Abschlussarbeiten am Institut für Europäische Studien (AIES-online) Nr. 18 Die Initiative gegen Masseneinwanderung und deren mögliche Auswirkungen auf den Bilateralen Weg zwischen der Schweiz und der EU von Enriko Kissing Oktober 2015 Enriko Kissing ist Absolvent des Master-Studiengangs Europäische Integration − Schwerpunkt Ostmitteleuropa. Der hier vorliegende Text stellt die überarbeitete Fassung seiner Masterarbeit dar, die an der Professur Europäische Integration erarbeitet und von Prof. Dr. Matthias Niedobitek und Marcus Hornung M.E.S betreut wurde. Impressum Herausgeber: Institut für Europäische Studien Anschrift: TU Chemnitz, Institut für Europäische Studien, Thüringer Weg 9, 09126 Chemnitz Erscheinungsort: Chemnitz Inhaltsverzeichnis I Einleitung............................................................................................................................................1 II Schweizer Außenpolitik und institutionelle sowie politische Besonderheiten.................................5 A. Souveränität.................................................................................................................................6 B. Neutralität....................................................................................................................................8 C. Föderalismus..............................................................................................................................10 D. Direkte Demokratie...................................................................................................................13 III Historischer Überblick der Rechtsbeziehungen zwischen der Schweiz & der EU..........................20 A. Schweizerische Interessenwahrung und die Europäische Gemeinschaft.................................21 B. Der Bilaterale Weg.....................................................................................................................24 IV Die Masseneinwanderungsinitiative und der Bilaterale Weg........................................................30 A. Verfahren, Inhalt und Intentionen der MEI...............................................................................32 B. Mögliche Konflikte mit dem FZA................................................................................................35 1. Grundzüge des FZA................................................................................................................35 2. Vereinbarkeit der MEI und des FZA.......................................................................................39 3. Gesetzliche Beschränkungsmöglichkeiten innerhalb des FZA..............................................46 4. Umsetzung der MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA.......................................49 5. Neuverhandlung des FZA......................................................................................................54 6. Kündigung des FZA................................................................................................................58 C. Die Bedeutung des bilateralen Wegs für die Schweiz...............................................................62 D. Hintergründe zum Abstimmungsverhalten bei der MEI............................................................70 E. Aktuelle Entwicklungen zur MEI................................................................................................75 1. Reaktionen zur Annahme der MEI........................................................................................76 2. Derzeitiger Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Art. 121a BV............................................81 V Zusammenfassung und Ausblick.....................................................................................................86 Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................................................90 Literaturverzeichnis............................................................................................................................92 I Einleitung Immer wieder betont die Schweiz gegenüber der EU ihre politische Eigenständigkeit und Souveränität. Dem europäischen Integrationsprozess stand die Schweiz jahrzehntelang kritisch und mit Distanz gegenüber.1 Dies ist vor allem durch ihre historische Entwicklung sowie für die Schweiz charakteristischen Eigenarten wie bspw. einen Politikstil der Konkordanz, der Souveränität, der Neutralität und einem ausgeprägten Föderalismus zu begründen.2 Doch auch wenn die Schweiz kein Mitglied der EU ist, versteht sie sich selbstverständlich als Teil Europas und darüber hinaus als Teil der Wertegemeinschaft. Denn nicht nur geographisch, sondern auch politisch, wirtschaftlich, historisch und gesellschaftlich gehört die Schweiz zu Europa. 3 Die Kleinstaatlichkeit sowie Rohstoffarmut und eine wirtschaftliche Ausrichtung auf den Export bedingen zudem eine starke Auslandsverflechtung der Wirtschaft.4 Mit dem hohen Anteil des Außenhandels am BIP gehört die Schweiz im internationalen Vergleich mit an die Spitze. 5 Eine besonders wichtige Stellung für den Handel der Schweiz nimmt dabei die EU ein. Auf sie entfallen mit großer Kontinuität jährlich über die Hälfte der Exporte der Schweiz und über 70 % der Importe. 6 Die tägliche Handelsbilanz zwischen der Schweiz und Europa liegt bei etwa einer Milliarde Franken pro Arbeitstag; jeden dritten Franken erwirtschaftet die Schweiz gegenwärtig mit der EU. 7 Besonders diese Abhängigkeit vom europäischen Markt führen zu einer notwendigen Verständigung mit der EU. Die Außenpolitik der Schweiz ist damit folglich meist Außenwirtschaftspolitik. 8 Ziel dieser Politik ist es im Wesentlichen, Standort- und Wettbewerbsnachteile zu verhindern und den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu sichern. 9 Dafür musste sich die Schweiz zunehmend mit der EU und deren sich stetig weiter entwickelnden Rechtsordnung auseinandersetzen. Sie betrieb dabei fast ausschließlich eine Europapolitik, welche nicht auf einen Beitritt zur EU zielte, sondern auf den 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Vgl. Hollmann, Anna: Die Schweizer und Europa, Baden-Baden, 2005, S. 25. Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 46 / Iken, Jan – Gerrit: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Dissertation, 2003, S. 41. Vgl. Thürer, Daniel: Perspektive Schweiz. Übergreifendes Verfassungsdenken als Herausforderung, Zürich, 1998, S. 227. Vgl. Meier, Alfred/Buholzer, René: Die Zukunft der EU und die Schweiz, Zürich/Chur, 1997, S 51. Vgl. Bundesamt für Statistik: Übersicht Industrie und Dienstleistungen, Stand 2015, online einsehbar unter, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/01/pan.html (letzter Zugriff 23.08.2015). Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, Bern, 2014, S. 5 / SECO (Hrsg.): Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2014, vom 14 Januar 2015, S. 51. Vgl. Lopatka, Andreas: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU. Das Freizügigkeitsabkommen & Die Zukunftsperspektiven der Schweizerischen Eidgenossenschaft in der Europäischen Union, Saarbrücken, 2012, S. 3. Vgl. Steppacher, Burkard: Schritte zur Europäisierung der Schweiz. Politisches System und Wirtschaftsverbände in den Jahren 1985 bis 1990, Frankfurt am Main, 1992, S. 15. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5. 1 Abschluss von bilateralen sektoriellen Abkommen mit der EU baute. 10 Der daraus resultierende bilaterale Weg umfasst derzeit ein dichtes Vertragsnetzwerk von mehr als 120 Abkommen und ermöglicht der Schweiz einen privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt, wie ihn sonst kein Staat außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) genießt. 11 Da der bilaterale Weg der Schweiz den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt unter der Wahrung ihrer politischen Grundinteressen wie der Neutralität, der Souveränität und dem Föderalismus ermöglicht, wird er in der Schweiz auch als Königsweg bezeichnet.12 Mittlerweile ist die Schweiz in einigen Bereichen sogar stärker in die EU integriert als einige EU Mitgliedsstaaten (MS). Die Abschaffung von Grenzkontrollen im Rahmen von Schengen, die Großbritannien und Irland nicht vollzogen, wäre ein Beispiel dafür. Zudem ist aufzuführen, dass die Schweiz große Teile ihrer Rechtsordnung freiwillig an die der EU anpasst und EU-Rechtsakte teilweise oder gar vollständig übernimmt.13 Der autonome Nachvollzug von EU Recht ist seit 1988 unter dem Motto der Europaverträglichkeit zum politischen Leitmotiv geworden und dient dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu erhalten. 14 Auch die starke Verflechtung der Migration und Immigration mit der EU ist hervorzuheben. Mehr als 1,3 Mio. EU28/EFTA Bürger leben in der Schweiz, über 440.000 Schweizer in EU Staaten. Zudem kommen täglich fast 300.000 europäische Grenzgänger zur Arbeit in die Schweiz.15 Mit einem Ausländeranteil von über 23% und einer Nettomigration von 1,9% ist fast jeder vierte Einwohner der gut acht Mio. Schweizer kein Eidgenosse. Damit gehört die Schweiz nach Luxemburg zu den europäischen Ländern mit dem höchsten Ausländeranteil. Auch wenn das Schweizer Volk den bilateralen Weg in diversen Abstimmungen bestätigt und unterstützt hat, äußerte sich die EU in den letzten Jahren immer kritischer.16 So äußerte sich der Rat der Europäischen Union 2013 wie folgt: „[...] dass der von der Schweiz verfolgte Ansatz, sich durch sektorale Abkommen in immer mehr Bereichen an der Politik und den Programmen der EU zu beteiligen, ohne dass es einen horizontalen 10 Beitritt als politisches Ziel von 1992-2006: Vgl. Bernauer, Thomas/ Ruloff, Dieter (Hrsg.): Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik. Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung der Schweizerischen Bundesverwaltung, Zürich/Chur, 2000, S. 279 / Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 37. 11 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5 / Jones, Richard, Rede an der Ausserordentlichen Delegierten-versammlung des Gewerkschaftsbundes des Kantons Bern, 01.11.2014, S. 4. 12 Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 7 / Burkhalter, Didier: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, Rede an der Universität Zürich, am 10.10.2013. 13 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5f. 14 Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 11. 15 Ambühl, Michael/Zürcher Sibylle: Schutzklausel bei der Zuwanderung, In: Integration am Ende?. Die Schweiz im Diskurs über ihre Europapolitik, von Schweizer Max/Ursprung Dominique (Hrsg.), Zürich, 2015, S. 22. 16 Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, KOF Studien, 58, Zürich, 2015, S. 6. 2 institutionellen Rahmen gäbe, an seine Grenzen gestoßen ist und einer Überprüfung unterzogen werden muss. Jede neue Ausweitung des komplexen Systems von Abkommen würde die Homogenität des Binnenmarktes gefährden und die Rechtsunsicherheit vergrößern [...]". 17 Es galt, eine Diskussion über den zukünftigen bilateralen Weg und die Beziehungen zur EU zu führen. Der Schweizer Bundesrat bekannte sich im Dezember 2013 erneut zum bilateralen Ansatz und äußerte, dass es die Aufgabe der Regierung sei, den bilateralen Weg als Garant für den Wohlstand der Schweiz stetig zu erneuern, damit dieser nicht in einer Sackgasse endet. 18 Zwei Monate später, am 09.02.2014, stimmte das Schweizer Stimmvolk der Initiative gegen Masseneinwanderung zu und sprach sich somit gegen den geltenden freien Zuzug von EU-Bürgern, für Einwande rungskontingente und für einen Inländervorrang bei der Stellenbesetzung aus. 19 Dieses Ergebnis führte auf Seiten der EU und vieler MS mehrheitlich zu Kritik gegenüber der Schweiz und deren Entscheidung.20 Denn Teile der Initiative verstoßen inhaltlich doch auf den ersten Blick gegen die Personenfreizügigkeit, welche im Rahmen der Bilateralen I (BIL I) zwischen der Schweiz und der EU vertraglich vereinbart worden war.21 Damit gefährdet die Initiative nicht nur die Anwendung einer der wichtigsten europäischen Grundfreiheiten, sondern es besteht zudem die Gefahr, dass bei einem zukünftigen Verstoß gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA) sämtliche Verträge der BIL I, welche an das FZA durch eine Guillotine-Klausel gebunden sind, gekündigt werden. 22 Vor der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative (MEI) hatten sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien mit großer Mehrheit gegen die Annahme der Initiative ausgesprochen und vor den möglichen Konsequenzen gewarnt. 23 Seit der Annahme der MEI ist die Schweiz hinsichtlich deren Umsetzung gespalten. Während vor allem die Initianten der MEI sowie Anhänger der konservativen SVP eine wortgetreue und strikte Umsetzung der Initiative fordern, positionieren sich Vertreter aus der Wirtschaft sowie liberaler und sozialer Parteien hinter dem 17 Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTALändern, 08-01-2013, Doc.Nr. 5101/13, S. 10. 18 Vgl. Burkhalter, D.: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, 10.10.2013 / Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem homogenen erweiterten Binnenmarkt und den Beziehungen der EU zu nicht der EU angehörenden westeuropäischen Ländern, 16-12-2014, Doc-Nr. 16583/14, S. 13. 19 Vgl. Landmark, Philipp; Zäsur auf dem bilateralen Weg, 09.02.2014. 20 Vgl. o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014 / o.V: Reaktion auf Volksentscheid: Frankreich will Beziehungen zur Schweiz überdenken, 10.02.2014. 21 Vgl. Kunz, Raffaela: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 2014, Band 74, Heft 2, S. 329ff. 22 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31. 23 Vgl. Spillmann, Markus: Eine Zäsur für die Schweiz, 09.02.2014, / Manifest für einen offenen Bildungs und Forschungsplatz Schweiz (unterzeichnet von den Präsidenten der Hochschulen und Akademien der Wissenschaften), 21.01.2014, S. 1f. / Tresch, Anke u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, gfs.bern und Institut für Politikwissenschaft Universität Genf, 2014, S. 36. 3 Erhalt des FZA und den BIL I. Wenn die Schweizer Regierung die Initiative vom 09. Feb. 2014 so umsetzen möchte, dass sie einerseits dem Inhalt der Initiative gerecht wird und anderseits den bilateralen Weg weiterhin fortführt und die BIL I erhalten kann, steht sie wie derzeit häufig in den Medien beschrieben vor der „Quadratur des Kreises“24. Nicht zuletzt da auch von Seiten der EU bereits wiederholt darauf verwiesen wurde, dass es ihrerseits kein Interesse gebe, das FZA erneut zu verhandeln und bisherigen Schweizer Gesuchen diesbezüglich eine Absage erteilt hat. 25 Die Zustimmung zur MEI hat das ohnehin bereits angespannte Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz erheblich erschwert.26 Eine neue Debatte über die Zukunft der Schweiz in Europa hat begonnen. Ziel dieser Arbeit ist es, den durch die Schweiz praktizierten bilateralen Sonderweg mit der EU darzustellen. Insbesondere werde ich dabei aufzeigen, warum die Schweiz sich im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten gegen einen Beitritt zur EU entschieden hat und den bilateralen Weg einer weiterreichenden Integration in die EU vorzieht. Weiterhin stellt sich die Frage, welche Bedeutung und Auswirkungen der von der Schweiz praktizierte bilaterale Weg einerseits auf das Verhältnis zur EU und andererseits in innenpolitischer sowie in wirtschaftlicher Hinsicht hat. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Betrachtung und Analyse der MEI, welche sich augenscheinlich im direkten Konflikt mit dem bilateralen Weg befindet. Zu untersuchen ist zudem, inwieweit die MEI tatsächlich mit dem bilateralen Weg in Konflikt steht und wie die MEI die im Volk notwendige Zustimmung erhalten konnte. Zum Abschluss versuche ich, einen aktuellen Überblick über die möglichen Auswirkungen einer wortgetreuen Umsetzung der MEI darzustellen und die ebenfalls in der Schweiz derzeit diskutierten Lösungsansätze zur Umsetzung bzw. zum Umgang mit der MEI aufzuzeigen. 24 Vgl. Morf, Peter: Die Quadratur des Kreises, 08.04.2014 / Schöchli, Hansueli: Erfolglose Suche nach der Quadratur des Kreises, In: NZZ, 07.05.2015, Nr. 104, S. 24 / o.V.: Bundesrat setzt Chefunterhändler ein, 24.06.2015. 25 Vgl. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem homogenen erweiterten Binnenmarkt und den Beziehungen der EU zu nicht der EU angehörenden westeuropäischen Ländern, 2014, S. 13 / Nuspliger, Niklaus: EU-Staaten bekräftigen Absage an Bern, In: NZZ, 17.12.2014, Nr. 293, S. 9. 26 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331. 4 II Schweizer Außenpolitik und institutionelle sowie politische Besonderheiten Wie die Außenpolitik anderer Nationen ist auch die Außenpolitik der Schweiz unter dem Aspekt der Interessenwahrung zu betrachten.27 Im Falle der Schweiz liegt der Schwerpunkt auf einer Außenwirtschaftspolitik. Begründet ist dies einerseits durch ihre geographische Lage, ihre Kleinstaatlichkeit und ihre intensive wirtschaftliche Verflochtenheit mit dem Ausland, andererseits gehört die Schweiz mit ihrer Anzahl an natürlichen Ressourcen zu den ressourcenärmsten Ländern Europas und ist somit auf den Import von Rohstoffen und den Export von Veredelungswaren angewiesen.28 All dies schafft ein erhöhtes Maß an Abhängigkeit und legt den Fokus auf starke Wirtschaftspolitik.29 Des Weiteren verfügt das Politiksystem der Schweiz im internationalen Vergleich über besondere charakteristische Merkmale, welche sich maßgeblich auf die Außenpolitik und die damit verbundene Entwicklung und Haltung gegenüber der EU auswirken. 30 Dazu gehören vor allem die Direkte Demokratie, ein ausgeprägtes Souveränitätsverständnis, die Politik der Neutralität und ein Föderalismus mit weitreichender Autonomie von Gemeinden und Kantonen. Verglichen mit anderen europäischen Nationen gehört die Schweiz zu den wenigen Ländern, deren Identität nicht auf gemeinsamer Religion, Sprache oder Nation beruht. Sie ist somit kein Nationalstaat im klassischen Sinne, sondern verwirklicht vielmehr die Idee der “Willensnation“, welche auf dem Bekenntnis der Bevölkerung zu seinem spezifischen politischen System basiert. 31 Während andere Nationen sich in der europäischen Geschichte aufgrund bspw. unterschiedlicher Sprachoder Religionsgemeinschaften miteinander in Konflikt befanden, gelang es der Schweiz, vor allem durch die Institutionen der Direkten Demokratie, dem Föderalismus sowie der Neutralität, eine sehr pluralistische Gesellschaft friedlich zusammenzuhalten. Ein grundlegendes Verständnis dieses Systems mit seinen Eigenarten sowie deren Anwendung, Auslegung und ihren gesellschaftlich und politischen Einflüssen sind notwendig, um den eingeschlagenen Integrationsprozess mit der EU zu verstehen. 27 Vgl. Bernauer, Thomas/Ruloff, Dieter (Hrsg.): Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik. Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung der Schweizerischen Bundesverwaltung, Zürich/Chur, 2000, S. 14f. 28 Vgl. Bergier, Jean-Francois: Die Schweiz in Europa. Zeitgemäße Gedanken eines Historikers, Pendo, 1998, S. 7 / Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 15. 29 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 16. 30 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 46. 31 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 52. 5 A. Souveränität Für den Begriff der Souveränität findet sich eine Vielzahl von Definitionen und Auslegungen, welche in dieser Arbeit nicht genauer erörtert werden sollen. Vielmehr beschränke ich mich auf einige wichtige Aspekte und verwende für diese Arbeit die folgende Definition: Souveränität bezeichnet die höchste Entscheidungsgewalt und Herrschaftsmacht des Staates gegenüber seinen Bürgern (innere Souveränität), sowie gegenüber anderen Staaten als Träger völkerrechtlicher Verpflichtungen (äußere Souveränität).32 Zudem stellt der Souveränitätsbegriff auf die Gleichheit aller Staaten ab. In Art. 2 der Bundesverfassung (BV) der Schweizer Eidgenossenschaft steht als Zweck der Eidgenossenschaft, der Schutz der Freiheit, der Rechte des Volkes und der Wahrung der Unabhängigkeit und der Sicherheit des Landes. Diese Verfassungsbestimmung soll dem Staat eine prinzipiell uneingeschränkte äußere Hoheitsgewalt sichern, indem sich die Organe der Schweiz ausdrücklich zur Wahrung der äußeren Souveränität verpflichten. 33 Des Weiteren ist es wichtig darauf zu verweisen, dass die Schweiz als föderaler Bundesstaat dreistufig, d.h. in Bund, Kantone und Gemeinden als Träger eigener Souveränität, aufgeteilt ist. 34 Allgemein bewertet das schweizerische Volk seine Souveränität und Unabhängigkeit als bedeutendes Gut und Wesensmerkmal. Die Aufrechterhaltung der souveränen Unabhängigkeit war und ist somit auch ein wichtiges Ziel der Schweizer Außenpolitik. 35 Jedoch stellt sich in Hinblick auf die Globalisierung und Multilateralisierung der Welt die Frage, welche Bedeutung und Relevanz der Souveränität gegenwärtig noch zukommt. So wird der Souveränitätsbegriff bspw. in den internationalen Beziehungen kaum noch verwendet, gilt er doch real- und ordnungspolitisch als überholt. 36 Das direkte außenpolitische Umfeld der Schweiz hat sich stark verändert, eine Vielzahl der Europäischen Staaten maximieren nicht mehr ihre souveräne Unabhängigkeit, sondern übertragen Teile dieser auf supranationale Organisationen.37 Aufgrund der zunehmenden ökonomischen und politischen Verflechtung der Welt kommt es auch zu zahlreichen Problemen, mit denen der einzelne Staat überfordert ist. 38 Regelungsbedürftige 32 Vgl. Josi, Claudia: Der Souveränitätsbegriff im Föderalen Staat, Universität Fribourg, Rechtswissenschaftliche Fakultät, wissenschaftliche Arbeit, 2004, S. 10. / Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, 5 Auflage, München, 2011, S 551. 33 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 16. 34 Vgl. Josi, C: Der Souveränitätsbegriff im Föderalen Staat, 2004, S. 1. 35 Vgl. Gabriel, Jürg Martin: Sackgasse Neutralität, Zürich, 1997, S.15. 36 Vgl. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, 5 Auflage, München, 2011, S 551. / Alabor, Camilla: Souveränität: <<Das ist Wunschdenken>>, 19.02.2015. 37 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 26. 38 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 14. 6 Sachverhalte lassen sich immer weniger von Staatsgrenzen aufhalten und Völkerrecht dringt immer häufiger in Bereiche vor, welche bis vor einiger Zeit noch als rein innerstaatliche Angelegenheiten galten und somit rein durch innerstaatliches Recht geregelt wurden. 39 Internationale Politik tangiert auf diese Weise auch immer mehr innenpolitische Themen wie bspw. Umwelt-, Flüchtlings-, oder Währungspolitik.40 Wer auf diese Politik und Themen aktiv Einfluss nehmen möchte, muss bereit sein, Abkommen zu schließen, sein Rechtssystem anzupassen und in multilateralen Gremien mitzureden. In der Folge nehmen die Bedeutung von internationalen und supranationalen Organisationen wie bspw. UNO, WTO und auch der EU kontinuierlich zu. Aus völkerrechtlicher Sicht gehört zur Souveränität eines Staates heutzutage mehr denn je, seinen Einfluss auf internationaler Ebene geltend machen zu können.41 Auch die Schweiz kann sich der fortschreitenden Internationalisierung des Rechts aus verschieden Gründen nicht entziehen und geht immer weitere internationale Beziehungen ein, welche eine Änderung des staatlichen Rechts automatisch herbeiführen oder notwendig machen.42 Die zunehmende Anzahl an Abkommen und Verpflichtungen, welche die Schweiz in den letzten Jahren eingegangen ist, führen jedoch bei Souveränitätsverfechtern insb. bei europapolitischen Themen zu immer heftigerer Kritik gegenüber der Regierung. Dies hat seine Ursache jedoch weniger darin, dass die europäische Integration dem staatstheoretischen Souveränitätsbegriff entgegensteht, sondern liegt vielmehr an der politischen Kultur der Schweiz, zu welcher eine fast mythische Unabhängigkeit gehört. 43 Die immer weiter fortschreitende europäische Integration, ja sogar die Diskussionen über einen zukünftigen Beitritt würde die Unabhängigkeit und Souveränität der Schweiz untergraben.44 Derzeit schreibt sich bspw. die SPV das Thema Souveränität für ihren Wahlkampf auf die Fahnen. Da diese die Souveränität als zunehmend bedroht betrachtet, strebt sie derzeit die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) an, welche die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellen möchte.45 Aufgegriffen wird somit zugleich das in der Schweiz weitverbreitete Feindbild des fremden Richters, beruht doch der Erfolg der Schweiz auf dem 39 Vgl. Hänni, Peter (Hrsg.): Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration. Die Rolle der Kantone in einem sich wandelnden internationalen Kontext, Zürich, 2000, S. 267. 40 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S.14 41 Vgl. Gentinetta Katja/Kohler Georg (Hrsg.): Souveränität im Härtetest. Selbstbestimmung unter neuen Vorzeichen, Zürich, 2010, S. 278. 42 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 267. 43 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 59. 44 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 12f. 45 Vgl. Hofmann, Markus: SVP fürchtet einen Souveränitäsabbau, In NZZ, 27.10.2014, Nr. 249, S. 7 / Jürgensen, Nadine: Alle Parteipräsidenten gegen die SVP, 10.03.2015. 7 Fundament der Selbstbestimmung.46 Die gegenwärtige Selbstbestimmung und Autonomie wird jedoch immer häufiger und kritischer hinterfragt. So erheben sich auch in der Schweiz immer öfter Stimmen, welche behaupten, dass der Mythos der Souveränität überholt sei und das Streben danach die Schweiz viel Mitbestimmungspotential koste. 47 Denn so führt bspw. gerade das Streben der Schweiz, weitestgehend souverän zu bleiben, dazu, dass diese an Selbstbestimmung verliert, da sie bei Entscheidungen der EU, welche auch die Schweiz betreffen, nicht mitreden kann. Aufgrund der Vielzahl an Gesetzen mit EU Bezug, welche die Schweiz ohne die Möglichkeit der Beeinflussung in ihr Rechtssystem übernehmen „muss“, ist nur die EU als autonom zu betrachten. 48 Ebenfalls gilt es zu bedenken, dass immer häufiger äußere und innere Spannungen, denen die EU ausgesetzt ist, auch die Schweiz nicht verschonen. Für Viele ist daher eine Zusammenarbeit mit der EU bspw. innerhalb von Wohlstands-, Sicherheits- und Umweltrisiken durchaus erstrebenswert.49 Die Souveränität bzw. das Souveränitätsverständnis ist in der Schweiz somit heftig umstritten. Der einen Seite gilt sie als Auslaufmodell und Hindernis bei der Lösung von wichtigen Problemen und der anderen Seite als Garantie für Unabhängigkeit und Freiheit. B. Neutralität Eine weitere tief verwurzelte Besonderheit der Schweiz und ein Grund für die Nichtteilnahme der Schweiz an einigen internationalen politischen Zusammenschlüssen ist die Leitlinie der Neutralität.50 Zunächst ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit wird sie seit dem 16. Jahrhundert von der Eidgenossenschaft als Staatswesen praktiziert. Unter Neutralität ist die Nichtbeteiligung an einem Konflikt zwischen anderen Staaten zu verstehen. 51 Damit erklärt die Schweiz bereits in Friedenszeiten, dass sie in zukünftigen Konflikten ihr Neutralitätsrecht anwenden wird. Charakterisiert wird die schweizerische Neutralität durch drei Merkmale: Freiwilligkeit im Sinne von selbst gewählt, andauernd und selbst bewaffnet. Nach der Schweizer Bundesverfassung von 1848/74 dient die Neutralität ausschließlich der Gewährleistung der Schweizer Unabhängigkeit. Somit ist die Neutralität nicht als Ziel, sondern als Mittel der Schweizer Außen- bzw. 46 Vgl. Lindner, Wolf u.a. (Hrsg.): Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz. Der Kleinstaat im Kräftefeld der europäischen Integration, Bern, 1996, S. 231 / Hofmann, M.: Die SVP sieht die Souveränität zunehmend bedroht, 25.10.2014, S. 7. 47 Vgl. Alabor, Camilla: Die Souveränität ist ein Auslaufmodell, 19.02.2015, / Thomas Müller, Die Schweiz verschenkt viel Potential, 01.06.2015. 48 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 320. 49 Vgl. Wagner, Thomas: Gedanken und Ausblicke, In: Die Stellung der Schweiz in Europa, Forum Helveticum (Hrsg.), 2007, S. 110f. 50 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 17. 51 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 81. 8 Sicherheitspolitik zu betrachten. Die Schweiz könnte, wenn sich die Neutralität als zukünftiges Mittel zur Wahrung der äußeren Sicherheit nicht mehr bewährt, theoretisch auf diese verzichten. Jedoch hat sich die mittlerweile über Jahrhunderte praktizierte Neutralität historisch betrachtet positiv bewährt (z.B 1ter und 2ter WK) und das Prinzip der Neutralität ist im Volk fast zum Dogma und elementaren Wert zur Wahrung der Souveränität geworden. 52 Zudem gilt die Schweiz auch in der Gegenwart aufgrund ihrer Neutralität als geschätzter Mediator und Verhandlungsort für internationale Konfliktparteien.53 Dennoch erhebt sich seit Jahren Kritik gegen eine strikte Fortführung der Neutralität, denn so wird auch diese als nicht mehr zeitgemäß und effektiv betrachtet.54 So ist hier etwa auf das veränderte direkte Umfeld der Schweiz zu verweisen, auf Nachbarstaaten, welche vermehrt Souveränität übertragen, gemeinsam kooperieren und, anstatt sich auf gegenseitige kriegerische Auseinandersetzungen vorzubereiten, gemeinsam militärische Zusammenarbeit üben.55 Auch der Beitritt der drei neutralen Länder Schweden, Finnland und Österreich zur EU wäre zu Zeiten des Kalten Krieges noch vollkommen undenkbar gewesen und hat in der Schweiz zu Diskussionen geführt, ob und wie ein EU Beitritt mit dem Prinzip der Neutralität vereinbar sei. Insbesondere stellt sich hier die Frage nach der Vereinbarkeit der schweizerischen Neutralität und der Teilnahme an bspw. ausgesprochenen Sanktionen der EU gegen andere Nationen.56 Fakt ist, dass die Bedeutung und der Inhalt der schweizerischen Neutralität häufiger historischen Veränderungen unterworfen war und von der Schweiz immer wieder der internationalen Notwendigkeit und Situation angepasst wurde. 57 Waren z.B. der Beitritt zum Europarat sowie zur UNO einst mit der Neutralität unvereinbar, ist die Schweiz seit 1963 im Europarat und seit 2002 in der UNO vertreten. 58 Auch nimmt die Schweiz mittlerweile auf Grundlage der Art. 39ff SVN an vereinbarten Sanktionen teil. 59 Der inhaltliche Wandel bzw. die Reduktion der Neutralität auf ihren Kerngehalt, dass diese nur bei einem bewaffneten Konflikt zwischen souveränen Staaten zum Tragen kommt, führte zumindest in der Wissenschaft zu der Ansicht, dass die Neutralitätspolitik der Schweiz einem Beitritt zur EU nicht im Wege stehe. So sprach sich vor kurzem der Europäische Rat anerkennend über die Zusammenarbeit auf dem 52 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 17. 53 Bahadir, Aydan: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 11. 54 Vgl. Bronska, Justyna: Die Schweiz in Europa: Mittendrin, doch außen vor?. Auswirkungen eines EU-Beitritts im Kontext der Erfahrungen Österreichs, Marburg, 2009, S. 129ff / Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 1ff. 55 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 26. 56 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 15. 57 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 82. 58 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S.65. 59 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 66. 9 Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) insbesondere über die (freiwillige) Beteiligung der Schweiz an restriktiven Maßnahmen der EU sowie die Teilnahme an EU Missionen aus.60 Die Neutralität der Schweiz muss also immer aus der Perspektive von Mittel und Ziel betrachtet werden. Wenn die Neutralität als Instrument nicht mehr tauglich ist oder die Nachteile überwiegen, kann und müsste sie auch aufgegeben werden. 61 Doch ebenso wie die Bedeutung und Zustimmung zur Souveränität fest im Volk verankert ist, gilt auch die Neutralität für viele Schweizer als fester Bestandteil ihrer Identität und weiterhin als beste Maxime zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit.62 Dies wird dadurch verstärkt, dass in der Schweiz, aufgrund ihrer Nichtteilnahme an den beiden Weltkriegen, ein wesentliches Motiv der Europäischen Integration, nämlich die Verhinderung weiterer Kriege zwischen den ehemals verfeindeten Nationen, fehlt. 63 C. Föderalismus Ebenfalls ein Pfeiler des schweizerischen Staatsverständnisses ist die föderalistische Staatsidee, welche sich auf historische und kulturelle Erfahrungen der Schweizer gründet. Schon in Art. 1 der Schweizer Bundesverfassung steht, dass das Schweizervolk und die 26 Kantone die Schweizerische Eidgenossenschaft bilden. So wie die Staatsgründung der Schweiz historisch von unten nach oben verlief, verläuft auch die moderne politische Weichenstellung von unten nach oben, d.h. dass letztendlich das Volk entscheidet.64 Kennzeichen föderaler Staaten ist häufig eine ausgeprägte Teilhabe und Mitwirkung des Volkes sowie ein fortgeschrittenes zivilgesellschaftliches Engagement. 65 Da in einem föderalistischen Staat auch die unteren Ebenen aufgrund von Kompetenzübertragung über mehrere Stufen an der Willensbildung des Zentralstaates beteiligt sind, sind Regelungen über Handlungskompetenzen und Entscheidungsverfahren von großer Bedeutung. 66 Den Kantonen wird nach Art. 3 BV die Souveränität bei allen Rechten, welche nicht von der Bundesverfassung beschränkt, bspw. dem Bund übergeben sind, zugesprochen. Stets ist jedoch bei der Zuweisung und Erfüllung von staatlichen Aufgaben nach Art. 5a der Schweizer Bundesverfassung der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten. Duchacek definierte den Kerngehalt des Föderalismus in der 60 Vgl. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem homogenen erweiterten Binnenmarkt und den Beziehungen der EU zu nicht der EU angehörenden westeuropäischen Ländern, 16-12-2014, S 15. 61 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 18. 62 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 87 / Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz, 1996, S. 56. 63 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 65. 64 Vgl. Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz, 1996, S. 11f. 65 Vgl. Würth, Benedikt: Dauerbaustelle Föderalismus, In NZZ, 21.10.2014, Nr. 244, S. 21. 66 Vgl. Blöchlinger, Hansjörg/Avenir Suisse (Hrsg.): Baustelle Föderalismus, Zürich, 2005. S. 44f. 10 Suche nach einer gesamtstaatlichen Einheit bei größtmöglicher Autonomie ihrer Gliedstaaten. 67 Idealtypisch trägt der Föderalismus zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit eines Staates bei, steht er doch für die Entlastung zentraler Entscheidungsinstanzen, eine erhöhte Machtkontrolle des demokratischen Regierungssystems, den verstärkten Schutz von Minderheiten und für effizientere Durchsetzungsmöglichkeiten dezentral organisierter Interessen. 68 Gerade in der kulturell vielfältigen Schweiz hat der Föderalismus die Aufgabe, die “Einheit der Vielfalt“ zu sichern. Ebenfalls steht das föderalistische System für einen Leistungs- und Ideenwettbewerb, denn föderalistische Strukturen können neue Ideen viel besser aufgreifen und austesten und dabei innovative und kreative Lösungen hervorbringen. 69 Dieses Wettbewerbspotential geht vielen Staaten verloren. Doch auch föderalistischen Staaten stellt sich die Frage, wie viel Wettbewerb in einem föderalen System angemessen und vorteilhaft ist.70 Im internationalen Vergleich gewährt kein föderalistischer Staat seinen Gebietskörperschaften so viele Kompetenzen wie die Schweiz, welche zudem das dezentralisierteste und auch kleinräumigste Land der Welt ist.71 Acht Millionen Einwohner verteilen sich auf 26 Kantone und 2250 Gemeinden. Durch diese Ausmaße sowie die Kombination von Kleinstaatlichkeit und Dezentralisierung bildet die Schweiz einen Sonderfall. Lange Zeit haben Politik und Wissenschaft das Ideal des schweizerischen Föderalismus verteidigt und auch im Ausland galt das Schweizer Föderalismusmodel als vorbildlich.72 Doch auch der schweizerische Föderalismus steht vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen, muss er doch, um effizient zu sein, mit den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen Schritt halten. Immer häufiger wird der Begriff Föderalismus in der Schweiz auch im Zusammenhang mit unzureichender, aufwendiger und kostspieliger Koordination über kantonale und kommunale Grenzen, wettbewerbsfeindlichen Nachteilen, intransparenten Entscheidungsverfahren, gegenseitiger kantonaler Abschottung und einer stetig zunehmenden Zentralisierung erwähnt. 73 Besonders kleine Kantone haben Probleme, die Vielzahl von Aufgaben selbst zu erfüllen, und sind 67 Vgl. Linder, Wolf: Kompetenzzuordnung und Wettbewerb im Föderalismus, Vortrag am Föderalismussymposium des Eucken Instituts Freiburg, am 08.03.2013 / Lindner, Wolf: Schweizerische Demokratie. Institutionen – Prozesse – Perspektiven, 3 Auflage, Bern, 2012, S.155. 68 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 48 . 69 Vgl. Würth, B.: Dauerbaustelle Föderalismus, 21.10.2014, S. 21 / Blöchliger, Hansjörg: Der Schweizer Föderalismus: eine Wachstumsbremse?, In: Schweizer Monatshefte: Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur, 2005, Band 85, Heft 5, S. 17. 70 Vgl. Linder, W: Kompetenzzuordnung und Wettbewerb im Föderalismus, Vortrag, 08.03.2013. 71 Vgl. Blöchlinger, H./Avenir Suisse (Hrsg.): Baustelle Föderalismus, 2005, S.39f / Köppl, Stefan/Kranenpohl, Uwe (Hrsg.): Konkordanzdemokratie. Ein Demokratietyp der Vergangenheit?, Baden-Baden, 2012, S. 61. 72 Vgl. Blöchliger, H.: Der Schweizer Föderalismus: eine Wachstumsbremse?, 2005, S. 15. 73 Vgl. Blöchliger, H.: Der Schweizer Föderalismus: eine Wachstumsbremse?, 2005, S. 15. 11 immer mehr auf Unterstützung von größeren und wirtschaftlich stärkeren Kantonen angewiesen. 74 Dieser kooperative Föderalismus führt kleinere Kantone in ein Abhängigkeitsverhältnis und nimmt ihnen ihre Autonomie. Ebenso stellt die stetig an Bedeutung gewinnende Europapolitik eine weitere Herausforderung für den Schweizer Föderalismus dar und ist Anlass vieler Beschwerden auf Seiten der Kantone. 75 Aufgrund der wachsenden Mobilität und der stetig steigenden Zahl internationaler Verträge findet im föderalen System der Schweiz eine zunehmende Zentralisierung statt. 76 Immer mehr Staatsverträge des Bundes betreffen Kompetenzbereiche der Kantone und schränken diese dadurch in ihrer Autonomie ein.77 Trotz einer im schweizerischen Föderalismus strikten Trennung von Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen haben die Kompetenzen des Bundes, verglichen mit denen der Kantone, stark zugenommen und eine gegenteilige Tendenz ist nicht erkennbar. 78 Die föderalistische Struktur der Schweiz könnte in Hinblick auf eine vertiefte Integration mit der EU somit auch eine vermehrt integrationshemmende Rolle einnehmen. 79 Denn für die subnationalen Einheiten der Schweiz geht es also vor allem um die Frage, wie sie im Prozess der europäischen Integration ihre Stimme wirksam einfließen lassen und ihre Kompetenzen erhalten können. 80 Ungeachtet der Tatsache, dass das schweizerische Föderalismusmodell auch Inspiration und Vorbildfunktion für die EU war/ist und die EU den Regionen einen hohen Stellenwert anerkennt, gilt einer Vielzahl von Schweizer Bürgern der Brüsseler Verwaltungsapparat gleichermaßen als mächtig sowie bürgerfern.81 In der Konsequenz ergibt sich die Befürchtung, inwieweit lokale Freiheiten und Selbstbestimmung durch ein als statisch und uniform geltendes Verwaltungsregime garantiert werden können. Auch wenn der Bund im derzeitigen Föderalismusbericht von einer stetig intensivierten Zusammenarbeit mit den Kantonen in puncto Europapolitik spricht, beklagen sich die Kantone weiterhin, dass sie ihre verfassungsmäßig garantierten Informations- und Mitwirkungsrechte immer wieder mit Nachdruck einfordern müssen. 82 Dem ursprünglich strikten 74 Vgl. Lindner, Wolf: Schweizerische Demokratie. Institutionen – Prozesse – Perspektiven, 3 Auflage, Bern, 2012, S. 210. 75 Vgl. Ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit (Hrsg.): Monitoringbericht Föderalismus 2011–2013, Solothurn, 20.06.2014, S. 51. 76 Vgl. Gratwohl, Natalie: Schleichende Entmachtung, In: NZZ, 11.03.2013, Nr. 58, S. 18. 77 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 267. 78 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 268 / Ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit: Monitoringbericht Föderalismus 2011–2013, 2014, S. 27. 79 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 67. 80 Vgl. Linder, W.: Kompetenzzuordnung und Wettbewerb im Föderalismus, Vortrag, 08.03.2013. 81 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 55f. 82 Vgl. Ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit: Monitoringbericht Föderalismus 2011–2013, 2014, S. 51. 12 schweizerischen Prinzip von Föderalismus und Subsidiarität entspricht dies immer weniger. Doch steht den Kantonen ein sehr wirksames Mittel zur Verfügung, das sogenannte Ständemehr. Das für Verfassungsänderungen neben der Abstimmungsmehrheit des Volkes benötigte Ständemehr ist das bedeutendste kantonale Mitwirkungsrecht und für den föderativen Aufbau der Schweiz fundamental.83 Durch dieses Mittel haben Kantone die Möglichkeit, Eingriffe des Bundes in den föderalen Aufbau der Schweiz sowie Kompetenzzuweisungen an den Bund zu verhindern, da diese die Zustimmung einer Mehrheit der Kantone benötigen. Auch wenn in der Vergangenheit erst wenige Abstimmungen am Ständemehr gescheitert sind, beeinflusst die bloße Existenz des Ständemehrs die Bundespolitik jedoch erheblich. 84 Unabhängig von ihrer Bevölkerungsgröße wird den Kantonen ein erhebliches Mitwirkungsrecht bei wichtigen politisches Entscheidungen gegeben, so bspw. auch bei einer eventuellen zukünftigen Beitrittsentscheidung zur EU nach Art. 140 Abs. 1 lit. b der Bundesverfassung. Aufgrund des offensichtlichen Widerspruchs zum Demokratieprinzip bei Volksabstimmungen gehört das Ständemehr auch zu den meist kritisierten vertikalen föderalistischen Institutionen.85 D. Direkte Demokratie Ebenfalls charakteristisch für die Schweiz und zentraler Bestandteil ihrer politischen Kultur ist die Art und Weise der Umsetzung der Direkten Demokratie. Im modernen Verständnis bedeutet Direkte Demokratie jegliche durch die Verfassung sowie durch andere Rechtsvorschriften ermöglichte Verfahren, durch welche stimmberechtigte Bewohner eines Staates, eines Bundeslandes, einer Gemeinde oder anderer Gliedstaaten politische Sachfragen durch Abstimmung selbstständig und unmittelbar entscheiden bzw. selbst auf die Agenda setzen. 86 In der Schweiz wurde sowohl auf Bundesebene als auch auf Kantonsebene ein Mischsystem von direkter und repräsentativer Demokratie verwirklicht. Die Schweizer Demokratieform wird infolgedessen als halbdirekte Demokratie bezeichnet.87 Bemerkenswert und weltweit außergewöhnlich ist das Ausmaß an Kontroll- und Mitbestimmungsbefugnissen, welches den Schweizer Bürgern gewährt wird.88 Im Grundsatz gibt es keinen Gegenstand, der von der Direkten Demokratie ausge83 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 56. 84 Vgl. Senti, Martin: Föderalismus bedeutet nicht zwingend dezentrale Politik, In NZZ, 18.11.2014, Nr. 146, S. 11. 85 Vgl. Senti, M.: Föderalismus bedeutent nicht zwingend dezentrale Politik, 18.11.2014, S, 11 / Sager Fritz/Vatter Adrian : Föderalismus contra Demokratie, In: NZZ, 06.03.2013, Nr. 54, S. 15. 86 Vgl. Kost, Andreas: Direkte Demokratie, 2 Auflage, Wiesbaden, 2013, S. 10. 87 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 61. 88 Vgl. Kost, A.: Direkte Demokratie, 2013, S. 79. 13 nommen ist.89 Die stimmberechtigte Schweizer Bevölkerung hat somit die Möglichkeit sich auch zu sehr wichtigen politischen Sachfragen direkt zu äußern bzw. eigene Interessen zu wichtigen politischen Themen zu erheben.90 Diese direkte Einflussnahme der Bevölkerung auf Entscheidungen von Parlament und Regierung führen zu einer vorsichtigen und Kompromiss orientierten Vorgehensweise der staatlichen Organe, da diese stets die Meinung des Volkes beachten müssen. 91 Die Volksrechte und das Volk gelten somit auch als zusätzliche Opposition sowie als oberste Kontrollinstanz, welche eine permanente Überwachung der politischen Eliten ermöglicht. 92 Auch wenn es auf den unterschiedlichen Ebenen des Staates eine Vielzahl von relevanten und interessanten direktdemokratischen Instrumenten gibt, welche die Politik in der Schweiz gestalten, möchte ich in dieser Arbeit nur auf die wichtigsten drei Instrumente auf der Bundesebene, neben den Volkswahlen, eingehen. Diese sind: das obligatorische Referendum, das aktive Referendum über Regierungsvorlagen, auch fakultatives Referendum genannt, und das aktive Referendum über Oppositionsvorlagen, die sogenannte Volksinitiative. Das obligatorische (Verfassungs-)Referendum kann als das wohl wichtigste Instrument bezeichnet werden.93 Sobald ein von der Regierung erlassenes Gesetz unter den Art. 140 BV fällt – dies ist besonders bei Verfassungsänderungen oder bspw. dem Beitritt zu einer supranationalen Organisation der Fall –, muss dies zwingend dem Volk für eine Volksabstimmung mit notwendigem Ständemehr vorgelegt werden.94 Diese Art der Abstimmungen sind recht häufig, da der Schweizer Föderalismus etwa bei jeder neuen Bundeskompetenz die Zustimmung von Volk und Kantonen verlangt. Jedoch wird diesem Referendum auch eine Stärkung des Demokratieprinzips zugesprochen, da die Vorlagen der Regierung der politischen Haltung der Stimmbürger angepasst werden müssen. Bei dem sogenannten fakultativen Referendum besteht hingegen per Gesetz keine Verpflichtung, Vorlagen der Regierung durch das Volk bestätigen zu lassen. 95 Dennoch besteht die Möglichkeit, aufgrund eines besonderen Begehrens und mit einem Nachweis von 50.000 Stimmen, welche innerhalb von 100 Tagen gesammelt werden müssen, die Vorlage der Regierung doch noch einer 89 Vgl. Linder, Wolf: Direkte Demokratie in der Schweiz: Erfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten, Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Partner im Dialog“: Volksentscheide, Demokratie und Rechtsstaat, Landtag Rheinland Pfalz, 04.05.2011. 90 Vgl. Frey, Bruno/Marti, Claudia: Glück. Die Sicht der Ökonomie, Zürich/Chur, 2010, S. 83. 91 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 49 / Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 22. 92 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 266. 93 Vgl. Christmann, Anna: Die Grenzen direkter Demokratie. Volksentscheide im Spannungsverhältnis von Demokratie und Rechtsstaat, Baden-Baden, 2012, S. 52. 94 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 52 / Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 69. 95 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 53. 14 Volksabstimmung (jedoch ohne notwendiges Ständemehr) zu unterziehen. 96 Bedenkt man die niedrige Anzahl von erforderlichen Stimmen zur Einleitung eines Referendums – ca. 1% der Stimmberechtigten –, ist es erstaunlich, dass 93% der Gesetze ohne vorheriges Referendum in Kraft treten.97 Dies ist in der Regel aber mehr auf Verhandlungsgeschick sowie eine allgemein große Kompromissbereitschaft zurückzuführen. Denn, auch wenn fakultative Referenden selten eingeleitet werden, haben diese doch eine recht hohe Chance, die Vorlage der Regierung in einer Volksabstimmung zu Fall zu bringen. So ist oft bereits die bloße Androhung eines Referendums ein erfolgreiches Druckmittel.98 Wenn auch nicht das wichtigste aber wohl bekannteste Instrument, welches auch zur Einleitung der MEI genutzt wurde, ist die Volksinitiative. Um eine Volksinitiative einzuleiten, ist eine Anzahl von 100.000 Stimmen notwendig, welche innerhalb von 18 Monaten nach Einreichung der Vorlage vorgewiesen werden müssen.99 Somit können bzw. sollen gerade auch Minderheiten vom Instrument der Volksinitiative Gebrauch machen.100 Die Initiative bzw. das Begehren des Volkes richtet sich entweder an das Parlament oder direkt an das Volk. 101 Entscheidet sich das Parlament zur direkten Annahme des Initiativbegehrens, wird dieses je nach Inhalt dem obligatorischen oder fakultativen Referendum unterstellt. Auch Verfassungsänderungen sind per Volksbegehren möglich, unterliegen dann aber zusätzlich dem Ständemehr. 102 Meist wird der Antrag jedoch vom Parlament abgelehnt und muss dem Volk darauf zur Abstimmung vorgelegt werden. Zudem muss der Bundesrat bei erfolgreicher Aufbringung der notwendigen Unterschriften die Initiative für die folgende Volksabstimmung zusammenfassen und in einer Botschaft die rechtlichen Aspekte sowie die wohl zu erwartenden Auswirkungen darlegen. Schließlich erfolgt eine Empfehlung an das Parlament, ob die Initiative abgelehnt oder angenommen werden sollte. Betreffend des Aufbaus einer Volksinitiative ist zwischen einer bloßen Anregung oder einer bereits vollständig ausgearbeiteten und ausformulierten Initiative zu unterscheiden.103 Während eine Initiative in Form einer Anregung das Parlament dazu auffordert, in eine bestimmten Richtung aktiv zu werden und dem Parlament bei der Ausarbeitung einen Handlungsspielraum gibt, kann der bereits ausgearbeitete Entwurf unmittelbar in die Bundesverfassung übernommen werden und gibt dem 96 97 98 99 100 101 102 103 Vgl. Kost, A.: Direkte Demokratie, 2013, S.78 / Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 70. Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 273. Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 70. Vgl. ebd., S. 73. Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 54. Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 72. Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 89f. Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S.72. 15 Parlament häufig keinerlei oder wenig Gestaltungsspielraum. Beide Initiativen sind rechtlich betrachtet vollkommen gleichberechtigt, jedoch besteht bei der nicht vorformulierten Initiative die Gefahr, dass das Parlament bei der Ausgestaltung der Initiative die Absicht der Initiatoren verkennt. Auch wenn die Volksinitiative im Gegensatz zum Referendum wesentlich zahlreicher ist, werden 9 von 10 Initiativen bei der Abstimmung vom Volk abgelehnt. 104 Dennoch gilt die Volksinitiative im Gegensatz zum Referendum als besonders dynamisches und aktivierendes Volksrecht, welches das Demokratieprinzip noch deutlicher stärkt.105 Umfragen haben ergeben, dass die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung in Abhängigkeit mit den zur Verfügung stehenden direktdemokratischen Möglichkeiten steigt.106 Der Großteil der Schweizer steht der Direkten Demokratie in ihrem Land wohlwollend gegenüber und bewertet Instrumente wie das Referendum sowie die Initiative wichtiger als Wahlen. Dennoch gibt es vor allem in intellektuellen Kreisen eine zunehmende Zahl an Menschen, die auf Probleme der derzeitigen Direkten Demokratie aufmerksam macht und Reformen für wichtig erachtet. Kritisiert werden dabei vor allem die langsame Umsetzung von Initiativen, der Missbrauch von Referenden zum Hinauszögern von sozialen und politischen Entscheidungen, eine Erschwerung der außenwirtschaftlichen Öffnung der Schweiz, das "doppelte Mehr", die geringe Stimmbeteiligung bei Abstimmungen, der Konflikt zwischen dem rechtsstaatlichen und dem demokratischen Prinzip sowie die zunehmende Anzahl von inhaltlich extremen Volksabstimmungen, welche zu einer immer größeren Unsicherheit für den Rechtsstaat und die Wirtschaft wird.107 Da sich einige dieser Punkte auch auf die derzeitige sowie zukünftige Beziehung zur EU auswirken und für die Umsetzung der MEI von Relevanz sind, werden sie verkürzt dargestellt. Wie bereits beschrieben, haben die Schweizer durch das Instrument des Referendums die Möglichkeit, Gesetze oder auch bereits fertig ausgehandelte Verträge abzulehnen. 108 Lediglich 50 000 Unterschriften sind notwendig, um ein Referendum zu lancieren und damit eine Entscheidung mindestens längerfristig zu verzögern. Berücksichtigt man zudem die aus einer Vielzahl an Gründen eher wertkonservativ und Veränderungen kritisch gegenüber gestellte Bevölkerung, haben Befürworter des Status quo zusammen mit den sogenannten chronischen Nein-Sagern sehr gute 104 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 268. 105 Vgl. Kost, A.: Direkte Demokratie, 2013, S. 78 / Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 53. 106 Vgl. Frey, B./Marti, C.: Glück. Die Sicht der Ökonomie, 2010, S. 86 / Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 266. 107 Vgl. Brunetti, Aymo, u.a.: Die Schweiz in der europapolitischen Zwickmühle. Wirtschaftliche Umverteilung als entscheidender Faktor in der Aussenpolitk, Zürich, 1999, S. 14. / Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 62ff. 108 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 48. 16 Chancen, Entscheidungen nicht nur zu verzögern, sondern auch zu Fall zu bringen. 109 Das eigentlich besonders im Hinblick auf den Schutz der Minderheiten eingeführte fakultative Referendum wurde im Laufe der Zeit zu einem höchst wirksamen Druckmittel der Opposition. 110 Das wohl prominentestes Beispiel für den Missbrauch des Referendums war die Abstimmung über das Frauenwahlrecht, welches im Jahre 1971 in der Schweiz eingeführt wurde. Dieses hatte jedoch "bereits" 1959 eine Zustimmung vom Parlament erhalten, wurde dann jedoch in einem späteren Referendum von den ausschließlich männlichen Abstimmungsberechtigten abgelehnt. Ebenfalls kritisiert werden die geringe Stimmbeteiligung sowie das Abstimmungsverhalten. Je nach Thema liegt die Stimmbeteiligung bei ca. 43% und damit unter dem kritischen Wert von 50%, welcher von vielen für die Legitimität von politischen Entscheidungen betrachtet wird. 111 Im internationalen Vergleich gilt die Schweiz als Nation mit sehr niedriger Stimmbeteiligung. 112 Bedenkt man jedoch, dass die Schweizer Stimmberechtigten auf Bundes- und Kantonalebene zusammengenommen jährlich etwa zu 20-30 Fragen Stellung nehmen können, bildet die Stimmbeteiligung kein wirklich relevantes Bewertungskriterium.113 In puncto Abstimmungsverhalten wird häufig auf eine zu geringe Kompetenz der Stimmbürger bei teilweise sehr komplexen Abstimmungsthemen verwiesen. 114 Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Stimmbürger in der Regel nicht sehr gut informiert sind und viele aufgrund der komplexen Themen und der daraus folgenden Überforderung der Urne fernbleiben.115 Zudem werden die immer weiter zunehmenden populistischen Mobilisierungen kritisiert.116 Immer häufiger wird in Abstimmungen durch populistische Rhetorik der Eindruck erzeugt, dass ein Angriff auf die bewährte und hart erkämpfte schweizerische Werteordnung vorliegt und für Kompromisse kein Platz sei. 117 Besonders im Fokus liegt hier die zunehmende Integrationspolitik der Schweiz in Richtung EU. Das wohl derzeit schwerwiegendste Problem ist die stetig steigende Zahl von Volksinitiativen. Denn auf der einen Seite wird die Gesetzgebung durch die Flut an Initiativen verlangsamt und auf der 109 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 49 / Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 75. 110 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 268. 111 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 309 / Serdült, Uwe: Partizipation als Norm und Artefakt in der schweizerischen Abstimmungsdemokratie, In: Festschrift Andreas Auer, Direkte Demokratie, 2013, S. 45 / Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Statistik, Stimmbeteiligung seit 1990 einsehbar unter: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/17/03/blank/key/stimmbeteiligung.html (letzter Zugriff 23.08.2015). 112 Vgl. Serdült, U.: Partizipation als Norm und Artefakt in der schweizerischen Abstimmungsdemokratie, 2013, S. 46. 113 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 312. 114 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 68. 115 Vgl. ebd., S. 123. 116 Vgl. Köppl/Kranenpohl: Konkordanzdemokratie, 2012, S. 293. 117 Vgl. ebd., S. 306. 17 anderen Seite werden die Inhalte der Initiative immer extremer. 118 In der 120-jährigen Geschichte der Initiativen stellte das Jahr 2014 mit neun Initiativen, welche dem Volk zur Abstimmung vorgelegt und von denen zwei angenommen wurden, ein Novum dar. 119 Die zunehmende Anzahl von Initiativen lässt sich wohl auch an den Hürden für das Einreichen einer Volksinitiative aufzei gen. Waren bei der Einführung des Instruments der Volksinitiative, sowie im letzten Jahrhundert, ca. zwischen 8 und 10% der Stimmberechtigten zur Einleitung einer Volksinitiative notwendig, sind aufgrund der demographischen Entwicklung sowie der Einführung des Frauenwahlrechts heute keine zwei Prozent mehr notwendig.120 Die geschätzten Kosten einer Unterschrift für die notwendigen 100 000 Unterschriften bewegen sich damit heute etwa im Rahmen zwischen zwei bis sechs Franken.121 Das heißt, die Einleitung einer Initiative kostet je nach Thema und notwendigem Aufwand zwischen 200 und 600 tausend Franken. Rechtlich gesehen könnte das Parlament – durch seine verfassungsrechtliche Aufgabe als Schiedsrichter – Volksinitiativen bei Rechtsmängeln für ungültig erklären.122 Geprüft wird dabei lediglich die Beachtung der Einheit von Form und Materie sowie mögliche Verletzungen zwingender Bestimmungen des Völkerrechts. 123 Jedoch nutzt das Parlament diese Kompetenz kaum, denn es gilt die Devise: im Zweifelsfall für die Initiative. Lediglich vier der über 300 zustande gekommenen Initiativen wurden für ungültig erklärt. 124 Insbesondere Initiativen, welche lediglich im Widerspruch zum “einfachen“ Völkerrecht stehen, werden dem Volk vorgelegt und führen im Falle ihrer Annahme bei den Umsetzungsbehörden regelmäßig zu einer Gratwanderung zwischen der Erfüllung verfassungsrechtlicher Aufgaben und der Achtung des Völkerrechts.125 Zwar wurde intensiv über eine Erweiterung der Ungültigkeitsgründe126 debattiert, bisher jedoch ohne großen Erfolg. Besonders bei Abstimmungen über Grundrechte tritt der Konflikt zwischen dem rechtsstaatlichen und dem demokratischen Prinzip deutlich zum Vorschein.127 In der Vergangenheit hat das Schweizer Stimmvolk bereits 118 Vgl. Vuichard, Florence: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, In Bilanz, 01/2015, S. 48f. 119 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 01/2015, S. 48f. 120 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 01/2015, S. 48f / Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 86. 121 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 296. 122 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015. 123 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 349. 124 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 276. 125 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 350f. 126 Vgl. Zur Problematik einer Erweiterung der Ungültigkeitsgründe vgl. insb.: Nay, Giusep: Das Volk hat nicht immer Recht- Zur Erweiterung der Ungültigkeitsgründe für eidgenössische Volksinitiativen, In: Festschrift Andreas Auer, Direkte Demokratie, 2013, S. 163ff. 127 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 62. 18 mehrere für die Grundrechte potentiell problematische Volksinitiativen umgesetzt. Die Minarettverbotsinitiative ist wohl dabei die bekannteste der derzeit vier 128 Volksinitiativen, welche bspw. gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.129 Als Gründe für die Annahme solch offensichtlich gegen Grund- und Menschenrechte verstoßenden Initiativen wird neben oben genanten Gründen auch auf das fehlende Verantwortungsbewusstsein der Stimmbürger verwiesen.130 Aufgrund der Anonymität bei der Stimmabgabe muss sich der Stimmbürger nie für seine Entscheidung rechtfertigen und kann für diese auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Schweiz hat an Attraktivität verloren, denn die Vielzahl von Initiativen schafft sowohl für die Wirtschaft als auch für den Rechtsstaat Unsicherheiten. 131 Besonders in rechtsstaatlichen- sowie menschenrechtsengagierten Kreisen werden die Forderungen nach Reformen immer lauter, damit gewisse Initiativen in Zukunft nicht mehr zugelassen werden können.132 Doch bedeutende Reformen sind nicht in Sicht. Dies liegt zum einen daran, dass es eine deutliche Trennung zwischen Befürwortern und Gegnern von Reformen gibt. 133 Insbesondere die SVP stellt sich gegen jede Form der möglichen Einschränkung von Volksrechten. Befürworter von Reformen werden zudem schnell als Totengräber der Demokratie verschrien und müssen um ihr gesellschaftliches Ansehen fürchten. 134 Des Weiteren stellt bei verfassungsändernden Reformen die Hürde des doppelten Mehr, also die Zustimmung von Volks- und Ständemehr, eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Insbesondere Kantone mit eher konservativer Haltung haben bei solchen Abstimmungen unabhängig von ihrer Bevölkerungsgröße eine erhebliche Begünstigung. Selbst wenn sich eine zu Reformen entschlossene Mehrheit im Volk finden würde, könnten die Reformen am Ständemehr scheitern.135 Auch durch diese Regelung gehört die Schweiz auf der einen Seite zu den Ländern mit den höchsten Hürden für Verfassungsänderungen und auf der anderen Seite wird das Ständemehr häufig als integrationsfeindlich 136 und undemokratisch 128 Nachzulesen in den dazugehörigen Botschaften des Bundesrates sind die anderen drei Initiativen: die Verwahrungsinitiative, die Einbürgerungsinitiative und die Ausschaffungsinitiative. 129 Vgl. Nay, G.: Das Volk hat nicht immer Recht- Zur Erweiterung der Ungültigkeitsgründe für eidgenössische Volksinitiativen, 2013, S. 171. 130 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 66. 131 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015. 132 Vgl. Nay, G.: Das Volk hat nicht immer Recht- Zur Erweiterung der Ungültigkeitsgründe für eidgenössische Volksinitiativen, 2013, S. 171. 133 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 227f. 134 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015. 135 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 70. 136 Das deutliche EWR Nein der Stände führte bspw. dazu, dass die europapolitische Debbate, die Bilateralen Verhandlungen mit der EU sowie weitergehende Integrationsschritte präventiv ausgebremst wurden. Vgl. Sager/Vatter: Föderalismus contra Demokratie, 06.03.2013, S. 15. 19 angesehen.137 Trotz der gegenwärtigen Situation sowie der Kritik hat sich die Direkte Demokratie in der Schweiz bewährt und gilt in der Bevölkerung als feste und zu bewahrende Institution. Im Hinblick auf die europäische Integration veranschaulicht die weitreichende Form der Direkten Demokratie innerhalb der Schweiz ein Demokratiedefizit in der EU. 138 Auch wenn das Demokratieprinzip in der EU selbstverständlich zu den elementarsten Prinzipien gehört, welches die EU sich selbst sowie Drittstaaten gegenüber abfordert, bestehen Demokratiedefizite weiterhin insb. im internen Bereich des Gesetzgebungsverfahrens.139 Folglich sind es vor allem befürchtete Eingriffe und Einschnitte innerhalb der Direkten Demokratie aufgrund der Übertragung von Hoheitsrechten bei einer stetigen fortschreitenden Integration der Schweiz in die EU, welcher eben diese erschweren, ja sogar als ihr größtes Hindernis gelten.140 III Historischer Überblick der Rechtsbeziehungen zwischen der Schweiz & der EU Die Beziehungen der Schweiz zur EU sind gekennzeichnet durch Phasen der Skepsis, der zeitweili gen Isolation, der Annäherung und der Kooperation. So war die EG für Bern noch bis in die 70er Jahre eine intellektuelle Fehlkonstruktion und deren Zusammenbruch nur eine Frage der Zeit. 141 Doch der immer stärkere Bedeutungszuwachs der EG bzw. der heutigen EU stellte die Schweizer Regierung immer wieder vor enorme Herausforderungen und beeinflusste die Entwicklung der Schweizer Politik in essentieller Art und Weise. 142 Heute werden die Anliegen der Schweiz und der EU, über ein Vertragsnetz von 120 Abkommen geregelt und die Anzahl der Abkommen nimmt weiter zu.143 Mittlerweile treffen sich fast täglich Verantwortliche der Schweiz und der EU, um bestehende und ggf. zukünftige Abkommen zu besprechen. 144 Der hier eingeschlagene Weg zwischen der Schweiz und der EU wird auch als Sonderweg der bilateralen Verträge bezeichnet. Hat die EU doch erstmalig in ihrer außenpolitischen Geschichte einem Drittsaat den Zugang zu Teilen des europäischen Binnenmarkts gewährt, ohne dabei auf dem acquis unioniaire zu 137 Vgl. Köppl/Kranenpohl: Konkordanzdemokratie, 2012, S. 63. 138 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 54. 139 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 54 / Breitenmoser, Stephan/Weyeneth, Robert: Europarecht. Unter Einbezug des Verhältnisses SchweizEU, 2 Auflage, Zürich/St. Gallen, 2014, S. 107. 140 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, 2003, S. 60 / Brunetti, A. u.a.: Die Schweiz in der europapolitischen Zwickmühle. 1999, S. 14. 141 Vgl. Meier/Buholzer: Die Zukunft der EU und die Schweiz, 1997, S. 53. 142 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 19. 143 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5. 144 Vgl. Bahadir, A.: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 20. 20 bestehen.145 Der bilaterale Weg könnte somit neben dem Beitritt zur EU und dem EWR als dritter politischer Integrationsweg bezeichnet werden. Dennoch befindet sich die Schweiz in einer kontinuierlichen und strittigen internen Debatte über den Weg und die Ziele der Europapolitik. 146 Immer häufiger tangiert europäisches Recht auch die Schweiz, welche als Nichtmitgliedsstaat der EU darauf jedoch keinen gestalterischen Einfluss hat. Eine intensive aktive Beteiligung und Mitgestaltung der Schweiz an der europäischen Politik könnte diese wohl als Mitgliedsstaat der EU erreichen. Vorstöße dieser Art scheiterten jedoch immer wieder an der notwendigen Zustimmung der Mehrheit des Volkes und der Stände. Denn bis heute befürchten große Teile des Schweizer Volkes einen Verlust wesentlicher schweizerischer Eigenarten bei einer zu tiefen Integration in die EU.147 Im Hintergrund der oben erläuterten institutionellen und politischen Besonderheiten der Schweiz sowie zum besseren Verständnis der Bedeutung der bilateralen Verträge für die Schweiz, werden die wichtigsten historischen Gegebenheiten zwischen der Schweiz und der EG/EU hier verkürzt dargestellt. A. Schweizerische Interessenwahrung und die Europäische Gemeinschaft Liefen die Handelsbeziehungen zwischen den europäischen Staaten jahrzehntelang gleichberechtigt auf Grundlage bilateraler Abkommen, bildeten sich in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in Europa zwei verschiedene Integrationsmodelle heraus. 148 Auf der einen Seite stand die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA), welche den Mitgliedsstaaten volle politische Handlungsfreiheit zusprach und sich auf rein wirtschaftliche Interessen beschränkte. 149 Auf der anderen Seite stand die EG, welche neben einer wirtschaftlichen Verknüpfung auch eine enge politische Verbindung vorsah.150 Unter den Mitgliedsstaaten wurden Schritt für Schritt Handelsbarrieren und Zölle abgebaut sowie Standards gegenseitig angepasst. Wie auch im Zweiten WK beruhte die Schweizer Außenpolitik auf den Elementen der Unabhängigkeit, der Souveränität und der Neutralität. Da ein Beitritt zur EWG als eine Verletzung und Unvereinbarkeit mit der politischen Unabhängigkeit, Neutralität und dem Föderalismus betrachtet wurde, beteiligte sich die Schweiz maßgeblich an der Gründung der EFTA, welche 1960 realisiert wurde. Auch der 1963 145 146 147 148 Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 6. Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 26. Vgl. Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz, 1996, S. 13f. Vgl. Aeppli, R. u. a.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, KOF Studien, 2, Zürich, 2008. S. 7. 149 Vgl. Integrationsbüro EDA/EVD (Hrsg.): Bilaterale Abkommen Schweiz-EU, Bern, 2009, S. 6. 150 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 12. 21 erfolgte Beitritt zum Europarat geschah erst, als die Schweiz sich versichert hatte, dass dieser keine supranationalen Ambitionen anstreben würde und mit den Schweizer Politikgrundsätzen vereinbar war.151 Das Fundament des heutigen Vertragsnetzwerkes zwischen der EU und der Schweiz wurde 1972 mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EG und einzelnen EFTA-Staaten gelegt. 152 Das Freihandelsabkommen erleichterte die Wirtschaftsbeziehungen, indem es den freien Warenverkehr mit Industriegütern zwischen der EFTA und der EWG liberalisierte. 153 Vom Schweizer Stimmvolk wurde das Freihandelsabkommen mit über 70% Ja-Stimmen befürwortet und bildete von da an für viele Jahrzehnte die wichtigste Rechtsgrundlage zwischen der EG und der Schweiz. 154 Die hohe Zustimmung des Volkes zum Freihandelsabkommen lag vor allem daran, dass das Freihandelsabkommen keine supranationalen Elemente beinhaltete. 155 Aufgrund des wirtschaftlichen Erfolges des Freihandelsabkommens, entfiel in der Schweiz in den kommenden Jahren eine grundlegende Debatte über das Verhältnis zu Europa. 1974 ratifizierte die Schweiz dann auch eines der wohl wichtigsten Vertragswerke der EG, die Europäische Menschenrechtskonvention.156 In den folgenden Jahren wurde jedoch der Bedeutungszuwachs der EG und der parallele Bedeutungsverlust der EFTA immer ersichtlicher. 157 Die einstige Phase der Distanz zwischen EFTA und EG wich in den 70er Jahren einer immer stärkeren Annäherung an die EG.158 Bereits 1973 traten Großbritannien und Dänemark aus der EFTA aus und traten zusammen mit Irland der EG bei. 1985 wechselte auch Portugal, in Erwartung an der Wachstumsdynamik teilhaben zu können, in die EG. Der zunehmende Fortschritt und die Weiterentwicklung des Integrationsprozesses der EG bspw. durch die Einheitlich Europäischen Akte sowie das Binnenmarktprogramm führten für die Schweiz und andere EFTA Staaten zu Gefahren in Bereichen der Wettbewerbsfähigkeit und der Diskriminierung ihrer wirtschaftlichen Produkte. 159 Um diesen Problem entgegenzuwirken, verfolgte die Schweiz zunächst eine größtmögliche Anpassung und Vereinbarkeit von Schweizer Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht der EG. Beitrittsfähig zu werden und zu bleiben, ohne jedoch beitreten zu müssen, galt als die Devise der 151 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 25. 152 Vgl. Jaag, Tobias: Europarecht. Die europäischen Institutionen aus schweizerischer Sicht, 3 Auflage, Zürich, 2010, S. 389f. 153 Vgl. ebd., S. 399. 154 Vgl. Integrationsbüro EDA/EVD (Hrsg.): Bilaterale Abkommen Schweiz-EU, 2009, S. 6 / Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 399. 155 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 19. 156 Vgl. Jakob, Eric/ Weber, Martin (Hrsg.): 40 Jahre Schweiz im Europarat, Basel/München, 2003, S. 31. 157 Vgl. Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 178f. 158 Vgl. Bergmann, Jan (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union, 5 Auflage, Baden-Baden, 2015, S. 252f. 159 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 20f. 22 neuen Politik der sogenannten Europafähigkeit. 160 Des Weiteren beteiligte sich die Schweiz ab 1989 und vor allem auf Druck der nordischen EFTA Staaten an den Verhandlungen zur Gründung eines Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) zwischen der EG und den EFTA-Staaten. Nicht nur die Verhandlungen zwischen der EG und der EFTA verliefen dabei schwierig, sondern auch die Verhandlungen der einzelnen EFTA-Staaten untereinander. Die EG verwies recht schnell darauf, dass der EWG-Vertrag nur eine Übergangslösung sei und vor allem der vor weiteren Beitritten notwendigen Übernahme und Angleichung des Rechtes innerhalb der Gemeinschaft diene. 161 Die Schweiz betrachtete den EWR hingegen zunächst als längerfristige Integrationslösung und versuchte, die für ihre Politik wichtigen Elemente im EWR-Vertrag zu sichern und Ausnahmeregelungen hinzuzufügen. Besonders das nach Meinung anderer EFTA-Staaten unflexible und überspitzte schweizerische Souveränitätsverständnis mit dessen Anforderungen an den auszuhandelnden Vertrag stießen auf Unverständnis.162 Dies verzögerte die Verhandlungen und führte nach einiger Zeit dazu, dass die Schweiz sich eingestehen musste, einigen Erwartungen nicht gerecht werden zu können. Ebenso reichten noch während der Verhandlungen Österreich und Schweden ihr EG-Beitrittsgesuch ein. Spätestens zu Beginn der 90er Jahre, durch das Ende des Ost-West Konflikts und die Beitrittswünsche weiterer mittel- und osteuropäischer Staaten in die EG/EU galt die EFTA nunmehr nur noch als “EU-Wartezimmer“.163 Für die schweizerische Außenpolitik, welche vor allem eine Außenwirtschaftspolitik ist, wurden der Bedeutungsverlust der EFTA und die Verhandlungen zum EWR zu einem immer größeren Problem.164 Während der Bundesrat im Integrationsbericht von 1988 noch den Standpunkt vertrat, dass die Vertiefungen der Beziehungen zur Gemeinschaft nicht zum Ziel eines Beitritts erfolgten, äußerte sich der Bundesrat 1992 dahingehend, dass ein Vollbeitritt prioritär zu prüfende Option und Ziel der Integrationspolitik der Schweiz sein müsste. 165 Der immer weiter zunehmende Abhängigkeit der Schweiz konnte nach damaliger Meinung nur mit einem Beitritt166 und dem daraus resultierenden Mitbestimmungsrecht entgegengewirkt werden. 167 160 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S.21f / Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 124f. 161 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 22f. 162 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 306. 163 Vgl. Bergmann, J.: Handlexikon der Europäischen Union, 2015, S. 253. 164 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 19 / Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 178f. 165 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 279. 166 Weitere Gründe und Entwicklungen für den Wechsel zum Beitritt in die EG: Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 23ff. 167 Vgl. Meier/Buholzer: Die Zukunft der EU und die Schweiz, 1997, S. 54. 23 Ebenso möchte die Schweiz an einer aktiven Mitwirkung am europäischen Integrationsgeschehen in Zukunft nicht mehr verzichten. 168 Am 20. Mai 1992 reichte die Schweiz ihr bis heute von vielen Schweizern heftig kritisiertes Beitrittsgesuch zur EU ein. 169 Das Beitrittsgesuch der Schweiz ist jedoch seit der negativ Abstimmung zum EWR Beitritt eingefroren, es wurde jedoch bis heute nicht zurückgezogen.170 1992 stimmten zwar sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat dem EWR Abkommen mit großer Mehrheit zu,171 jedoch scheiterte der EWR-Beitritt an der obligatorischen Referendumsabstimmung, bei der sich sowohl das Volk mit 50.3% als auch die Kantone mit 16 zu 6 gegen einen Beitritt aussprachen. Auch durch den schnellen und gravierenden Wechsel der Europapolitik hin zu einem Beitritt erreichte die Volksabstimmung zum EWR Beitritt mit fast 79% einen Höchstwert in puncto Stimmbeteiligung und zeigte zumindest auf Seiten der Stände eine klare Position gegen eine zu weite Integration in die Europäische Gemeinschaft. 172 Von den heute noch vier Ländern, welche in der EFTA vertreten sind – Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein –, ist die Schweiz das einzige Land, welche nicht zu den sogenannten EFTA-EWR Staaten zählt. Eine positive Abstimmung zum EWR-Vertrag hätte für die Schweiz eine vollständige wirtschaftliche Integration sowie einen gleichberechtigten Zugang zum Binnenmarkt der EG ermöglicht.173 B. Der Bilaterale Weg Durch ihre ablehnende Haltung stand die Schweiz letztlich jedoch nicht nur gegenüber der EG sondern auch innerhalb der EFTA zunehmend isoliert da. 174 In der Folge entschlossen sich Parlament und Bundesrat die entstandenen Nachteile, welche durch den Nichtbeitritt zum EWR sowie durch den eingefrorenen EG-Beitritt entstanden waren, soweit wie möglich durch die Aushandlung von bilateralen Verträgen sowie die Anpassung von Schweizer Recht an jenes der EG zu kompensieren.175 Letzteres geschieht bis heute vor allem über die Fortführung des Grundsatzes der 168 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 124. 169 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 14 / Vertieft zu den Gründen und den Reaktionen auf das Beitrittsgesuch vgl. insb. Beglinger, Martin: Le Lundi Noir, In: NZZ Geschichte, Nr. 1, April 2015, S. 95ff. 170 Vgl. Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 399 / Beglinger, M.: Le Lundi Noir, April 2015, S. 110. 171 Vgl. Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 214. 172 Vgl. Beglinger, M.: Le Lundi Noir, April 2015, S. 102 / Hermann, Michael/Staatssekretariat für Migration (Hrsg.): Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 44. 173 Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz Europäische Union, Bern, 2014, S. 7. 174 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 283. 175 Vgl. Hänni, Peter (Hrsg.): Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration. Die Rolle der Kantone in einem sich wandelnden internationalen Kontext, Zürich, 2000, S. 318 / Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 27. 24 Europafähigkeit bzw. Europakompaltibilität sowie durch den autonomen Nachvollzug. Auch wenn die Schweiz formell betrachtet nicht dazu verpflichtet ist, EU-Recht zu übernehmen, werden bei der Übernahme von EU-Recht zur Verwirklichung schweizerischer Interessen Abweichungen nur vereinzelt vorgenommen.176 Dies liegt auch daran, dass der Anpassungsdruck bis in die Gegenwart stetig zunahm. Die derzeitige Schweizerische Bundesgesetzgebung ist zu ca. 50% von EU-Recht betroffen.177 Möglich macht dies auch die Politik der Kantone. So hat bspw. der Kanton Freiburg 1995 per Beschluss veranlasst, dass alle Personen der Kantonsverwaltung, welche mit gesetzgeberischen Aufgaben betraut sind, neue Gesetze bzw. Gesetzesabänderungen auf ihre Europakompatibilität hin zu überprüfen und im Falle einer Nichtkompatibilität diese zu begründen haben.178 Wenn auch nicht immer schriftlich festgehalten, folgen heute die Kantone beim Erlassen und Verändern von Gesetzen dem Grundsatz der Europakompatibilität. Durch die intensivierte Politik der Europakompatibilität spätestens nach der EWR-Abstimmungsniederlage, gelangen bis heute große Mengen europäischer Regelungen in die Schweizer Rechtsordnung, ohne dass dies den jeweiligen Erlassen und beim Volk klar erkennbar ist. Neben der eben genannten Vertiefung der Politik der Europakompatibilität konzentrierte sich die Schweiz nach der gescheiterten EWR Abstimmung auf die Aushandlung sektorspeziefischer Abkommen mit der EU.179 Die Aufnahme von Verhandlungen war besonders für die Schweiz von erheblicher Bedeutung, da diese ihrer Wirtschaft einen diskriminierungsfreien Marktzugang sichern wollte.180 Denn die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt war den Staaten des EWR sowie den EU-MS vorbehalten, zu denen die Schweiz nicht zählte. 181 Die Schweiz musste diverse Anstrengungen unternehmen, ehe es ihr gelang, die EG zu bilateralen Verhandlungen zu bewegen.182 Fast zwei Jahre nach dem schweizerischen Verhandlungsbegehren kam die EG dem (Bitt-)Gesuch der Schweiz zur Aufnahme bilateraler sektorieller Verhandlungen schließlich entgegen und eröffnete Ende 1994 die formellen Verhandlungen in den folgenden sieben Bereichen: Landverkehr, Luftverkehr, Personenfreizügigkeit, Landwirtschaft, Technische Handelshemmnisse, Öffentli176 177 178 179 180 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 28. Vgl. ebd., S. 5. Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 319. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 30. Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7. 181 Vgl. Reiterer, Michael: Die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz "dynamisieren" oder die 'Grenzen des Bilateralismus', Vortrag Universität Basel – Europainstitut, 13.04.2011, S. 2. 182 Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 24. 25 ches Beschaffungswesen und Forschung.183 Die Verhandlungen verliefen jedoch sehr zäh, da es auf beiden Seiten kritische Verhandlungsprobleme insb. im Bereich des Landverkehrs und der Personenfreizügigkeit gab.184 Insbesondere die Personenfreizügigkeit wurde auf Drängen der EU in das Verhandlungspaket aufgenommen und entwickelte sich schließlich zum Kernstück der Abkommen. Die EU Kommission stellte klar, dass es keine BIL I Verträge ohne die Personenfreizügigkeit gäbe. Ebenso stellte die EU die Bedingungen, dass die Verträge parallel verhandelt, gleichzeitig und gemeinsam unterzeichnet und in Kraft treten müssten. 185 Insbesondere durch den Druck Spaniens, Portugals und Frankreich enthalten alle Verträge am Ende schließlich die so genannte “GuillotineKlausel“, durch welche bei der Kündigung bzw. Nichtverlängerung eines Abkommens alle anderen Abkommen der BIL I außer Kraft gesetzt werden. 186 Grund für diese Klausel ist die Möglichkeit der Schweizer während der notwendigen Volksabstimmungen zu den Verträgen, nur jene Verträge anzunehmen, welche das Volk für vorteilhaft hält. 187 Noch während der Verhandlungen zu den bilateralen Verträgen treten 1995 die drei neutralen Länder Finnland, Österreich und Schweden der EU bei.188 Dies führte in der Schweiz zu neuen Diskussionen über die Vereinbarkeit der Politik der Neutralität und einem EU Beitritt. Ebenso trat die Schweiz 1995 der WTO bei, wodurch einige der wesentlichen Bereiche der Diskriminierung der EU gegenüber der Schweiz aufgehoben wurden. Die BIL I Verträge werden 1999 schließlich von Bern und Brüssel unterzeichnet. 189 Nachdem das schweizerische Volk den BIL I im Jahr 2000 mit 67,2% Ja-Stimmen zugestimmt hatte, traten die Verträge 2002 in Kraft und eröffneten der Schweiz den Zugang zum EU Binnenmarkt. Kurz zuvor stimmten die Schweizer Stimmbürger 2001 über die Initiative “Ja zu Europa“ ab. 190 Inhalt dieser Initiative war die Forderung an die Regierung, unverzüglich Beitrittsverhandlungen mit der EU einzuleiten. Die Initiative wurde von den Kantonen wie auch von der Schweizer Bevölkerung mit 76,8% der Stimmen deutlich verworfen. Der Bundesrat sprach sich in seiner Empfehlung gegen die Annahme der Initiative aus, erklärte aber im Vorfeld, dass das langfristige Ziel der Europapolitik weiterhin der Beitritt zur EU sei.191 Einen möglichen Beitritt zur EU knüpfte der Bundesrat jedoch an 183 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 30 / Kellenberger, Jakob: Wo liegt die Schweiz. Gedanken zum Verhältnis CH – EU, Zürich, 2014, S. 35. 184 Vgl. Meyer-Marsilius, Joachim, u.a. (Hrsg.): Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 505. 185 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7. 186 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 22. 187 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31. 188 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 11. 189 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7. 190 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31f. 191 Vgl. Außenpolitischer Bericht vom 15. November 2000, Präsenz und Kooperation: Interessenwahrung in einer zusammenwachsenden Welt, BBI 2000 318f. 26 drei Bedingungen: So sollten zunächst die Erfahrungen mit den sieben bilateralen Abkommen abgewartet und ausgewertet werden und mögliche Auswirkungen eines EU-Beitritts auf elementare Schweizer Wirtschafts- und Politikbereiche geprüft werden, denn schließlich sollte eine breite innenpolitische Unterstützung der bundesrätlichen Integrationspolitik vorhanden sein. Im Jahr 2004 folgten dann die Bilateralen II 192, welche neben wirtschaftlichen Interessen auch politische Bereiche betreffen und regeln.193 Auch wenn in den BIL I bereits Absichtserklärungen zu weiteren Verträgen bekundet wurden, zeigte sich die EU-Kommission zunächst erneut zurückhaltend. Erst im Juni 2002 begannen die Verhandlungen zu den Bilateralen II zwischen der Schweiz und der EU, nachdem sich die Schweiz bereit erklärt hatte, auch in zwei für die EU als wichtig erachteten Anliegen zu verhandeln. Namentlich die Einbindung in eine grenzübergreifende Zinsbesteuerung sowie die Betrugsbekämpfung im Bereich der indirekten Steuern insb. dem Zigarettenschmuggel. 2004 konnten Lösungen für die letzten Differenzen gefunden und neun Abkommen unterzeichnet werden.194 Davon wurden sieben Abkommen dem fakultativen Referendum unterstellt, doch lediglich das Abkommen zu Schengen/Dublin gelangte zur Abstimmung und wurde vom Volk mit 54,6% Ja-Stimmen angenommen. 195 Da die Bilateralen II nicht wie die BIL I miteinander verbunden sind, konnten sie zeitlich versetzt in Kraft treten. Bis auf das Betrugsbekämpfungsabkommen, welches zwar noch nicht von allen 28 EU MS ratifiziert wurde, jedoch teils provisorisch angewendet wird, sind alle Verträge bis heute formell in Kraft getreten. 196 Durch die Osterweiterung, d.h. durch den Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten zur EU, wurde das Freihandelsabkommen sowie sechs Abkommen der BIL I im Jahr 2004 automatisch auf diese ausgedehnt.197 Im Bereich der Freizügigkeit wurden von der Schweiz jedoch Übergangsregelungen gefordert und auch mit der EU ausgehandelt. Durch ein Fakultatives Referendum im Jahr 2005 über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit wurden die BIL I erneut in Frage gestellt und dem Volk zur Abstimmung vorgelegt. Das Volk entschied sich mit 56% für die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit und damit für die Fortführung der BIL I. 192 Die Bilateralen II umfassen folgende Themenbereiche: Ruhegehälter von pensionierten EU-Beamten; verarbeitete Landwirtschaftsproduktgehälter; Umwelt; Statistik; Medien; Betrugsbekämpfung; Zinsbesteuerung; Polizeiliche und juristische Zusammenarbeit in den Bereichen Asyl und Migration (Schengen und Dublin): Mehr zum Inhalt der Bilateralen II Verträge vgl. insb. Thürer, Daniel, u.a.(Hrsg.): Bilaterale Verträge I & II Schweiz – EU, Zürich, 2007, S. 809ff. 193 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7f. 194 Vgl. Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 405. 195 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31. 196 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 9. / Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 405. 197 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 36. 27 Eine Wende in der schweizerischen Europapolitik stellt der Europabericht von 2006 dar. In diesem kommt der Bundesrat zu der Erkenntnis, dass: "mit dem heute bestehenden Vertragswerk und dessen kontinuierlicher Anpassung bzw. Ergänzungen neue Bedürfnisse einerseits und den eigenständigen Politiken der Schweiz andererseits unsere Ziele zu diesem Zeitpunkt weitgehend erreicht werden können".198 Der Beitritt zur EU ist somit nicht mehr das längerfristige Ziel der schweizerischen Europapolitik, sondern nur noch ein evtl. notwendiges Instrument, auf welches bei Bedarf in der Zukunft zurückgegriffen werden kann, um die bestmögliche Interessenwahrung zu gewährleisten. 199 Auch wenn in dem Europabericht darauf verwiesen wird, dass auch der bilaterale Weg ebenfalls nur das derzeit geeignetste Mittel zur Interessenwahrung der Schweiz und nicht das Endziel der Europapolitik sei, hat dieser sich in den letzten Jahren aus Schweizer Sicht bewährt. Der bilaterale Weg gilt bis heute als das am besten geeignetste Instrument der Schweizer Europapolitik, während der Beitritt zur EU dagegen immer weniger Anklang in der Politik sowie Bevölkerung findet. 200 Seit 2007 ist die EU in der Schweiz durch eine eigene Delegation vertreten, was die diplomatischen Beziehungen vertieft sowie vereinfacht.201 Auch wenn die vertraglichen Beziehungen zur EU sich stetig weiterentwickelten, sorgte 2007 die Finanz- und Schuldenkrise innerhalb der EU nicht nur in der Schweiz für eine vermehrt skeptische Haltung gegenüber der EU.202 Seit 2008 trat ebenfalls das Schengen/Dublin Assoziierungsabkommen formell in Kraft und bereits Ende 2008 beginnt die operationelle Beteiligung der Schweiz am Schengenraum durch den Abbau der Personenkontrollen an den Landesgrenzen. Für die erweiterte EU und deren MS wird es jedoch immer schwieriger, das System der bilateralen Verträge zu verwalten bzw. neue Verträge zu verhandeln. So wie sich die Kantone der Schweiz häufig schwer tun, eine einheitliche Regelung zu finden, gehen auch jedem Versuch mit der Schweiz neue bilaterale Sonderregellungen abzuschließen, langwierige Verhandlungen der MS voraus. In den jährlichen Schlussfolgerungen des Rates der EU zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Staaten wird bspw. 2010 auf der einen Seite erneut die engen und wichtigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU betont, jedoch spricht der Rat auch seine Bedenken gegenüber dem von der Schweiz gewählten bilateralen Weg aus.203 Dieser ist zu einem hoch komplexen Gebilde aus zahlreichen Abkommen geworden, 198 199 200 201 202 203 Europabericht 2006 vom 28. Juni 2006, BBI 2006 6983ff. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 37. Vgl. Birrer, Raphaela: Wir müssen klarmachen, dass ein EU-Beitritt nicht infrage kommt, 29.04.2015. Vgl. Luzi, Bernet: Berns öffentlichster Diplomat, In: NZZ, 25.11.2011. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 44. Vgl. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern, 14.12.2010, Doc.Nr. 17423/10, S. 12f. 28 welcher aufgrund der Ermangelung eines institutionellen Rahmens zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt. Während die EU dementsprechend die zunehmend ineffizienten Regelungen zur Übernahme von EU Recht, einschließlich der Rechtsprechung des EUGH sowie die unzureichende Überwachung und Durchsetzung der bilateralen Verträge kritisierte, hielt die Schweiz am bestehenden Konstrukt der bilateralen Verträge fest und versuchte zudem weitere Abkommen wie etwa die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt für Elektrizität zu erreichen. 204 Gespräche über die sog. Bilateralen III, welche sich u.a. mit institutionellen Fragen hinsichtlich der Übernahme von EU-Recht sowie der Auslegung und Überwachung der bilateralen Verträge durch den EUGH, befassten, verliefen jedoch sehr zäh. Insbesondere das schweizerische Souveränitätsempfinden schloss eine automatische Übernahme von EU-Rechtsentwicklungen aus und stellte sich zudem gegen eine Überwachung der bilateralen Verträge durch den EUGH (Feindbild des fremden Richters).205 Die großen Differenzen im Bereich der institutionellen Fragen führten jedoch auch zu einer Blockierung innerhalb der anderen europapolitischen Dossiers. Im Hinblick auf den Stillstand der Verhandlungen über eine weitergehende Teilnahme der Schweiz am europäischen Binnenmarkt, äußerte sich der Rat 2013: "[...], dass der von der Schweiz verfolgte Ansatz, sich durch sektorale Abkommen in immer mehr Bereichen an der Politik und den Programmen der EU zu beteiligen, ohne dass es einen horizontalen institutionellen Rahmen gäbe, an seine Grenzen gestoßen ist und einer Überprüfung unterzogen werden muss. Jede neue Ausweitung des komplexen Systems von Abkommen würde die Homogenität des Binnenmarktes gefährden und die Rechtsunsicherheit vergrößern und außerdem die Verwaltung eines solchen umfangreichen und heterogenen Systems von Abkommen weiter erschweren würde. Angesichts der weit fortgeschrittenen Integration der Schweiz mit der EU würde eine neuerliche Ausweitung dieses Systems zusätzlich das Risiko einer Beeinträchtigung der Beziehungen der EU zu ihren EWR-EFTA-Partnern in sich bergen."206 Um den bilateralen Weg nicht in einer Sackgasse enden zu lassen, erklärte sich der Bundesrat 2013 bereit für Zugeständnisse im Bereich der institutionellen Fragen. 207 Unter der Voraussetzung, dass es zu parallelen Verhandlungen und Fortschritten innerhalb des Stromabkommens, im Steuerbereich sowie bei Galileo und dem EU-Forschungsprogramm kommt, wäre der Bundesrat bereit, dem 204 Vgl. Häfliger, Markus: Bundesrat strebt Bilaterale III an, In NZZ, 27.06.2013, Nr. 146, S. 11 / Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331. 205 Vgl. Häfliger, M.: Bundesrat strebt Bilaterale III an, 27.06.2013, S. 11 / Siebenthal, Erich: 11.3020 Interpellation: Bilaterale Abkommen III mit der EU und Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich, 01.03.2011. 206 Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTALändern, 08.01.2013, Doc.Nr. 5101/13, S. 10. 207 Vgl. Senti, Martin: Der Bundesart bewegt sich, 27.06.2013. 29 EUGH bei der Auslegung der bilateralen Verträge das letzte Wort zu geben. 208 Seine Entscheidung, den bilateralen Weg zu erhalten und mit einem neuen institutionellen Rahmen zu unterlegen, um mit der EU neue Marktzugangsabkommen zu schließen, hat der Bundesrat in der Folge stets bekräftigt.209 Der bilaterale Weg gilt nach Ansicht des Bundesrats als das derzeit einzige europapolitische Instrument, um den Wohlstand der Schweiz unter der Wahrung der Unabhängigkeit zu gewährleisten.210 Anfang und Ende 2014 hatte das Schweizer Stimmvolk über zwei Volksinitiativen, u.a. zur Begrenzung der Einwanderung in die Schweiz abzustimmen. Während die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" vom 9. Februar 2014 angenommen wurde, wurde die Ecopop-Initiative, welche eine weitaus striktere Begrenzung der Einwanderung forderte, am 30.11.2014 mit erheblicher Mehrheit vom Volk abgelehnt.211 Die Annahme der MEI stellt die Schweizer Politik vor eine gewaltige Herausforderung; gilt es doch, den neuen Verfassungsartikel soweit überhaupt möglich konform mit dem FZA umzusetzen oder das FZA innerhalb von drei Jahren mit der EU neu zu verhandeln.212 Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass bei einem zukünftigen Verstoß gegen das FZA und einer eingeleiteten Kündigung aufgrund der Guillotine-Klausel alle BIL I außer Kraft treten. Die Annahme der MEI belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz und stellt den gerade begonnenen Ansatz, den bilateralen Weg mit einem institutionellen Rahmen zu versehen, zusätzlich in Frage.213 IV Die Masseneinwanderungsinitiative und der Bilaterale Weg Die Zustimmung für die Begrenzung der Zuwanderung durch die Annahme der MEI am 09.02.2014 war für viele Schweizer sowie ausländische Beobachter eine Überraschung. 214 Auch wenn die Befürworter der Initiative in den Wochen vor der Abstimmung in Umfragen stetig an Zuwachs gewannen hatten, war man in vielen Kreisen zuversichtlich, dass die notwendige Mehrheit nicht erreicht wird.215 Schließlich stand dem vor allem rechtsbürgerlichem Lager der JA-Sagern, ein 208 Vgl. Häfliger, M.: Bundesrat strebt Bilaterale III an, 27.06.2013, S. 11. 209 Vgl. Fraktion der Schweizerischen Volkspartei, 13.3676 Interpellation, Fragwürdiges Verhandlungsmandat über ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU, 11.09.2013. 210 Vgl. Burkhalter, D: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, 10.10.2013. 211 Vgl. Moser, Peter: Von der MEI zum Ecopop-Nein. Eine Analyse der Zürcher Resultate des Urnengangs von 30.11.2014, 05.12.2014. 212 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 5. 213 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331. 214 Vgl. o.V.: Die Überraschung ist perfekt, 09.02.2014. 215 Vgl. o.V.: SVP-Initiative legt in neuer Umfrage deutlich zu, andere Parteien reagieren mit dringglichem Aufruf, 29.01.2014. 30 Schulterschluss aller Regierungsparteien (ausgenommen der SVP), der Bundesrat, eine parlamentarische Mehrheit, sowie die meisten Wirtschaftsverbände und ein Großteil der Medien entgegen, welche Empfehlungen zur Ablehnung der MEI aussprachen. 216 Denn die Umsetzung einer Begrenzung der Zuwanderung, wie von der MEI gefordert, steht im offensichtlichen Konflikt mit dem FZA und stellt daher auch eine Vielzahl von Verträgen (insb. die BIL I) infrage. 217 Somit ist es nicht verwunderlich, dass seit der Annahme der MEI über die Umsetzung der Initiative intensiv debattiert wird. Dabei stehen sich vor allem die Lager gegenüber, welche eine wortgetreue Umsetzung der Initiative erwarten und diejenigen, welche den bilateralen Weg mit der EU nicht gefährden möchten und den wirtschaftlich erfolgreichen Standort Schweiz bedroht sehen. Wunsch und Ziel der Regierung sowie vieler betroffener Kräfte ist ein Spagat zwischen dem Erhalt der BIL I (und des bilateralen Wegs im Allgemeinen) sowie der nahen Umsetzung des Verfassungstextes der MEI.218 Dies wird jedoch von vielen als die wohl unmögliche „Quadratur des Kreises“ betrachtet. Mittlerweile hat die Regierung bereits ein Umsetzungskonzept 219 sowie einen Gesetzesentwurf220 zur MEI vorgelegt. Letzterer ist eben jener Versuch, die Initiative wortgetreu umzusetzen, aber auch den Konflikt mit der EU vorerst zu entschärfen.221 So schlägt die Regierung zur Steuerung der Zuwanderung ein klassisches Kontingentsystem vor, welches jedoch bis zur Neuverhandlung des FZA mit der EU alle EU- und EFTA-Bürger davon ausnimmt. 222 Auch besteht auf Seiten der Schweiz das dafür notwendige Verhandlungsmandat zur Anpassung des FZA mit Brüssel bereits. 223 Ziel des Mandates ist es, dass FZA insoweit anzupassen, dass es der Schweiz eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung ermöglicht, jedoch den bilateralen Weg als Grundlage der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU beibehält. Die EU zeigt sich aber bis heute nicht bereit, über eine Anpassung der Personenfreizügigkeit im Sinne der MEI zu verhandeln. 224 In der Folge gilt das wohl schwierigste politische Problem der Schweiz auch nach über einem Jahr seit der Abstimmung über 216 Vgl. Spillmann, Markus: Eine Zäsur für die Schweiz, In: NZZ, 10.02.2014, Nr. 33, S. 1. 217 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 27. 218 Vgl. Morf, Peter: Die Quadratur des Kreises, 08.04.2014. 219 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Umsetzungskonzept Art. 121A BV (Steuerung der Zuwanderung), 20.06.2014, S. 1ff. 220 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 1ff. 221 Vgl. Gemperli, Simon: Wer kündigt wann und warum nicht, In: NZZ, 18.02.2015, Nr. 40, S. 10. 222 Vgl. Gemperli, S.: Bundesrat und SVP vollziehen Kehrtwende, 18.02.2015 / EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 15. 223 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und Verhandlungsmandat, 11.02.2015, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msgid=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015). 224 Vgl. Gemperli, Simon: EU geht von neuer Abstimmung aus, 09.04.2015. 31 die MEI weiterhin als ungelöst. 225 Den Schweizern und vor allem den schweizerischen Unternehmen steht dadurch ein weiteres Jahr der Ungewissheit bevor. Zu bedenken ist zudem, dass seit dem 09.02.2014 eine dreijährige Frist zur Umsetzung der Initiative begonnen hat. 226 A. Verfahren, Inhalt und Intentionen der MEI Bei der am 14.02.2012 eingereichten Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung“ handelt es sich um eine Teilrevision der Bundesverfassung in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs, mit welchem das Ziel verfolgt wird, die sogenannte Masseneinwanderung zu stoppen.227 Die Initiative wurde am 12.07.2011 von der Bundeskanzlei auf die Einhaltung der notwendigen gesetzlichen Formen geprüft und nicht beanstandet.228 Der Sammelbeginn der notwendigen 100 000 Unterschriften für das Zustandekommen der Initiative begann am 26.07.2011.229 Die Bundeskanzlei bestätigte am 19.03.2013, dass die Initiative mit 135.557 gültigen Unterschriften, erfolgreich zu Stande gekommen sei. 230 Nach 139 Abs. 3 BV kann die Bundesversammlung eine Initiative für ganz oder teilweise ungültig erklären, wenn „[…] die Initiative die Einheit der Form, die Einheit der Materie oder zwingende Bestimmungen des Völkerrechts [...]“ verletzt. Die Initiative “Gegen Masseneinwanderung“ erfüllt jedoch die Anforderungen an die Gültigkeit nach Art. 139 Abs. 3 BV.231 Die Möglichkeit einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag zu unterbreiten, nutzte der Bundesrat nicht. In der Botschaft des Bundesrates vom 07.12.2012 sprach dieser eine Empfehlung zur Ablehnung der Initiative aus, ebenso wie das Parlament am 27.09.2013 die Ableh nung der Initiative empfahl.232 Bei der Abstimmung am 09.02.2014 wurde dennoch das erforderliche Mehr von Ständen und Volk erreicht. 233 Dadurch wurde die Verfassung automatisch um den Art. 121a ergänzt und der Initiativtext tel quel in die Bundesverfassung übernommen. Er gilt daher seit dem 225 Vgl. Häfliger, Markus: Bundesrätliches Schattenboxen, In NZZ, 12.02.2015, Nr. 35, S. 21. 226 Vgl. Gemperli, Simon: Wegmarken auf dem steinigen bilateralen Weg, In NZZ, 02.12.2014, Nr. 280, S. 9 . 227 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 332 / Kaddous, Christine: Rechtsgutachten über die Vereinbarkeit der Initiative <<gegen Masseneinwanderung>> und der ECOPOP-Initiative <<Stop der Überbevölkerung – ja zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen>> mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (FZA), die Anwendung der <<Guillotine>>-Klausel und einer allfälligen Neuverhandlung des FZA, 29.09.2013, S. 5. 228 Vgl. Bekanntmachungen der Departemente und der Ämter vom 12 Juli 2015, zur Vorprüfung der Eidgenössischen Volksinitiative <<Gegen Masseneinwanderung>>, BBI 2011 6269ff. 229 Vgl. Schweizerische Bundeskanzlei: Eidgenössische Volksinitiative 'Gegen Masseneinwanderung', o.D., URL https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis413.html (letzter Zugriff 23.08.2015). 230 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 297. 231 Vgl. insb. zur Prüfung der Verletzung zwingenden Völkerrechts: Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 298ff. 232 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 297 / Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 27. September 2013, BBI 2013 7351. 233 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 332. 32 09.02.2014 als geltendes Verfassungsrecht. Zu betonen ist jedoch, dass die neue Verfassungsbestimmung trotz der sofortigen Geltung bis zu seiner Konkretisierung keine Wirkung entfaltet. 234 Dies ist erst dann der Fall, wenn die wenig bestimmt gefasste und damit nicht unmittelbar anwendbare neue Verfassungsnorm in einem Gesetz geregelt wird. Die inhaltliche Offenheit sowie die Präzisierungsbedürftigkeit 235 der Initiative führt zu einem gewissen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung des Initiativtexts. 236 Der Initiativtext der MEI verweist dabei auf folgende Aspekte:237 „Art. 121a (neu) Steuerung der Zuwanderung 1 Die Schweiz steuert die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig. 2 Die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz wird durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt. Die Höchstzahlen gelten für sämtliche Bewilligungen des Ausländerrechts unter Einbezug des Asylwesens. Der Anspruch auf dauerhaften Aufenthalt, auf Familiennachzug und auf Sozialleistungen kann beschränkt werden. 3 Die jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für erwerbstätige Ausländerinnen und Ausländer sind auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schweizerinnen und Schweizer auszurichten; die Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind einzubeziehen. Massgebende Kriterien für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen sind insbesondere das Gesuch eines Arbeitgebers, die Integrationsfähigkeit und eine ausreichende, eigenständige Existenzgrundlage. 4 Es dürfen keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden, die gegen diesen Artikel verstossen. 5 Das Gesetz regelt die Einzelheiten." Absatz 1 des Initiativtextes statuiert, dass die Schweiz ihre Einwanderung in Zukunft (wieder unabhängig und) eigenständig steuert. Diese Forderung entspricht damit einer Neuausrichtung der Schweizer Einwanderungspolitik.238 Die Initianten der Initiative verweisen dabei darauf, dass unter 234 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 347. 235 Die notwendie Präzisierungsbedürftigkeit der Umsetzung der Initiative war auch den Initianten bewusst, weswegen sie ein Argumentarium zur Verfügung stellten, in welchem sie ihre eigene Interpretationen der Vorschriften darlegten. Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“, 17.12.2013, S. 1ff. 236 Vgl. Epiney, Astrid: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, In: Freiburger Schriften zum Europarecht, Institut für Europarecht (Hrsg.) Freiburg, Nr. 17, 2014, S. 8f. 237 Der Wortlaut der Initiative ist einsehbar unter http://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis413t.html (letzter Zugriff 23.08.2015). 238 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 5. 33 "eigenständig" zu verstehen ist, dass die Schweiz unabhängig und unter dem Verbot der Beeinflussung ausländischer Regeln sowie Richter und Gremien darüber entscheiden darf, wer in die Schweiz einwandern darf und wer nicht. 239 In Absatz Zwei fordern die Initiatoren die Einführung von Höchstzahlen und Kontingenten, verweisen jedoch darauf, dass es für die unterschiedlichen Ausländerkategorien wie bspw. Kurzaufenthalter und Grenzgänger separate Kontingente geben soll. In die geforderten Höchstzahlen ist neben allen Aufenthaltskategorien, welche die ausländische Zuwanderung in relevanter Weise beeinflussen, auch der Asylbereich zu integrieren. Damit soll verhindert werden, dass das Asylwesen außerhalb des Anwendungsbereichs der Initiative fällt.240 Der in Abs. 1 genannte Begriff der Zuwanderung ist demgemäß im weiten Sinne auszulegen. Im dritten Abs. werden maßgebliche Kriterien für die Erteilung von Kontingenten genannt, die aufgeführten Kriterien sind dabei jedoch nicht abschließend. So ist die Erteilung der Einwanderungsbewilligungen bspw. anhand des volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichem Interesse der Schweiz zu bemessen. 241 Diese Formulierung gibt dem Gesetzgeber bei der Umsetzung und Festlegung von Kontingenten und Höchstzahlen einen wichtigen Gestaltungsspielraum. Ebenfalls wird in Abs. 3 auf die Aufhebung der aktuellen Unterscheidungen aufgrund des Herkunftsstaates sowie den sogenannten Inländervorrang verwiesen. Nach den Initianten soll ein Arbeitgeber nur dann einen Einwanderer in die Schweiz holen können, wenn dieser in der Schweiz keinen geeigneten Arbeitnehmer finden konnte. Explizit wird darauf verwiesen, dass die oben genannten Forderungen auch die Grenzgänger betreffen, da die Anzahl dieser in den letzten Jahren massiv zugenommen hat und bspw. zu Belastungen der Infrastrukturen geführt hat.242 In Abs. 4 wird gefordert, dass internationale Staatsverträge, welche in die eigenständige Steuerbarkeit der Zuwanderung durch die Schweiz eingreifen und damit gegen die in dieser Initiative geforderten Normen verstoßen, nicht eingegangen werden dürfen. 243 Damit soll möglichen zukünftigen Widersprüchen zwischen Staatsverträgen und dem Verfassungstext vorgebeugt werden. Da der Initiativtext größtenteils nicht unmittelbar anwendbar ist und einer gesetzlichen Umsetzung bedarf, bestimmt Abs. 5, dass die generellen Grundsätze in einem Gesetz zu konkretisieren sind. 244 239 240 241 242 243 Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 37. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 6. Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 38. Vgl. ebd., S. 39. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 7 / Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 39. 244 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331. 34 Die neue Verfassungsbestimmung ist dabei vor allem aus sich selbst heraus, also nach ihrem Wortlaut auszulegen.245 Durch die Annahme der Initiative haben die Initianten ihre zuvor alleinige Deutungshoheit über die Initiative verloren und werden wenn dann nur im Rahmen der historischen Auslegung berücksichtigt. Die Initiative ergänzt die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung des Art. 197 um die Ziffer 9 und ändert diese wie folgt: „1 Völkerrechtliche Verträge, die Artikel 121a widersprechen, sind innerhalb von drei Jahren nach dessen Annahme durch Volk und Stände neu zu verhandeln und anzupassen. 2 Ist die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 121a drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände noch nicht in Kraft getreten, so erlässt der Bundesrat auf diesen Zeitpunkt hin die Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg. " Abs. 1 der Übergangsbestimmungen fordert die Regierung dazu auf, einschlägige völkerrechtliche Verträge, welche gegen die Initiative verstoßen, innerhalb von drei Jahren neu zu verhandeln und anzupassen. Explizit verweisen die Initianten dabei auf das FZA mit der EU, welches Kontingente und Höchstzahlen nicht zulässt.246 Von den Übergangsbestimmungen ausgenommen wird jedoch im Vorfeld bereits die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Abs. 2 der Übergangsbestimmungen gilt laut Initianten der Erhöhung des Drucks auf die Regierung zur fristgerechten Umsetzung der Initiative. B. Mögliche Konflikte mit dem FZA 1. Grundzüge des FZA Das FZA wurde am 21.06.1999 im Rahmen der BIL I zwischen der Schweiz und der EU unter zeichnet und trat im Juni 2002 in Kraft. 247 Beim FZA handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, bei dem die völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze zur Anwendung kommen. 248 Es dient der Liberalisierung des Personenverkehrs und ermöglicht den Staatsangehörigen der Schweiz sowie denen der EU prinzipiell das Recht, den Aufenthaltsort bzw. Arbeitsplatz innerhalb der Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen. Des Weiteren beschreibt Art. 1 FZA die 245 246 247 248 Vgl. ebd., S. 352. Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 40. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 10. Vgl. Heselhaus, Sebastian/Hänni, Julia: Die eidgenössische Volksinitiative <<Gegen Masseneinwanderung>> (Zuwanderungsinitiative) im Lichte des Freizügigkeitsabkommens und der bilateralen Zusammenarbeit mit der EU, In: SZIER, 1/2013, S. 27. 35 folgenden Ziele: „Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen; Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben; Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer." Neben den Grundbestimmungen des Haupttextes enthält das FZA drei weitere Anhänge sowie diverse Protokolle, welche Bestandteile des Abkommens sind. 249 Dadurch wird das Freizügigkeitsrecht (Anhang I) ebenfalls durch die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme (Anhang II) sowie die gegenseitige Anerkennung von Berufsdiplomen (Anhang III) ergänzt. 250 Damit deckt das FZA die Gewährleistung der folgenden Rechte ab: das Aufenthalts- und Einreiserecht, das Prinzip der Gleichbehandlung, das Recht auf Verbleib, das Recht auf Familiennachzug, das Recht auf den Zugang zu einer un- sowie selbstständigen Erwerbstätigkeit und ihrer Ausübung, das Recht auf eine kurzzeitige Erbringung von Dienstleistungen sowie die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme und die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen.251 Seit dem Inkrafttreten des FZA kommt diesem ohne einen Transformationsakt innerstaatliche Geltung zu.252 Auch kommt dem FZA Vorrang gegenüber innerstaatlichem Recht jeglichen Ranges zu. Zudem beruht es auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit der Gesetzgebungen und verpflichtet die Schweiz sowie die EU, notwendige Maßnahmen zu treffen, um die Wirkung und Tragweite des Abkommens zu sichern.253 Für die EU gehört die in Art. 18 EGV (21 AEUV) geregelte Personenfreizügigkeit zu den zentralen Grundfreiheiten der EU. 254 Das Recht der Unionsbürger, sich auf dem Gebiet der MS frei aufzuhalten und zu bewegen, ist zentral für den Status der Unionsbürgerschaft, da es für alle anderen Rechte die Voraussetzung bildet. Spätestens seit der Vertragsrevision von Lissabon fokussiert sich die Politik der EU nicht mehr auf den Binnenmarkt an erster Stelle, sondern auf die Schaffung eines Raumes der Sicherheit, Freiheit und ohne Binnengrenzen für die Unionsbürger.255 Die Personenfreizügigkeit ist zum Erreichen dieses Ziels und als Motor der euro249 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 11. 250 Vertieft zum Inhalt und der Bedeutung der Anhänge, vgl. insb. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 50ff / Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 302 ff. 251 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 16. 252 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 24. 253 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 16. 254 Vgl. Kadelbach, Stefan: In: Ehlers, Dirk (Hrsg.): Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Auflage, 2009, § 19, S. 660. 255 Vgl. Tobler, Christa: <<Die Geister, die ich rief...>>. Zum Ja der Schweiz zur Masseneinwanderungsinitiative und zum umgekehrten <<Drei-Kreise-Modell>> der EU, In: SZIER, 1/2014, S. 8. 36 päischen Integration dementsprechend von zentraler Bedeutung. Wenn die Personenfreizügigkeit damals auch nicht ihre gegenwärtige Bedeutung eingenommen hatte, so ist erneut zu betonen, dass sie auf Initiative der EU den zu verhandelnden Themen der BIL I hinzugefügt wurde und zudem die Bedingung für die Aufnahme und den Abschluss der BIL I darstellte. 256 Dies führte zu großen Herausforderungen bei den Verhandlungen zwischen Brüssel und Bern, da es insb. in den Bereichen Landverkehr und Personenverkehr die größten Divergenzen gab. Viele Schweizer fürchteten bei einer Einführung der Personenfreizügigkeit negative Konsequenzen wie den Verlust der Kontrolle über die Steuerung der Einwanderung, die Zunahme von Lohndumping und Schwarzarbeit, erhöhte Arbeitslosigkeit und allgemein auch eine zunehmende Überfremdung. 257 Dennoch blieb die EU bei ihrem Standpunkt, keine BIL I ohne die Personenfreizügigkeit. Die Haltung der EU ist durch ihre damalige Situation zu erklären. Zum einen war es auch für die EU keine Selbstverständlichkeit, Beziehungen zu anderen europäischen Staaten durch sektorielle Abkommen weiterzuentwickeln.258 Zum anderen war die EU durch ihre eigne Konsolidierung sowie aufgrund ihrer Erweiterung stark ausgelastet und ließ sich bei den Verhandlungen Zeit, galt es doch, die Interessen aller MS gegenüber der Schweiz zu berücksichtigen und die sieben Verträge so zu gestalten, dass diese für alle MS mehr Vor- als Nachteile ergeben. Selbstverständlich lag es ebenso im Interesse der Schweiz, am Ende ein mehrheitlich vorteilhaftes Abkommen zu unterzeichnen. Durch die negative Abstimmung zum EWR befand sich die Schweiz (insb. die Schweizerische Wirtschaft) jedoch in einer angespannten Lage, da diese um ihre Wettbewerbsfähigkeit in der EU fürchtete. 259 Erklärtes Ziel des Bundesrates und Grund für die Aufnahme der Verhandlungen mit der EU über die BIL I war der Versuch, der kulturellen, politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Isolierung der Schweiz entgegenzuwirken. Dies führte folglich auch zu Zugeständnissen wie bspw. die Aufnahme der Verhandlungen in Bereichen der Personenfreizügigkeit. Damit die BIL I jedoch trotz der Personenfreizügigkeit die Chance 256 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 356 / Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 482. 257 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 265 /Jaeger, Franz. u.a.: Eine freizügige Schweiz – Chimäre oder Chance? Zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die erweiterte EU, Zürich/Chur, 2005, S. 1ff / Insbesondere wurden diese Ängste bei der ersten Erweiterung des FZA erneut aufgegriffen und führten 2004 schließlich zu den sog. flankierenden Maßnahmen, welche das Ziel hatten negative Konsequenzen durch die Öffnung des Arbeitsmarktes bswp. In den Bereichen Lohndruck sowie den Arbeitsbedingungen zu verhinden. Vertieft dazu: Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 7f / Argumentation MEI S 14. 258 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 505. 259 Vgl. ebd., S. 471. 37 hatten, ein Referendum zu überstehen, verhandelte der Bundesrat vorsichtig und fordernd, insb. im Bereich der Freizügigkeit.260 Schließlich einigten sich die EU und die Schweiz auf eine stufenweise Umsetzung der Personenfreizügigkeit innerhalb einer Übergangszeit von 12 Jahren ab Inkrafttreten des Vertragswerkes für die EU 15 MS.261 Bei jeder Erweiterung der EU gilt es auch, dass FZA für die neuen MS anzupassen ebenso die Übergangsfrist. Neben diesem Grundsatz des Nicht-Automatismus enthält der Vertrag eine Ventilklausel (Art. 10 FZA), welche es der Schweiz erlaubt, unter gewissen Voraussetzungen ihren Inländervorrang beizubehalten, Lohn- und arbeitsspezifische Kontrollen durchzuführen sowie jährliche Höchstzahlen einzuführen.262 Damit diese Klausel aktiviert werden kann, muss die Zahl der neuen Aufenthaltsbewilligungen den Durchschnittswert der vorherigen drei Jahre um mehr als 10% überschreiten.263 Die Möglichkeit, die Ventielklausel in Anspruch zu nehmen, ist jedoch zeitlich 264 begrenzt und richtet sich nach Art. 10 Abs. 4 FZA. Auch wenn die Voraussetzungen zur Aktivierung der Schutzklausel über einige Jahre gegeben war, nutzte die Schweiz die Schutzklausel recht zurückhaltend bzw. verzichtete gar darauf. 265 Zusätzlich von großer Bedeutung ist die im FZA verankerte “stand still-Klausel“ (Stillhalte/Stillstandsklausel). Diese verpflichtet die EU und die Schweiz dazu, keine diesem Abkommen entgegenstehenden neuen Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Vertragsparteien hinzuzufügen und damit gewährte Rechte des FZA zu untergraben.266 Das FZA wurde anfänglich auf sieben Jahre 267 abgeschlossen und verlängert sich ohne gegenteilige Aktionen der Vertragsparteien auf unbestimmte Zeit, bleibt dabei jedoch kündbar.268 260 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264. 261 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 12. 262 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 482 / Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 340. 263 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 12. 264 Für die Eu 15 + 2 (Zypern und Malta) konnte die Schutzklausel bis zum 31.05.2014 angewendet werden. Für die EU-8 Staaten galt die Schutzklaus bis zum 30.04.2014 und für die MS Bulgarien und Rumänien bis zum 31.05.2019. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 13. 265 Vgl. Kontingente für B-Bewilligungen ( Aufenthaltsbewilligung 5 Jahre) wurden bspw. für die EU 15+2 MS im Jahr 2013 bis 2014 eingeführt. 2008 und 2009 lagen die notwendigen Voraussetzungen ebenfalls vor, doch vezichtete der Bundesrat auf die Einführung von Kontingenten. Für die EU-8 MS wurde die Schutzklausel seit dem Mai 2012 bis zum April 2014 ebenfalls für B-Bewilligungen eingeführt. 266 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 13f. 267 Diese ursprüngliche Befristung des FZA wurde ebenfalls auf den Wunsch der Schweiz dem Vertrag hinzugefügt um die Referendumsfähigkeit des Abkommens zu verbessern. Am 31. Mai 2009 lief die siebenjährige Frist aus und da das FZA weder von der EU noch von der Schweiz gekündigt wurde, hat es sich auf unbestimmte Zeit verlängert. Vgl Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 266. 268 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 473. 38 Das FZA ist jedoch durch die sog. “Guillotine-Klausel“ mit den anderen sechs Abkommen der BIL I verknüpf.269 Sobald eines der sieben Abkommen der BIL I gekündigt wird, verlieren automatisch auch alle anderen Abkommen ihre Gültigkeit. Bis heute wurde der Anwendungsbereich des FZA mehrfach auf die neuen Mitgliedstaaten, welche der EU 2004 sowie 2007 beitraten, erweitert. 270 Durch die Guillotine-Klausel sind die jeweiligen Erweiterungen der EU für das FZA und damit für die BIL I von erheblicher Bedeutung. 271 Würde die Schweiz einer Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf einen neuen MS der EU nicht zustimmen, könnte die EU aufgrund des Art. 25 Abs. 3 FZA den Vertrag kündigen und dadurch die Aktivierung der Guillotine-Klausel auslösen. Die Erweiterung des FZA auf Kroatien, welches 2013 der EU beigetreten ist, war bereits ausgehandelt worden.272 Aufgrund der Annahme der MEI und einem Verstoß 273 gegen die neue Verfassungsbestimmung Art. 121a BV sah sich der Bundesrat jedoch nicht mehr in der Lage, die Erweiterung des FZA auf Kroatien zu unterzeichnen. 2. Vereinbarkeit der MEI und des FZA Sowohl vor der Abstimmung zur MEI als auch danach gab es bereits eine Reihe von Rechtsgutachten und andere Stellungnahmen, welche den Initiativtext insb. auf seine Vereinbarkeit mit dem FZA geprüft haben.274 Die Autoren vertraten dabei den Standpunkt, dass der Inhalt der MEI eine Vielzahl möglicher Konflikte und Verstöße mit dem FZA birgt. Seit der Annahme der MEI befindet sich die Schweiz, wie häufig behauptet, im politischen Ausnahmezustand. 275 Mehr als ein Jahr nach der Zustimmung zur MEI besteht kein Zweifel mehr daran, dass sich der Art. 121a BV in offenem Widerspruch zum System der bilateralen Verträge befindet. Zu betonen ist hierbei jedoch, dass die Anzahl möglicher Konflikte von der gesetzlichen Umsetzung der MEI abhängt. 276 Viele der oben genannten Rechtsgutachten gehen daher auf eine Reihe von Umsetzungsszenarien genauer ein, 269 270 271 272 273 274 275 276 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264f. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 12. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 265f. Vgl. Staatssekrearitat für Migration: Personenfreizügigkeit Schweiz – EU/EFTA, Stand 29.01.2015, URL https://www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/themen/fza_schweiz-eu-efta.html (letzter Zugriff 23.08.2015). Andere Meinung Epiney: Das Protokoll über den Einbezug Kroatiens in die Personenfreizügigkeit wird nicht vom Art. 121a Abs. 4 BV erfasst, da es sich nicht um einen neuen völkerrechtlichen Vertrag handelt, welcher zu neuen Verpflichtungen führt. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des FZA in persönlicher Hinsicht. Vgl. Epiney: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 9 BV, S. 15ff. Vgl insb. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, / Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 291ff / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014. S. 1ff. Vgl. Häfliger, M.: Bundesrätliches Schattenboxen, 11.02.2015, S. 21. Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 330. 39 um mögliche Konflikte mit dem FZA zu prüfen und darzustellen. Im folgenden Teil werde ich auf Grundlage oben genannter Gutachten auf die grundlegenden Konflikte zwischen den Forderungen des Initiativtextes der MEI und den vom FZA gewährten Rechten und inhaltlichen Bestimmungen eingehen. Die dargestellten rechtlichen Konflikte werden dabei jedoch verkürzt und nicht abschließend dargestellt. Stand still-Klausel: Die in Art. 13 FZA enthaltende Stillstandsklausel verpflichtet die Vertragsparteien, in den unter dieses Abkommen fallenden Bereichen keine neuen Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Vertragspartei einzuführen. Die in der MEI geforderten jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer unterscheiden nicht zwischen Staatsangehörigen der EU und Staatsangehörigen anderer Nationen.277 Da die Initiative Staatsangehörige der EU nicht davon ausnimmt, wäre die Einführung oben genannter zahlenmäßiger Beschränkungen jenseits der Übergangsbestimmungen bereits ein Verstoß gegen die Stillstandsklausel. 278 Dies ist jedoch nur ein Beispiel für die im Wortlaut der MEI geforderten Maßnahmen, welche bereits eine Beschränkung und damit einen Verstoß gegen die Stillstandsklausel begründen. Weitere Konflikte finden sich in den folgenden Bereichen. Verbot der Diskriminierung: Eines der zentralen Ziele und wesentliche Bestimmung des FZA ist das Recht auf Gleichbehandlung, welches allen vom FZA erfassten Personen die gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen garantiert. 279 Augenscheinlich knüpfen die Regelungen zur Gleichbehandlung des Art. 2 FZA280 an den europäischen Grundsatz des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV an. 281 Das im FZA geregelte allgemeine Verbot der Diskriminierung betrifft dabei nicht nur direkte Diskriminierungen, d.h. Einschränkungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch indirekte Diskriminierungen, welche unabhängig von dem Kriterium der Staatsangehörigkeit zu einer Diskriminierung führen könnten.282 Zwar ist bereits in Art. 8 BV der Grundsatz der Rechtsgleichheit verankert, durch die Einführung der Staatsangehörigkeit als unzulässiges Unterscheidungsmerk- 277 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 19. 278 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 342. 279 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 338 / Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S.20. 280 Ausführlich zur Tragweite des Art. 2 FZA: vgl. insb. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 29f. 281Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 30. 282 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 21. 40 mal, geht das FZA jedoch über diesen verfassungsmäßigen Grundsatz hinaus.283 Die Masseneinwanderung stellt durch ihren Wortlaut Ausländerinnen und Ausländer jedoch eindeutig eine direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar. Der Wortlaut der MEI formuliert einige Einschränkungen, welche (je nach Umsetzung) in Konflikt mit Art. 2 FZA stehen. Problematisch sind hier sowohl die allgemeinen Aufenthaltsvoraussetzungen für Ausländer, welche u.a. durch die geforderten Kontingente beschränkt werden würden, als auch Beschränkungen ihrer Rechte, bspw. im Bereich der Sozialleistungen sowie der Vorrang von Schweizer Staatsangehörigen auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt. Je nach Umsetzungskonzept sind solche Einschränkungen, welche Staatsangehörige der EU direkt diskriminieren und damit den Grundsatz der Inländergleichbehandlung verletzen, mit der Gleichbehandlungsregel des FZA nicht vereinbar. 284 Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit: Die Hauptintention der Personenfreizügigkeit ist eine erhebliche Erleichterung der beruflichen Mobilität unter der Überwindung quantitativer und qualitativer Beschränkungen.285 Art. 4 FZA gewährleistet den Staatsangehörigen der Vertragsparteien ein Recht auf Aufenthalt sowie den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit. Dieses Recht wird vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (inklusive Ventilklausel) des Art. 10 FZA sowie nach Maßgabe des Anhangs I eingeräumt und bietet darüber hinaus jedoch keinen Freiraum für zahlenmäßige Beschränkungen. Wenn die von der MEI geforderte neue quantitative Beschränkung in Form von Höchstzahlen bzw. Kontingenten für ausländische Staatsbürger sich somit außerhalb der Übergangsbestimmungen des Art. 10 FZA bewegt, ist dies mit dem FZA nicht vereinbar.286 Zudem kommt der von den Initianten geforderte Vorrang der Schweizer bei der Arbeitsplatzvergabe einer qualitativen Beschränkung der Freizügigkeit gleich und steht damit ebenfalls im Widerspruch mit dem FZA. Das Schweizer Recht gewährt Staatsangehörigen der EU unterschiedliche Kategorien von Aufenthaltsbewilligungen, welche bspw. je nach Art und Dauer der ausgeübten Tätigkeit oder anhand der Situation der betroffenen Person erteilt werden.287 Zu betonen ist, dass Anhang I Art. 2 FZA einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beinhaltet. 288 Dies bedeutet, dass bei der 283 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 285. 284 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 344. 285 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 343 / Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 24. 286 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 26. 287 Vgl. ebd., S. 25. 288 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 335. 41 Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für EU Bürger, die nationale Behörde keinen Ermessensspielraum hat und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Gegensatz zu Drittstaatsangehörigen von rein deklarativer Natur ist. Die von der MEI geforderten Kontingente bedingen zudem eine Prüfungs- und Bewilligungspflicht im Einzelfall, was das FZA bereits verletzt.289 Das FZA richtet sich somit per se gegen jegliche Art von Kontingenten, auch wenn diese wie im Falle der MEI noch nicht konkretisiert bzw. angewendet werden.290 Recht auf Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung: Die in den Art. 1 und 4 des FZA gewährten Rechte in punkto Freizügigkeit von Arbeitnehmern der Vertragsparteien werden durch die Bedingungen der Art. 6 bis 11 des Anhangs I zum FZA geregelt. 291 Der Begriff des Arbeitnehmers wird im FZA zwar nicht definiert, jedoch ist nach aktueller Recht sprechung eine Person als Arbeitnehmer zu betrachten, wenn diese für eine andere Person innerhalb einer gewissen Zeit und unter dessen Anweisungen Leistungen erbringt und dafür eine Vergütung erhält. Unter die Gruppe der unselbstständigen Erwerbstätigen zählt das FZA zudem die Gruppe der Grenzgänger, welche im Staatsgebiet eines Vertragspartners wohnhaft sind und eine Tätigkeit im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei ausüben. Die ursprüngliche Verpflichtung zur täglichen Rückkehr in das Herkunftsland wurde mittlerweile durch die Pflicht zur wöchentlichen Rückkehr ersetzt. Auch ist der Status des Grenzgänger nicht mehr an den Wohnsitz in einem Nachbarland der Schweiz gebunden. Arbeitnehmer im Sinne des FZA sind ebenfalls Personen, welche in den heimischen Arbeitsmarkt integriert waren, jedoch ihren Arbeitsplatz verloren haben. 292 Demgegenüber stehen die Personen welche sich auf der Suche nach Arbeit in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei begeben haben und nicht den mit Vorteilen verbundenen Status des Arbeitnehmers zugesprochen bekommen. Als Nichterwerbstätige Arbeitsuchende müssen Personen über hinreichend finanzielle Mittel für sich und ihre Familienangehörige verfügen, um während der Zeit des Aufenthalts keine Mittel aus der Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. 293 Das FZA gewährt dem Arbeitnehmer somit das Recht auf Ein- und Ausreise sowie den Verbleib auf dem Staatsgebiet einer Vertragspartei – auch nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit – sowie das Recht auf 289 290 291 292 293 Vgl. ebd., S. 342. Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 41. Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 75f. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 32. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 279. 42 Familiennachzug.294 Zusätzlich gilt das Recht auf Gleichbehandlung; bezogen sowohl auf den Zugang und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als auch auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sowie soziale und steuerliche Vergünstigungen. Die von der Masseneinwanderungsinitiative geforderten Kontingente für ausländische Staatsangehörige beschränken den Zugang sowie die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und würden daher gegen das FZA verstoßen. 295 Zudem widerspricht die Forderung nach möglichen Beschränkungen von Sozialleistungen dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern im Bereich der sozialen Sicherheit. Weiterhin verstößt die Forderung der Initiative, dass ausländische Arbeitslose die Schweiz wieder zu verlassen haben, gegen das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit. So dürften Arbeitssuchende, welche die im FZA genannten Voraussetzungen erfüllen und sich zur Arbeitssuche in die Schweiz begeben möchten, diese aufgrund dieser Regelung ggf. nicht betreten. Ebenfalls begründet eine solche Regelung Konflikte für Arbeitssuchende, welche sich bereits im Land befinden und sich durch ihre vorherige Arbeit in der Schweiz einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erworben haben. Recht auf Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung: Durch das FZA haben natürliche Personen einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit einer Gültigkeit von mindestens fünf Jahren, sofern sich diese im Hoheitsgebiet eines anderen Staates zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit niederlassen möchten und eine selbstständige Tätigkeit der zuständigen Behörde nachweisen.296 Ab wann eine selbstständige Tätigkeit gegeben ist, richtet sich dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und es ist schweizerischen Kantonen untersagt, eigene negativ präventive Hürden aufzustellen. 297 Wie die Arbeitnehmer haben auch die selbstständigen Erwerbstätigen das Recht auf Gleichbehandlung in bereits genannten Punkten. Das FZA beinhaltet ebenfalls den Status des selbstständigen Grenzgängers, welcher zur Ausübung seiner Tätigkeit keine Aufenthaltsbewilligung benötigt. 298 Auch für selbstständige Erwerbstätige besteht zudem nach Beendigung ihrer Tätigkeit entsprechend den Bedingungen des Art. 4 Anhang II FZA ein mögliches Verbleiberecht. Auch hier verstößt die Masseneinwanderungsinitiative mit ihrer Forderung nach Kontingenten und Höchstzahlen, welche 294 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 33. 295 Vgl. ebd., S. 34. 296 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 337 / Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 35. 297 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 36. 298 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 337. 43 europäische Staatsangehörige nicht ausschließen und damit deren Ausübung und den Zugang zu einer selbstständigen Tätigkeit in der Schweiz beschränken, gegen das FZA. 299 Des Weiteren steht zudem der Wunsch der Initianten der MEI nach einer Möglichkeit, das Recht auf Daueraufenthalt in der Schweiz zu beschränken, mit den im FZA gewährleisteten Rechten und Möglichkeiten für EU Staatsangehörige in Konflikt. Das Recht auf Erbringung von Dienstleistungen: Das FZA regelt die Bedingungen des Dienstleistungsverkehrs in Art. 5 FZA und in den Artikeln 17 bis 23 des Anhangs I FZA. 300 Bei den Dienstleistungen wird unterschieden zwischen kurzzeitigen und solchen von längerer Dauer. Zudem wird zwischen dem Dienstleistungserbringer (aktive Dienstleistung) und dem Dienstleistungsempfänger (passive Dienstleistung) unterschieden. Das FZA gewährt Dienstleistungserbringern – im Falle der Dienstleistungen auch Gesellschaften - die Möglichkeit innerhalb eines Zeitraumes von maximal 90 Arbeitstagen pro Jahr, eine Dienstleistung auf dem Staatsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen.301 Dienstleistungen, welche vom Dienstleistungserbringer innerhalb der maximal erlaubten Zeit von 90 Arbeitstagen erbracht werden, können nicht untersagt werden und benötigen keine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch ein Dienstleistungsempfänger kann sich zum Empfangen einer Dienstleistung in das Staatsgebiet der anderen Vertragspartei begeben und das Einreise- sowie Aufenthaltsrecht beanspruchen. Für eine Inanspruchnahme von Dienstleistungen, welche einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten fordert, hat der Dienstleistungsempfänger für die Gültigkeitsdauer der Dienstleistung einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Aufenthalte unter drei Monaten benötigen hingegen keine Aufenthaltsbewilligung. Die im FZA geregelten Verbote der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit finden auch im Dienstleistungsbereich ihre Anwendung (Art. 19 Anhang I FZA).302 Ein Verstoß der MEI im Bereich der Dienstleistung hängt hier insb. von der Umsetzung der Initiative ab. Da das Ziel der MEI die Reduzierung der Einwanderung in die Schweiz ist, ist es fraglich, ob der kurz- oder längerfristige Aufenthalt zur Erbringung oder zum Empfang einer Dienstleistung unter die geforderten Beschränkungen wie bspw. durch Kontingente oder Höchstzahlen fällt.303 Würde die Umsetzung der Initiative Dienstleistungen mit einbeziehen und die im Wortlaut geforderten Beschränkungen umsetzen, wäre dies ein Verstoß gegen das FZA. 299 300 301 302 303 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 37. Vgl. ebd., S. 38. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 40f. Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 30. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 43f. 44 Das Aufenthaltsrecht von Personen ohne Erwerbstätigkeit: In dem Art. 6 FZA sowie Art. 24 Anhang I FZA werden die Bestimmungen zum Aufenthalt von Personen geregelt, welche keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Zur Gruppe der Personen ohne Erwerbstätigkeit werden Studenten, Rentner sowie nicht erwerbstätige Personen gezählt. 304 Im Gegensatz zu den Gruppen der selbst- und unselbstständigen Arbeitnehmer sowie den Dienstleistungserbringern, welche gewissen Übergangsbestimmungen innerhalb des FZA unterworfen wurden, galt für die Gruppe der Personen ohne Erwerbstätigkeit bereits seit dem Inkrafttreten des FZA die völlige Freizügigkeit. Aufenthaltsbewilligungen werden dieser Gruppe dabei mit einer Gültigkeit von mindestens fünf Jahren erteilt. Bei Studenten richtet sich der Zeitraum der Aufenthaltsbewilligung jedoch nach der Dauer der Ausbildung und wird jährlich dem noch entsprechenden Zeitraum angepasst. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist jedoch auch hier an die Bedingungen geknüpft, dass die Personen, welche eine Aufenthaltsbewilligung – für sich selbst oder Familienangehörige – beantragen, über eine umfängliche Krankenversicherung sowie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen und im Zeitraum ihres Aufenthalts nicht auf Sozialleistungen zurückgreifen müssen. Die MEI, welche den dauerhaften Aufenthalt von EU Staatsangehörigen, welche keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, einschränken möchte, verstößt daher gegen das durch das FZA zugesicherte Aufenthaltsrecht für Personen ohne Erwerbstätigkeit.305 Das Recht auf Familiennachzug: Ebenfalls durch das FZA geregelt (Art. 3 Anhang I FZA) wird das Recht auf den sogenannten Familiennachzug.306 Personen, welche sich auf dem Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei niedergelassen haben und über eine gültige Aufenthaltsbewilligung verfügen, können mit ihren Familienangehörigen zusammenleben, da diesen ebenfalls ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat zugesprochen wird. Vom Recht auf Familiennachzug können jedoch nur Personen profitieren, welche sich in einem genau bestimmten Nähe- sowie Verwandtschaftsgrad307 zu der Person befinden, welcher das Recht auf Familiennachzug gewährt wird. Zudem ist der Familiennachzug an die Voraussetzung geknüpft, dass den Familienangehörigen eine angemessene Unterkunft gestellt werden kann. Die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Aufenthaltsbewilligung für Familienangehörige entspricht der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsbe304 305 306 307 Vgl. ebd., S. 45f. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. ebd. In den Anwendungsbereich der Vorschrift und als Familienangehörige gelten ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit: "der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird; die Verwandten und die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird; im Fall von Studierenden der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Kinder." Art. 3 lit. 2 Anhang I FZA. 45 willigung der Person, welche das Recht auf Familiennachzug inne hat. 308 Zudem gesteht das FZA unter gewissen Voraussetzungen (Art. 4 Anhang I FZA) auch den Familienangehörigen ein Verbleiberecht zu. Die Masseneinwanderungsinitiative spricht wörtlich davon, dass der Anspruch auf den Familiennachzug beschränkt werden kann. Da die Initiative Europäische Staatsangehörige nicht ausnimmt und somit in Aussicht stellt, dass EU Bürger auch bei Erfüllung der im FZA genannten Voraussetzungen von ihrem Aufenthaltsrecht nicht Gebrauch machen können, wäre dies eine eindeutige Verletzung des FZA.309 Weiterhin würde die Beschränkung des Familiennachzugs dazu führen, dass die vom FZA erfassten Familienangehörigen ihr Recht auf die Möglichkeit des Zugangs zu einer Erwerbstätigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen könnten. 310 Auch ist in der Beschränkung des Familiennachzugs ein Verstoß gegen das Verbleiberecht zu sehen. 3. Gesetzliche Beschränkungsmöglichkeiten innerhalb des FZA Nach den oben aufgeführten Konflikten steht eine wortgetreue Umsetzung der MEI augenscheinlich im erheblichen Widerspruch zu wesentlichen Elementen und Vorschriften des FZA. Folglich geht es bei der Umsetzung der MEI nicht nur um eine “geringe“ Anpassung des FZA, sondern vielmehr um eine weitgehende Neuausrichtung des Abkommens. 311 Fraglich ist daher, ob die Schweiz sich bei einer dem FZA widersprechenden Umsetzung auf vorhandene Rechtfertigungsgründe innerhalb des FZA berufen könnte. Zu prüfen sind hier vor allem die Übergangsbestimmungen in Art. 10 FZA, insb. die sogenannte Ventilklausel. Zudem die mögliche Anwendbarkeit der “konsensuellen Schutzklausel“ aus Art. 14 Abs. 2 FZA sowie eine Prüfung der in Art. 5 Anhang I genannten Beschränkungsmöglichkeiten.312 Das FZA sieht in Art. 10 Übergangsbestimmungen zur schrittweisen und “kontrollierten“ Öffnung des Arbeitsmarktes der Schweiz vor.313 Während der im FZA festgelegten Zeiträume ist es der Schweiz erlaubt, Kontingente einzuführen, den Inländervorrang beizubehalten sowie Kontrollen der Arbeits- und Lohnbedingungen durchzuführen.314 308 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 338. 309 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 27. 310 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 49. 311 Vgl. Heselhaus, S. / Hänni J.: Rechtsgutachten: Vereinbarkeit der MEI mit Abkommen zwischen EU und Schweiz, 05.10.2011, S. 58. 312 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 341. 313 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 56. 314 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 340. 46 Übersicht über die Übergangsfristen zur Personenfreizügigkeit:315 Anhand dieser Grafik ist zu erkennen, dass die Zulässigkeit dieser Einschränkungen jedoch nur noch gegenüber Bulgarien und Rumänien möglich ist. 316 Für die EU-17-Staaten galt seit 2007 und für EU-8-Staaten seit 2011 die volle Freizügigkeit, eingeschränkt durch die Möglichkeit einer Akti vierung der Schutzklausel.317 Zudem ermöglichen die Übergangsregelungen zwar vertraglich genau bestimmte Beschränkungen der Freizügigkeit, jedoch sind diese nur für eine temporäre und situationsabhängige Anwendung gedacht.318 Permanente Abweichungen und Beschränkungen der Freizügigkeit wie von der MEI gefordert, können über die Übergangsbestimmungen nicht gerechtfertigt werden. Auch die in Art. 10 FZA enthaltene Ventilklausel, welche als zusätzliche Schutzklausel im Falle einer kontinuierlichen und überdurchschnittlich hohen Einwanderung aktiviert werden konnte, steht seit dem 31. Mai 2014 für die EU 25 Staaten nicht mehr zur Verfügung. 319 Da das FZA keine weitere Möglichkeit beinhaltet, die Ventilklausel zu verlängern, hat der Bundesrat im April 2014 die Revision der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs beschlossen und damit die Kontingente für die EU-17- und die EU-8-Staaten bereits aufgehoben. 320 315 Quelle Grafik: SECO - Direktion für Arbeit, 11. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen SchweizEU. Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt, 23.05,2015, S. 11. 316 Der Bundesrat hat im Mai 2014 beschlossen, die Übergangsfrist gestützt auf das Protokoll II zum FZA für Bulgarien sowie Rumänien bis zum 31. Mai 2016 zu verlängern. Der Inländervorrang, die Kontingente sowie die Kontrolle der Arbeits- und Lohnbedingungen werden demnach aufrechterhalten. Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: 28.05.2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=53154 (letzter Zugriff 23.08.2015). 317 Diese wurde auch aktiviert: Siehe Grafik B* sowie vgl. Birrer, Raphaela: Bundesrat ruft Ventilklausel an – die EU reagiert, 24.04.2013. 318 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 345. 319 Vgl. ebd., S. 341. 320 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Personenfreizügigkeit: Ventilklausel läuft aus, 30.04.2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=52803 (letzter Aufruf 23.08.2015). 47 Dementsprechend kann auch die Ventilklausel nicht als Rechtfertigungsgrundlage zur Umsetzung der MEI herangezogen werden. Fraglich ist, ob Beschränkungen des FZA über den Art. 5 Abs. I Anhang I FZA aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt werden können. Art. 5 Abs. II Anhang I FZA verweist jedoch darauf, dass bei der Auslegung der oben genannten Begriffe drei Richtlinien321 des Unionsrechts angewendet werden. Durch die unionsrechtliche Auslegung ist der Begriff der öffentlichen Ordnung eng zu verstehen. 322 So darf bei einer Maßnahme, welche über Art. 5 Anhang I FZA gerechtfertigt wird, nur das persönliche Verhalten einer Einzelperson auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausschlaggebend sein. 323 Wirtschaftliche Absichten und Gründe dürfen ebenfalls nicht über Art. 5 Anhang I FZA geltend gemacht werden. Folglich erlaubt die Bestimmung des Art. 5 Anhang I FZA lediglich Beschränkungen im Einzellfall und kann für die Umsetzung der MEI ebenfalls nicht als Rechtfertigungsgrund beansprucht werden. Eine weitere Möglichkeit zusätzliche Beschränkungen des FZA zu rechtfertigen, ist in Art. 14 FZA verankert. Auf dessen Grundlage kann eine Vertragspartei bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen einen Gemischten Ausschuss einberufen, welcher geeignete Abhilfemaßnahmen innerhalb von 60 Tagen prüft und ggf. beschließt. Der Art. 14 Abs. 2 FZA ist somit eine allgemeine und konsensuelle Schutzklausel, welche bei sozialen und wirtschaftlichen Problemen Abhilfe schaffen soll.324 Fraglich ist jedoch, ob in der Schweiz derzeit nachweisbare schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme vorliegen. Entsprechend den Angaben des eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung haben sich nach „[…] der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro durch die Schweizerische Nationalbank am 15. Januar 2015 und der darauf folgenden Aufwertung des Schweizer Frankens [...] die Konjunkturindikatoren der Schweiz verschlechtert. Zwar wird die Wechselkursaufwertung die Konkurrenzfähigkeit Schweizer Firmen beeinträchtigen, dennoch sollten die aufgehellte Konjunkturperspektiven für Europa und der gefestigte Aufschwung in den USA diese negativen Effekte mildern. Aus heutiger Sicht dürfte es in der Schweiz zu einer temporären Konjunkturdelle kommen. Ein schwerwiegender Abschwung – mit deutlich rückläufiger Wirtschaftstätigkeit und stark steigender Arbeitslosigkeit – ist im aktuellen Umfeld nicht absehbar. Für die Jahre 2015 und 2016 wird demzufolge ein BIP-Wachstum von +0,9% bzw. +1,8% mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote erwartet.“.325 321 Die Richtlinien 64/221/EWG (ABl. Nr. 56, 1964, S. 850), 72/194/EWG (ABL. Nr. L 121, 1972, S. 32) und 75/35/EWG (ABl. Nr. L 14, 1975, S. 10). 322 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 335. 323 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 341f. 324 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 57 / Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 346. 325 Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes: Wirtschaftlage, Frühjahr 2015, Wirtschaftslage, URL 48 Auch wenn in dieser Stellungnahme gewisse derzeitige, wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgeführt und für das nächste Jahr prognostiziert werden, ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Schweiz schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme innerhalb des Anwendungsbereichs des Art.14 Abs. 2 FZA geltend machen kann. Selbst wenn die Schweiz, notwendige Probleme geltend machen könnte, besagt Art.14 Abs. 2 FZA über die Maßnahmen, welche vom Gemischten Ausschluss beschlossen werden, dass diese „in Umfang und Dauer auf das zur Abhilfe erforderliche Mindestmass zu beschränken [sind]. Es sind solche Massnahmen zu wählen, die das Funktionieren dieses Abkommens so wenig wie möglich beeinträchtigen.“ Dauerhafte Beschränkungen wie von der MEI gefordert, könnten somit auch nicht über den Art. 14 FZA gerechtfertigt werden. In Anbetracht der eben aufgeführten Rechtfertigungsgründe innerhalb des FZA scheint eine erfolgreiche Berufung auf diese für eine wortnahe Umsetzung der MEI mehr als unwahrscheinlich. Möchte die Schweiz jedoch das FZA nicht verletzen, um einer Aufkündigung des FZA zu entgehen, hat sie dafür theoretisch zwei weitere grundsätzliche Optionen. 326 Eine Option wäre, die MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA umzusetzen. Fraglich ist hierbei jedoch, inwieweit eine solche Umsetzung, wenn in Hinblick auf den Handlungsspielraum der Regierung überhaupt möglich, mit den Intentionen der Initiative und dem geäußerten “Volkswillen“ zu vereinbaren wäre. Die zweite Option wäre der Versuch, das FZA mit der EU neu zu verhandeln, wie dies bereits im Wortlaut der Initiative geäußert wird. 4. Umsetzung der MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA Wie bereits dargelegt, benötigen einige Bestimmungen des neuen Art. 121a BV in vielen Punkten inhaltliche Präzisierung für Ihre Umsetzung.327 Art. 121a BV ist daher nicht unmittelbar anwendbar und bedarf einer Ausführungsgesetzgebung. Eines der offensichtlichsten und wohl am meist diskutierten Beispiele hierfür findet sich in der Aufforderung der Initiative, dass die jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer anhand der gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu bestimmen seien.328 Eine solch offene und interpretationsfreudige Formulierung bedingt automatisch einen gewissen Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Initiative. Bei dem Ziel die MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA umzusetzen, besteht jedoch die https://www.wbf.admin.ch/de/themen/wirtschaft/wirtschaftslage/ (letzter Zugriff 23.08.2015). 326 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 348. 327 Vgl. ebd., S. 347. 328 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 353ff / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 8. 49 Frage, inwieweit die Bestimmungen des Art. 121a BV ausgelegt werden dürfen, um dieses Ziel zu erreichen, ohne dabei den verfassungsrechtlich gewährleisteten Handlungsfreiraum zu überschreiten. Dementsprechend müssen für eine mit dem FZA konforme Umsetzung zwei große Fragen geklärt werden. Die erste Frage betrifft die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, welche das Parlament und der Bundesrat bei der Umsetzung und Auslegung der MEI zu beachten haben. Die zweite Frage ist, ob es überhaupt inhaltliche Umsetzungskonzepte geben kann, welche die MEI rechtskonform zum FZA umsetzen. Verfassungsrechtliche Bestimmungen: Wenig Hoffnung auf eine verfassungsrechtlich mögliche und konforme Auslegung der MEI mit dem FZA finden sich in vielen Äußerungen von Politikern, Verbänden und genannten Rechtsgutachten vor der Abstimmung zur MEI. 329 Auch formulierte bspw. der Bundesrat in seinen Schlussfolgerungen zur MEI bereits: „Die Initiative ist mit dem FZA nicht vereinbar. Das FZA müsste im Falle einer Annahme derInitiative mit grösster Wahrscheinlichkeit gekündigt werden. Dies hätte kaum abschätzbare Auswirkungen auf die Beziehungen zur EU insgesamt und würde den bisherigen bilateralen Weg der Schweiz gefährden.“330 Nach der Abstimmung begann jedoch sofort eine Relativierungstendenz, bei welcher nicht nur Politiker begannen, über mit dem FZA konforme Umsetzungen zu debattieren. 331 Die im Vorfeld der Abstimmung mehrheitlich geäußerte Meinung, dass die MEI allgemein nicht mit dem FZA vereinbar wäre, führt verfassungsrechtlich nicht zu einer Verpflichtung, die Bestimmung des Art. 121a BV auch so auszulegen.332 Die Auslegungsmöglichkeiten der neuen Verfassungsbestimmung richtet sich nach den maßgeblichen und üblichen juristischen Methoden, insb. dem Wortlaut, der Systematik sowie der Zielsetzung und der Entstehungsgeschichte.333 Die Deutungshoheit über in der MEI enthaltene Formulierungen wie: gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz oder Völkerrechtliche Verträge, die Artikel 121a widersprechen, [...] neu zu verhandeln und anzupassen, neu zu verhandeln bzw. anzupassen bedeutet jedoch nicht gleich kündigen334, liegt jedoch nicht 329 Vgl. bspw. economiesuisse: Initiative <<Gegen Masseneinwanderung>> schadet der Wirtschaft, 26.07.2011, URL http://www.economiesuisse.ch/de/themen/awi/bilwirtschaftsbez/seiten/_detail.aspx? artID=article_Masseneinwanderung_20110726 (letzter Zugriff 23.08.2015). 330 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 342. 331 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 9. 332 Vgl. ebd., S. 41. 333 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 20 / Zur Auslegung und dem Verhältnis der MEI zum Völkerrecht vgl. Insb.: Bundesamt für Justiz: Angenommene Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»: Auslegung der Artikel 121a und 197 Ziffer 9 (heute: 197 Ziffer 11) der Bundesverfassung, 08.04.2015, S. 3ff. 334 Vgl. Bundesamt für Justiz: Angenommene Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»: Auslegung der Artikel 121a und 197 Ziffer 9 (heute: 197 Ziffer 11) der Bundesverfassung, 08.04.2015, S. 22. 50 mehr bei den Initianten der Initiative, sondern beim Gesetzgeber. 335 Dieser kann im Rahmen der Auslegung zwar den Willen der Initianten berücksichtigen, es gilt jedoch prinzipiell, dass jeglicher Rechtstext, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Auslegungsmethoden zu interpretieren und autoritativ von jenen Instanzen auszulegen ist, welche das Recht anwenden. 336 Des Weiteren ist bei der Auslegung von Verfassungsbestimmungen, das in Art. 5 BV verankerte Beachtungsgebot des Verhältnisses von Landes- und Völkerrecht zu berücksichtigen. 337 Darin begründet liegt die Pflicht, Verfassungsbestimmungen soweit möglich völkerrechtskonform 338 auszulegen, um so etwaige Konflikte zu vermeiden. Verstößt eine landesrechtliche Norm vom Sinngehalt her auf ersichtliche Weise gegen Völkerrecht, liegt ein Normenkonflikt vor. Bei einer erfolgreichen Volksabstimmung welche nicht vereinbar mit dem Völkerrecht ist, kennt das schweizerische Verfassungsrecht aber keine Konfliktregel, welche eine klare Rangordnung vorschreibt. Handelt es sich bei der Initiative, welche gegen das Völkerrecht verstößt, jedoch um eine nicht unmittelbar anwendbare Initiative, so stehen dem Gesetzgeber bestimmte Gestaltungsfreiräume zur Überbrückung der einschlägigen Widersprüche zwischen dem Verfassungs- und dem Völkerrecht zur Verfügung. Unstrittig ist jedoch, dass im vorliegenden Fall der MEI, das von der Regierung auszuarbeitende Gesetz dem Anliegen des Art. 121a BV, die Zuwanderung in die Schweiz zu begrenzen, in irgendeiner Art und Weise entsprechen muss. 339 In der Schweiz, in welcher die direktdemokratische Mitwirkung des Volkes vermehrt zum obersten Staatsprinzip erklärt wird, ist durchaus damit zu rechnen, dass eine nicht vollumfängliche umgesetzte Initiative, als Missachtung der Vorstellung des absoluten Volkswillen gedeutet werden kann.340 Ein aktuelles Beispiel in Bezug auf die Folgen bei der “Missachtung des Volkswillen“ ist die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative341, bei welcher sich der Nationalrat gegen die strikte wortgetreue Umsetzung entschieden hat und nun einer von der SVP initiierten 335 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 352. 336 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 21 / Hangartner, Yvo: Bundesgerichtlicher Positionsbezug zum Verhältnis von Bundesverfassung zum Völkerrecht, In AJP, 5/2013, 22 Jahrgang, S. 703. 337 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 352. 338 Die Problematik inwieweit Volksinitiativen welche gegen das Völkerrecht verstoßen umgestzt bzw. angewendet werden können, ist in vielen Punkten bis heute in der Schweiz strittig. Vgl Bericht über das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht vom 05 März 2010, BBI 2010 2263ff. 339 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 37. 340 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 349. 341 Vgl. Details Eidgenössische Volksinitiative 'für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)', URL https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis357.html (letzter Zugriff 23.08.2015). 51 Durchsetzungsinitiative gegenübersieht.342 Für die MEI bedeutet das oben aufgeführte zwar, dass es aus verfassungsrechtlicher Sicht den notwendigen Handlungsfreiraum zur konformen Umsetzung der Initiative mit dem FZA theoretisch gibt, es jedoch fraglich ist, ob die Regierung eine solche Umsetzung unter Beachtung des zur MEI geäußerten Volkswillens erreichen kann. Meines Erachtens wäre es jedoch durchaus interessant zu sehen, was geschehen würde, wenn die von der Regierung gewählte Umsetzung zu einer neuen Volksinitiative führen würde, in welcher die inhaltlich präzisierungbedürftigen Stellen der MEI ausformuliert und dem Volk vorgelegt werden. Angenommen, die neue Initiative wählt einen strikten Wortlaut, welcher im eindeutigen Konflikt mit dem FZA steht und der Regierung keinen Handlungsfreiraum mehr gibt, muss sich das Schweizer Volk für oder gegen den bilateralen Weg entscheiden. Zumindest laut aktueller Umfragen hält die Mehrheit der Schweizer den Erhalt des bilateralen Weges wichtiger als die Umsetzung der MEI.343 Inhaltlich konforme Umsetzungskonzepte: Um die Verfassungsbestimmung des Art. 121a BV in einem Gesetz so umzusetzen, dass dieses inhaltlich nicht gegen das FZA verstößt, müssen vor allem Lösungen im Bereich der Kontingente und Höchstzahlen sowie bei den oben genannten Problemen der Ausländerdiskriminierung gefunden werden. Mittlerweile haben u.a. eine Vielzahl von wirtschaftlichen und politischen Verbänden Wortlautinterpretationen der Verfassungsbestimmung sowie Konzepte mit darin enthaltenden Lösungsvorschlägen zur konformen Umsetzung der MEI mit dem FZA veröffentlicht. Zu betonen ist jedoch, dass es sich lediglich um Konzepte sowie Vorschläge handelt und das die darin genannten Ansichten nicht unbedingt auf Zustimmung bei der EU treffen müssen. Dies lässt sich anhand der Thematik der Kontingente und Höchstzahlen veranschaulichen. Wie erwähnt, ist der Grundgedanke der Personenfreizügigkeit die Überwindung von zahlenmäßigen Beschränkungen und das FZA richtet sich somit ausdrücklich gegen Kontingente und Höchstzahlen, welche nicht durch das Abkommen zu rechtfertigen sind.344 Durch den Wortlaut der Initiative, dass die Kontingente und Höchstzahlen 342 Problematisch an der Durchsetzungsinitiative bzw. allgemein am strikten Wortlaut der Ausschaffungsinitiative ist, dass diese keine Prüfung im Einzelfall vorsieht und dadurch bedingt, dass Richter auf das wichtige rechtsstaatliche Instrument der Verhältnismäßigkeit verzichten müssen. Ebenfalls existiert ein Konflikt mit dem Völkerrecht, da das von der EMRK garantierte Recht auf Familienleben bei dem Entscheid über die Ausschaffung keine Beachtung finden würde. Vgl. o.V.: Ausschaffungsinitiative soll strikt nach Wortlaut umgesetzt werden, 14.02.2014 / Geissbühler, Andrea: Deshalb die Durchsetzungsinitiative, 09.07.2015. 343 Vgl. o.V.: Bei Ecopop-Abstimmung waren Bilateralen wichtiger als Zuwanderung, 04.02.2015 / Tresch, Anke, u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, gfs.bern und Institut für Politikwissenschaft Universität Genf, 2014. 344 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 342. 52 anhand der gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu bestimmen sind, wurden bspw. Vorschläge geäußert, dass die Kontingente für EU-Bürger so hoch angesetzt werden, dass diese nicht überschritten werden könnten. 345 Ebenfalls diskutiert wurde, dass bestimmte Personengruppen, um die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz nicht zu gefährden, von den Kontingenten und Höchstzahlen auszunehmen sind.346 Genannt wurden hier bspw. die Grenzgänger, aber auch Personen innerhalb der Forschung oder Beschäftigte bei Internationalen Organisationen und ihre Familienangehörigen.347 Auch die Einführung von Kontingenten und Höchstzahlen, welche jedoch bei deren Ausschöpfung zeitnah erweitert werden können, d.h., dass im Bedarfsfall Staatsangehörige der EU die Möglichkeit haben, dennoch die im FZA garantierte Freizügigkeit zu nutzen, wurde angeführt. 348 Diese Vorschläge ermöglichen es EU-Bürgen, ihre durch das FZA garantierten Rechte trotz vorliegender Kontingente bzw. Höchstzahlen in Anspruch zu nehmen. Fraglich ist jedoch, inwieweit Brüssel eine Verletzung des FZA bereits in der Anwendung bzw. Aufstellung von Kontingenten und Höchstzahlen sieht, auch wenn diese selbst bei deren Überschreitung, die individuelle Freizügigkeit praktisch nicht verletzen würden. Denn Rechtfertigungsgründe innerhalb des FZA für die Einführung von Kontingenten gibt es, wie bereits geprüft, nicht. Eher sind solche Konzepte mit dem FZA in Einklang zu bringen, die EU-Bürger von vornherein von zukünftigen Kontingenten und Höchstzahlen ausnehmen bzw. Kontingente und Höchstzahlen lediglich als Richtwerte festlegen.349 Ein weiterer Aspekt, der bei einer konformen Umsetzung der MEI mit dem FZA zu regeln ist, sind die vielen bereits aufgeführten Verstöße durch Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Insbesondere die Umsetzung des von der MEI geforderten Inländervorrangs befindet sich derzeit in einer hitzigen Debatte. 350 Nach der MEI sollen in der Schweiz nur Ausländer zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zugelassen werden, wenn nachgewiesen wurde, dass kein geeigneter inländischer Arbeitnehmer gefunden werden konnte. 351 Der Inländervorrang galt seit Einführung der Personenfreizügigkeit nur noch gegenüber Personen aus 345 Dieser Vorschlag wird mehrfach geäußert jedoch stets als unrealistisch und unvereinbar mit Absicht der Initiative gesehen. Vgl. Ernst, Wolfgang: Es gilt das Prinzip der Hoffnung, In NZZ, 13.02.2014, Nr. 36, S. 19 / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 9. 346 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 37. 347 Vgl. Donzé, René: <<Wir sollten die Grenzgänger nicht kontingentieren>>, 02.03.2014. 348 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 29. 349 Vgl. ebd., S. 28f. 350 Vgl. Linger, Tilman: Inländer-Vorrang? Nichts ist passiert, 19.01.2015, / Schöchli, Hansueli: Fahnden nach dem Wert der Bilateralen, In NZZ, 04.02.2015, Nr. 28, S 23. 351 Vgl. Buomberger, Peter: Schweizervorran – Wie umsetzen?: 14.05.2014 / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 32. 53 Drittstaaten. Auch das Einbeziehen von bereits wohnhaften EU-Bürgern sowie EU-Bürgern mit einer Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz in den Inländervorrang, ändert nichts daran, dass dieser zu einer nicht mit dem FZA zu vereinbaren Beschränkung führt, da der Zugang zum Arbeitsmarkt für EU Bürger außerhalb der Schweiz erschwert bzw. verhindert wird. Auch hier könnte der Wortlaut der Initiative, bei der Umsetzung die “gesamtwirtschaftlichen Interessen“ zu berücksichtigen, Abhilfe schaffen. 352 Schließlich spricht sich die Wirtschaft ganz klar für die Beibehaltung der bisherigen Regeln aus und damit gegen die geforderten Kontingente sowie den Inländervorrang. Die Einführung von Kontingenten sowie dem Inländervorrang würde aufgrund der Verletzung des FZA sehr wahrscheinlich zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen. Auch dies würde dem erklärten Ziel der Initiative, die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu berücksichtigen in keinster Weise Rechnung tragen. 353 Zusammenfassend lässt sich auch hier sagen, dass der Wortlaut der Initiative Konzepte zulässt, welche eine Umsetzung im Einklang mit dem FZA ermöglichen. Fraglich ist jedoch, inwieweit der notwendige politische Wille, sowie der Rückhalt im Volk vorhanden ist, eine solche Umsetzung zu fokussieren. 5. Neuverhandlung des FZA Eine weitere Option bzw. Forderung des Initiativtextes der MEI ist, dass völkerrechtliche Verträge, welche die selbstständige Steuerung der Zuwanderung durch die Schweiz verhindern, innerhalb von drei Jahren neu verhandelt werden sollen.354 Implizit wird von den Initianten der MEI dabei das FZA als ein solches neu zu verhandelndes Abkommen bezeichnet. Zumindest theoretisch sind Neuverhandlungen zur Anpassung von völkerrechtlichen Verträgen immer möglich. Um eine Anpassung des FZA auf völkerrechtlicher Ebene durchzuführen, müssten sich die Schweiz und die EU zu Verhandlungen bereit erklären und im Falle einer Einigung die Abänderungen des Vertrags in die Wege leiten. Bei der von der Initiative ausdrücklich verlangten Neuverhandlung des FZA ergeben sich jedoch eine Vielzahl von Fragen und Konflikten. 355 Die wohl elementarste Frage ist, ob es der Schweiz und der EU bei einer Neuverhandlung des FZA gelingen könnte, einen Kompromiss zu finden, der für beide Seiten tragbar ist. Vor dieser schwierigen Herausforderung steht jedoch bereits das Problem, dass für eine solche Neuverhandlung beide Seiten für Verhandlungen bereit 352 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 355. 353 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 37. 354 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 59f / Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 33. 355 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 356. 54 und über ein dafür notwendiges Verhandlungsmandat verfügen müssen. Auf die Bereitschaft der EU, die Neuverhandlungen des FZA zu beginnen, wartet die Schweiz jedoch seit mehr als 18 Monaten nach der Annahme der MEI vergeblich. 356 Zusätzlich stellt sich die Frage, inwieweit der gesetzte Zeitraum von drei Jahren zur Neuverhandlung des FZA mit der EU überhaupt realistisch ist und ob dieser überhaupt noch eingehalten werden kann. Wie erwähnt, setzte die Schweiz bereits frühzeitig auf Gespräche über eine Neuverhandlung des FZA mit der EU. Den Entwurf des Verhandlungsmandats verabschiedete die schweizerische Regierung im Oktober 2014, definitiv beschlossen wurde das Verhandlungsmandat im Februar 2015. 357 Das Mandat verfolgt dabei zwei Ziele gleichermaßen: So gilt es, dass FZA so anzupassen, dass es der Schweiz unter der Wahrung ihrer gesamtwirtschaftlichen Interessen möglich ist, ihre Zuwanderung eigenständig zu regeln. Zudem soll der bilaterale Weg zwischen der EU und der Schweiz als Grundlage der Beziehungen gesichert werden. Um die dafür notwendigen Verhandlungen aufzunehmen, ist das Einverständnis der EU sowie die Zustimmung aller MS nötig. 358 Seit der Annahme der MEI hat die EU jedoch stets verkündet, dass sie nicht bereit sei, im Bereich der Personenfreizügigkeit zu verhandeln, da es sich bei dieser um eine der Grundfreiheiten und fundamentalen Säule des freien Binnenmarktes der EU handelt. 359 Galten auf Schweizer Seite zunächst noch Hoffnungen, dass es sich bei der ablehnenden Haltung gegenüber einer Neuverhandlung des FZA um Interventionen von EU Hardlinern handele, sowie um eine Taktik, um in späteren Verhandlungen stärker auftreten zu können, erhalten solche Hoffnungen stetig neue Rückschläge.360 Mittlerweile bekennt sich die EU geschlossen, d. h. die Kommission, die MS sowie das EU-Parlament zur unnachgiebigen Haltung, dass Beschränkungen der Personenfreizügigkeit wie von der MEI gefordert nicht mit dem FZA zu vereinbaren sind. Formelle Verhandlungen sind diesbezüglich abzulehnen. Die Haltung der MS sowie des Parlaments zur Aufnahme zeitnaher oder zukünftiger Verhandlungen sind von großer Bedeutung.361 Nicht nur, dass für die Aufnahme von Neuverhandlungen das Einverständnis aller MS notwendig ist, zudem müssten diese dann auch bei den anschließend folgenden Verhandlungen dem ausgearbeiteten Ergebnis zustimmen. Denn im 356 Vgl. Bahadir, A.: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 4 / Washington, Oliver: Harte Ansage des EU-Parlaments zur Personenfreizügigkeit, 07.05.2015. 357 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Bundesrat will mit der EU über Personenfreizügigkeit verhandeln, 08.10.2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=54761 sowie Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und Verhandlungsmandat, 11.02.2015, Url https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015). 358 Vgl. auch Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 404. 359 Vgl. Nuspliger, Niklaus: <<Die Freizügigkeit gilt absolut oder gar nicht>>, In: NZZ, 10.02.2014, Nr. 33, S. 7. 360 Vgl. Fellmann, Fabian u.a.: EU stoppt Strom-Kompromis, In NZZ am Sonntag, 26.04.2015, Nr. 17, S 13. 361 Vgl. Washington, O.: Harte Ansage des EU-Parlaments zur Personenfreizügigkeit, 07.05.2015. 55 Gegensatz zu den anderen bilateralen Verträgen handelt es sich beim FZA um ein sog. gemischtes Abkommen, welches bei Veränderungen nicht nur die Genehmigung der EU sowie der Schweiz, sondern auch der Zustimmung aller MS der EU bedarf. 362 Das die notwendige Zustimmung aller MS sowie die des Parlaments ein sehr schwieriges Unterfangen ist, dürfte ohne Zweifel sein. Schließlich ist einer großen Mehrheit der MS daran gelegen, dass sich ihre Bürger frei in der EU sowie in der Schweiz bewegen können.363 Insbesondere einige MS wie bspw. Rumänien stehen einer Beschränkung der Freizügigkeit dabei mit ganz klaren Worten entgegen, wie der Schweizerische Botschafter vor kurzem während eines Hearings vor dem EU-Parlament feststellen konnte.364 Grundsätzlich müsste es der Schweiz also gelingen, die EU und alle MS davon zu überzeugen, dass die von der Schweiz letztendlich bei den Verhandlungen geforderten Beschränkungen der Personenfreizügigkeit insgesamt mehr von Vorteil als von Nachteil für alle wären. Meines Erachtens könnte dies der Schweiz gelingen, wenn es um “alles oder nichts“ geht. Fehlt es letztlich an der Zustimmung einiger MS und würde dies zur Aufkündigung der BIL I führen, müsste man sich durchaus fragen, ob das geringere Übel für die MS das Ende der Personenfreizügigkeit mit der Schweiz oder die Annahme der bis dahin hoffentlich “entgegenkommenden“ Beschränkungen der Personenfreizügigkeit wären. Fraglich ist jedoch, inwieweit die MS bereit sind, dem Nichtmitgliedsstaat Schweiz erneut entgegen zu kommen. Denn mit Sicherheit haben MS durch ihren Beitritt zur EU ebenfalls für sie unvorteilhafte Bestimmungen übernehmen müssen. Dazu passt die Aussage der EU Kommissarin Viviane Reding, welche sagte, dass „Die Personenfreizügigkeit sei Teil des Binnenmarkts, und dieser sei nur als Gesamtpaket zu haben. Da kann die Schweiz nicht hier oder da Rosinen picken.“ 365 Für alle MS der EU gilt, dass die Vorteile des Binnenmarktes oder auch des EU Beitritts zusammen mit dessen negativen Punkten einhergehen. Es liegt an den (Mitglieds-)Staaten zu beurteilen, ob für diese die Vor- oder Nachteile überwiegen und ob sie ein Teil der EU werden oder diese wieder verlassen möchten. Doch es gilt auch für die Schweiz der Grundsatz, dass sie nicht nur die Vorteile des Binnenmarktes für sich beanspruchen kann. Zusätzlich erschwerend ist, dass rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien in Europa versuchen, das Ergebnis der MEI für ihre Zwecke zu nutzen. Für die EU-Kommission wird es deswegen politisch noch viel schwieriger sein, dem Nichtmitgliedsstaat Schweiz bei Eingriffen in 362 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 265. 363 Vgl. Birrer, Raphaela: «Die EU wird der Schweiz garantiert nicht entgegenkommen», 08.05.2015 / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 35. 364 Vgl. Washington, O.: Harte Ansage des EU-Parlaments zur Personenfreizügigkeit, 07.05.2015. 365 o.V.: «Die Schweiz kann nicht hier oder da Rosinen picken», 19.01.2014. 56 eine so elementare Grundfreiheit entgegenzukommen.366 In einer von der ETH Zürich durchgeführten Simulation der Neuverhandlung des FZA, in welcher drei Umsetzungskonzepte der MEI von prominenten Delegationen367 aus Politik und Wirtschaft verhandelt wurden, stand am Ende fest, dass nicht nur in Brüssel und Bern sondern auch am simulierten Verhandlungstisch in Zürich eine Beschränkung des Prinzips der Personenfreizügigkeit nicht erreichbar war.368 Eine weitere Möglichkeit seitens der Schweiz, die EU zu einer Neuverhandlung des FZA zu bewegen bzw. die schließlich von der Schweiz geforderten Beschränkungen zu akzeptieren, könnte jedoch ihr Entgegenkommen in anderen Bereichen sein, welche für die EU von Interesse sind. 369 Schon seit 2008 betont die EU regelmäßig, dass die sektoralen Abkommen mit der Schweiz aufgrund ihrer Anzahl und Komplexität an ihre Grenzen gestoßen sind und sie ohne eine institutionelle Vereinbarung über Gerichtsbarkeit, Rechtsauslegung und Acquis-Übernahme keine weiteren Binnenmarktverträge abschließen will.370 Für viele Schweizer versinnbildlichen diese Forderungen jedoch nur die Absicht der EU, die Souveränität der Schweiz zu untergraben und so einen weiteren Schritt zum Beitritt der Schweiz zur EU zu erzwingen. Dennoch könnten gerade die derzeitigen Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz hinsichtlich eines institutionellen Rahmenabkommens auch für die Verhandlungen zur Umsetzung der MEI von Bedeutung sein. 371 Die Forderungen, welche die EU in ihrem Verhandlungsmandat372 zu den institutionellen Mechanismen aufgestellt hat, machen eines deutlich: man ist bereit zu verhandeln, jedoch soll mit der gerne beklagten “Rosinenpickerei“ der Schweiz Schluss sein.373 Die Schweiz muss sich dementsprechend darüber im Klaren sein, welche Kompromisse sie bereit ist einzugehen um, die EU zufrieden zu stellen, oder ob sie wirklich den Wegfall der BIL I und die damit verbundenen Konsequenzen riskieren möchte. Das Verhandlungsmandat der Schweiz zeigt sich hier wieder als der Versuch der Quadratur des Kreises, soll doch sowohl der bilaterale Weg gesichert als auch die selbstständige Steuerung der Zuwanderung erreicht werden. Über den letzt366 Vgl. Nuspliger, N.: <<Die Freizügigkeit gilt absolut oder gar nicht>>, 09.02.2014, S. 7. 367 Teilnehmer waren unter anderen: die Nationalräte Thomas Aeschi (SVP) und Christa Markwalder (FDP) sowie die ehemaligen Schweizer Botschafter Bernhard Marfurt und Luzius Wasescha. Ihnen gegenüber: Ursula Plassnik, einst Außenministerin von Österreich, und Peter Gottwald, der frühere deutsche Botschafter in Bern. Ergänzt wurden die Delegationen durch mehrere Experten für Europapolitik. 368 Vgl. Daum, Matthias: Es wird schwierig, In: Die Zeit, 18.09.2014, Nr. 39, S. 13. 369 Vgl. Flückiger, Jan: Bundesrat sucht den Befreiungsschlag, In: NZZ, 25.06.2015, Nr. 144, S. 9. 370 Vgl. Gemperli, Simon: Keine Katastrophe, sondern ein Weckruf, 28.04.2015 / Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern, 08.01.2013, S. 10. 371 Vgl. DEA: Institutionelle Fragen, Stand 28.05.2015, URL https://www.eda.admin.ch/dea/de/home/verhandlungenoffene-themen/verhandlungen/institutionelle-fragen.html (letzter Zugriff 23.08.2015). 372 Vgl. Council of the european union: negotiating mandate for an EU-Switzerland institutional framework agreement, 06.05.2014, Doc-Nr: 9525/14, S. 1ff. 373 Vgl. Rafi, Reza: Die EU gibt der Schweiz den Tarif durch, In SonntagsZeitung, 06.07.2014, S. 3. 57 endlichen Ausgang der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU kann nur gemutmaßt werden.374 Sicher ist nur, dass der Start eventueller Neuverhandlungen des FZA vom politischen Willen der EU abhängt. Das ggf. zukünftige Verhandlungsmandat würde inhaltlich dann jedoch der Schweiz “genau“ veranschaulichen, wie die EU zum Revisionswunsch der Schweiz steht und welche eigenen Revisionswünsche die MS der EU vorbringen. 375 Doch selbst wenn die EU bereit ist, ein Mandat zu verabschieden und Verhandlungen zu beginnen, ist es nahezu ausgeschlossen, dass die dafür in der Initiative geforderte Frist von drei Jahren noch eingehalten werden kann. 376 Erfahrungsgemäß dauert es selbst bei in der EU unbestrittenen Themen mindestens ein halbes Jahr, bis das für ein Verhandlungsmandat notwendige Einverständnis aller 28 MS eingeholt ist. Namhafte Politiker schätzen die Dauer des Verhandlungszeitraumes sogar auf bis zu 10 Jahre. 377 Als positiven Aspekt im Bereich der Neuverhandlung des FZA lässt sich jedoch sagen, dass zwischen der Schweiz und der EU zwar keine offizielle Verhandlung, jedoch sehr wohl intensive informelle Gespräche stattfinden.378 Auch beobachtet die EU die politischen Gespräche und Vorschläge der Schweiz genau und kommentiert politische Vorstöße der Schweiz teilweise innerhalb kurzer Zeit. 379 Ein intensives Interesse Brüssels an den Entscheidungen der Schweiz im Bereich der MEI ist somit nicht zu leugnen. 6. Kündigung des FZA Wie dargelegt, befinden sich die Bestimmungen der MEI im offensichtlichem Widerspruch mit dem FZA. Die oben aufgeführten Optionen, insb. die Neuverhandlung des FZA sowie eine konforme Umsetzung des Art. 121a BV mit dem FZA, könnten Lösungen für den derzeitigen Freizügigkeitskonflikt darstellen. Beide Optionen sind jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden und es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn die Schweiz bei der Umsetzung der MEI keine für die EU zufriedenstellende Lösung findet und das FZA schließlich verletzt wird. Würde eine Verletzung des FZA automatisch zu einer Kündigung führen? Schließlich stellt sich die Frage, was geschieht, 374 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 356. 375 Vgl. Kellenberger, Jakob: Prioritäten im Verhältnis zur EU, In: NZZ, 13.10.2014, Nr. 237, S. 17. 376 Vgl. Häfliger, Markus: Sommaruga nimmt Masseneinwanderungsinitiative ganz in ihre Hand, In: NZZ, 09.10.2014, Nr. 234, S. 9. 377 Vgl. Schindler, Felix: «Es dauert zehn Jahre, bis neue Verträge ausgehandelt sind», 10.02.2014. 378 Vgl. Bahadir, A.: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 4 / Brönnimann, Christian: Ein Chefunterhändler soll es in Brüssel richten, In: Tages-Anzeiger, 25.06.2015, S. 5. 379 So antwortete Brüssel bspw. innerhalb 45 Minuten nach der SchweizerischenVerabschiedung des Verhandlungsmadats zur Neuverhandlung des FZA mit einem deutlichen "Nein" für Verhandlungen im Bereich der Personenfreizügigkeit. Vgl. Häflinger, M: Sommaruga nimmt Masseneinwanderungsinitiative ganz in ihre Hand, 08.10.2014, S. 9. 58 wenn es tatsächlich zu einer Kündigung des FZA kommt, insb. in Hinblick auf die Wirkung der Guillotine-Klausel, aber auch auf das zukünftige Verhältnis Schweiz EU. Zunächst beinhaltet Art. 25. Abs. 3 FZA die Möglichkeit einer Kündigung durch die Vertragspartei en.380 Die EU sowie die Schweiz können das FZA demgemäß durch Notifikation gegenüber der anderen Vertragspartei zu jedem beliebigen Zeitpunkt kündigen. Die Entscheidung das FZA aufzukündigen, ist sowohl auf Seiten der EU als auch auf Seiten der Schweiz eine Frage des politischen Ermessens.381 Sowohl die Schweiz als auch die EU müssen sich bei der Aufkündigung des FZA an die jeweiligen Bestimmungen des inländischen Rechts bzw. im Fall der EU an die internen Verfahrensregeln halten. Diesbezüglich besteht jedoch sowohl bei der EU als auch bei der Schweiz Klärungsbedarf. Auf Seiten der EU bestehen zwar interne Verfahrensregeln zur Aussetzung von internationalen Übereinkünften (vgl. Art. 218 AEUV), jedoch keine explizite Regelung zur Aufkündigung von Übereinkünften. Die herrschende Meinung geht jedoch auf Grundlage des Prinzips der Parallelität der Formen davon aus, dass die auf das Abschließen von Übereinkünften anwendbaren Verfahrensregeln auch bei der Aufkündigung von Verfahren Anwendung finden. Strittig ist, ob bei einer Vertragsverletzung des FZA durch die Schweiz bei der darauf ggf. erfolgenden Kündigung die Zustimmung aller MS erforderlich ist. 382 In diesem Fall könnte es sich bei einer Kündigung des FZA für die EU um ein längerfristiges und komplexes Verfahren handeln, von welchem die Schweiz profitieren könnte. In der Schweiz werden derzeitig insb. Fragen diskutiert, ob die Regierung bei einer Vertragsverletzung verpflichtet sei, das FZA zu kündigen und in wessen Kompetenz eine Kündigung letztendlich fallen würde.383 Gemäß dem Grundsatz pacta sunt servanda ist die Schweiz (sowie die EU) dazu verpflichtet, die Bestimmungen des Vertrages nach Treu und Glauben zu erfüllen.384 Dementsprechend äußerte der Bundesrat in seiner Botschaft zur MEI auch, dass, wenn es der Schweiz nicht mehr möglich sei, die Bestimmungen des Vertrages zu erfüllen oder diesen neu zu verhandeln, sie das FZA aufkündigen müsste. 385 Diese Position ist mittlerweile jedoch umstritten. Zum einen existiert in der Schweiz eine (Lehr-)Meinung, welche daran zweifelt, dass der Bundesrat überhaupt berechtigt ist, einen solch wichtigen Vertrag ohne Parlamentsplenum 380 Vgl. Heselhaus/Hänni: Die eidgenössische Volksinitiative <<Gegen Masseneinwanderung>>, 2013, S. 55. 381 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 61f. 382 Vgl. hierzu auch: Europarecht, Tobias Jaag, 3. Auflage BASIS RC 5. Die Bilateralen I bedurften gemäß Art. 218 Abs. 6 Uabs. 2 lit. A AEUV die Zustimmung von Rat und Parlament. Das FZA (gemischtes Abkommen) bedurfte jedoch die zusätzliche Genehmigung durch alle MS. 383 Vgl. Gemperli, Simon: Bundesrat hält sich alle Optionen offen, 02.03.2015. 384 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 56. 385 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 336. 59 oder gar die explizite Zustimmung des Volkes zu kündigen. 386 Der Bundesrat stellt sich jedoch gegen diese Meinung und verweist lediglich auf den Art. 152 Abs. 3 ParlG, welcher den Bundesrat dazu verpflichtet, die Außenpolitischen Kommissionen des Parlaments bei einer solch wesentlichen Entscheidung wie der der Kündigung des FZA zu konsultieren. Jedoch gilt die Kündigung eines Vertrages aus Sicht des Bundesrats als ultima ratio.387 Des Weiteren besteht die Meinung, dass die Pflicht zur Kündigung aufgrund einer selbstverschuldeten Vertragsverletzung lediglich eine moralische Verpflichtung sei. Der Bundesrat äußerte sich dazu in einer an ihn gerichteten Interpellation 388 wie folgt: “Scheidet eine Kündigung aus rechtlichen oder politischen Gründen aus, so hätte die Schweiz letztlich die Konsequenzen zu tragen, die sich aus einem vertragswidrigen Zustand ergeben können [...]. Weil die Bundesverfassung gemäss Artikel 192 Absatz 1 der Bundesverfassung jederzeit ganz oder teilweise revidiert werden kann, steht Volk und Ständen grundsätzlich auch der Weg offen, die völkerrechtswidrige Verfassungsnorm wieder zu ändern oder aufzuheben.“ 389 Grundsätzlich gilt, dass wenn ein Staat für ihn bindendes Völkerrecht durch zurechenbares Verhalten verletzt, dies eine Verantwortlichkeit begründet. 390 Durch das Bestehen einer solchen Verantwortlichkeit ergeben sich völkerrechtlichen u.a. die folgenden Verpflichtungen: Die Wiederherstellung des völkerrechtskonformen Zustands durch das Beenden seines völkerrechtswidrigen Verhaltens. Dies könnte auch durch eine Kündigung des Staatsvertrages geschehen, jedoch kann sich der Staat dadurch nicht seiner Verantwortlichkeit für die während der Gültigkeit des Vertrages verschuldeten Verletzungen, entziehen. Erfüllt der verantwortliche Staat seine Pflichten nicht, stehen der verletzten Vertragspartei eine Auswahl an Reaktionsmöglichkeiten391 (bspw. Retorsionen sowie Repressalien) zur Verfügung.392 Im Fall der MEI würde dies bedeuten, dass die Schweiz keiner direkten Pflicht zur Kündigung unterliegt, jedoch mit 386 Vgl. Schneider-Schneiter, Elisabeth: 14.4249 Interpellation, Schutz der Rechte der Stimmbevölkerung, 12.12.2014 / Gemperli, S.: Bundesrat hält sich alle Optionen offen, 02.03.2015 / Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 357. 387 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 357. 388 Mit der Interpellation können die Mitglieder der Bundesversammlung Auskunft über wichtige Ereignisse oder Probleme der Aussen- oder Innenpolitik oder der Verwaltung verlangen. Der Bundesrat beantwortet die Interpellation in der Regel während der folgenden Session. Vertieft zur Interpellation, vlg. von Wyss, Moritz: Maximen und Prinzipien des parlamentarischen Verfahrens. Eine Untersuchung über die Schweizerische Bundesversammlung, Zürich 2001, S. 133f. 389 Vgl. Schneider-Schneiter, E.: 14.4249 Interpellation, Schutz der Rechte der Stimmbevölkerung, 12.12.2014. 390 Vgl. Ipsen, Knut: Völkerrecht, 6 Auflage, München 2014, S. 546ff / Bericht über das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht vom 05 März 2010, BBI 2010 2288f. 391 Zur Widergutmachung bzw. den Rechtsfolgen einer vertragsverletzung, vgl. insb. Von Arnauld, Andreas: Völkerrecht, 2 Auflage, Heidelberg/München, 2014, S. 178ff. 392 Vgl. Bericht über das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht vom 05. März 2010, BBI 2010 2289f. 60 einer Kündigung bzw. Repressalien rechnen muss. Wie mögliche Repressalien der EU aussehen würden, ist schwer zu sagen. Grundsätzlich gilt, dass diese dem Gewaltverbot sowie dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen. Ausgehend von der elementaren Bedeutung der Personenfreizügigkeit ist jedoch mit rabiaten Vorstößen der EU zu rechnen, insb. innerhalb jener Bereiche, welche für die schweizerische Wirtschaft von großer Bedeutung sind (bspw. technische Handelshemmnisse).393 Bei einer Kündigung des FZA (unabhängig ob von der EU oder der Schweiz) würde sich automatisch die in Art. 25 Abs. 4 FZA enthaltene Guillotine-Klausel aktivieren. Diese besagt, dass „[d]ie in Absatz 1 aufgeführten sieben Abkommen [...] sechs Monate nach Erhalt der Notifikation über die Nichtverlängerung gemäss Absatz 2 oder über die Kündigung gemäss Absatz 3 ausser Kraft [treten]." Der während den Verhandlungen zu den BIL I bestimmende Parallelismus – Verträge werden gleichzeitig beschlossen, genehmigt und in Kraft gesetzt – wurde so auch in der GuillotineKlausel verankert.394 Die BIL I bilden durch die Guillotine-Klausel ein unauflösliches Ganzes und verhindern, dass einzelne Verträge durch das schweizerische Volk gezielt entfernt werden können. 395 Mehrfache Versuche der Schweiz, eine Lockerung der Guillotine-Klausel zu erreichen, scheiterten in der Vergangenheit.396 Wenn auch nicht aufgrund einer Guillotine-Klausel wären bei einer Kündigung der BIL I zudem auch andere Abkommen zwischen der Schweiz und der EU betroffen. Es ist davon auszugehen, dass die EU so z.B. insb. das Schengen- und Dublin- Assoziierungsabkommen, sowie Abkommen zur Bildung und Jugend, der Forschung und zu MEDIA in Frage stellt.397 So wird eine Kündigung der Abkommen mit erheblichen negativen wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Folgen im Verhältnis mit der EU assoziiert. 398 Erneut zu betonen ist, dass Art. 121a BV nicht unmittelbar anwendbar und somit auch noch keine Verletzung der im FZA enthaltenden Rechte begründet.399 Eine von den völkerrechtlichen Bestimmungen des FZA abweichende schweizerische Rechtslage allein begründet noch keine Verletzung, sondern erst tatsächlich widersprechendes Verhalten.400 Erst die Umsetzung der Initiative (gefordert bis 2017) könnte eine solche Verletzung des FZA bedeuten. Sollte der Bundesrat bis 393 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 36 / Birrer, Raphaela: «Die EU würde wohl zu Repressalien greifen», 11.02.2015. 394 Vgl. Cottier, T.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264. 395 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 22. 396 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 63. 397 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 318. 398 Vgl. ebd., S. 321. 399 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 27. 400 Vgl. ebd., S. 24. 61 2017 keine Lösung gefunden haben, müsste er gemäß der Initiative das Gesetz auf dem Verordnungsweg einführen. Das Völkerrecht geht den bundesrätlichen Verordnungen jedoch vor und die Schweiz müsste sich, wenn das FZA bis dahin nicht gekündigt wurde, daran halten. 401 Ein Erlass auf dem Verordnungsweg gilt jedoch nur vorübergehend, denn es besteht weiterhin die Pflicht, die Verordnung durch die notwendige Gesetzesänderung abzulösen. 402 Da die Umsetzung weiterhin zeitlichem, verfahrenstechnischem sowie politischem Druck unterliegt, ist eine Kündigung des FZA somit nicht ausgeschlossen. C. Die Bedeutung des bilateralen Wegs für die Schweiz Weltweit gehört die Schweiz zu den Staaten mit den höchsten Anteilen des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt.403 Die EU ist dabei mit Abstand der wichtigste Wirtschaftspartner für die Schweiz.404 2013 gingen rund 55% aller Warenausfuhren in die EU und rund 73% aller Einfuhren hatten ihren Ursprung dort. Die Frage nach der Bedeutung der BIL I für die Schweiz sowie die Frage nach möglichen Alternativen zum bilateralen Weg ist seit der Annahme der MEI noch intensiver in den Focus gerückt, als dies ohnehin schon der Fall war. 405 Politik und Wirtschaftsverbände sprechen sich mehrheitlich klar für den bilateralen Weg aus und bescheinigen den BIL I große wirtschaftliche Bedeutung. Auffallend ist jedoch, dass es der Politik und Wirtschaft schwer fällt, eine breite Masse des Volkes davon zu überzeugen. Auf der einen Seite liegt dies daran, dass die meisten vorliegenden Studien zu der Bedeutung der BIL I hochkomplex sind, mehrheitlich zwar die BIL I insgesamt als positiv bewerten, es den Verfassern der Studien jedoch schwer fällt, harte Zahlen sowie genaue Prognosen zu liefern. Auch wenn sich dies wohl insb. durch die MEI derzeit ändert, liegen viele Studien, die sich mit den BIL I beschäftigen, zeitlich zurück (Referenzjahr häufig 2008) und fokussieren sich zudem meist auf die Personenfreizügigkeit. 406 So wurde bspw. berechnet, dass ohne das FZA das BIP im Jahr 2008 zwischen 5,5 und 17 Milliarden Franken tiefer ausgefallen wäre.407 Allgemein gilt das FZA als das wichtigste Abkommen der BIL I und verfügt über die meisten 401 Vgl. Birrer, R.: «Die EU würde wohl zu Repressalien greifen», 11.02.2015. 402 Vgl. Bundesamt für Justiz: Angenommene Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»: Auslegung der Artikel 121a und 197 Ziffer 9 (heute: 197 Ziffer 11) der Bundesverfassung, 08.04.2015, S. 25. 403 Vgl. Bundesamt für Statistik, Handelsbilanz, URL: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/key/handelsbilanz.html (letzter Zugriff 23.08.2015). 404 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 51. 405 Vgl. Schöchli, H.: Fahnden nach dem Wert der Bilateralen, 03.02.2015, S. 23. 406 Vgl. von Matt, Othmar, Bilaterale sind 5 bis 17 Milliarden Franken wert, In Schweiz am Sonntag, 16.11.2014, Nr. 46, S. 4 / Schürer, Stefan, Die Folgen der Guillotine, 31.12.2013. 407 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 54. 62 wissenschaftlichen Daten408 Das FZA ist als der zentrale Pfeiler der bilateralen Verträge mit der EU zu bezeichnen.409 Es öffnet den Schweizerischen Arbeitsmarkt gegenüber den Bürgern der EU/EFTA Staaten und hat der Schweiz in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum ermöglicht. Mehr als 60% der Zuwanderer aus den EU/EFTA Staaten begeben sich in die Schweiz, um zu arbeiten.410 Das Qualifikationsniveau der zugewanderten Erwerbstätigen ist hoch und liegt deutlich über dem der in der Schweiz ansässigen Erwerbsbevölkerung.411 Die bei der Einführung der Personenfreizügigkeit im Volk geäußerten Sorgen sind nicht eingetroffen. Der Reallohn hat ein deutlich stärkeres Wachstum gegenüber den 90er Jahren und die allgemeine Lohnentwicklung seit dem Inkrafttreten des FZA ist ausgewogen. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit Inkrafttreten des FZA nicht wesentlich verändert und liegt mit dem Durchschnittswert von 3% in den letzten 12 Jahren sogar etwas tiefer als vor den BIL I.412 Der stetige Zufluss von qualifizierten jungen Ausländern, die zudem meist etwas günstiger als inländische Arbeitskräfte sind, führt innerhalb der Gruppe der 50+ Jährigen jedoch häufiger zu Problemen. Diese finden schwerer eine neue Arbeit. 413 Insgesamt sprechen sich die Studien zum FZA jedoch mehrheitlich positiv aus und bekräftigen, dass es sich bei der Personenfreizügigkeit um das wichtigste Abkommen der BIL Verträge handelt. 414 Eine Kündigung des FZA würde dazu führen, dass ein Kontingente-System eingeführt werden müsste. Die Erfahrungen mit dem alten Kontingente-System vor der Einführung des FZA waren jedoch wirtschaftlich gesehen negativ.415 Dies lag vor allem an den hohen Kosten sowie dem komplexen administrativen Apparat, welcher nicht im Verhältnis zu der relativ geringen Anzahl an Bewilligungen stand. Derzeit prüfen die schweizerischen Behörden ca. 13.000 Gesuche von Personen außerhalb der EU/EFTA-Staaten, die einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nachgehen möchten.416 Gemäß den Vorgaben des Art. 121a BV müssten pro Jahr bei gleichbleibendem Niveau 408 Vgl. Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015, S. 9 / auch SECO jahrliche Observatoriumsbereichte, URL http://www.seco.admin.ch/dokumentation/publikation/00008/00022/05114/index.html?lang=de (letzter Zugriff 23.08.2015). 409 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 232. 410 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, In Dossier Politik, 27.04.2015, Nr. 5, S. 4. 411 Vgl. SECO: Observatoriumsbericht Nr. 11, 23.06.2015, S. 113. 412 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 4. 413 Vgl. Strahm, Rudolf: Ohne Inländervorrang geht es nicht, 12.01.2015. 414 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 232f / Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 136f / EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 28f. 415 Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 8. 416 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a 63 zusätzlich 200.000 Gesuche von EU/EFTA Angehörigen (einschließlich Grenzgängern und Kurzaufenthalten) sowie rund 75.000 Gesuche von Ausländern außerhalb der EU/EFTA-Staaten geprüft werden. Des Weiteren würden die umlagefinanzierten Sozialversicherungen finanziell stärker belastet werden, da die durch die Zuwanderung bedingte Verlangsamung der Alterung der Bevölkerung gestoppt wird.417 Zudem ist es fraglich, inwieweit und wie schnell Unternehmen Positionen mit ausländischen Fachkräften besetzen können. Zeitliche Verzögerungen sowie zusätzliche Kosten bspw. durch eine mögliche Nachweispflicht, keinen geeigneten inländischen Bewerber gefunden zu haben, wirken sich zudem negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz aus.418 Das FZA ist neben den Abkommen zum öffentlichen Beschaffungswesen, zum Landverkehr, zum Luftverkehr, zur Forschung, zu den technischen Handelshemmnissen sowie zur Landwirtschaft jedoch nur ein Bestandteil der BIL I, welche durch die Guillotine-Klausel alle miteinander verbunden sind. Die Annahme der MEI hat somit nicht nur zu der Frage geführt, in welchem Maße es Unternehmen weiterhin möglich sein wird, auf ausländische Arbeitskräfte zurückzugreifen, sondern auch Unsicherheit in Hinblick auf den zukünftigen Marktzugang zu den europäischen Nachbarstaaten geschaffen.419 Diese Unsicherheit wird verständlich, wenn man einige der Konsequenzen für die Schweiz aufführt, welche sich im Falle einer Kündigung der BIL I ergeben könnten. Technische Handelshemmnisse: Neben dem FZA gilt das Abkommen zu den technischen Handelshemmnissen als einer der wichtigsten Verträge. 420 Das Abkommen regelt bspw., dass Inspektionen von Produktionsverfahren gegenseitig anerkannt werden. Dadurch können etwa ¼ der in die EU exportierten Industrieprodukte ohne eine zusätzliche Zulassungsprüfung auf den EU Markt gebracht werden.421 Die direkten Kosteneinsparungen liegen pro Jahr bei mehreren Hundert Millionen-Franken. Zusätzlich erhöht das Abkommen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt gehandelt wird und steigert das Handelsvolumen bei einer bereits existierenden Handelsbeziehung.422 Ohne das Abkommen, müssten Schweizer Unternehmen nicht nur mit zusätzlichen Kosten für die anfallenden Zulassungsprüfungen rechnen, auch käme es bei der Abnahme von Produkten zu Verzögerungen bspw. durch Wartezeiten auf EU-Inspektoren etwa bei Pharma- und BV, Februar 2015, S. 39. Vgl. SECO: Observatoriumsbericht Nr. 11, 23.06.2015, S. 8. Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264. Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 6. Vgl. Schürer, Stefan, Die Folgen der Guillotine, 31.12.2013. Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 29. 422 Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 136. 417 418 419 420 421 64 Chemieunternehmen.423 Für ein exportorientiertes Land wie die Schweiz führt dies folglich auch zu Wettbewerbsnachteilen. Öffentliches Beschaffungswesen: Durch dieses Abkommen erhalten schweizerische Unternehmen – über die Bestimmungen des WTO-Rechts hinausgehend – den gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen im EU Raum.424 Die jährlich von der EU ausgeschriebenen Aufträge belaufen sich auf mehrere hundert Milliarden. 425 Schweizerische Unternehmen konnten so jährlich Aufträge von bis zu über einer Milliarde für sich gewinnen. 426 Zudem ermöglicht das Abkommen eine unbürokratische Zusammenarbeit und Lösung von Marktzugangsproblemen zwischen der Europäischen Kommission und der Schweiz. Landverkehrsabkommen: Dieses Abkommen öffnet den Schienen- und Straßenverkehrsmarkt für den Transport von Personen und Gütern zwischen der EU und der Schweiz. 427 Das Abkommen führt zu einer erhöhten Effizienz beim Gütertransport sowie bei der Güterbeladung. Zudem bildet es den vertraglichen Rahmen für die leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe. Auf deren Grundlage zahlen EU-Transporteure der Schweiz jährlich über 400 Millionen Franken. 428 Diese Gelder fließen vor allem in die Instandhaltung sowie den Ausbau der Verkehrsnetze. Die neu geschaffenen Verkehrsachsen kommen dabei jedoch nicht nur dem internationalen Güterverkehr zugute. 429 Fiele das Abkommen weg, müssten erst neue bilaterale Verträge mit den einzelen MS der EU geschlossen werden, um den Spediteuren den Gütertransport erneut zu ermöglichen. Landwirtschaftsabkommen: Das Landwirtschaftsabkommen führte vor allem zum Abbau von Zöllen aber auch anderen Handelshemmnissen bspw. bei Zulassungsbestimmungen, bei Produktvorschriften sowie sanitären und phytosanitären Regelungen. 430 Seit Inkrafttreten des Abkommens haben sich die landwirtschaftlichen Exporte in die EU mehr als verdoppelt. Die EU gilt im landwirtschaftlichen Bereich als der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Ein Wegfall des Abkommens würde u.a. dazu führen, dass schweizerische Landwirte ihre Produkte wesentlich 423 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 5. 424 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 29f. 425 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 6. 426 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 30. 427 Vgl. ebd. 428 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 7. 429 Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 11f. 430 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 30. 65 schwieriger auf dem europäischen Binnenmarkt vertreiben könnten.431 Luftverkehrsabkommen: Durch das Luftverkehrsabkommen (LVA) werden den schweizerischen Fluggesellschaften Zugangsrechte zu den europäischen Luftverkehrsmärkten unter nahezu den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie für die europäischen Konkurrenten gewährt. 432 Das LVA führt zu einer verbesserten Verkehrsanbindung, von der nicht nur Personen profitieren, sondern von der auch die exportorientierte Wirtschaft abhängig ist. 433 Durch den einheitlichen Zugang zum Luftmarkt ist zudem die administrative Entlastung erheblich. Im Falle einer Kündigung würden die alten bilateralen LVA soweit möglich und vorhanden (mit Frankreich existiert z.B. kein solches Abkommen) wieder in Kraft treten.434 Diese sind jedoch mehrheitlich sehr restriktiv formuliert und entsprechen aufgrund ihres Alters häufig nicht mehr den heutigen Marktbedürfnissen. In der Folge müssten Flugrouten neu ausgehandelt werden. Nicht sicher ist dabei, ob die Schweiz ihre derzeitige Angebotsvielfalt und allgemein ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten kann. 435 Zudem würde bei einem Wegfall des LVA auch dessen gesamter Anhang, d.h. das seit 2002 entwickelte Luftrecht der EU wegfallen. Weil die Schweiz jedoch kein eigenes Luftrecht mehr entwickelt hat, würden somit wesentliche Teile ihres Luftrechts wegfallen und erneuert werden müssen. Da mit dem LVA zudem weitere europarechtliche Abkommen verbunden sind bspw. das One-Stop-Security-Abkommen sowie das Schengen-Abkommen, müssten Flughäfen für erneute Personenkontrollen teilweise erheblichen Kosten für notwendige Umbauarbeiten aufbringen. 436 Forschungsabkommen: Die Forschungsrahmenprogramme (FRP) bilden die Hauptinstrumente der EU zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Innovations- und Wissenschaftspolitik. 437 Das FRP der EU gilt hinsichtlich Finanzvolumen sowie thematischer Abdeckung als das größte und attraktivste Forschungsförderungsabkommen weltweit.438 Das Forschungsabkommen ermöglicht der Schweiz die gleichberechtigte Teilnahme an den verschiedenen Forschungsprogrammen der EU. Das derzeit 431 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (Hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 6. 432 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 31. 433 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen: Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 7. 434 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 31. 435 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 326 / EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 31. 436 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen: Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 8f. 437 Vgl. Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, Forschungsrahmenprogramme der Europäischen Union, URL http://www.sbfi.admin.ch/themen/01370/01683/index.html?lang=de (letzter Zugriff 23.08.2015). 438 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 55. 66 neuste Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation, Horizon-2020 startete im Januar 2014 und umfasst ein Budget von ca. 80 Milliarden Euro. Für den Forschungsstandort Schweiz bedeutet die Beteiligung an den FRP nachweislich einen großen technologischen, wissenschaftli chen und wirtschaftlichen Nutzen.439 Ungefähr jedes vierte Projekt von Schweizer Forschenden wird vom EU-Forschungsrat angenommen und verschafft der Schweiz damit einen Spitzenwert. 440 Zudem ist der finanzielle Rückfluss durch die FRP ein direkter volkswirtschaftlicher Nutzen. Ein Wegfall des Forschungsabkommens würde dazu führen, dass die Schweiz sich auf viele Forschungsprogramme nicht mehr bewerben könnte und damit von diesen ausgeschlossen bliebe. 441 Viele ehrgeizige Wissenschaftler müssten für ihre Projekte bzw. für die Teilnahme an europäischen Prestige-Projekten ins europäische Ausland ziehen. Für den Wissenschaftlich innovativen Standort Schweiz hätte dies erhebliche negative Folgen. Eine Kündigung der eben aufgeführten Verträge der BIL I würde zudem auch andere mit der EU geschlossene Verträge betreffen.442 Es ist schwierig im Vorfeld zu sagen, welche Verträge die EU schließlich mit den Verträgen der BIL I als verbunden erachtet. Als sehr wahrscheinlich gelten jedoch z.B. die Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen. Auch der Wegfall dieser Abkommen hätte weitreichende Folgen, so könnte die Schweiz im Rahmen des Schengen-Abkommens nicht mehr auf das Schengener Informationssystem zurückgreifen. Darüber werden europaweit bspw. Verbrecher oder gestohlene Fahrzeuge gesucht. Zudem würden erneute Grenzkontrollen eingeführt werden, wodurch es an den Grenzen nicht nur wieder zu langen Verzögerungen kommen würde, sondern auch erhebliche Kosten443 auf die Schweiz zukämen. Auch ist das Schengen-Visum für die Tourismusbranche wichtig; so benötigen bspw. asiatische Reisende kein extra Visum für die Schweiz.444 Durch eine Kündigung des Dubliner Assoziierungsabkommens müsste die Schweiz mit einer erheblichen Zunahme von Asylgesuchen und den damit verbundenen Kosten rechnen.445 Denn das Abkommen regelt, dass ein Asylgesuch nur von dem Staat überprüft werden muss, in welchem der Asylbewerber bereits Familienangehörige hat bzw. wo er als erstes 439 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 326. 440 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen: Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 12. 441 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 31. 442 Vgl. ebd., S. 27. 443 Vgl Wiederaufbau um Umbau von Flughäfen, Grenzposten, Kontrollbereichen, zusätzliche Personalkosten etc.: EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 40f. 444 Vgl. Höltschi, René/Nuspliger, Niklaus: Das bilaterale Gebäude wankt, In NZZ, 01.03.2014, Nr. 50, S. 13. 445 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 40. 67 registriert wurde. Ohne das Dubliner Abkommen könnten Asylbewerber, welche von der EU abgelehnt wurden, einen zusätzlichen Antrag in der Schweiz stellen. Auch wenn sich eine genaue Darstellung der Folgen einer Kündigung der BIL I sowie deren exakter Einfluss auf die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft schwer bestimmen lässt, zeigt diese bei Weitem nicht abschließende Übersicht doch bereits eine nicht geringe Anzahl negativer Konsequenzen im Falle einer Kündigung. Fakt ist, dass die Schweizerische Wirtschaft sich im internationalen Vergleich seit der Einführung der BIL I außerordentlich gut entwickelt hat. 446 Während die Schweiz im OECD-Vergleich in den zwanzig Jahren vor den BIL I ein unterdurchschnittliches Wachstum verzeichnete, war ihr Wachstum nach Inkrafttreten der BIL I und auch insb. während der Krisenjahre seit 2007 überdurchschnittlich hoch. 447 Der bilaterale Weg und der damit verbundene rechtlich abgesicherte Zugang zum Europäischen Binnenmarkt mit seinen mehr als 500 Millionen Konsumenten geht auch im Bereich der Zusammenarbeit auf der technischen Ebene weit über die Möglichkeiten der Lösungsfindung im Rahmen der WTO hinaus. 448 Inwieweit diese erstaunliche wirtschaftliche Entwicklung auch ohne die BIL I abgelaufen wäre, lässt sich empirisch schwer nachweisen. Tatsache ist jedoch, dass der eingeschlagene bilaterale Weg für die Schweiz der damals bestmögliche Weg war, um einer wirtschaftlichen Isolierung nach dem EWR-Nein zu entgehen.449 Für den Kleinstaat Schweiz mit seiner offenen Volkswirtschaft ist der (gleichberechtigte) Zugang zu ausländischen Märkten, insb. zu den Märkten an den Staatsgrenzen, lebenswichtig.450 Auch wenn der bilaterale Weg bspw. hinsichtlich des geforderten institutionellen Rahmenabkommens der EU sowie des stetig wachsenden Drucks auf die Schweiz mit der Rechtsentwicklung der EU Schritt zu halten, eine zunehmende Herausforderung darstellt, 451 galt der bilaterale Weg damals und bis vor kurzem als der politisch konsensfähigste Weg für die Schweiz, um sich unter Wahrung der Volksinteressen am Europäischen Binnenmarkt zu beteiligen.452 Sollte es zu einer Kündigung der BIL I und den dazugehörigen Verträgen kommen, ist es fraglich, welche Alternativen der Schweiz zur Verfügung stehen. Denn im Falle einer Kündigung der BIL I 446 Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 27. 447 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 53. 448 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 29. 449 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 471. 450 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 28. 451 Vgl. Müller, Vreni: Der EU-BEITRITT ist ein Souveränitätsgewinn, In: Die Stellung der Schweiz in Europa, Forum Helveticum (Hrsg.), 2007, S. 102. 452 Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 7 / Burkhalter, D: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, 10.10.2013. 68 blieben der Schweiz einzig das Freihandelsabkommen von 1972 sowie die Bilateralen II mit einem erheblich eingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt.453 Die europapolitischen Handlungsoptionen der Schweiz, insb. ein EWR-Beitritt, ein EU-Beitritt, eine Zollunion, der bilaterale Weg sowie der Alleingang, wurden innerhalb von Politik und Wissenschaft häufig diskutiert. 454 Als wenig realistisch und wirtschaftlich sowie politisch ungeeignet werden Zollunion sowie Alleingang von Wissenschaft und Bundesrat häufig verworfen und sollen demgemäß auch hier keine Beachtung finden. Damit blieben im Falle eines Scheiterns des bilateralen Wegs die theoretischen Optionen eines EWRBeitritts sowie eines Beitritts zur EU. Hinsichtlich des EWR-Beitrittes lässt sich sagen, dass die EU diesem Weg der Schweiz vor allem aus Gründen der Homogenität positiv gegenüber stehen würde.455 Denn ein Eintritt der Schweiz in den EWR würde die Übernahme des acquis communautaire zur Folge haben und damit der Schweiz einen geregelten Zugang zum europäischen Binnenmarkt ermöglichen. Für die Schweiz würde der EWR jedoch bedeuten, dass diese über so gut wie keine Mitbestimmung mehr verfügt. Das fundamentale Problem der Entscheidungsmechanismen würde für die Schweiz fortbestehen. Diese würde beim EWR-Beitritt im Gegensatz zum bilateralen Weg ihre Verhandlungsposition aufgeben müssen und außerdem den damit einhergehenden Souveränitätsverlust vor dem Volk rechtfertigen. Einwerfen könnte man hier jedoch, dass die Schweiz hinsichtlich ihrer Verhandlungsmöglichkeiten auch auf dem derzeitigen bilateralen Weg vor zunehmenden Herausforderungen steht. Musste die Schweiz nach dem EWR-Nein noch mit 12 MS der EU verhandeln, sind es heute 28. 456 Auch dass der bilaterale Weg, insb. hinsichtlich der stetig zunehmenden Europäisierung des Schweizer Rechts, ohne Einflussnahme der Schweiz mit einem Souveränitätsverlust einhergeht, scheint dabei weniger kritisch aufgenommen zu werden. Insgesamt gilt der EWR aufgrund seiner fehlenden Mitgestaltungsmöglichkeiten jedoch in der Schweiz als der schlechteste Integrationsfall und es ist nicht verwunderlich, dass viele Mitglieder des EWR diesen nur als Zwischenschritt für einen zukünftigen EU-Beitritt gesehen haben.457 Eine weitere europapolitische Option für die Schweiz wäre demgemäß auch ein Beitritt zur EU. Die von der EU geforderten Beitrittskriterien, insb. eine funktionierende Marktwirtschaft, institutionelle Stabilität sowie die Fähigkeit zur Erfüllung des acquis communautaire, könnte die 453 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 299. 454 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 38 / Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 119f. / insb. auch Europabericht 2006 vom 18. Juni 2006, BBI 2006 6815ff. 455 Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 121. 456 Vgl. Ferrari, Luciano: Es braucht eine neue Europadebatte, In Tages-Anzeiger, 06.12.2012, S. 1. 457 Vgl. Beglinger, M.: Le Lundi Noir, 2015, S. 98ff. 69 Schweiz sicherlich erfüllen.458 Im Rahmen eines Beitritts müsste die Schweiz jedoch Anpassungen in der Geldpolitik sowie im Steuersystem vornehmen und zudem als MS einen nicht geringen Nettobeitrag an die EU zahlen. Insbesondere jedoch die anfallenden Veränderungen innerhalb der politischen Institutionen stellen die Schweiz vor Herausforderungen. Grundsätzlich gilt es abzuwägen, ob die Einschnitte innerhalb dieser bzw. die neuen Möglichkeiten eines EU Beitritts bspw. zu einem Souveränitätsgewinn oder Verlust führen. So wie beim Beitritt zum EWR würde auch ein EU-Beitritt die Übernahme des acquis communautaire bedeuten, mit dem Unterschied, dass die Schweiz bei den Entscheidungsprozessen mitbestimmen könnte.459 Wie erfolgreich die Schweiz ihre Interessen in der EU geltend machen kann, hängt von vielen Faktoren ab; grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass gemessen am Verhältnis von Bevölkerung und Stimmgewicht, Kleinstaaten in allen EU-Institutionen überproportional vertreten sind.460 Ein Beitritt zur EU müsste jedoch sowohl das Volks- als auch das Ständemehr erreichen. Hinsichtlich der gegenwärtig vorherrschenden europaskeptischen Grundhaltung innerhalb der Schweizer Bevölkerung ist dies derzeitig mehr als unwahrscheinlich. Die Annahme der MEI stellt die schweizerische Europapolitik deshalb und auch mangels Alternativen des derzeit favorisierten bilateralen Wegs vor große Herausforderungen. Für nicht wenige Schweizer gilt daher der bei einer Kündigung anfallende „Rückschritt“ in die Zeit vor den bilateralen aus wirtschaftlicher sowie politischer Sicht als desaströs.461 D. Hintergründe zum Abstimmungsverhalten bei der MEI Die dargelegte wirtschaftliche Situation der Schweiz zeigt, dass sie sich seit Einführung der bilateralen Verträge in einem sehr guten Zustand befindet. Wenn auch bei Weitem nicht einziger Grund für das derzeitig so positive wirtschaftliche Gesamtbild der Schweiz spielen die BIL I und das Verhältnis zur EU dennoch eine wesentliche Rolle. 462 Die eben skizzierten Folgen eines Wegfalls der BIL I sowie anderer Verträge mit der EU führen zur Frage, wie es den Initianten der MEI gelungen ist, die notwendige Mehrheit im Volk zu mobilisieren. Insbesondere weil sich im Vorfeld der Abstimmung die Mehrheit der Schweizer Parteien, der Presse sowie der Wirtschaftsverbände 458 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 303. 459 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 300. 460 Vgl. Bronska, J.: Die Schweiz in Europa: Mittendrin, doch außen vor?, 2009, S. 302. 461Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 44. 462 Sicher ist, dass die Bil I seit ihrem Bestand zum Wachstum beigetragen haben. Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 137. 70 gegen die MEI gestellt und den schwerwiegenden Konflikt zwischen der MEI und dem FZA prognostiziert hat.463 Die MEI wurde am 09.02.2014 mit einer knappen Mehrheit im Volk von 50,3 % sowie einem deutlichen Ständemehr von 14,5 gegen 8,5 Kantone angenommen. 464 Die Stimmbeteiligung lag aufgrund des Themas der MEI sowie dem intensiv geführten Abstimmungskampf bei 56,6% und damit ca. 10% über der durchschnittlichen Stimmbeteiligung. 465 Damit gehört die Initiative zur Masseneinwanderung zu den größten (anhand der prozentualen Teilnahme) Volksabstimmungen in der Schweizer Geschichte. Zudem gilt das Ergebnis der MEI als Novum, da sich das schweizerische Volk zum ersten Mal bei einer Vorlage zur Änderung der Zuwanderung gegen die Empfehlungen von Bundesrat und Parlament stellte. 466 Mittlerweile liegen mehrere Analysen zur Abstimmung der MEI vor, welche versuchen u.a. oben genannte Frage zu beantworten. Grundsätzlich steht fest, dass die Abstimmung zur MEI von starken Links-Rechts-Gegensätzen geprägt war.467 Die Initiative wurde insb. von solchen Personen unterstützt, welche Traditionen verteidigen, Schweizer gegenüber Ausländern bevorzugt behandelt sehen wollen, für eine geschlossene Schweiz eintreten und zudem Ordnung und Ruhe als besonders wichtig empfinden. Die Entscheidung der Initiativbefürworter ist somit von ihrer ausgeprägten Abneigung gegenüber der Zuwanderung beeinflusst. Insgesamt gelang es dem Lager der SVP auch deutlich besser zusätzliche Wähler zu mobilisieren, als den Gegnern der Initiative. Dies sowohl in eher konservativen Kantonen wie Glarus, Appenzell Innerrhoden und dem Aargau als auch innerhalb der unteren Bildungs- sowie Einkommensschichten, welche sich mehrheitlich für die Initiative aussprachen.468 Des Weiteren ließen sich Personen, die dem Bundesrat misstrauen, leichter mobilisieren als jene, die ihm vertrauen. 469 So profitierte die MEI zusätzlich davon, dass Personen, die normalerweise nicht oder selten an Abstimmungen teilnehmen, ihren Unmut gegenüber der Regierung bei der Abstimmung zur MEI äußerten. Auch stießen drei der vier Hauptargumente für eine Annahme der MEI auf breite Zustimmung: 1) die Einwanderung wieder selbstständig steuern; 2) unkontrollierte Zuwanderung führt zu Lohndruck sowie Verkehrs- und Wohnungsproblemen; 3) 463 464 465 466 467 Vgl. Spillmann, Markus: Eine Zäsur für die Schweiz, 10.02.2014, S. 1. Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 37f. Vgl. Hermann, Michael: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 44. Vgl. ebd., S. 8. Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 40ff / Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 6f. 468 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 44 / Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 46ff. 469 Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 39. 71 das Risiko, dass die eigenständige Kontrolle der Zuwanderung zur Kündigung der bilateralen Verträge führe, sei einzugehen.470 Auf Seiten der Gegner der Initiative fanden wesentlich weniger Argumente eine breite Zustimmung. Lediglich das Argument, dass die Wiedereinführung von Kontingenten zu hohen Kosten, bürokratischem Aufwand sowie Unflexibilität führe, überzeugte. Der Konflikt zwischen der MEI und dem FZA sowie die prognostizierte Kündigung der BIL I überzeugte zwar die Gegner der Initiative, konnte jedoch Befürworter nicht überzeugen. Ebenfalls wurden die Argumente, dass eine Limitierung der Zuwanderung zur Isolierung der Schweiz führe und dass das Ende der Personenfreizügigkeit eine wichtige Säule für den Erfolg der schweizerischen Wirtschaft bedeute, von den Befürwortern der Initiative abgelehnt. Dass sich das schweizerische Volk in der Vergangenheit bei Abstimmungen stets für den bilateralen Weg ausgesprochen hat, führte ebenfalls dazu, dass Verteidiger des bilateralen Wegs und dessen Errungenschaften zu spät unterstützend in die öffentliche Diskussion eingegriffen hatten. 471 Auch wurde die populistisch formulierte MEI lange Zeit nicht ernst genug genommen, unterschied sie doch bspw. nicht zwischen einer gut ausgebildeten europäischen Spezialärztin und einem Asylbewerber. Die MEI teilte letztendlich auch durch die spätere intensive Politisierung und Mediatisierung die Schweizer Gesellschaft in zwei gegensätzliche Lager, welche durch unterschiedliche Wertehaltungen und Ansichten zur nationalen Identität geprägt waren. 472 Grundsätzlich galt, dass die Anzahl der JA-Stimmen sich anhand einer bestimmten politischen Grundhaltung erklären lässt: Je skeptischer die Einstellung gegenüber Fremden, desto größer das Bedürfnis nach außenpolitischer Abgrenzung. Sowie: Je wichtiger Tradition und Identität, desto größer war die Zustimmung zur MEI in den Gemeinden. Dass die schweizerische Bevölkerung aus diversen Gründen eher wertkonservativ und Veränderungen gegenüber abgeneigt ist, kam auch der Abstimmung zur MEI zugute.473 Da insb. die SVP in der Schweiz die konservative Grundhaltung prägt, war somit zum Grad der Konservativität auch die politische Nähe zur SVP für die Abstimmung entscheidend.474 Eine interessante Erkenntnis zum Abstimmungsverhalten offenbarte die Frage, inwieweit die persönliche Betroffenheit von den in der MEI genannten negativen Auswirkungen der Zuwanderung das Abstimmungsverhalten beeinflusste. 475 Die Initianten der MEI verwiesen insb. auf Aspekte 470 471 472 473 474 475 Vgl. ebd., S. 55ff. Vgl. Landmark, Philipp; Zäsur auf dem bilateralen Weg, 09.02.2014. Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 42f Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 48f. Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 16. Vgl. ebd., S. 22. 72 des Kulturlandverlusts, des Siedlungsdrucks, des Platzmangels sowie des Dichtestresses. Einige dieser Aspekte sind durchaus nicht unbegründet. Nach einer aktuellen OECD Studie belegte die Schweiz im Jahr 2012 Platz eins im Bereich der pro-Kopf-Einwanderung aller OECD Staaten. 476 Die Nettozuwanderung im Jahr 2014 betrug ca. 73.000 Personen, 50.600 davon aus den EU27/EFTAStaaten und war damit zwar gegenüber dem Vorjahr gesunken, blieb jedoch weiterhin auf einem hohen Niveau.477 Fast jeder vierte der acht Millionen Schweizer Einwohner ist Ausländer. Verglichen mit allen anderen europäischen Ländern hat die Schweiz mit 23,8% einen der höchsten 478 Ausländeranteile.479 Im Argumentarium der MEI wurde immer wieder auf die Bedürfnisse der Einwanderer (bspw. in den Bereichen ärztliche Versorgung, benötigtes Siedlungsgebiet für neue Wohnungen, Kindergärten, Schulen etc.) und die Folgen der Einwanderung (bspw. Überlastung des Straßen- und Schienennetz, die starke Bevölkerungszunahme und die damit einhergehende Bevölkerungsdichte) verwiesen.480 Auswertungen des Abstimmungsverhaltens zur MEI kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass eine direkte Betroffenheit von oben genannten Wachstumsindikatoren keinen wirklich relevanten kausalen Einfluss auf die Befürwortung der MEI hatte.481 Entscheidend für die Zustimmung zur MEI war nicht die direkte Betroffenheit, sondern die Vorstellung und die Furcht vor den Folgen der Einwanderung und dem Bild der “zubetonierten“ Schweiz. Weitere Erkenntnisse lassen sich vereinfacht anhand dieser Grafik aufzeigen: 476 Vgl. OECD: Internationaler Migrationsbericht (gekürzte Ausgabe), 01.12.2014, URL http://www.oecd.org/berlin/publikationen/international-migration-outlook.htm (letzter Zugriff 23.08.2015). 477 Vgl. SECO: Observatoriumsbericht Nr. 11, 23.06.2015, S. 17. 478 Nur noch Luxemburrg hat mit etwa 45% einen höheren Ausländeranteil als die Schweiz. Der Europäische Durchschnittswert liegt bei 6,7% vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/73995/umfrage/auslaenderanteil-an-der-bevoelkerung-der-laenderder-eu27/ (letzter Zugriff 23.08.2015). 479 Vgl. Bundesamt für Statistik: Migration und Integration – Indikatoren URL http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/01/01.html (letzter Zugriff 23.08.2015) 480 Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 12ff. 481 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 22. 73 Politische Differenzen insb. in den Bereichen Migration und Außenpolitik sind stark mit den in der Schweiz bestehenden Sprachregionen verbunden.482 Zu erkennen ist, dass der französische Teil der Schweiz sich gegen die Annahme der MEI ausgesprochen hat, während die Deutschschweiz sowie das italienische Schweiz mehrheitlich für die MEI gestimmt haben. Der französische Teil der Schweiz gehört seit der EWR-Abstimmung von 1992 zum Landesteil der außenpolitischen Öffnung, während die Deutschschweiz als eher öffnungsskeptisch gilt. 483 Bedeutend und bei der Abstimmung zur MEI erkennbar ist jedoch der konservative Wertewandel, von welchem insb. der italienische Teil der Schweiz in den letzten Jahren erfasst wurde. Zudem ist der bei vielen Abstimmungen vorliegende Stadt-Land-Graben auch bei der MEI erkennbar. Besonders auffällig ist die niedrige Zustimmung zur MEI in den großen Kernstädten der Schweiz. Zu erklären ist dies damit, dass die Kernstädte vor allem für Menschen attraktiv sind, die Dichte und Multikulturalität suchen. 484 In den Kleinstädten und Dörfern, die weniger von der Zuwanderung betroffen sind, ist die konservative und traditionelle Grundorientierung ausschlaggebend. Mittlerweile ist jedoch auch das Umland der großen Kernstädte, in welchem lange Zeit eher das liberale Bürgertum prägend war, in den zunehmenden konservativen Einfluss der SVP geraten. 482 Vgl. ebd., S. 29f. 483 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 31f. 484 Vgl. ebd., S. 33f. 74 Mit einer Politik, die insb. auf den Widerstand gegen die EU, einer Kontrolle der Einwanderung sowie der Bewahrung von schweizerischen Werten und Traditionen beruht, ist es der SVP nicht nur gelungen zur stärksten Partei der Schweiz zu werden. 485 Sie gilt zudem auch als die größte und erfolgreichste rechtsradikale Partei in Westeuropa. Immer wieder gelingt es der SVP, die in der Schweizer Bevölkerung verankerten Ängste zu nutzen und zu verstärken, insb. durch die Konstruktion des “Feindbildes EU“.486 Dennoch ist die MEI nach den derzeitigen Erkenntnissen weniger als Europafrage487 zu interpretieren.488 Vielmehr bedingt der langjährige Trend in Richtung nationalkonservativ, dass die Personenfreizügigkeit wahrscheinlich eher Symbol als Auslöser der politischen Stimmungslage war. Zusammenfassend beruht das Abstimmungsergebnis der MEI insb. auf den Faktoren: Ideologie, Parteisympathie, konservative und fremdenskeptische Grundhaltung sowie überaus starke Mobilisierung von politisch wenig interessierten und häufig inaktiven Stimmbürgern.489 E. Aktuelle Entwicklungen zur MEI Die Annahme der MEI gilt für den Großteil ihrer Befürworter als wichtiger Sieg und weiterer Schritt zu einer unabhängigen, selbstbewussten und traditionellen Schweiz. 490 Für Schweizer, die auf eine grundsätzlich weltoffene Schweiz mit liberaler Wirtschaftsordnung sowie intensiven Verflechtungen mit der EU bedacht sind, gilt die MEI jedoch als Rückschritt. Fraglich ist, wie sich dieser Konflikt zwischen diesen zwei wohl doch so unterschiedlichen Weltanschauungen bis heute entwickelt hat. Zu welchen Reaktionen führte die Annahme der MEI im Inland sowie Ausland? Welche Ansätze und Lösungen hat die Schweiz für die von der MEI ausgelösten Konflikte gefunden? Im folgenden Teil der Arbeit werde ich anhand einiger ausgewählter Beispiele Antworten auf diese Fragen geben. Insbesondere gehe ich dabei auf die seit der Annahme der MEI stattgefundenen Entwicklungen im Verhältnis zur EU sowie auf den aktuellen Umsetzungsstand der Gesetzesvorlage zur MEI ein. 485 Vgl. inbesondere zum Aufstieg und der Politik der SVP: Stockemer, Daniel: “The Swiss Radical Right: Who are the New Voters of the Swiss Peoples` Party?” In: Representation, Volume 48, Issue 2, 2012 , S 197ff / Gemperli, Simon: Angst vor dem Volk ist ein schlechter Ratgeber, 11.03.2015. 486 Jaeger, F.: Eine freizügige Schweiz – Chimäre oder Chance?, 2005, S. 1 / Balmer, D. u.a.: Aus Europa-Freunden wurden Zuwanderungskritiker, 22.11.2014. 487 Vgl. Das der Bilaterale Weg in der Bevölkerung noch über Rückhalt verfügt, zeigte auch das klare Nein zur Eccopop Initiative. Vgl. Wilhelm, Martin: «Eine Mehrheit will keinen Bruch mit Europa» 30.11.2014. 488 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 31f. 489 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 48 / Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 42f. 490Vgl. Landmark, Philipp; Zäsur auf dem bilateralen Weg, 09.02.2014. 75 1. Reaktionen zur Annahme der MEI Die Reaktionen auf die Annahme der MEI aus dem europäischen Ausland waren mehrheitlich negativ.491 Zwar betonten viele Europäische Staaten, dass der durch die Abstimmung zur MEI geäußerte Volkswille zu respektieren sei, die derzeitig guten Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU seien jedoch gefährdet.492 Deutliche Kritik an der Entscheidung kam aus Frankreich und Luxemburg.493 Während Frankreich die Abstimmung als paradox bezeichnete und andeutete, die Beziehungen zur Schweiz zu überprüfen, äußerte sich Luxemburgs Außenminister dahingehend, dass die EU keine faulen Kompromisse am Grundprinzip der Freizügigkeit mit der Schweiz eingehen dürfe. Auch die Stimmen aus Deutschland waren durchaus kritisch, jedoch betonte Bun- deskanzlerin Merkel, dass man sich im Interesse aller Parteien für eine vernünftige Lösung einsetzen werde.494 Schließlich hatte auch Deutschland die Personenfreizügigkeit jahrelang für ostmitteleuropäische Staaten eingeschränkt. In England dagegen stieß das Ergebnis der MEI sogar auf Verständnis.495 Während die Regierung von wachsenden Sorgen betreffend der Folgen der Personenfreizügigkeit in Europa sprach, brachte die euroskeptische UK Independence Party (UKIP) zudem ihre Anerkennung und Unterstützung zum Ausdruck. Insgesamt stieß die Annahme der MEI in Europa fast ausschließlich innerhalb der rechtspopulistischen Parteien auf Unterstützung. 496 Die überwiegende Haltung der EU machte auch die Pressemitteilung der EU zur MEI deutlich: „Die Europäische Kommission bedauert, dass eine Initiative zur Einführung mengenmäßiger Beschränkungen der Einwanderung durch diese Volksabstimmung angenommen wurde. Dies verletzt das Prinzip des freien Personenverkehrs zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Die EU wird nun die Folgen dieser Initiative für die Gesamtbeziehungen zwischen der Union und der Schweiz analysieren. In diesem Zusammenhang wird auch die Position des Bundesrates zum Abstimmungsergebnis berücksichtigt werden.“497 Die ersten handfesten Reaktionen der EU auf die Annahme der MEI waren u.a. die Unterbrechung von Verhandlungen zu laufenden Verträgen wie bspw. dem geplanten Stromabkommen. 498 Ebenfalls legte die EU auch die Verhandlungen zur Beteiligung der Schweiz an Programmen wie 491 Vgl. Nuspliger, Niklaus: Die Schweiz sorgt für Emotionen, In: NZZ, 27.02.2014, Nr. 48, S. 11. 492 Vgl. o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014. 493 Vgl. o.V.: Reaktion auf Volksentscheid: Frankreich will Beziehungen zur Schweiz überdenken, 10.02.2014 / o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014. 494 Vgl. Schmid, Ulrich: Merkelsche Milde für die Schweiz, In: NZZ, 19.02.2014, Nr. 41, S. 9. 495 Vgl. o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014. 496 Vgl. Nuspliger, N.: Die Schweiz sorgt für Emotionen, 27.02.2014, S. 11. 497 Erklärung der Europäischen Kommission nach der Volksabstimmung in der Schweiz über die "Masseneinwanderungsinitiative", 09.02.2014, URL http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-96_de.htm (letzter Zugriff 23.08.2015). 498 Vgl. Höltschi, René: Weiterer Nadelstich der EU-Kommission, 11.02.2014. 76 Erasmus, Creative Europe sowie an dem milliardenschweren Projekt Horizon 2020 auf Eis, da diese mit der Personenfreizügigkeit in Verbindung stehen. 499 Auslöser hierfür war zudem der Konflikt um die Unterzeichnung der Schweiz hinsichtlich der Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien. Während die EU ihren Standpunkt, dass die Grundfreiheit der Freizügigkeit nicht zu verhandeln sei, treu geblieben ist bzw. diesen sogar bis in die Gegenwart auf einheitlicher Linie verfestigt hat, konnten zumindest für einige der oben genannten Konflikte Lösungen gefunden werden. Auf der einen Seite erstellte die Schweizer Regierung Übergangslösungen für die Programme Horizon 2020, Erasmus sowie MEDIA, um zumindest eine indirekte Teilnahme an den Projekten zu ermöglichen.500 Des Weiteren hat die Schweiz, welche sich aufgrund des Abstimmungsergebnisses zur MEI nicht in der Lage sah, die FZA Erweiterung auf Kroatien zu unterzeichnen, dennoch diesbezüglich Maßnahmen501 getroffen, um eine Deblockierung von Verhandlungen mit der EU zu erreichen.502 Mit diesem Vorgehen konnte die Schweiz die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit der EU erreichen. So haben die EU und die Schweiz im Dez. 2014 ein neues Abkommen unterzeichnet, welches der Schweiz die Teilnahme an einigen Bereichen von Horizon 2020 ermöglicht.503 Zudem schlossen die Europäische Kommission und die Schweiz vor kurzem ein wegweisendes Steuerabkommen gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ab.504 Weniger erfolgreich verliefen die fortgeführten Verhandlungen zum Stromabkommen, welches trotz guter Lobby und Interesse auf beiden Seiten nicht abgeschlossen wurde.505 Die Zukunft des Stromabkommens wurde von den Verhandlungen über das derzeitig 499 Vgl. Höltschi, René: Die <<Mini-Guillotine>> droht, 11-02.2014 / Durch den EU-Stop der Assoziierung an den Programmen Horizon 2020, Erasmus+ sowie MEDIA gilt/galt die Schweiz in diesen Bereichen als Drittsaat. Vgl. Medienmitteiling SBFI vom 07.03.2014, URL http://www.sbfi.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html? lang=de&msg-id=52251 (letzter Zugriff 23.08.2015). 500 Zu den Umgesetzen sowie vorgeschlagenen Übergangslösungen: Vgl. Medienmitteiling SBFI vom 07.03.2014, URL http://www.sbfi.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html?lang=de&msg-id=52251 (letzter Zugriff 23.08.2015) sowie Übergangslösung für Erasmus+ im Jahr 2014, 16.04.2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=52695 (letzter Zugriff 23.08.2015). 501 Die Maßnahmen beinhalten: Kontingentierte Zulassung für Kroaten zum Schweizer Arbeitsmarkt, die Anerkennung best. Diplome sowie die Bereitsstellung finanzieller Mittel. Vgl. Direktion für europäische Angelegenheiten: Personenfreizügigkeit Schweiz-EU, August 2015, S. 39. 502 Vgl. EDA: Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 6. 503 Die vollständige Assoziirung bzw. die zukünftige Teilnahme als Drittsaat am gesamten Projekt wird jedoch weiterhin von der Umsetzung der Mei abhängig gemacht. Vgl. Pressemitteilung Kommission, Schweiz kann an Teilen des EU-Forschungsprogramms Horizont 2020 teilnehmen, 05.12.2014, URL http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/12929_de.htm (letzter Zugriff 23.08.2015). 504 Durch dieses Abkommen werden die EU und die Schweiz ab 2018 automatisch Kontodaten austauschen. Das Abkommen entspricht dem weltweiten Standard für den automat. Inforamtionsaustausch der OECD/G20 und steht zudem im Einklang mit den verstärkten Transparenzanforderungen der MS. Vgl. Pressemitteilung Kommission, Kommission schließt wegweisendes Steuerabkommen mit der Schweiz ab, 19.03.2015, URL Kommission schließt wegweisendes Steuerabkommen mit der Schweiz ab (letzter Zugriff 23.08.2015). 505 Vgl. Gemperli, S.: Keine Katastrophe, sondern ein Weckruf, 28.04.2015 / Fellmann, F.: EU stoppt StromKompromis, 26.04.2015, S 13. 77 laufende institutionelle Rahmenabkommen sowie mit dem Ausgang der Umsetzung der MEI verknüpft. Inländische Reaktion auf die MEI fielen zunächst unterschiedlich aus. Während sich die Befürwor ter der Initiative gegenseitig zum großen Erfolg gratulierten und bereits von einem Wendepunkt und einer harten Umsetzung der MEI sprachen, wussten viele der Regierungsvertreter, dass die Schweiz vor einer großen Herausforderung mit großem Risiko steht. 506 Noch am Tag der Abstimmung kam es in vielen großen Städten der Schweiz zu kleineren Demonstrationen, in welchen gegen die “Abschottung und für eine offene Schweiz“ protestiert wurde. 507 Recht schnell meldeten sich auch die Vertreter der Wirtschaft zu Wort, die erneut mehrheitlich ihre Bedenken für die wirtschaftliche Situation der Schweiz zum Ausdruck brachten. Neben den Vertretern der Wirtschaft positionierten sich – insb. nach der Sistierung von Horizon 2020 sowie Erasmus – Vertreter von Wissenschaft und Forschung öffentlich kritisch gegenüber den Folgen der MEI und forderten die Regierung auf, den bedeutenden Forschungsplatz Schweiz zu erhalten. 508 Vor und kurz nach der Abstimmung zur MEI wurde in der Schweiz häufig die Meinung vertreten, dass aufgrund der dreijährigen Frist zur Umsetzung keine sofortigen Konsequenzen der EU zu erwarten wären.509 Dementsprechend trafen die harten und schnellen Reaktionen der EU viele Schweizer unerwartet und wurden nicht selten als Erpressung einer Großmacht gegenüber einem demokratisch getroffenen Entscheid dargestellt bzw. verstanden. 510 Beschleunigt durch die ausführliche, mediale Berichterstattung über die Tragweite der MEI kam es zu einer intensiven politischen und die Gesellschaftsschichten übergreifenden Diskussion über die Zukunft der Schweiz. Galt eine Umsetzung der MEI im Vorfeld der Abstimmung noch als unvereinbar mit dem FZA, begann nach der Abstimmung eine intensive Relativierungsbewegung innerhalb von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, welche Umsetzungskonzepte und Wortlautinterpretationen lieferten, um die MEI mit dem FZA in Einklang zu bringen.511 Mittlerweile liegen eine Vielzahl solcher Konzepte und Interpretationen vor, welche eine einvernehmliche Umsetzung der MEI mit der EU ermöglichen sollen. Einige dieser Elemente finden sich auch im derzeitigen Umsetzungsentwurf der Regierung wieder, auf welches ich im folgenden Kapitel eingehen werde. Ebenfalls bewirkte die Annahme der MEI einen erneuten Vorstoß zu Reformen innerhalb der Volksrechte. Wie erwähnt, äußerten sich auch 506 507 508 509 510 511 Vgl. o:V.: Reaktionen: "Schlüsselmoment in der Schweizer Politik", 09.02.2014. Vgl. Gasser, Benno: Demonstranten gegen die SVP Initiative, In. Tages-Anzeiger, 10.02.2014, S.6 . Vgl. o.V.: SPV-Initiative schadet Forschungsplatz, 19.02.2014. Vgl. Höltschi, R./Nuspliger, N.: Das bilaterale Gebäude wankt, 01.03.2014, S. 13. Vgl. Thalmann, Jörg: Europas Emotionen und die Fakten, In Integration am Ende?, 2015, S. 14. Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 9f. 78 in der Vergangenheit Stimmen, welche gewisse Regelungen der derzeitigen Volksrechte kritisierten.512 Insbesondere die Übersteigerung des Volkswillens, die stetig zunehmende Initiativflut mit weitreichenden Folgen sowie die Zweckentfremdung der direktdemokratischen Rechte im Interesse parteipolitischer Profilierung werden vermehrt angeführt. 513 Geäußerte Reformvorschläge erhalten jedoch schnell konservativen Gegenwind, welcher sogar zur beruflichen Diskreditierung führen kann. Volksrechte gelten für viele Schweizer als unantastbar und so ist es nicht verwunderlich, dass sich dazu geäußerte Reformansätze schnell wieder verlieren, da maßgebenden Akteure abspringen. Es ist daher Tatsache, das Reformvorschläge fast ausschließlich von Personen und Institutionen stammen, die keine politische Verantwortung (mehr) tagen. Als nach der MEI die von der Bundeskanzlei ins Leben gerufene Denkgruppe Democrazia Vivainta, welche sich wohl insb. mit höheren Hürden für Volksintiativen beschäftige, bekannt wurde, ereilte sie von allen Seiten teils heftige Kritik. 514 Auch wenn sich die Gruppe dazu geäußert hatte, dass es keineswegs ihr Ziel sei, Volksrechte zu schwächen bzw. abzubauen, ist es mittlerweile im Bereich der Reformen von Volksrechten wieder still geworden.515 Die niedrigen Hürden für Initiativen kommen zur Zeit jedoch der Initiative Raus aus der Sackgasse (RASA) entgegen. Der Wortlaut dieser Initiative lautet wie folgt: „Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 121a und 197 Ziff. 11 Aufgehoben [1] SR 101“. 516 Damit stellt sich die RASA deutlich gegen das Ergebnis des 9. Feb. 2014 und hat bis zum 02.06.2016 Zeit 100.000 Stimmen zu sammeln (aktueller Stand der gesammelten Stimmen ca. 80.000).517 Schließlich führte die Annahme der MEI auch zu einer vertieften Auseinandersetzung über das Verhältnis und die Bedeutung der EU. In keinem anderen Land Europas steht der Gedanke der europäischen Integration so sehr für die existenzielle Gefährdung oder zumindest den identitätszerstörenden Systemkollaps.518 Wenn man jedoch die verfassungsmäßige Vielfalt der in der EU vertretenden MS bedenkt, welche von der Monarchie bis zur Republik, vom stark zentralisierten bis zu eher föderalistischen System reicht, ist es schwer vorzustellen, dass das politische System der Schweiz in der EU keinen Platz finden würde. 519 Die in der Schweiz eigentlich 512 513 514 515 516 517 518 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015. Vgl. Zeller, René: Volksrechte sind nicht unantastbar, In: NZZ, 28.04.2015, Nr. 97, S. 11. Vgl. o.V.: «Geheime Denkgruppe» wirft Wellen, In: NZZ, 25.06.2014, Nr. 144, S. 10. Vgl. o.V.:Das sind die Mitglieder der geheimen Denkgruppe des Bundes, 24.06.2014. Wortlaut der RASA-Initiative, URL https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis458t.html (letzter Zugriff 23.08.2015). Vgl. Serafin, Sean: Bald 80’000 Unterschriften für RASA-Initiative!, 16.07.2015. Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 83 / Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz, 1996, S. 13f. 519 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 306. 79 permanent geführte politische Debatte über die Ziele der Europapolitik mangelte es zumindest nach Ansicht der EU Befürworter stets an Objektivität sowie einer möglichst vorurteils- und vor allem idelogiefreien Herangehensweise.520 Während es konservative Kräften in der Schweiz mehr und mehr gelang, Vorurteile und Ängste gegenüber der EU im Volk zu manifestieren, traten Befürworter einer objektiven Diskussion über die gesamteuropäische Perspektive und deren Möglichkeiten für die Schweiz vermehrt in den Hintergrund. Dies wurde jedoch auch durch die europäische Krise sowie den Erfolg der Bilateralen begünstigt. 521 Die Schweiz ist zwar so eng mit der EU verbunden wie noch nie, die Bevölkerung ist jedoch EU-skeptisch wie nie zuvor. 522 Gemäß Jakob Kellenberger (u.a. Chefunterhändler der Schweiz bei den BIL I) ist das beschränkte Interesse für die europäische Wirklichkeit u.a. Voraussetzung für die in der Schweiz stattfindende Nichtwürdigung von Errungenschaften523 und Gemeinsamkeiten zur EU.524 Bezeichnendes Beispiel für die Wahrnehmung von europäischen Entwicklungen und die Distanz der Schweiz zur europäischen Integration ist der isländische Sinneswandel im Jahr 2013, keinen EU Beitritt mehr anzustreben. 525 Die Wahrnehmung dieses Ereignisses hat bei den Schweizern mehr Spuren hinterlassen als der Beitritt der drei neutralen Länder Österreich, Schweden und Finnland zur EU. Auch wenn die Annahme der MEI die in der Schweiz stattfindende Diskussion bzw. die Haltung gegenüber der EU gegenwärtig nicht grundlegend geändert hat, so haben durch die MEI ausgelöste Fragen doch gewisse Relationen aufgezeigt. Wurde das kürzlich abgeschlossene Freihandelsabkommen mit China auch von den Befürwortern einer unabhängigeren Wirtschaftsstellung gegenüber der EU enthusiastisch aufgenommen, offenbarten die Debatten zur MEI, dass das Handelsvolumen der Schweiz mit China etwa dem der Lombardei und das Handelsvolumen mit den USA etwa dem mit Baden-Württemberg entspricht.526 Die Debatten zur MEI stellen in der Schweiz nicht selten vertretende Ansichten von der gegenseitigen Abhängigkeit und Gleichberechtigung der geforderten Härte gegenüber Europa bei anstehenden Verhandlungen und den Gedanken der allgemeinen 520 Vgl. Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 205 / Kellenberger, J.: Prioritäten im Verhältnis zur EU, 13.10.2014, S. 17. 521 Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 83. 522 Vgl. Ferrari, L.: Es braucht eine neue Europadebatte, 06.12.2012, S. 1. 523 Die Nichtwürdigung von Leistungen der EU sowie die Verschiebung von Misserfolgen auf die EU, findent jedoch auch in anderen EU-Staaten statt. Dies geschieht insb. durch Politik und Medien, Politiker beanspruchen erreichte Verdienste und schieben bei Misserfolgen die Schuld auf Brüssel. Barroso Präsident der Europäischen Kommission nennt dies: Die nationalisierung des Erfolges und die europärisierung des Misserfolges. Vgl. dazu auch Assheuer, Thomas: "Die Identität ist das geringste Problem", In: Die Zeit, 12.01.2014, Nr. 02, S. 38f. 524 Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 114ff. 525 Vgl. ebd., S. 130. 526 Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 130 / o.V.: Ein Handelspartner, so wichtig wie China, 28.08.2013 / IIhle, Pascal: Freihandel Schweiz-China: Bitte nicht blenden lassen, In: Handelszeitung, 19.06.2014, Nr. 25, S. 24. 80 Unabhängigkeit auf die Probe. Einschätzungen von erfahrenden Diplomaten sowie die ersten Reaktionen der EU machen zwar deutlich, dass auch der EU an einer Fortführung der durchaus fruchtbaren Beziehungen zur Schweiz gelegen ist, die Frage, wer sich jedoch in einer unabhängigeren Position befindet, recht deutlich zu beantworten ist.527 Während die Schweiz ca. 57% des Außenhandels der EU abdeckt, sind es andersherum fast 60%. 528 Zudem ist die EU nicht generell auf die Lösung der MEI-Problematik sowie auf die Beziehungen zur Schweiz fokussiert; für die Schweiz hingegen sind die Beziehungen zur EU essenziell. 529 In Anbetracht dessen sind die von der Wirtschaft geäußerten Bedenken und Ängste seit der Annahme der MEI durchaus nachvollziehbar. Die bestehende Unsicherheit für den wirtschaftlichen Standort Schweiz, welche durch die Annahme der MEI ausgelöst wurde, wurde zudem massiv durch die Aufhebung der befristeten Frankenuntergrenze durch die Nationalbank verstärkt. 530 Bei einer kürzlich veröffentlichten Umfrage innerhalb ausgewählter Schweizer Unternehmen gaben zwar 72% der befragten Unternehmen an, noch keine Maßnahmen ergriffen zu haben und sich vorerst auf die Beobachtung zu beschränken.531 Ungeachtet dessen, schätzen 80% die möglicherweise eintreffenden Beschränkungen der MEI als <eher> oder <sehr> problematisch ein. Zudem geben 1/5 der Firmen an, über die Verlagerung von Arbeitsprozessen mit dem entsprechenden Personalabbau in der Schweiz nachzudenken. Dies wird zudem dadurch verstärkt, dass Investitionen in schweizerische Unternehmen bereits durch die bloße Annahme der MEI aufgeschoben oder unterlassen werden.532 Die Umsetzung der MEI wird dementsprechend von der Wirtschaft kritisch beobachtet und ist mit weitreichenden Folgen verbunden. 2. Derzeitiger Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Art. 121a BV Da die Umsetzung der MEI für die Schweiz von augenscheinlich größter Bedeutung ist, stellt sich die Frage, wie weit und in welcher Form die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels 121a BV durch die Regierung mittlerweile vorangeschritten ist. 527 Vgl. Birrer, Raphaela/Capodici, Vincenzo: «Die Schweiz war immer in der Defensive», 05.08.2015 / Israel, Stephan: «Das können wir nicht hinnehmen», 09.02.2014. 528 Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten: Schweiz-EU in Zahlen – Handel, Bevölkerung, Verkehr, Stand 28.07.2015, S. 6 / EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 28. 529 Vgl. Wehrli, Thomas / Feusi, Dominik: «Die Schweiz ist nicht das erste Thema in der EU», 28.02.2014. 530 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 9. 531 Vgl. Donkor, Charles: PwC-Umfrage: Wie verhalten sich Schweizer Unternehmen nach der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative?, 12.06.2015, S. 3. 532 Vgl. Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015, S. 108. 81 Zunächst lässt sich sagen, dass sich die von der Regierung ausgearbeitete Gesetzesvorlage (Feb. 2015) derzeit in der Vernehmlassung533 befindet.534 Die Veröffentlichung der Resultate aus der Vernehmlassung werden im Herbst 2015 erwartet. Zum Inhalt der Gesetzesvorlage lässt sich sagen, dass die Regierung bei der Umsetzung von Art. 121a BV ein drei-Säulen-Modell (Anpassung Gesetzgebung, Anpassung FZA sowie Begleitmaßnahmen) vorschlägt. 535 Innerhalb der ersten Säule wird das Ausländergesetz (AuG) den Bestimmungen des Art. 121a BV angepasst. Das vom Bundesrat erarbeitete Zuwanderungssystem enthält für alle Ausländer jährliche Kontingente und Höchstzahlen.536 Zudem soll den inländischen Arbeitskräften bei der Stellenbesetzung Vorrang gewährt werden. Der Inlädervorrang soll nach dem Entwurf dabei im Einzelfall geprüft werden, aus Gründen der Wirtschaft sind Berufe mit ausgewiesenem Fachkräftemangel davon jedoch ausgenommen. Laut Entwurf werden den Höchstzahlen Aufenthalte zur Erwerbstätigkeit ab vier Monaten unterstellt.537 In die Höchstzahlen einzubeziehende Personen sind ebenfalls Grenzgänger, Familienangehörige, Nicht-Erwerbstätige sowie Flüchtlinge. Für die Bedarfserhebung der Kontingente und Höchstzahlen soll der Bundesrat zuständig sein. Dies soll jedoch unter Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Interesses sowie unter Einbeziehung von Bedarfserhebungen der Kantone und den Empfehlungen einer Zuwanderungskommission geschehen. Eine der Grundlagen des Gesetzesentwurfs ist jedoch die Neuverhandlung des FZA. In der Konsequenz gilt das AuG für die Angehörigen der EU/EFTA Staaten nur subsidiär. 538 Damit das Umsetzungskonzept und die beschränkenden Bestimmungen des AuG auch bei Angehörigen der EU/EFTA Staaten Anwendung findet, ist eine entsprechende Anpassung des FZA erforderlich. Die zweite Säule der Gesetzesvorlage ist demgemäß die Neuverhandlung des FZA. Die anzustrebende Lösung innerhalb der Neuverhandlung des FZA soll sich dabei nach den neuen Verfassungsbestimmungen, dem Umsetzungskonzept, an dem dann vorliegenden Vernehmlas533 Das Vernehmlassungsverfahren ist eine Phase der Gesetzgebung, in welcherVorhaben des Bundes von erheblicher politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite auf ihre sachliche Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz hin geprüft werden. Die Vorlage wird dafür den Kantonen, den in der Bundesversammlung vertretenen Parteien, den Dachverbänden der Gemeinden, Städte und der Berggebiete, den Dachverbänden der Wirtschaft sowie weiteren im Einzelfall interessierten Kreisen unterbreitet. Ausführlich zum Vernehmlassungsverfahren: Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 331f. 534 Vgl. Direktion für europäische Angelegenheiten: Personenfreizügigkeit Schweiz-EU, August 2015, S. 37. 535 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 8f. 536 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und Verhandlungsmandat, 08.10,2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msgid=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015). 537 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 16. 538 Vgl. ebd., S. 7. 82 sungsentwurf sowie am erteilten Verhandlungsmandat orientieren.539 Durch die dritte Säule des Entwurfs, die sog. Begleitmaßnahmen, soll durch gezielte Förderungen des inländischen Potentials die Zuwanderung gesenkt werden.540 Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Bundesrat eine Reihe von Maßnahmen gestartet, die u.a. darauf abzielen, vor allem Frauen sowie ältere Arbeitnehmende zu mobilisieren und zudem effizienter an Arbeitnehmer suchende Betriebe zu vermitteln. 541 Die Maßnahmen zur Förderung des inländischen Potentials gilt bei der Umsetzung des Art. 121a BV als zentrales Mittel, den Volkswillen umzusetzen und die Zuwanderung zu senken. Auch wenn der Bundesrat betont, dass die Umsetzung auf der Grundlage der drei Säulen der Versuch ist, den außenpolitischen Erfordernissen sowie dem Verfassungsauftrag nach Wahrung der Wohlfahrt und des Erhalts eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandortes zu entsprechen, äußert er erneut eine Vielzahl von Bedenken.542 Die gewählte Umsetzung des Art. 121a BV widerspricht einer der zentralen Grundfreiheiten der EU, nämlich dem Grundsatz der Personenfreizügigkeit.543 In der Folge gilt es, entsprechende Verträge, darunter das FZA, das EFTA- Übereinkommen sowie der Rahmenvertrag Schweiz-Lichtenstein, neu zu verhandeln. Sollte die verfassungskonforme Anpassung des FZA nicht möglich sein, ist der Fortbestand der BIL I sowie anderer Verträge, welche mit dem BIL I in Verbindung stehen, gefährdet.544 Ein Wegfall dieser Verträge hätte nach Ansicht des Bundesrats gravierende negative Folgen für die schweizerische Wirtschaft sowie für zukünftig angestrebte Verhandlungen mit der EU.545 Neben dem europapolitischen Aspekt ist die Umsetzung des Art. 121a BV sowohl bei den zuständigen Behörden der Kantone als auch des Bundes mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sowie die kaum zu beziffernden Kosten hängen insb. mit den vom Bund und den Kantonen festzulegenden Höchstzahlen sowie Kontingenten und den damit verbundenen Einschränkungen für erwerbstätige Ausländer zusammen.546 Die öffentlichen Stellungnahmen von Partien, Gewerkschaften und 539 Vgl. ebd., S. 9. 540 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 9. 541 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und Verhandlungsmandat, 08.10,2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msgid=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015). 542 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 8. 543 Vgl. ebd., S. 42. 544 Vgl. ebd., S. .40. 545 Vgl. insb. Bedeutung BIL I und mögliche Folgen bei Kündigung: EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 27ff. 546 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 37f. 83 anderen zur Gesetzesvorlage des Bundesrats fallen mehrheitlich kritisch aus. 547 Befürworter einer einvernehmlichen Umsetzung des Art.121a BV mit dem FZA kritisierten vor allem, dass der Bundesrat seinen Verfassungsspielraum nicht ausreichend genutzt und dem gesamtwirtschaftlichen Interesse nur ungenügend Rechnung trage. 548 Auf Ablehnung, ja sogar auf Bedauern trifft u.a. die Entscheidung des Bundesrates, Kurzaufenthalter und Grenzgänger in die Kontingente mit einzubeziehen.549 Ebenfalls häufig kritisiert wird die durch die Gesetzesvorlage weiterhin bestehende Gefahr für die BIL I sowie die allgemeine Ausarbeitung des Entwurfs ohne vorherige Verhandlungen mit der EU.550 Besonders hart fällt die Kritik der SVP zum vorliegenden Gesetzesentwurf aus. Sie erklärt die Gesetzesvorlage für ungenügend und wirft dem Bundesrat vor, dass dieser gezeigt habe, dass er den Volkswillen nicht umsetzen und seinen Verfassungsauftrag nicht erfüllen will. 551 Da der Bundesrat nach Meinung der SVP eine Kündigung der BIL I mit allen Mitteln verhindern wolle und die Umsetzung der MEI von dem Verhandlungswillen der EU abhängig mache, spricht die SVP von gezielter Sabotage und einem Vetorecht der EU. Der vom Bundesrat verfolgte Ausschluss von EU/EFTA-Bürgern (welche den größten Anteil der Nettozuwanderung ausmachen) von der Anwendung des AuG führt dazu, dass der Gesetzesentwurf kaum Wirkung entfalte. 552 Je weiter die aktuelle Auswertung der Stellungnahmen aus dem Vernehmlassungsverfahren voranschreitet, je mehr offenbart sich, dass auch den Parteien, Kantonen und Verbänden der Umgang mit dem Abstimmungsergebnis zur MEI schwer fällt und die Meinungen weit auseinandergehen.553 Gemeinsamkeiten bestehen in der Forderung nach der Anwendung einer Schutzklausel 554 bei der Umsetzung des Art. 121a.555 Auch die SVP, welche die MEI strikt umgesetzt sehen will und damit 547 Vgl. o.V.: Gewerkschaften und Parteien kritisieren Gesetzesentwurf, 11.02.2015 / Schöchli, H.: Fahnden nach dem Wert der Bilateralen, 04.02.2015 S 23. 548 Vgl. Zimmermann, Ivo: Der Bundesrat nutzt den Spielraum nicht, 11.02.15 / Schöchli, H.: Bundesrat kommt der Wirtschaft entgegen, 11.02.2015, S.28 / Economiesuisse: Stellungnahme Umsetzung von Ar. 121A BV, 28.05.2015, S. 1f. 549 Vgl. hotelleriesuisse: MEI: Eine Umsetzung unter Berücksichtigung der standortgebundenen Hotellerie, 11.02.2015 / Unia Gewerkschaft: Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, 28.05.2015, S. 2. 550 Vgl. Zimmermann, I.: Der Bundesrat nutzt den Spielraum nicht, 11.02.15 / o.V.: Gewerkschaften und Parteien kritisieren Gesetzesentwurf, 11.02.2015. 551 Vgl. o.V.: Entwürfe zur Änderung des Ausländergesetzes, 26.05.2015. 552 Vgl. Gemperli, S.: Bundesrat und SVP vollziehen Kehrtwende, 18.02.2015. 553 Vgl. Sommaruga, Simonetta: "Die Schweiz wird ihr Verhältnis zu Europa klären müssen", Rede am Swiss Economic Forum in Interlaken, 04.06.2015. 554 Das derzeitige in der Schweiz meistdiskutierte Schutzklauselkonzept vgl. Ambühl, Michael/Zürcher, Sibylle: Immigration and Swiss-EU Free Movement of Persons: Question of a Safeguard Clause, In Swiss Political Science Review, Volume 21, Issue 1, 2015, Page 76ff. 555 Vgl. Gemperli, Simon: Moratorium für Ausländerkontingente prüfen, 27.05.2015. 84 den Bruch mit den bilateralen Verträgen bewusst in Kauf nimmt, äußert sich mittlerweile in puncto Schutzklausel gesprächsbereit.556 Das Grundprinzip der derzeit häufig diskutierten Schutzklausel stellt darauf ab, dass die Personenfreizügigkeit in der Schweiz so lange vollumfänglich gilt, bis ein vorher berechneter Schwellenwert bei der Nettozuwanderung überschritten wird, der es der Schweiz erlaubt, Maßnahmen wie Kontingente zu erheben. 557 Voraussetzung für die Akzeptanz so einer Schutzklausel durch die SVP ist folglich, dass diese sehr tief angelegt ist und zu einer deutlichen Senkung der Zuwanderung führt. Auch gilt eine Schutzklausel nicht als Garant für eine erfolgreiche oder zumindest zufriedenstellende Umsetzung. In Hinblick darauf, dass Schutzklauseln im “Normalfall“ als befristetes Ventil zur Behebung außerordentlicher Situationen dienen, ist es mehr als fraglich, ob sich die EU dazu bereiterklärt, der Schweiz ein solches Instrument zur Verfügung zu stellen, ohne dies ebenfalls ihren eigenen MS zu ermöglichen. 558 Wie weit die EU der Schweiz bei der Freizügigkeit entgegenkommt, hängt letztlich auch von den Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen ab. Bereits diese Fragen verdeutlichen, dass die Schweiz nicht nur bei den ggf. in Zukunft stattfindenden Verhandlungen mit der EU sondern auch bei der "innenpolitischen" Umsetzung der MEI vor großen Herausforderungen steht. Die SVP stellte zudem klar, wenn die Regierung keine geeigneten Schritte unternehme, um das derzeitige Umsetzungskonzept dem Volkswillen anzupassen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis zur Lancierung und Annahme einer radikalen Volksinitiatve. 559 Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer weiteren Volksabstimmung kommt, ist durchaus nicht gering. Auch andere Parteien, Verbände sowie namhafte Politiker wie bspw. der ehemalige Bundespräsident Didier Burkhalter streben eine erneute Abstimmung an, um das Volk über das zukünftige Verhältnis zu Europa entscheiden zu lassen.560 Spätestens nach der ausgearbeiteten Gesetzesfassung des Art. 121a BV sind lediglich 50.000 Schweizer Bürger notwendig, um per Referendum eine erneute Volksabstimmung zu forcieren.561 Anhand der im Land vertretenen Kontroversen sowie der augenscheinlich begrenzten Möglichkeiten eine zufriedenstellende Lösung für alle Interessen zu finden, ist dies ein durchaus wahrscheinliches Szenario. 556 Vgl. von Matt, Othmar: Bilaterale: Blocher macht Weg frei für Schutzklausel, In: Schweiz am Sonntag, 19.07.2015, Nr. 193, S. 1. 557 Vgl. Ambühl, M./Zürcher, S.: Immigration and Swiss-EU Free Movement of Persons, 2015, Page 79f. 558 Vgl. Gemperli, Simon: Moratorium für Ausländerkontingente prüfen, In NZZ, 27.05.2015, Nr. 119, S. 21. 559 Vgl. o.V.: Entwürfe zur Änderung des Ausländergesetzes, 26.05.2015 / Mooser, Huber: SVP droht mit einer Kündigungs-Initiative, 15.12.2014. 560 Vgl. Bühler, Stefan/Freiedli, Daniel: «Es liegt ein Hindernislauf vor uns», In: NZZ am Sonntag, 04.05.2014, S. 11 / Rist, Manfred/Gemperli, Simon: Widmer-Schlumpf für neue EU-Abstimmung, In: NZZ, 04.02.2015, Nr. 28, S. 9 / hier auch: BDP: URL http://www.bdp.info/schweiz/de/aktuell/fuerdenbilateralenweg (letzter Zugriff 23.08.2015). 561 Vgl. Kellenberger, J.: Prioritäten im Verhältnis zur EU, 13.10.2014, S. 17. 85 V Zusammenfassung und Ausblick Die dargestellte Problematik veranschaulicht, dass die Schweiz hinsichtlich ihrer zukünftigen Europapolitik vor großen Herausforderungen steht. Der bis dato praktizierte bilaterale Weg wurde in der Schweiz immer wieder als Königsweg und momentan einziger Weg bezeichnet, welcher der Schweiz einerseits den gleichberechtigten Zugang zum Binnenmarkt der EU ermöglicht und andererseits die politische Unabhängigkeit der Schweiz bewahrt. Während die Mehrheit der schweizerischen Bevölkerung den bilateralen Weg und dessen schrittweise Erweiterung in der Vergangenheit mehrfach unterstützt hat, änderte sich dies gewissermaßen überraschend durch die Annahme der MEI am 09.02.2014.562 Wie dargestellt, beinhaltet der Wortlaut der MEI eine Vielzahl an Verstößen gegen das FZA, welches zudem durch die Guillotine-Klausel mit allen anderen Abkommen der BIL I eine untrennbare Einheit bildet. Auch wenn die Regierung bei der Umsetzung der Initiative einen gewissen Handlungsfreiraum hat, war es von Anfang an unwahrscheinlich, einen Umsetzungsentwurf zu präsentieren, der sowohl mit den Zielen und dem Willen der Initianten der MEI als auch mit der europäischen Grundfreiheit der Personenfreizügigkeit vereinbar ist. Der derzeitige Gesetzesentwurf der Regierung führt u.a. Beschränkungen in Form von Kontingenten und Höchstzahlen ein, welche mit den FZA nicht vereinbar sind. Um die Vereinbarkeit der MEI mit dem FZA zu erreichen, setzt die schweizerische Regierung auf eine Neuverhandlung des FZA mit der EU und nimmt bis zur Anpassung des FZA europäische Staatsangehörige vom Anwendungsbereich der derzeitigen Umsetzung der MEI aus. Diese Option entschärft zwar den gegenwärtigen Konflikt mit der EU, bietet jedoch keine dauerhafte Lösung des Problems. 563 Sollte es nicht gelingen das FZA neu zu verhandeln, ist fraglich, wie lange die derzeitige Übergangsregelung, insb. von Verfechtern einer starken Begrenzung der Zuwanderung, hingenommen wird. Die Annahme der MEI hat erneut verdeutlicht, dass in der schweizerischen Bevölkerung zwei fast grundsätzlich gegensätzliche Vorstellungen aufeinandertreffen. Auf der einen Seite befinden sich die konservativen, teilweise isolationistischen Kräfte, vor allem im Umfeld der SVP. 564 Diese begründen den Erfolg der Schweiz mit deren politischen Eigenheiten insb. der starken souveränen Unabhängigkeit und der großen Macht des Volkes. Auf der anderen Seite stehen die Befürworter einer weltoffenen und integrationsfreudigen Schweiz, welche deren Erfolg eben gerade in einer weitreichenden 562 Vgl. Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015, S. 6. 563 Vgl. Gemperli, S.: Wer kündigt wann und warum nicht, 18.02.2015, S. 10. 564 Vgl. Weisser, Veronica/Duss, Sibille: Die Schweiz in der europapolitischen Zerreissprobe, In: Konjunkturanalyse Schweiz, UBS (Hrsg.), 15.10.2014, S. 6f. 86 Integration in die Weltwirtschaft insb. in den europäischen Binnenmarkt sehen. Die zur MEI durchgeführten Studien haben aufgezeigt, dass die schweizerische Bevölkerung sich in den letzten Jahren vermehrt ins rechte bzw. konservative Spektrum bewegt hat. 565 Nicht etwa eine direkte Betroffenheit etwaiger Folgen der Masseneinwanderung (bspw. der sog. Dichtestress) war ausschlaggebender Faktor für die Zustimmung zur MEI, sondern vielmehr die bloße Furcht vor erwarteten zukünftigen Folgen, wie der häufig thematisierten Überfremdung durch ausländische Zuwanderer.566 Doch eine solche Skepsis gegenüber Fremden ist nicht angeboren, sie gründet sich vielmehr auf einen politischen Kurs, der auch bei der gegenwärtigen Debatte um die Umsetzung der MEI erneut deutlich zum Vorschein kommt. Die Schweiz kann sich im Gegensatz zu anderen Staaten nur schwer auf eine gemeinsame Kultur, Ethnie oder Sprache berufen und findet ihre Abgrenzung daher eher nach außen und gegenüber dem Fremden. 567 Rechtspopulistische Parteien wie die SVP setzen folglich auf die politischen Grundsätze der Schweiz, vor allem die Souveränität sowie die Direkte Demokratie, und positionieren diese als unvereinbar mit der fortschreitenden Integration. Während europäische MS vermehrt Souveränität auf supranationale Institutionen transferieren, bezeichnet die SPV die Verhandlungen zum Rahmenabkommen als landesverräterisch.568 Angesichts dieser Tatsachen ist die Abstimmung zur MEI zugleich Krise und Chance. Die Umsetzung der MEI erfordert nicht nur intensive Gespräche und Verhandlungen mit der EU, welche weiterhin kein Verhandlungsmandat in Aussicht stellt, sondern sie fordert außerdem von der Schweiz eine interne Debatte über ihr zukünftiges Verhältnis zu Europa. Soll der bilaterale Weg erhalten werden, liegt es an den Befürwortern aus Politik, Wirtschaft und Forschung, der Bevölkerung die Vorteile und die Bedeutung des bilateralen Weges (insb. den BIL I) zu vermitteln. Wie aufgeführt ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Abstimmung über die Personenfreizügigkeit (bzw. den bilateralen Weg im allgemeinen) aufgrund der RASA Initiative, der Möglichkeit des Referendums, aber auch durch die bereits erfolgte Androhung einer Kündigungs-Initiative durch die SVP durchaus hoch. Das Ergebnis dieser Volksabstimmung wäre dann jedoch endgültig und müsste von der Regierung ohne Handlungsfreiraum umgesetzt werden. Sollte sich das schweizerische Volk gegen den bilateralen Weg entscheiden und es zur Kündigung der BIL I kommen, würde die Schweiz ihren 565 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 5f / Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 53f. 566 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 22f. 567 Vgl. Alabor, Camilla: Souveränität: <<Das ist Wunschdenken>>, 19.02.2015. 568 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S.26 / Gafner, Beri: «Der Bundesrat spricht mit zwei Zungen», In: Basler Zeitung, 09.07.2014, S. 2. 87 privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren und auf den vertraglichen Stand des Freihandelsabkommens zurückfallen.569 Als Drittstaat stünde der Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz, wie aufgeführt, vor weitreichenden Herausforderungen und es ist mehr als fraglich, ob die Schweiz ihre derzeit so positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation aufrecht erhalten könnte. Ebenfalls gilt zu bedenken, dass auch im Falle einer Aufhebung der MEI (bzw. einer Bestätigung der Personenfreizügigkeit) durch das Volk die Schweiz vor einer nicht weniger schweren Herausforderung steht: Vor der Abstimmung zur MEI hat die EU mehrfach betont, weitere bilaterale Verträge mit der Schweiz von Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen abhängig zu machen.570 Möchte die Schweiz diesen Weg nicht nur auf dem gegenwärtigen Stand erhalten, muss sie sich mit der EU insb. über Themen wie die automatische Übernahme von europäischem Recht sowie der gerichtlichen Kontrolle der Verträge durch den EUGH (fremde Richter) auseinandersetzen. Die Schweiz muss wie auch bei den Verhandlungen zur Beschränkung der Personenfreizügigkeit verstehen, dass der Zugang zum Binnenmarkt für alle Teilnehmer gleichberechtigt, d.h. unter den gleichen Vor- sowie Nachteilen erfolgt. Die EU kann die Schweiz nicht besser stellen als ihre eigenen MS. Dennoch bedeuten Schweizer Zugeständnisse zu diesen Punkten für die SVP nur den Verlust schweizerischer Eigenheiten und offenbaren damit ein weiteres Problem für die Zukunft des bilateralen Weges. Jede zukünftig inizierte Volksabstimmung, welche auf die Aufhebung oder die Beschränkung eines mit der EU geschlossenen Abkommens hinausläuft, stellt unabhängig von dessen Annahme den bilateralen Weg erneut in Frage und erzeugt wirtschaftliche und politische Unsicherheit. In einem Land wie der Schweiz, in welcher das Volk über eine solch große politische Macht verfügt, ist es m. E. daher von größter Bedeutung, der gegenwärtigen populistischen und nationalistischen Tendenz durch eine sachliche und vorurteilsfreie Aufklärung entgegenzuwirken. Denn nicht nur die Annahme der MEI sondern auch die zunehmende Angst vor Überfremdung sowie dem Verlust der schweizerischen Eigenarten begründen sich in dem Gedanken, dass man sich zwischen einer wirtschaftlichen und politischen Öffnung nach außen und der Bewahrung von schweizerischen Eigenarten entscheiden muss. Souveränität, Direkte Demokratie und Neutralität werden als unvereinbar mit der fortschreitenden europäischen Integration bewertet.571 Ein Beitritt zur EU ist demgemäß für viele Schweizer einhergehend mit dem totalen Identitätsverlust.572 In vermeintlicher Souveränität übernimmt die Schweiz lieber 569 570 571 572 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 299. Vgl. Bühler, Stefan: Mission Bilaterale III, 29.6.2015. Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 65. Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 83. 88 europäische Gesetze als sich an deren Ausarbeitung zu beteiligen. Der Schweiz gelang es lange vor der europäischen Idee, die in ihren 26 Kantonen lebenden Minderheiten zu einem gemeinsamen friedvollen und demokratischen Handeln zu bewegen. Sie könnte daher der EU als Vorbild dienen, wird sie doch häufig als european microcosm bezeichnet. Leider entzieht sich die Schweiz mit ihrem Potential einer weitreichenden europäischen Integration und Mitgestaltung Europas. 573 Zweifelsohne stehen die Beziehungen zur EU derzeit auf dem Prüfstand und es liegt in erster Linie an der Schweiz zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen möchte. 574 Grundsätzlich gilt auch hier, je eher eine globale Weltsicht eingenommen, die Kenntnis über Zusammenhänge vergrößert wird und je stärker der Glaube an die eigene Handlungsmacht ist, desto größer ist die Offenheit gegenüber dem Fremden.575 In diesem Sinne lässt sich nur hoffen, dass die Schweizer ihre Skepsis und Vorurteile abbauen und sich objektiv mit den Vor- und Nachteilen der europäischen Integration auseinandersetzen. 573 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 13 / Bronska, J.: Die Schweiz in Europa: Mittendrin, doch außen vor?, 2009, S. 318. 574 Vgl. Jones, R., Rede an der Ausserordentlichen Delegierten-versammlung des Gewerkschaftsbundes des Kantons Bern, 01.11.2014, S. 7. 575 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 9. 89 Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union AJP Aktuelle Juristische Praxis (Zeitschrift) Art. Artikel AuG Ausländergesetz (Schweiz) BBI Bundesblatt BDP Bürgerlich-Demokratische Partei BIP Bruttoinlandsprodukt bspw. beispielsweise BV Bundesverfassung Schweizerische Eidgenossenschaft CH Schweiz DEA Direktion für europäische Angelegenheiten ebd. Ebenda / ebendort EDA Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten EFTA European Free Trade Asssociation EG Europäische Gemeinschaft EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EJPD Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartment EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union evtl. eventuell EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum f folgende ff fort folgende FRP Forschungsrahmenprogramme FZA Freizügigkeitsabkommen G20 Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Hrsg. Herausgeber insb. insbesondere LAV Luftverkehrsabkommen MEI Masseneinwanderungsinitiative m.E. Meines Erachtens MS Mitgliedsstaaten NZZ Neue Zürcher Zeitung OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ParlG Parlamentsgesetz RASA Raus aus der Sackgasse (Initiative) RL Richtlinie SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SVP Schweizerische Volkspartei SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht u.a. und andere UKIP UK Independence Party UNO United Nations Organization WBF Eidgenössisches Department für Wirtschaft, Bildung und Forschung WTO World Trade Organization Ziff. Ziffer Literaturverzeichnis Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, KOF Studien, 58, Zürich, 2015. URL http://www.kof.ethz.ch/de/publikationen/p/kof-studien/3571/ (letzter Zugriff 23.08.2015). Aeppli, R. u. a.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, KOF Studien, 2, Zürich, 2008, URL: http://www.kof.ethz.ch/de/publikationen/p/kof-studien/1496/ (letzter Zugriff 23.08.2015). 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