander in der Flüchtlingskrise besser beistehen, sonst ist die
Reisefreiheit in Europa, ein zentraler
Pfeiler der EU, bedroht.
Die Rhetorik ist nicht zum
Nennwert zu nehmen – noch nicht.
Luxemburg versucht damit derzeit
vor allem, die Länder im Osten der EU
unter Druck zu setzen. Diese sollen
höhere Beiträge leisten zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und mehr
Menschen aufnehmen. Dafür setzt
sich Luxemburg in enger Absprache
mit Deutschland ein, dem grössten
EU-Land und von der Flüchtlingskrise
stark betroffen.
In Deutschland zeigt sich beispielhaft, wie tief die Flüchtlingskrise
Europa spaltet – und dass sie das
Potenzial in sich birgt, die politische
Landschaft nachhaltig zu verändern.
Selbst die deutsche Kanzlerin Angela
Merkel, noch vor wenigen Monaten
unangefochtene Landesmutter, wird
in diesen Tagen politisch durchgeschüttelt: Ihre Koalition zeigt
Ermüdungserscheinungen, weil rechte
Politiker eine härtere Flüchtlingspolitik fordern. Und in Polen feierte
die EU-kritische Partei «Recht und
Gerechtigkeit» unlängst einen Wahl-
sieg, ein Hinweis darauf, dass auch in
anderen Ländern ein Rechtsrutsch
bevorstehen könnte. Das Klima unter
den EU-Ländern dürfte damit noch
rauer werden.
Gleichzeitig deutet nichts darauf
hin, dass Europa in der Bewältigung
der Flüchtlingskrise nennenswerte
Fortschritte macht. Die Verteilung der
Flüchtlinge etwa funktioniert nicht,
die Registrierung ebenfalls nicht.
Derweil stehen in Syrien die Zeichen
weiterhin auf Krieg, der Flüchtlingsstrom droht anzudauern. Auf diese
Herausforderungen muss die EU
rasch eine wirksame Antwort finden.
Sonst ist die Zeit der ernst zu
nehmenden Szenarien ihres Untergangs nicht mehr weit entfernt.
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REGION
Südostschweiz | Dienstag, 10. November 2015
Zweistelliger Millionenbetrag
nach einem Rechtsstreit
Acht Jahre lang hat das Mastrilser Unternehmen Swiss E-Technic AG gegen den Branchenleader Viessmann
prozessiert. Das Bündner KMU geht als Sieger aus diesem Juristenkampf hervor.
Samedan
siegt in
Lausanne
Das Verwaltungsgericht
Graubünden muss erneut
über die geplante Hotelund Wohnzone Sper l’En
in Samedan befinden. Das
Bundesgericht hat eine
Beschwerde gutgeheissen.
Der Rechtsstreit um die geplante Hotel- und Wohnzone Sper l’En in Samedan geht in eine weitere Runde. Das
Bundesgericht hat den Rekurs der Gemeinde Samedan gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts Graubünden
gutgeheissen.
Der Umzonung in eine Hotel- und
Wohnzone hatte die Gemeindeversammlung im Oktober 2011 zugestimmt. Dagegen erhoben zwei Stockwerkeigentümer Beschwerde bei der
Regierung des Kantons Graubünden,
die jedoch abgelehnt wurde. Im Januar
2015 hiess das Verwaltungsgericht die
Beschwerde gegen den Entscheid gut
(Ausgabe vom 25. Februar). Die Gemeinde Samedan gelangte in der Folge
mit einer Beschwerde gegen den Entscheid ans Bundesgericht.
Zurück an den Absender
Eingespieltes Team: Geschäftsführer Jörg Füllemann (rechts) und Projektleiter Roman Koch verfügen über das Know-how hinter dem Wandheizgerät.
von Milena Caderas
A
m 27. Februar letzten
Jahres gab das Oberlandesgericht Düsseldorf
dem Mastrilser Unternehmen Swiss E-Technic
recht. Die Erleichterung war gross.
«Wir haben spontan ein kleines Fest
organisiert», erinnert sich der Geschäftsführer Jörg Füllemann. «Wie
sich Viessmann verhalten hat, ist das
Mieseste, was ich in der Arbeitswelt je
erlebt habe.»
Swiss E-Technic kann mit einer Entschädigung in zweistelliger Millionenhöhe rechnen. Bis die Rechnungslegung nicht geklärt ist, steht der genaue Betrag noch nicht fest. Gemäss
Füllemann sind die Angaben von
Viessmann bislang genauso unvollständig wie unglaubwürdig. Aber der
Reihe nach.
und Klimatechnik – das deutsche
Unternehmen Viessmann – interessierte sich für diese Entwicklung der
Tüftler. Die Deutschen sollten den
Schweizer Brenner vermarkten. 1998
unterzeichnen die beiden ungleichen
Unternehmen – wie es bei Lizenzverhandlungen üblich ist – ein Geheimhalteabkommen. Der Grosskonzern
Viessmann erhielt Einblick in die
technischen Details der Schweizer Erfindung.
Die Verhandlungen kamen nicht
vom Fleck. 1999 zieht Füllemann sein
Angebot für eine Lizenz zurück.
Viessmann erwarb nie eine Lizenz.
Dass Vertrauen war damals schon
verloren.
Nicht schlecht staunte Füllemann
ein Jahr später. 2001 präsentierte
Viessmann an der Internationalen
Heizungs- und Sanitärfachmesse ISH
in Frankfurt am Main ein Gerät, das
ihn doch sehr an seine Erfindung erinnerte. «Uns war sofort klar, dass es
sich hier um eine Kopie handelt», so
Füllemann.
Der Juristen-Knatsch
Das war der Beginn eines intensiven
acht Jahre dauernden Rechtsstreits.
«Es braucht grossen Durchhaltewillen», sagt Füllemann, wenn er an jene
Zeit zurückdenkt. Und er hat nicht
aufgegeben, akribisch dokumentiert
und an die Macht der Fakten geglaubt.
Ein Gerichts-Sachverständiger der
Universität München analysierte die
technischen Details. Die unabhängige
Gerichts-Expertise fiel im Sinne der
Schweizer Streitpartei aus.
Beim Verlierer zeigt man sich
überrascht über das Urteil. Viessmann will das Rad nun zurückdrehen. Das Patent sei bei der Anmeldung Stand der Technik gewesen, ar-
Der Ursprung
Die besonders interessante Entwicklung liegt gut 20 Jahre zurück. Sieben
Jahre lang forschte Füllemann an
einem miniaturisierten BrennwertHeizgerät. Im Frühling 1997 meldete
er ein Wandheizgerät zum Patent an:
EP 0970327B1 und EP 0867658B1.
Das Wandheizgerät ist bis zu viermal kleiner als konventionelle Heizgeräte. Der Heizkessel mit Brenner
unterschritt insbesondere die vorgegebenen Emissionswerte deutlich.
Der international führende Hersteller von Systemen der Heiz-, Kälte-,
Drei Jahrzehnte am Puls der Wärmetechnik
Seit 30 Jahren ist Jörg
Füllemann Unternehmer. Heute ist er Verwaltungsrat und Geschäftsführer der
Swiss E-Technic AG
in Mastrils. Zwischen
zehn und 15 Mitarbeiter in Kooperation
sind im mittelständlerischen Unternehmen
beschäftigt.
Swiss E-Technic entwickelt Technologien
und Produkte im eigenen Entwicklungslabor.
Eine kleine Produktionsstätte ist in Bad
Ragaz angesiedelt.
Füllemann hat etwa 40
Patente angemeldet.
Mit Lizenzen vermark-
tet die Firma Technologien in Europa und
Nordamerika. Die
Bündner Firma ist mit
verschiedenen Preisen
ausgezeichnet worden
– etwa dem Internationalen Innovationspreis in Paris oder dem
Design Plus Preis in
Frankfurt. (so)
Bild Yanik Bürkli
gumentiert Viessmann in einer Stellungnahme. Gegen das Patent der
Swiss E-Technic AG hat Viessmann
eine Nichtigkeitsklage eingereicht.
Das Patent hätte gemäss einer der
Mitteilung von Viessmann nie erteilt
werden dürfen. «Die betroffenen früheren Versionen unserer Öl-Brennwert-Wandgeräte beruhen auf einer
eigenen Entwicklung und nutzen ein
Grundlagenpatent, für das Viessmann bis zu dessen Ablaufen Gebühren zahlte», schreibt die Medienstelle.
An einer Schlammschlacht wollen sie
sich nicht beteiligen. Viessmann verweist auf ein Gutachten vom Landesgericht Düsseldorf, das eine Patentverletzung festgestellt hatte.
«Alle Argumente die Viessmann
aufführt, wurden vom obersten Bundesgerichtshof geprüft und am 12.Mai
2015 zurückgewiesen. Darunter fällt
auch die Nichtigkeitsklage vom April
2014, die nicht zur Zulassung der Revision geführt hat. Damit ist das Urteil
rechtskräftig und Viessmann ist verpflichtet, raschestens eine saubere,
glaubwürdige und gesetzeskonforme
Rechnungslegung abzuliefern, damit
der definitive Schadenersatz berechnet werden kann. Es ist beschämend,
dass ein renommiertes deutsches
Unternehmen wie die ViessmannGruppe ein rechtskräftiges und bindendes Urteil schlicht ignoriert»,
schreibt Füllemann zur Nichtigkeitsklage. Den Anwälten der Streitparteien geht die Arbeit aber noch nicht
aus.
Das Bundesgericht gab jetzt der Gemeinde Samedan und der Regierung
des Kantons Graubünden recht, wie Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR)
vermeldete. Es hob den Entscheid des
Verwaltungsgerichts auf und wies die
Streitsache an dieses zur Neubeurteilung zurück.
Das Bundesgericht kommt in seinem Urteil zum Schluss, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts «mit
der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch» stehe. Dieser erweise
sich «nicht nur in der Begründung,
sondern auch in den rechtlichen Auswirkungen als offensichtlich unhaltbar
und demnach willkürlich».
Das fragliche
Gebiet liegt laut
Bundesgericht
nicht in einer
qualifizierten,
sondern in
einer einfachen
Pufferzone.
Das Verwaltungsgericht hatte bei seinem Entscheid argumentiert, weil Teile der Gemeinde Samedan zum
Unesco-Welterbe «Rhätische Bahn in
der Landschaft Albula/Bernina» lägen,
hätte die Gemeinde zusätzliche Abklärungen durch Fachkräfte vornehmen lassen müssen. Dies sei jedoch
nicht der Fall, rügt das Bundesgericht.
Das fragliche Gebiet liege nicht in einer
qualifizierten Pufferzone, die wichtige
und qualitativ hochwertige Kulturgüter, Ortsbilder und Landschaftselemente umfasse, sondern in der einfachen
Pufferzone. Und in diesem Fall sei eine
Fachberatung nicht zwingend. (be)
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