Die Initiative gegen Masseneinwanderung und deren mögliche

Abschlussarbeiten am Institut für Europäische Studien (AIES-online)
Nr. 18
Die Initiative gegen Masseneinwanderung und deren
mögliche Auswirkungen auf den Bilateralen Weg
zwischen der Schweiz und der EU
von
Enriko Kissing
Oktober 2015
Enriko Kissing ist Absolvent des Master-Studiengangs Europäische Integration − Schwerpunkt
Ostmitteleuropa. Der hier vorliegende Text stellt die überarbeitete Fassung seiner
Masterarbeit dar, die an der Professur Europäische Integration erarbeitet und von Prof. Dr.
Matthias Niedobitek und Marcus Hornung M.E.S betreut wurde.
Impressum
Herausgeber: Institut für Europäische Studien
Anschrift: TU Chemnitz, Institut für Europäische Studien, Thüringer Weg 9, 09126 Chemnitz
Erscheinungsort: Chemnitz
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung............................................................................................................................................1
II Schweizer Außenpolitik und institutionelle sowie politische Besonderheiten.................................5
A. Souveränität.................................................................................................................................6
B. Neutralität....................................................................................................................................8
C. Föderalismus..............................................................................................................................10
D. Direkte Demokratie...................................................................................................................13
III Historischer Überblick der Rechtsbeziehungen zwischen der Schweiz & der EU..........................20
A. Schweizerische Interessenwahrung und die Europäische Gemeinschaft.................................21
B. Der Bilaterale Weg.....................................................................................................................24
IV Die Masseneinwanderungsinitiative und der Bilaterale Weg........................................................30
A. Verfahren, Inhalt und Intentionen der MEI...............................................................................32
B. Mögliche Konflikte mit dem FZA................................................................................................35
1. Grundzüge des FZA................................................................................................................35
2. Vereinbarkeit der MEI und des FZA.......................................................................................39
3. Gesetzliche Beschränkungsmöglichkeiten innerhalb des FZA..............................................46
4. Umsetzung der MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA.......................................49
5. Neuverhandlung des FZA......................................................................................................54
6. Kündigung des FZA................................................................................................................58
C. Die Bedeutung des bilateralen Wegs für die Schweiz...............................................................62
D. Hintergründe zum Abstimmungsverhalten bei der MEI............................................................70
E. Aktuelle Entwicklungen zur MEI................................................................................................75
1. Reaktionen zur Annahme der MEI........................................................................................76
2. Derzeitiger Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Art. 121a BV............................................81
V Zusammenfassung und Ausblick.....................................................................................................86
Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................................................90
Literaturverzeichnis............................................................................................................................92
I Einleitung
Immer wieder betont die Schweiz gegenüber der EU ihre politische Eigenständigkeit und Souveränität. Dem europäischen Integrationsprozess stand die Schweiz jahrzehntelang kritisch und mit
Distanz gegenüber.1 Dies ist vor allem durch ihre historische Entwicklung sowie für die Schweiz
charakteristischen Eigenarten wie bspw. einen Politikstil der Konkordanz, der Souveränität, der
Neutralität und einem ausgeprägten Föderalismus zu begründen.2 Doch auch wenn die Schweiz
kein Mitglied der EU ist, versteht sie sich selbstverständlich als Teil Europas und darüber hinaus als
Teil der Wertegemeinschaft. Denn nicht nur geographisch, sondern auch politisch, wirtschaftlich,
historisch und gesellschaftlich gehört die Schweiz zu Europa. 3 Die Kleinstaatlichkeit sowie Rohstoffarmut und eine wirtschaftliche Ausrichtung auf den Export bedingen zudem eine starke Auslandsverflechtung der Wirtschaft.4 Mit dem hohen Anteil des Außenhandels am BIP gehört die
Schweiz im internationalen Vergleich mit an die Spitze. 5 Eine besonders wichtige Stellung für den
Handel der Schweiz nimmt dabei die EU ein. Auf sie entfallen mit großer Kontinuität jährlich über
die Hälfte der Exporte der Schweiz und über 70 % der Importe. 6 Die tägliche Handelsbilanz
zwischen der Schweiz und Europa liegt bei etwa einer Milliarde Franken pro Arbeitstag; jeden
dritten Franken erwirtschaftet die Schweiz gegenwärtig mit der EU. 7 Besonders diese Abhängigkeit
vom europäischen Markt führen zu einer notwendigen Verständigung mit der EU. Die Außenpolitik
der Schweiz ist damit folglich meist Außenwirtschaftspolitik. 8 Ziel dieser Politik ist es im
Wesentlichen, Standort- und Wettbewerbsnachteile zu verhindern und den Zugang zum
europäischen Binnenmarkt zu sichern. 9 Dafür musste sich die Schweiz zunehmend mit der EU und
deren sich stetig weiter entwickelnden Rechtsordnung auseinandersetzen. Sie betrieb dabei fast
ausschließlich eine Europapolitik, welche nicht auf einen Beitritt zur EU zielte, sondern auf den
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Vgl. Hollmann, Anna: Die Schweizer und Europa, Baden-Baden, 2005, S. 25.
Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 46 / Iken, Jan – Gerrit: Personenfreizügigkeit: Tendenzen
und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU, Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche
Fakultät, Dissertation, 2003, S. 41.
Vgl. Thürer, Daniel: Perspektive Schweiz. Übergreifendes Verfassungsdenken als Herausforderung, Zürich, 1998, S.
227.
Vgl. Meier, Alfred/Buholzer, René: Die Zukunft der EU und die Schweiz, Zürich/Chur, 1997, S 51.
Vgl. Bundesamt für Statistik: Übersicht Industrie und Dienstleistungen, Stand 2015, online einsehbar unter,
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/01/pan.html (letzter Zugriff 23.08.2015).
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, Bern, 2014, S. 5 / SECO
(Hrsg.): Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht
über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2014, vom 14 Januar 2015, S. 51.
Vgl. Lopatka, Andreas: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU. Das Freizügigkeitsabkommen & Die
Zukunftsperspektiven der Schweizerischen Eidgenossenschaft in der Europäischen Union, Saarbrücken, 2012, S. 3.
Vgl. Steppacher, Burkard: Schritte zur Europäisierung der Schweiz. Politisches System und Wirtschaftsverbände in
den Jahren 1985 bis 1990, Frankfurt am Main, 1992, S. 15.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5.
1
Abschluss von bilateralen sektoriellen Abkommen mit der EU baute. 10 Der daraus resultierende bilaterale Weg umfasst derzeit ein dichtes Vertragsnetzwerk von mehr als 120 Abkommen und
ermöglicht der Schweiz einen privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt, wie ihn sonst
kein Staat außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) genießt. 11 Da der bilaterale Weg
der Schweiz den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt unter der Wahrung ihrer politischen
Grundinteressen wie der Neutralität, der Souveränität und dem Föderalismus ermöglicht, wird er
in der Schweiz auch als Königsweg bezeichnet.12
Mittlerweile ist die Schweiz in einigen Bereichen sogar stärker in die EU integriert als einige EU
Mitgliedsstaaten (MS). Die Abschaffung von Grenzkontrollen im Rahmen von Schengen, die Großbritannien und Irland nicht vollzogen, wäre ein Beispiel dafür. Zudem ist aufzuführen, dass die
Schweiz große Teile ihrer Rechtsordnung freiwillig an die der EU anpasst und EU-Rechtsakte
teilweise oder gar vollständig übernimmt.13 Der autonome Nachvollzug von EU Recht ist seit 1988
unter dem Motto der Europaverträglichkeit zum politischen Leitmotiv geworden und dient dem
Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu erhalten. 14 Auch die starke
Verflechtung der Migration und Immigration mit der EU ist hervorzuheben. Mehr als 1,3 Mio. EU28/EFTA Bürger leben in der Schweiz, über 440.000 Schweizer in EU Staaten. Zudem kommen
täglich fast 300.000 europäische Grenzgänger zur Arbeit in die Schweiz.15 Mit einem Ausländeranteil von über 23% und einer Nettomigration von 1,9% ist fast jeder vierte Einwohner der gut acht
Mio. Schweizer kein Eidgenosse. Damit gehört die Schweiz nach Luxemburg zu den europäischen
Ländern mit dem höchsten Ausländeranteil. Auch wenn das Schweizer Volk den bilateralen Weg in
diversen Abstimmungen bestätigt und unterstützt hat, äußerte sich die EU in den letzten Jahren
immer kritischer.16 So äußerte sich der Rat der Europäischen Union 2013 wie folgt:
„[...] dass der von der Schweiz verfolgte Ansatz, sich durch sektorale Abkommen in immer mehr
Bereichen an der Politik und den Programmen der EU zu beteiligen, ohne dass es einen horizontalen
10 Beitritt als politisches Ziel von 1992-2006: Vgl. Bernauer, Thomas/ Ruloff, Dieter (Hrsg.): Globaler Wandel und
schweizerische Aussenpolitik. Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung der Schweizerischen
Bundesverwaltung, Zürich/Chur, 2000, S. 279 / Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der
Europäischen Union, 2014, S. 37.
11 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5 / Jones, Richard,
Rede an der Ausserordentlichen Delegierten-versammlung des Gewerkschaftsbundes des Kantons Bern,
01.11.2014, S. 4.
12 Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 7 / Burkhalter,
Didier: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, Rede an der Universität Zürich, am 10.10.2013.
13 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5f.
14 Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 11.
15 Ambühl, Michael/Zürcher Sibylle: Schutzklausel bei der Zuwanderung, In: Integration am Ende?. Die Schweiz im
Diskurs über ihre Europapolitik, von Schweizer Max/Ursprung Dominique (Hrsg.), Zürich, 2015, S. 22.
16 Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, KOF Studien, 58, Zürich, 2015, S. 6.
2
institutionellen Rahmen gäbe, an seine Grenzen gestoßen ist und einer Überprüfung unterzogen
werden muss. Jede neue Ausweitung des komplexen Systems von Abkommen würde die Homogenität
des Binnenmarktes gefährden und die Rechtsunsicherheit vergrößern [...]". 17
Es galt, eine Diskussion über den zukünftigen bilateralen Weg und die Beziehungen zur EU zu
führen. Der Schweizer Bundesrat bekannte sich im Dezember 2013 erneut zum bilateralen Ansatz
und äußerte, dass es die Aufgabe der Regierung sei, den bilateralen Weg als Garant für den Wohlstand der Schweiz stetig zu erneuern, damit dieser nicht in einer Sackgasse endet. 18 Zwei Monate
später, am 09.02.2014, stimmte das Schweizer Stimmvolk der Initiative gegen Masseneinwanderung zu und sprach sich somit gegen den geltenden freien Zuzug von EU-Bürgern, für Einwande rungskontingente und für einen Inländervorrang bei der Stellenbesetzung aus. 19 Dieses Ergebnis
führte auf Seiten der EU und vieler MS mehrheitlich zu Kritik gegenüber der Schweiz und deren
Entscheidung.20 Denn Teile der Initiative verstoßen inhaltlich doch auf den ersten Blick gegen die
Personenfreizügigkeit, welche im Rahmen der Bilateralen I (BIL I) zwischen der Schweiz und der EU
vertraglich vereinbart worden war.21 Damit gefährdet die Initiative nicht nur die Anwendung einer
der wichtigsten europäischen Grundfreiheiten, sondern es besteht zudem die Gefahr, dass bei
einem zukünftigen Verstoß gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA) sämtliche Verträge der BIL I,
welche an das FZA durch eine Guillotine-Klausel gebunden sind, gekündigt werden. 22 Vor der
Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative (MEI) hatten sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft und Medien mit großer Mehrheit gegen die Annahme der Initiative ausgesprochen
und vor den möglichen Konsequenzen gewarnt. 23 Seit der Annahme der MEI ist die Schweiz
hinsichtlich deren Umsetzung gespalten. Während vor allem die Initianten der MEI sowie
Anhänger der konservativen SVP eine wortgetreue und strikte Umsetzung der Initiative fordern,
positionieren sich Vertreter aus der Wirtschaft sowie liberaler und sozialer Parteien hinter dem
17 Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTALändern, 08-01-2013, Doc.Nr. 5101/13, S. 10.
18 Vgl. Burkhalter, D.: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, 10.10.2013 / Rat der Europäischen
Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem homogenen erweiterten Binnenmarkt und den Beziehungen der
EU zu nicht der EU angehörenden westeuropäischen Ländern, 16-12-2014, Doc-Nr. 16583/14, S. 13.
19 Vgl. Landmark, Philipp; Zäsur auf dem bilateralen Weg, 09.02.2014.
20 Vgl. o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014 / o.V: Reaktion auf Volksentscheid:
Frankreich will Beziehungen zur Schweiz überdenken, 10.02.2014.
21 Vgl. Kunz, Raffaela: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 2014, Band 74, Heft
2, S. 329ff.
22 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31.
23 Vgl. Spillmann, Markus: Eine Zäsur für die Schweiz, 09.02.2014, / Manifest für einen offenen Bildungs und
Forschungsplatz Schweiz (unterzeichnet von den Präsidenten der Hochschulen und Akademien der
Wissenschaften), 21.01.2014, S. 1f. / Tresch, Anke u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar
2014, gfs.bern und Institut für Politikwissenschaft Universität Genf, 2014, S. 36.
3
Erhalt des FZA und den BIL I. Wenn die Schweizer Regierung die Initiative vom 09. Feb. 2014 so
umsetzen möchte, dass sie einerseits dem Inhalt der Initiative gerecht wird und anderseits den
bilateralen Weg weiterhin fortführt und die BIL I erhalten kann, steht sie wie derzeit häufig in den
Medien beschrieben vor der „Quadratur des Kreises“24. Nicht zuletzt da auch von Seiten der EU
bereits wiederholt darauf verwiesen wurde, dass es ihrerseits kein Interesse gebe, das FZA erneut
zu verhandeln und bisherigen Schweizer Gesuchen diesbezüglich eine Absage erteilt hat. 25 Die
Zustimmung zur MEI hat das ohnehin bereits angespannte Verhältnis zwischen der EU und der
Schweiz erheblich erschwert.26 Eine neue Debatte über die Zukunft der Schweiz in Europa hat
begonnen.
Ziel dieser Arbeit ist es, den durch die Schweiz praktizierten bilateralen Sonderweg mit der EU
darzustellen. Insbesondere werde ich dabei aufzeigen, warum die Schweiz sich im Gegensatz zu
vielen anderen europäischen Staaten gegen einen Beitritt zur EU entschieden hat und den
bilateralen Weg einer weiterreichenden Integration in die EU vorzieht. Weiterhin stellt sich die
Frage, welche Bedeutung und Auswirkungen der von der Schweiz praktizierte bilaterale Weg
einerseits auf das Verhältnis zur EU und andererseits in innenpolitischer sowie in wirtschaftlicher
Hinsicht hat. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Betrachtung und Analyse der
MEI, welche sich augenscheinlich im direkten Konflikt mit dem bilateralen Weg befindet. Zu
untersuchen ist zudem, inwieweit die MEI tatsächlich mit dem bilateralen Weg in Konflikt steht und
wie die MEI die im Volk notwendige Zustimmung erhalten konnte. Zum Abschluss versuche ich,
einen aktuellen Überblick über die möglichen Auswirkungen einer wortgetreuen Umsetzung der
MEI darzustellen und die ebenfalls in der Schweiz derzeit diskutierten Lösungsansätze zur
Umsetzung bzw. zum Umgang mit der MEI aufzuzeigen.
24 Vgl. Morf, Peter: Die Quadratur des Kreises, 08.04.2014 / Schöchli, Hansueli: Erfolglose Suche nach der Quadratur
des Kreises, In: NZZ, 07.05.2015, Nr. 104, S. 24 / o.V.: Bundesrat setzt Chefunterhändler ein, 24.06.2015.
25 Vgl. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem homogenen erweiterten Binnenmarkt
und den Beziehungen der EU zu nicht der EU angehörenden westeuropäischen Ländern, 2014, S. 13 / Nuspliger,
Niklaus: EU-Staaten bekräftigen Absage an Bern, In: NZZ, 17.12.2014, Nr. 293, S. 9.
26 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331.
4
II Schweizer Außenpolitik und institutionelle sowie politische Besonderheiten
Wie die Außenpolitik anderer Nationen ist auch die Außenpolitik der Schweiz unter dem Aspekt
der Interessenwahrung zu betrachten.27 Im Falle der Schweiz liegt der Schwerpunkt auf einer
Außenwirtschaftspolitik. Begründet ist dies einerseits durch ihre geographische Lage, ihre
Kleinstaatlichkeit und ihre intensive wirtschaftliche Verflochtenheit mit dem Ausland, andererseits
gehört die Schweiz mit ihrer Anzahl an natürlichen Ressourcen zu den ressourcenärmsten Ländern
Europas und ist somit auf den Import von Rohstoffen und den Export von Veredelungswaren
angewiesen.28 All dies schafft ein erhöhtes Maß an Abhängigkeit und legt den Fokus auf starke
Wirtschaftspolitik.29 Des Weiteren verfügt das Politiksystem der Schweiz im internationalen
Vergleich über besondere charakteristische Merkmale, welche sich maßgeblich auf die
Außenpolitik und die damit verbundene Entwicklung und Haltung gegenüber der EU auswirken. 30
Dazu gehören vor allem die Direkte Demokratie, ein ausgeprägtes Souveränitätsverständnis, die
Politik der Neutralität und ein Föderalismus mit weitreichender Autonomie von Gemeinden und
Kantonen.
Verglichen mit anderen europäischen Nationen gehört die Schweiz zu den wenigen Ländern, deren
Identität nicht auf gemeinsamer Religion, Sprache oder Nation beruht. Sie ist somit kein Nationalstaat im klassischen Sinne, sondern verwirklicht vielmehr die Idee der “Willensnation“, welche auf
dem Bekenntnis der Bevölkerung zu seinem spezifischen politischen System basiert. 31 Während
andere Nationen sich in der europäischen Geschichte aufgrund bspw. unterschiedlicher Sprachoder Religionsgemeinschaften miteinander in Konflikt befanden, gelang es der Schweiz, vor allem
durch die Institutionen der Direkten Demokratie, dem Föderalismus sowie der Neutralität, eine
sehr pluralistische Gesellschaft friedlich zusammenzuhalten. Ein grundlegendes Verständnis dieses
Systems mit seinen Eigenarten sowie deren Anwendung, Auslegung und ihren gesellschaftlich und
politischen Einflüssen sind notwendig, um den eingeschlagenen Integrationsprozess mit der EU zu
verstehen.
27 Vgl. Bernauer, Thomas/Ruloff, Dieter (Hrsg.): Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik.
Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung der Schweizerischen Bundesverwaltung, Zürich/Chur, 2000,
S. 14f.
28 Vgl. Bergier, Jean-Francois: Die Schweiz in Europa. Zeitgemäße Gedanken eines Historikers, Pendo, 1998, S. 7 /
Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 15.
29 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 16.
30 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 46.
31 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 52.
5
A. Souveränität
Für den Begriff der Souveränität findet sich eine Vielzahl von Definitionen und Auslegungen,
welche in dieser Arbeit nicht genauer erörtert werden sollen. Vielmehr beschränke ich mich auf
einige wichtige Aspekte und verwende für diese Arbeit die folgende Definition: Souveränität
bezeichnet die höchste Entscheidungsgewalt und Herrschaftsmacht des Staates gegenüber seinen
Bürgern (innere Souveränität), sowie gegenüber anderen Staaten als Träger völkerrechtlicher
Verpflichtungen (äußere Souveränität).32 Zudem stellt der Souveränitätsbegriff auf die Gleichheit
aller Staaten ab. In Art. 2 der Bundesverfassung (BV) der Schweizer Eidgenossenschaft steht als
Zweck der Eidgenossenschaft, der Schutz der Freiheit, der Rechte des Volkes und der Wahrung der
Unabhängigkeit und der Sicherheit des Landes. Diese Verfassungsbestimmung soll dem Staat eine
prinzipiell uneingeschränkte äußere Hoheitsgewalt sichern, indem sich die Organe der Schweiz
ausdrücklich zur Wahrung der äußeren Souveränität verpflichten. 33 Des Weiteren ist es wichtig
darauf zu verweisen, dass die Schweiz als föderaler Bundesstaat dreistufig, d.h. in Bund, Kantone
und Gemeinden als Träger eigener Souveränität, aufgeteilt ist. 34 Allgemein bewertet das
schweizerische Volk seine Souveränität und Unabhängigkeit als bedeutendes Gut und
Wesensmerkmal. Die Aufrechterhaltung der souveränen Unabhängigkeit war und ist somit auch
ein wichtiges Ziel der Schweizer Außenpolitik. 35 Jedoch stellt sich in Hinblick auf die Globalisierung
und Multilateralisierung der Welt die Frage, welche Bedeutung und Relevanz der Souveränität
gegenwärtig noch zukommt. So wird der Souveränitätsbegriff bspw. in den internationalen
Beziehungen kaum noch verwendet, gilt er doch real- und ordnungspolitisch als überholt. 36 Das
direkte außenpolitische Umfeld der Schweiz hat sich stark verändert, eine Vielzahl der
Europäischen Staaten maximieren nicht mehr ihre souveräne Unabhängigkeit, sondern übertragen
Teile dieser auf supranationale Organisationen.37
Aufgrund der zunehmenden ökonomischen und politischen Verflechtung der Welt kommt es auch
zu zahlreichen Problemen, mit denen der einzelne Staat überfordert ist. 38 Regelungsbedürftige
32 Vgl. Josi, Claudia: Der Souveränitätsbegriff im Föderalen Staat, Universität Fribourg, Rechtswissenschaftliche
Fakultät, wissenschaftliche Arbeit, 2004, S. 10. / Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, 5 Auflage,
München, 2011, S 551.
33 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 16.
34 Vgl. Josi, C: Der Souveränitätsbegriff im Föderalen Staat, 2004, S. 1.
35 Vgl. Gabriel, Jürg Martin: Sackgasse Neutralität, Zürich, 1997, S.15.
36 Vgl. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, 5 Auflage, München, 2011, S 551. / Alabor, Camilla:
Souveränität: <<Das ist Wunschdenken>>, 19.02.2015.
37 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 26.
38 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 14.
6
Sachverhalte lassen sich immer weniger von Staatsgrenzen aufhalten und Völkerrecht dringt immer
häufiger in Bereiche vor, welche bis vor einiger Zeit noch als rein innerstaatliche Angelegenheiten
galten und somit rein durch innerstaatliches Recht geregelt wurden. 39 Internationale Politik tangiert
auf diese Weise auch immer mehr innenpolitische Themen wie bspw. Umwelt-, Flüchtlings-, oder
Währungspolitik.40 Wer auf diese Politik und Themen aktiv Einfluss nehmen möchte, muss bereit
sein, Abkommen zu schließen, sein Rechtssystem anzupassen und in multilateralen Gremien mitzureden. In der Folge nehmen die Bedeutung von internationalen und supranationalen
Organisationen wie bspw. UNO, WTO und auch der EU kontinuierlich zu. Aus völkerrechtlicher Sicht
gehört zur Souveränität eines Staates heutzutage mehr denn je, seinen Einfluss auf internationaler
Ebene geltend machen zu können.41 Auch die Schweiz kann sich der fortschreitenden
Internationalisierung des Rechts aus verschieden Gründen nicht entziehen und geht immer weitere
internationale Beziehungen ein, welche eine Änderung des staatlichen Rechts automatisch
herbeiführen oder notwendig machen.42 Die zunehmende Anzahl an Abkommen und
Verpflichtungen, welche die Schweiz in den letzten Jahren eingegangen ist, führen jedoch bei
Souveränitätsverfechtern insb. bei europapolitischen Themen zu immer heftigerer Kritik gegenüber
der Regierung. Dies hat seine Ursache jedoch weniger darin, dass die europäische Integration dem
staatstheoretischen Souveränitätsbegriff entgegensteht, sondern liegt vielmehr an der politischen
Kultur der Schweiz, zu welcher eine fast mythische Unabhängigkeit gehört. 43 Die immer weiter
fortschreitende europäische Integration, ja sogar die Diskussionen über einen zukünftigen Beitritt
würde die Unabhängigkeit und Souveränität der Schweiz untergraben.44
Derzeit schreibt sich bspw. die SPV das Thema Souveränität für ihren Wahlkampf auf die Fahnen.
Da diese die Souveränität als zunehmend bedroht betrachtet, strebt sie derzeit die Initiative
«Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) an, welche die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellen möchte.45 Aufgegriffen wird somit zugleich das in der Schweiz
weitverbreitete Feindbild des fremden Richters, beruht doch der Erfolg der Schweiz auf dem
39 Vgl. Hänni, Peter (Hrsg.): Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration. Die Rolle der Kantone in
einem sich wandelnden internationalen Kontext, Zürich, 2000, S. 267.
40 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S.14
41 Vgl. Gentinetta Katja/Kohler Georg (Hrsg.): Souveränität im Härtetest. Selbstbestimmung unter neuen Vorzeichen,
Zürich, 2010, S. 278.
42 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 267.
43 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 59.
44 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 12f.
45 Vgl. Hofmann, Markus: SVP fürchtet einen Souveränitäsabbau, In NZZ, 27.10.2014, Nr. 249, S. 7 / Jürgensen,
Nadine: Alle Parteipräsidenten gegen die SVP, 10.03.2015.
7
Fundament der Selbstbestimmung.46 Die gegenwärtige Selbstbestimmung und Autonomie wird
jedoch immer häufiger und kritischer hinterfragt. So erheben sich auch in der Schweiz immer öfter
Stimmen, welche behaupten, dass der Mythos der Souveränität überholt sei und das Streben
danach die Schweiz viel Mitbestimmungspotential koste. 47 Denn so führt bspw. gerade das Streben
der Schweiz, weitestgehend souverän zu bleiben, dazu, dass diese an Selbstbestimmung verliert,
da sie bei Entscheidungen der EU, welche auch die Schweiz betreffen, nicht mitreden kann.
Aufgrund der Vielzahl an Gesetzen mit EU Bezug, welche die Schweiz ohne die Möglichkeit der
Beeinflussung in ihr Rechtssystem übernehmen „muss“, ist nur die EU als autonom zu betrachten. 48
Ebenfalls gilt es zu bedenken, dass immer häufiger äußere und innere Spannungen, denen die EU
ausgesetzt ist, auch die Schweiz nicht verschonen. Für Viele ist daher eine Zusammenarbeit mit der
EU bspw. innerhalb von Wohlstands-, Sicherheits- und Umweltrisiken durchaus erstrebenswert.49
Die Souveränität bzw. das Souveränitätsverständnis ist in der Schweiz somit heftig umstritten. Der
einen Seite gilt sie als Auslaufmodell und Hindernis bei der Lösung von wichtigen Problemen und
der anderen Seite als Garantie für Unabhängigkeit und Freiheit.
B. Neutralität
Eine weitere tief verwurzelte Besonderheit der Schweiz und ein Grund für die Nichtteilnahme der
Schweiz an einigen internationalen politischen Zusammenschlüssen ist die Leitlinie der
Neutralität.50 Zunächst ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit wird sie seit dem 16. Jahrhundert von
der Eidgenossenschaft als Staatswesen praktiziert. Unter Neutralität ist die Nichtbeteiligung an
einem Konflikt zwischen anderen Staaten zu verstehen. 51 Damit erklärt die Schweiz bereits in
Friedenszeiten, dass sie in zukünftigen Konflikten ihr Neutralitätsrecht anwenden wird.
Charakterisiert wird die schweizerische Neutralität durch drei Merkmale: Freiwilligkeit im Sinne
von selbst gewählt, andauernd und selbst bewaffnet. Nach der Schweizer Bundesverfassung von
1848/74 dient die Neutralität ausschließlich der Gewährleistung der Schweizer Unabhängigkeit.
Somit ist die Neutralität nicht als Ziel, sondern als Mittel der Schweizer Außen- bzw.
46 Vgl. Lindner, Wolf u.a. (Hrsg.): Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz. Der Kleinstaat im Kräftefeld der
europäischen Integration, Bern, 1996, S. 231 / Hofmann, M.: Die SVP sieht die Souveränität zunehmend bedroht,
25.10.2014, S. 7.
47 Vgl. Alabor, Camilla: Die Souveränität ist ein Auslaufmodell, 19.02.2015, / Thomas Müller, Die Schweiz verschenkt
viel Potential, 01.06.2015.
48 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 320.
49 Vgl. Wagner, Thomas: Gedanken und Ausblicke, In: Die Stellung der Schweiz in Europa, Forum Helveticum (Hrsg.),
2007, S. 110f.
50 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 17.
51 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 81.
8
Sicherheitspolitik zu betrachten. Die Schweiz könnte, wenn sich die Neutralität als zukünftiges
Mittel zur Wahrung der äußeren Sicherheit nicht mehr bewährt, theoretisch auf diese verzichten.
Jedoch hat sich die mittlerweile über Jahrhunderte praktizierte Neutralität historisch betrachtet
positiv bewährt (z.B 1ter und 2ter WK) und das Prinzip der Neutralität ist im Volk fast zum Dogma
und elementaren Wert zur Wahrung der Souveränität geworden. 52 Zudem gilt die Schweiz auch in
der Gegenwart aufgrund ihrer Neutralität als geschätzter Mediator und Verhandlungsort für
internationale Konfliktparteien.53 Dennoch erhebt sich seit Jahren Kritik gegen eine strikte
Fortführung der Neutralität, denn so wird auch diese als nicht mehr zeitgemäß und effektiv
betrachtet.54 So ist hier etwa auf das veränderte direkte Umfeld der Schweiz zu verweisen, auf
Nachbarstaaten, welche vermehrt Souveränität übertragen, gemeinsam kooperieren und, anstatt
sich auf gegenseitige kriegerische Auseinandersetzungen vorzubereiten, gemeinsam militärische
Zusammenarbeit üben.55 Auch der Beitritt der drei neutralen Länder Schweden, Finnland und
Österreich zur EU wäre zu Zeiten des Kalten Krieges noch vollkommen undenkbar gewesen und hat
in der Schweiz zu Diskussionen geführt, ob und wie ein EU Beitritt mit dem Prinzip der Neutralität
vereinbar sei. Insbesondere stellt sich hier die Frage nach der Vereinbarkeit der schweizerischen
Neutralität und der Teilnahme an bspw. ausgesprochenen Sanktionen der EU gegen andere
Nationen.56 Fakt ist, dass die Bedeutung und der Inhalt der schweizerischen Neutralität häufiger
historischen Veränderungen unterworfen war und von der Schweiz immer wieder der
internationalen Notwendigkeit und Situation angepasst wurde. 57 Waren z.B. der Beitritt zum
Europarat sowie zur UNO einst mit der Neutralität unvereinbar, ist die Schweiz seit 1963 im
Europarat und seit 2002 in der UNO vertreten. 58 Auch nimmt die Schweiz mittlerweile auf
Grundlage der Art. 39ff SVN an vereinbarten Sanktionen teil. 59 Der inhaltliche Wandel bzw. die
Reduktion der Neutralität auf ihren Kerngehalt, dass diese nur bei einem bewaffneten Konflikt
zwischen souveränen Staaten zum Tragen kommt, führte zumindest in der Wissenschaft zu der
Ansicht, dass die Neutralitätspolitik der Schweiz einem Beitritt zur EU nicht im Wege stehe. So
sprach sich vor kurzem der Europäische Rat anerkennend über die Zusammenarbeit auf dem
52 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 17.
53 Bahadir, Aydan: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 11.
54 Vgl. Bronska, Justyna: Die Schweiz in Europa: Mittendrin, doch außen vor?. Auswirkungen eines EU-Beitritts im
Kontext der Erfahrungen Österreichs, Marburg, 2009, S. 129ff / Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 1ff.
55 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 26.
56 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 15.
57 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 82.
58 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S.65.
59 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 66.
9
Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) insbesondere über die (freiwillige)
Beteiligung der Schweiz an restriktiven Maßnahmen der EU sowie die Teilnahme an EU Missionen
aus.60 Die Neutralität der Schweiz muss also immer aus der Perspektive von Mittel und Ziel
betrachtet werden. Wenn die Neutralität als Instrument nicht mehr tauglich ist oder die Nachteile
überwiegen, kann und müsste sie auch aufgegeben werden. 61 Doch ebenso wie die Bedeutung und
Zustimmung zur Souveränität fest im Volk verankert ist, gilt auch die Neutralität für viele Schweizer
als fester Bestandteil ihrer Identität und weiterhin als beste Maxime zur Wahrung ihrer
Unabhängigkeit.62 Dies wird dadurch verstärkt, dass in der Schweiz, aufgrund ihrer Nichtteilnahme
an den beiden Weltkriegen, ein wesentliches Motiv der Europäischen Integration, nämlich die
Verhinderung weiterer Kriege zwischen den ehemals verfeindeten Nationen, fehlt. 63
C. Föderalismus
Ebenfalls ein Pfeiler des schweizerischen Staatsverständnisses ist die föderalistische Staatsidee,
welche sich auf historische und kulturelle Erfahrungen der Schweizer gründet. Schon in Art. 1 der
Schweizer Bundesverfassung steht, dass das Schweizervolk und die 26 Kantone die Schweizerische
Eidgenossenschaft bilden. So wie die Staatsgründung der Schweiz historisch von unten nach oben
verlief, verläuft auch die moderne politische Weichenstellung von unten nach oben, d.h. dass letztendlich das Volk entscheidet.64 Kennzeichen föderaler Staaten ist häufig eine ausgeprägte Teilhabe
und Mitwirkung des Volkes sowie ein fortgeschrittenes zivilgesellschaftliches Engagement. 65 Da in
einem föderalistischen Staat auch die unteren Ebenen aufgrund von Kompetenzübertragung über
mehrere Stufen an der Willensbildung des Zentralstaates beteiligt sind, sind Regelungen über
Handlungskompetenzen und Entscheidungsverfahren von großer Bedeutung. 66 Den Kantonen wird
nach Art. 3 BV die Souveränität bei allen Rechten, welche nicht von der Bundesverfassung
beschränkt, bspw. dem Bund übergeben sind, zugesprochen. Stets ist jedoch bei der Zuweisung
und Erfüllung von staatlichen Aufgaben nach Art. 5a der Schweizer Bundesverfassung der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten. Duchacek definierte den Kerngehalt des Föderalismus in der
60 Vgl. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem homogenen erweiterten Binnenmarkt
und den Beziehungen der EU zu nicht der EU angehörenden westeuropäischen Ländern, 16-12-2014, S 15.
61 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 18.
62 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 87 / Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige
Schweiz, 1996, S. 56.
63 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 65.
64 Vgl. Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz, 1996, S. 11f.
65 Vgl. Würth, Benedikt: Dauerbaustelle Föderalismus, In NZZ, 21.10.2014, Nr. 244, S. 21.
66 Vgl. Blöchlinger, Hansjörg/Avenir Suisse (Hrsg.): Baustelle Föderalismus, Zürich, 2005. S. 44f.
10
Suche nach einer gesamtstaatlichen Einheit bei größtmöglicher Autonomie ihrer Gliedstaaten. 67
Idealtypisch trägt der Föderalismus zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit eines Staates bei,
steht er doch für die Entlastung zentraler Entscheidungsinstanzen, eine erhöhte Machtkontrolle
des demokratischen Regierungssystems, den verstärkten Schutz von Minderheiten und für
effizientere Durchsetzungsmöglichkeiten dezentral organisierter Interessen. 68 Gerade in der
kulturell vielfältigen Schweiz hat der Föderalismus die Aufgabe, die “Einheit der Vielfalt“ zu sichern.
Ebenfalls steht das föderalistische System für einen Leistungs- und Ideenwettbewerb, denn
föderalistische Strukturen können neue Ideen viel besser aufgreifen und austesten und dabei
innovative und kreative Lösungen hervorbringen. 69 Dieses Wettbewerbspotential geht vielen
Staaten verloren. Doch auch föderalistischen Staaten stellt sich die Frage, wie viel Wettbewerb in
einem föderalen System angemessen und vorteilhaft ist.70
Im internationalen Vergleich gewährt kein föderalistischer Staat seinen Gebietskörperschaften so
viele Kompetenzen wie die Schweiz, welche zudem das dezentralisierteste und auch kleinräumigste
Land der Welt ist.71 Acht Millionen Einwohner verteilen sich auf 26 Kantone und 2250 Gemeinden.
Durch diese Ausmaße sowie die Kombination von Kleinstaatlichkeit und Dezentralisierung bildet
die Schweiz einen Sonderfall. Lange Zeit haben Politik und Wissenschaft das Ideal des schweizerischen Föderalismus verteidigt und auch im Ausland galt das Schweizer Föderalismusmodel als
vorbildlich.72 Doch auch der schweizerische Föderalismus steht vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen, muss er doch, um effizient zu sein, mit den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen
Schritt halten. Immer häufiger wird der Begriff Föderalismus in der Schweiz auch im Zusammenhang mit unzureichender, aufwendiger und kostspieliger Koordination über kantonale und kommunale Grenzen, wettbewerbsfeindlichen Nachteilen, intransparenten Entscheidungsverfahren,
gegenseitiger kantonaler Abschottung und einer stetig zunehmenden Zentralisierung erwähnt. 73
Besonders kleine Kantone haben Probleme, die Vielzahl von Aufgaben selbst zu erfüllen, und sind
67 Vgl. Linder, Wolf: Kompetenzzuordnung und Wettbewerb im Föderalismus, Vortrag am Föderalismussymposium
des Eucken Instituts Freiburg, am 08.03.2013 / Lindner, Wolf: Schweizerische Demokratie. Institutionen – Prozesse
– Perspektiven, 3 Auflage, Bern, 2012, S.155.
68 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 48 .
69 Vgl. Würth, B.: Dauerbaustelle Föderalismus, 21.10.2014, S. 21 / Blöchliger, Hansjörg: Der Schweizer Föderalismus:
eine Wachstumsbremse?, In: Schweizer Monatshefte: Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur, 2005, Band 85,
Heft 5, S. 17.
70 Vgl. Linder, W: Kompetenzzuordnung und Wettbewerb im Föderalismus, Vortrag, 08.03.2013.
71 Vgl. Blöchlinger, H./Avenir Suisse (Hrsg.): Baustelle Föderalismus, 2005, S.39f / Köppl, Stefan/Kranenpohl, Uwe
(Hrsg.): Konkordanzdemokratie. Ein Demokratietyp der Vergangenheit?, Baden-Baden, 2012, S. 61.
72 Vgl. Blöchliger, H.: Der Schweizer Föderalismus: eine Wachstumsbremse?, 2005, S. 15.
73 Vgl. Blöchliger, H.: Der Schweizer Föderalismus: eine Wachstumsbremse?, 2005, S. 15.
11
immer mehr auf Unterstützung von größeren und wirtschaftlich stärkeren Kantonen angewiesen. 74
Dieser kooperative Föderalismus führt kleinere Kantone in ein Abhängigkeitsverhältnis und nimmt
ihnen ihre Autonomie.
Ebenso stellt die stetig an Bedeutung gewinnende Europapolitik eine weitere Herausforderung für
den Schweizer Föderalismus dar und ist Anlass vieler Beschwerden auf Seiten der Kantone. 75
Aufgrund der wachsenden Mobilität und der stetig steigenden Zahl internationaler Verträge findet
im föderalen System der Schweiz eine zunehmende Zentralisierung statt. 76 Immer mehr Staatsverträge des Bundes betreffen Kompetenzbereiche der Kantone und schränken diese dadurch in ihrer
Autonomie ein.77 Trotz einer im schweizerischen Föderalismus strikten Trennung von Kompetenzen
zwischen Bund und Kantonen haben die Kompetenzen des Bundes, verglichen mit denen der
Kantone, stark zugenommen und eine gegenteilige Tendenz ist nicht erkennbar. 78 Die
föderalistische Struktur der Schweiz könnte in Hinblick auf eine vertiefte Integration mit der EU
somit auch eine vermehrt integrationshemmende Rolle einnehmen. 79 Denn für die subnationalen
Einheiten der Schweiz geht es also vor allem um die Frage, wie sie im Prozess der europäischen
Integration ihre Stimme wirksam einfließen lassen und ihre Kompetenzen erhalten können. 80
Ungeachtet der Tatsache, dass das schweizerische Föderalismusmodell auch Inspiration und
Vorbildfunktion für die EU war/ist und die EU den Regionen einen hohen Stellenwert anerkennt,
gilt einer Vielzahl von Schweizer Bürgern der Brüsseler Verwaltungsapparat gleichermaßen als
mächtig sowie bürgerfern.81 In der Konsequenz ergibt sich die Befürchtung, inwieweit lokale
Freiheiten und Selbstbestimmung durch ein als statisch und uniform geltendes Verwaltungsregime
garantiert werden können. Auch wenn der Bund im derzeitigen Föderalismusbericht von einer
stetig intensivierten Zusammenarbeit mit den Kantonen in puncto Europapolitik spricht, beklagen
sich die Kantone weiterhin, dass sie ihre verfassungsmäßig garantierten Informations- und
Mitwirkungsrechte immer wieder mit Nachdruck einfordern müssen. 82 Dem ursprünglich strikten
74 Vgl. Lindner, Wolf: Schweizerische Demokratie. Institutionen – Prozesse – Perspektiven, 3 Auflage, Bern, 2012, S.
210.
75 Vgl. Ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit (Hrsg.): Monitoringbericht Föderalismus 2011–2013,
Solothurn, 20.06.2014, S. 51.
76 Vgl. Gratwohl, Natalie: Schleichende Entmachtung, In: NZZ, 11.03.2013, Nr. 58, S. 18.
77 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 267.
78 Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 268 / Ch Stiftung für
eidgenössische Zusammenarbeit: Monitoringbericht Föderalismus 2011–2013, 2014, S. 27.
79 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 67.
80 Vgl. Linder, W.: Kompetenzzuordnung und Wettbewerb im Föderalismus, Vortrag, 08.03.2013.
81 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 55f.
82 Vgl. Ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit: Monitoringbericht Föderalismus 2011–2013, 2014, S. 51.
12
schweizerischen Prinzip von Föderalismus und Subsidiarität entspricht dies immer weniger. Doch
steht den Kantonen ein sehr wirksames Mittel zur Verfügung, das sogenannte Ständemehr. Das für
Verfassungsänderungen neben der Abstimmungsmehrheit des Volkes benötigte Ständemehr ist
das bedeutendste kantonale Mitwirkungsrecht und für den föderativen Aufbau der Schweiz
fundamental.83 Durch dieses Mittel haben Kantone die Möglichkeit, Eingriffe des Bundes in den
föderalen Aufbau der Schweiz sowie Kompetenzzuweisungen an den Bund zu verhindern, da diese
die Zustimmung einer Mehrheit der Kantone benötigen. Auch wenn in der Vergangenheit erst
wenige Abstimmungen am Ständemehr gescheitert sind, beeinflusst die bloße Existenz des
Ständemehrs die Bundespolitik jedoch erheblich. 84 Unabhängig von ihrer Bevölkerungsgröße wird
den Kantonen ein erhebliches Mitwirkungsrecht bei wichtigen politisches Entscheidungen
gegeben, so bspw. auch bei einer eventuellen zukünftigen Beitrittsentscheidung zur EU nach Art.
140 Abs. 1 lit. b der Bundesverfassung. Aufgrund des offensichtlichen Widerspruchs zum
Demokratieprinzip bei Volksabstimmungen gehört das Ständemehr auch zu den meist kritisierten
vertikalen föderalistischen Institutionen.85
D. Direkte Demokratie
Ebenfalls charakteristisch für die Schweiz und zentraler Bestandteil ihrer politischen Kultur ist die
Art und Weise der Umsetzung der Direkten Demokratie. Im modernen Verständnis bedeutet
Direkte Demokratie jegliche durch die Verfassung sowie durch andere Rechtsvorschriften
ermöglichte Verfahren, durch welche stimmberechtigte Bewohner eines Staates, eines
Bundeslandes, einer Gemeinde oder anderer Gliedstaaten politische Sachfragen durch
Abstimmung selbstständig und unmittelbar entscheiden bzw. selbst auf die Agenda setzen. 86
In der Schweiz wurde sowohl auf Bundesebene als auch auf Kantonsebene ein Mischsystem von
direkter und repräsentativer Demokratie verwirklicht. Die Schweizer Demokratieform wird infolgedessen als halbdirekte Demokratie bezeichnet.87 Bemerkenswert und weltweit außergewöhnlich ist
das Ausmaß an Kontroll- und Mitbestimmungsbefugnissen, welches den Schweizer Bürgern
gewährt wird.88 Im Grundsatz gibt es keinen Gegenstand, der von der Direkten Demokratie ausge83 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 56.
84 Vgl. Senti, Martin: Föderalismus bedeutet nicht zwingend dezentrale Politik, In NZZ, 18.11.2014, Nr. 146, S. 11.
85 Vgl. Senti, M.: Föderalismus bedeutent nicht zwingend dezentrale Politik, 18.11.2014, S, 11 / Sager Fritz/Vatter
Adrian : Föderalismus contra Demokratie, In: NZZ, 06.03.2013, Nr. 54, S. 15.
86 Vgl. Kost, Andreas: Direkte Demokratie, 2 Auflage, Wiesbaden, 2013, S. 10.
87 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 61.
88 Vgl. Kost, A.: Direkte Demokratie, 2013, S. 79.
13
nommen ist.89 Die stimmberechtigte Schweizer Bevölkerung hat somit die Möglichkeit sich auch zu
sehr wichtigen politischen Sachfragen direkt zu äußern bzw. eigene Interessen zu wichtigen politischen Themen zu erheben.90 Diese direkte Einflussnahme der Bevölkerung auf Entscheidungen von
Parlament und Regierung führen zu einer vorsichtigen und Kompromiss orientierten Vorgehensweise der staatlichen Organe, da diese stets die Meinung des Volkes beachten müssen. 91 Die Volksrechte und das Volk gelten somit auch als zusätzliche Opposition sowie als oberste Kontrollinstanz,
welche eine permanente Überwachung der politischen Eliten ermöglicht. 92 Auch wenn es auf den
unterschiedlichen Ebenen des Staates eine Vielzahl von relevanten und interessanten direktdemokratischen Instrumenten gibt, welche die Politik in der Schweiz gestalten, möchte ich in dieser
Arbeit nur auf die wichtigsten drei Instrumente auf der Bundesebene, neben den Volkswahlen,
eingehen. Diese sind: das obligatorische Referendum, das aktive Referendum über Regierungsvorlagen, auch fakultatives Referendum genannt, und das aktive Referendum über Oppositionsvorlagen, die sogenannte Volksinitiative.
Das obligatorische (Verfassungs-)Referendum kann als das wohl wichtigste Instrument bezeichnet
werden.93 Sobald ein von der Regierung erlassenes Gesetz unter den Art. 140 BV fällt – dies ist
besonders bei Verfassungsänderungen oder bspw. dem Beitritt zu einer supranationalen Organisation der Fall –, muss dies zwingend dem Volk für eine Volksabstimmung mit notwendigem Ständemehr vorgelegt werden.94 Diese Art der Abstimmungen sind recht häufig, da der Schweizer Föderalismus etwa bei jeder neuen Bundeskompetenz die Zustimmung von Volk und Kantonen verlangt.
Jedoch wird diesem Referendum auch eine Stärkung des Demokratieprinzips zugesprochen, da die
Vorlagen der Regierung der politischen Haltung der Stimmbürger angepasst werden müssen. Bei
dem sogenannten fakultativen Referendum besteht hingegen per Gesetz keine Verpflichtung,
Vorlagen der Regierung durch das Volk bestätigen zu lassen. 95 Dennoch besteht die Möglichkeit,
aufgrund eines besonderen Begehrens und mit einem Nachweis von 50.000 Stimmen, welche
innerhalb von 100 Tagen gesammelt werden müssen, die Vorlage der Regierung doch noch einer
89 Vgl. Linder, Wolf: Direkte Demokratie in der Schweiz: Erfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten, Vortrag im
Rahmen der Veranstaltung „Partner im Dialog“: Volksentscheide, Demokratie und Rechtsstaat, Landtag Rheinland
Pfalz, 04.05.2011.
90 Vgl. Frey, Bruno/Marti, Claudia: Glück. Die Sicht der Ökonomie, Zürich/Chur, 2010, S. 83.
91 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 49 / Steppacher, B.: Schritte zur
Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 22.
92 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 266.
93 Vgl. Christmann, Anna: Die Grenzen direkter Demokratie. Volksentscheide im Spannungsverhältnis von
Demokratie und Rechtsstaat, Baden-Baden, 2012, S. 52.
94 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 52 / Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa,
2005, S. 69.
95 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 53.
14
Volksabstimmung (jedoch ohne notwendiges Ständemehr) zu unterziehen. 96 Bedenkt man die
niedrige Anzahl von erforderlichen Stimmen zur Einleitung eines Referendums – ca. 1% der
Stimmberechtigten –, ist es erstaunlich, dass 93% der Gesetze ohne vorheriges Referendum in
Kraft treten.97 Dies ist in der Regel aber mehr auf Verhandlungsgeschick sowie eine allgemein große
Kompromissbereitschaft zurückzuführen. Denn, auch wenn fakultative Referenden selten eingeleitet werden, haben diese doch eine recht hohe Chance, die Vorlage der Regierung in einer
Volksabstimmung zu Fall zu bringen. So ist oft bereits die bloße Androhung eines Referendums ein
erfolgreiches Druckmittel.98
Wenn auch nicht das wichtigste aber wohl bekannteste Instrument, welches auch zur Einleitung
der MEI genutzt wurde, ist die Volksinitiative. Um eine Volksinitiative einzuleiten, ist eine Anzahl
von 100.000 Stimmen notwendig, welche innerhalb von 18 Monaten nach Einreichung der Vorlage
vorgewiesen werden müssen.99 Somit können bzw. sollen gerade auch Minderheiten vom Instrument der Volksinitiative Gebrauch machen.100 Die Initiative bzw. das Begehren des Volkes richtet
sich entweder an das Parlament oder direkt an das Volk. 101 Entscheidet sich das Parlament zur
direkten Annahme des Initiativbegehrens, wird dieses je nach Inhalt dem obligatorischen oder
fakultativen Referendum unterstellt. Auch Verfassungsänderungen sind per Volksbegehren
möglich, unterliegen dann aber zusätzlich dem Ständemehr. 102 Meist wird der Antrag jedoch vom
Parlament abgelehnt und muss dem Volk darauf zur Abstimmung vorgelegt werden. Zudem muss
der Bundesrat bei erfolgreicher Aufbringung der notwendigen Unterschriften die Initiative für die
folgende Volksabstimmung zusammenfassen und in einer Botschaft die rechtlichen Aspekte sowie
die wohl zu erwartenden Auswirkungen darlegen. Schließlich erfolgt eine Empfehlung an das
Parlament, ob die Initiative abgelehnt oder angenommen werden sollte. Betreffend des Aufbaus
einer Volksinitiative ist zwischen einer bloßen Anregung oder einer bereits vollständig
ausgearbeiteten und ausformulierten Initiative zu unterscheiden.103 Während eine Initiative in Form
einer Anregung das Parlament dazu auffordert, in eine bestimmten Richtung aktiv zu werden und
dem Parlament bei der Ausarbeitung einen Handlungsspielraum gibt, kann der bereits
ausgearbeitete Entwurf unmittelbar in die Bundesverfassung übernommen werden und gibt dem
96
97
98
99
100
101
102
103
Vgl. Kost, A.: Direkte Demokratie, 2013, S.78 / Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 70.
Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 273.
Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 70.
Vgl. ebd., S. 73.
Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 54.
Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 72.
Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 89f.
Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S.72.
15
Parlament häufig keinerlei oder wenig Gestaltungsspielraum. Beide Initiativen sind rechtlich
betrachtet vollkommen gleichberechtigt, jedoch besteht bei der nicht vorformulierten Initiative die
Gefahr, dass das Parlament bei der Ausgestaltung der Initiative die Absicht der Initiatoren
verkennt. Auch wenn die Volksinitiative im Gegensatz zum Referendum wesentlich zahlreicher ist,
werden 9 von 10 Initiativen bei der Abstimmung vom Volk abgelehnt. 104 Dennoch gilt die
Volksinitiative im Gegensatz zum Referendum als besonders dynamisches und aktivierendes
Volksrecht, welches das Demokratieprinzip noch deutlicher stärkt.105 Umfragen haben ergeben,
dass die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung in Abhängigkeit mit den zur Verfügung stehenden
direktdemokratischen Möglichkeiten steigt.106 Der Großteil der Schweizer steht der Direkten
Demokratie in ihrem Land wohlwollend gegenüber und bewertet Instrumente wie das Referendum
sowie die Initiative wichtiger als Wahlen. Dennoch gibt es vor allem in intellektuellen Kreisen eine
zunehmende Zahl an Menschen, die auf Probleme der derzeitigen Direkten Demokratie
aufmerksam macht und Reformen für wichtig erachtet. Kritisiert werden dabei vor allem die
langsame Umsetzung von Initiativen, der Missbrauch von Referenden zum Hinauszögern von
sozialen und politischen Entscheidungen, eine Erschwerung der außenwirtschaftlichen Öffnung der
Schweiz, das "doppelte Mehr", die geringe Stimmbeteiligung bei Abstimmungen, der Konflikt
zwischen dem rechtsstaatlichen und dem demokratischen Prinzip sowie die zunehmende Anzahl
von inhaltlich extremen Volksabstimmungen, welche zu einer immer größeren Unsicherheit für
den Rechtsstaat und die Wirtschaft wird.107 Da sich einige dieser Punkte auch auf die derzeitige
sowie zukünftige Beziehung zur EU auswirken und für die Umsetzung der MEI von Relevanz sind,
werden sie verkürzt dargestellt.
Wie bereits beschrieben, haben die Schweizer durch das Instrument des Referendums die Möglichkeit, Gesetze oder auch bereits fertig ausgehandelte Verträge abzulehnen. 108 Lediglich 50 000
Unterschriften sind notwendig, um ein Referendum zu lancieren und damit eine Entscheidung
mindestens längerfristig zu verzögern. Berücksichtigt man zudem die aus einer Vielzahl an Gründen
eher wertkonservativ und Veränderungen kritisch gegenüber gestellte Bevölkerung, haben
Befürworter des Status quo zusammen mit den sogenannten chronischen Nein-Sagern sehr gute
104 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 268.
105 Vgl. Kost, A.: Direkte Demokratie, 2013, S. 78 / Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 53.
106 Vgl. Frey, B./Marti, C.: Glück. Die Sicht der Ökonomie, 2010, S. 86 / Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012,
S. 266.
107 Vgl. Brunetti, Aymo, u.a.: Die Schweiz in der europapolitischen Zwickmühle. Wirtschaftliche Umverteilung als
entscheidender Faktor in der Aussenpolitk, Zürich, 1999, S. 14. / Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter
Demokratie, 2012, S. 62ff.
108 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 48.
16
Chancen, Entscheidungen nicht nur zu verzögern, sondern auch zu Fall zu bringen. 109 Das eigentlich
besonders im Hinblick auf den Schutz der Minderheiten eingeführte fakultative Referendum wurde
im Laufe der Zeit zu einem höchst wirksamen Druckmittel der Opposition. 110 Das wohl
prominentestes Beispiel für den Missbrauch des Referendums war die Abstimmung über das
Frauenwahlrecht, welches im Jahre 1971 in der Schweiz eingeführt wurde. Dieses hatte jedoch
"bereits" 1959 eine Zustimmung vom Parlament erhalten, wurde dann jedoch in einem späteren
Referendum von den ausschließlich männlichen Abstimmungsberechtigten abgelehnt. Ebenfalls
kritisiert werden die geringe Stimmbeteiligung sowie das Abstimmungsverhalten. Je nach Thema
liegt die Stimmbeteiligung bei ca. 43% und damit unter dem kritischen Wert von 50%, welcher von
vielen für die Legitimität von politischen Entscheidungen betrachtet wird. 111 Im internationalen
Vergleich gilt die Schweiz als Nation mit sehr niedriger Stimmbeteiligung. 112 Bedenkt man jedoch,
dass die Schweizer Stimmberechtigten auf Bundes- und Kantonalebene zusammengenommen
jährlich etwa zu 20-30 Fragen Stellung nehmen können, bildet die Stimmbeteiligung kein wirklich
relevantes Bewertungskriterium.113 In puncto Abstimmungsverhalten wird häufig auf eine zu geringe Kompetenz der Stimmbürger bei teilweise sehr komplexen Abstimmungsthemen verwiesen. 114
Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Stimmbürger in der Regel nicht sehr gut
informiert sind und viele aufgrund der komplexen Themen und der daraus folgenden
Überforderung der Urne fernbleiben.115 Zudem werden die immer weiter zunehmenden
populistischen Mobilisierungen kritisiert.116 Immer häufiger wird in Abstimmungen durch
populistische Rhetorik der Eindruck erzeugt, dass ein Angriff auf die bewährte und hart erkämpfte
schweizerische Werteordnung vorliegt und für Kompromisse kein Platz sei. 117 Besonders im Fokus
liegt hier die zunehmende Integrationspolitik der Schweiz in Richtung EU.
Das wohl derzeit schwerwiegendste Problem ist die stetig steigende Zahl von Volksinitiativen. Denn
auf der einen Seite wird die Gesetzgebung durch die Flut an Initiativen verlangsamt und auf der
109 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 49 / Hollmann, A.: Die
Schweizer und Europa, 2005, S. 75.
110 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 268.
111 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 309 / Serdült, Uwe: Partizipation als Norm und Artefakt in
der schweizerischen Abstimmungsdemokratie, In: Festschrift Andreas Auer, Direkte Demokratie, 2013, S. 45 /
Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Statistik, Stimmbeteiligung seit 1990 einsehbar unter:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/17/03/blank/key/stimmbeteiligung.html (letzter Zugriff
23.08.2015).
112 Vgl. Serdült, U.: Partizipation als Norm und Artefakt in der schweizerischen Abstimmungsdemokratie, 2013, S. 46.
113 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 312.
114 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 68.
115 Vgl. ebd., S. 123.
116 Vgl. Köppl/Kranenpohl: Konkordanzdemokratie, 2012, S. 293.
117 Vgl. ebd., S. 306.
17
anderen Seite werden die Inhalte der Initiative immer extremer. 118 In der 120-jährigen Geschichte
der Initiativen stellte das Jahr 2014 mit neun Initiativen, welche dem Volk zur Abstimmung
vorgelegt und von denen zwei angenommen wurden, ein Novum dar. 119 Die zunehmende Anzahl
von Initiativen lässt sich wohl auch an den Hürden für das Einreichen einer Volksinitiative aufzei gen. Waren bei der Einführung des Instruments der Volksinitiative, sowie im letzten Jahrhundert,
ca. zwischen 8 und 10% der Stimmberechtigten zur Einleitung einer Volksinitiative notwendig, sind
aufgrund der demographischen Entwicklung sowie der Einführung des Frauenwahlrechts heute
keine zwei Prozent mehr notwendig.120 Die geschätzten Kosten einer Unterschrift für die notwendigen 100 000 Unterschriften bewegen sich damit heute etwa im Rahmen zwischen zwei bis sechs
Franken.121 Das heißt, die Einleitung einer Initiative kostet je nach Thema und notwendigem
Aufwand zwischen 200 und 600 tausend Franken. Rechtlich gesehen könnte das Parlament – durch
seine verfassungsrechtliche Aufgabe als Schiedsrichter – Volksinitiativen bei Rechtsmängeln für
ungültig erklären.122 Geprüft wird dabei lediglich die Beachtung der Einheit von Form und Materie
sowie mögliche Verletzungen zwingender Bestimmungen des Völkerrechts. 123 Jedoch nutzt das
Parlament diese Kompetenz kaum, denn es gilt die Devise: im Zweifelsfall für die Initiative. Lediglich vier der über 300 zustande gekommenen Initiativen wurden für ungültig erklärt. 124
Insbesondere Initiativen, welche lediglich im Widerspruch zum “einfachen“ Völkerrecht stehen,
werden dem Volk vorgelegt und führen im Falle ihrer Annahme bei den Umsetzungsbehörden
regelmäßig zu einer Gratwanderung zwischen der Erfüllung verfassungsrechtlicher Aufgaben und
der
Achtung
des
Völkerrechts.125
Zwar
wurde
intensiv
über
eine
Erweiterung
der
Ungültigkeitsgründe126 debattiert, bisher jedoch ohne großen Erfolg. Besonders bei Abstimmungen
über Grundrechte tritt der Konflikt zwischen dem rechtsstaatlichen und dem demokratischen
Prinzip deutlich zum Vorschein.127 In der Vergangenheit hat das Schweizer Stimmvolk bereits
118 Vgl. Vuichard, Florence: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, In Bilanz, 01/2015, S. 48f.
119 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 01/2015, S. 48f.
120 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 01/2015, S. 48f / Hollmann, A.: Die Schweizer und
Europa, 2005, S. 86.
121 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 296.
122 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015.
123 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 349.
124 Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 276.
125 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 350f.
126 Vgl. Zur Problematik einer Erweiterung der Ungültigkeitsgründe vgl. insb.: Nay, Giusep: Das Volk hat nicht immer
Recht- Zur Erweiterung der Ungültigkeitsgründe für eidgenössische Volksinitiativen, In: Festschrift Andreas Auer,
Direkte Demokratie, 2013, S. 163ff.
127 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 62.
18
mehrere für die Grundrechte potentiell problematische Volksinitiativen umgesetzt. Die
Minarettverbotsinitiative ist wohl dabei die bekannteste der derzeit vier 128 Volksinitiativen, welche
bspw. gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.129 Als Gründe für die
Annahme solch offensichtlich gegen Grund- und Menschenrechte verstoßenden Initiativen wird
neben oben genanten Gründen auch auf das fehlende Verantwortungsbewusstsein der
Stimmbürger verwiesen.130 Aufgrund der Anonymität bei der Stimmabgabe muss sich der
Stimmbürger nie für seine Entscheidung rechtfertigen und kann für diese auch nicht zur
Verantwortung gezogen werden. Die Schweiz hat an Attraktivität verloren, denn die Vielzahl von
Initiativen schafft sowohl für die Wirtschaft als auch für den Rechtsstaat Unsicherheiten. 131
Besonders in rechtsstaatlichen- sowie menschenrechtsengagierten Kreisen werden die
Forderungen nach Reformen immer lauter, damit gewisse Initiativen in Zukunft nicht mehr
zugelassen werden können.132 Doch bedeutende Reformen sind nicht in Sicht. Dies liegt zum einen
daran, dass es eine deutliche Trennung zwischen Befürwortern und Gegnern von Reformen gibt. 133
Insbesondere die SVP stellt sich gegen jede Form der möglichen Einschränkung von Volksrechten.
Befürworter von Reformen werden zudem schnell als Totengräber der Demokratie verschrien und
müssen um ihr gesellschaftliches Ansehen fürchten. 134 Des Weiteren stellt bei verfassungsändernden Reformen die Hürde des doppelten Mehr, also die Zustimmung von Volks- und Ständemehr,
eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Insbesondere Kantone mit eher konservativer Haltung haben bei
solchen Abstimmungen unabhängig von ihrer Bevölkerungsgröße eine erhebliche Begünstigung.
Selbst wenn sich eine zu Reformen entschlossene Mehrheit im Volk finden würde, könnten die
Reformen am Ständemehr scheitern.135 Auch durch diese Regelung gehört die Schweiz auf der
einen Seite zu den Ländern mit den höchsten Hürden für Verfassungsänderungen und auf der
anderen Seite wird das Ständemehr häufig als integrationsfeindlich 136 und undemokratisch
128 Nachzulesen in den dazugehörigen Botschaften des Bundesrates sind die anderen drei Initiativen: die
Verwahrungsinitiative, die Einbürgerungsinitiative und die Ausschaffungsinitiative.
129 Vgl. Nay, G.: Das Volk hat nicht immer Recht- Zur Erweiterung der Ungültigkeitsgründe für eidgenössische
Volksinitiativen, 2013, S. 171.
130 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 66.
131 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015.
132 Vgl. Nay, G.: Das Volk hat nicht immer Recht- Zur Erweiterung der Ungültigkeitsgründe für eidgenössische
Volksinitiativen, 2013, S. 171.
133 Vgl. Christmann, A.: Die Grenzen direkter Demokratie, 2012, S. 227f.
134 Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015.
135 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 70.
136 Das deutliche EWR Nein der Stände führte bspw. dazu, dass die europapolitische Debbate, die Bilateralen
Verhandlungen mit der EU sowie weitergehende Integrationsschritte präventiv ausgebremst wurden. Vgl.
Sager/Vatter: Föderalismus contra Demokratie, 06.03.2013, S. 15.
19
angesehen.137 Trotz der gegenwärtigen Situation sowie der Kritik hat sich die Direkte Demokratie in
der Schweiz bewährt und gilt in der Bevölkerung als feste und zu bewahrende Institution. Im
Hinblick auf die europäische Integration veranschaulicht die weitreichende Form der Direkten
Demokratie innerhalb der Schweiz ein Demokratiedefizit in der EU. 138 Auch wenn das
Demokratieprinzip in der EU selbstverständlich zu den elementarsten Prinzipien gehört, welches
die EU sich selbst sowie Drittstaaten gegenüber abfordert, bestehen Demokratiedefizite weiterhin
insb. im internen Bereich des Gesetzgebungsverfahrens.139 Folglich sind es vor allem befürchtete
Eingriffe und Einschnitte innerhalb der Direkten Demokratie aufgrund der Übertragung von
Hoheitsrechten bei einer stetigen fortschreitenden Integration der Schweiz in die EU, welcher eben
diese erschweren, ja sogar als ihr größtes Hindernis gelten.140
III Historischer Überblick der Rechtsbeziehungen zwischen der Schweiz & der EU
Die Beziehungen der Schweiz zur EU sind gekennzeichnet durch Phasen der Skepsis, der zeitweili gen Isolation, der Annäherung und der Kooperation. So war die EG für Bern noch bis in die 70er
Jahre eine intellektuelle Fehlkonstruktion und deren Zusammenbruch nur eine Frage der Zeit. 141
Doch der immer stärkere Bedeutungszuwachs der EG bzw. der heutigen EU stellte die Schweizer
Regierung immer wieder vor enorme Herausforderungen und beeinflusste die Entwicklung der
Schweizer Politik in essentieller Art und Weise. 142 Heute werden die Anliegen der Schweiz und der
EU, über ein Vertragsnetz von 120 Abkommen geregelt und die Anzahl der Abkommen nimmt
weiter zu.143 Mittlerweile treffen sich fast täglich Verantwortliche der Schweiz und der EU, um
bestehende und ggf. zukünftige Abkommen zu besprechen. 144 Der hier eingeschlagene Weg
zwischen der Schweiz und der EU wird auch als Sonderweg der bilateralen Verträge bezeichnet.
Hat die EU doch erstmalig in ihrer außenpolitischen Geschichte einem Drittsaat den Zugang zu
Teilen des europäischen Binnenmarkts gewährt, ohne dabei auf dem acquis unioniaire zu
137 Vgl. Köppl/Kranenpohl: Konkordanzdemokratie, 2012, S. 63.
138 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 54.
139 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 54 / Breitenmoser, Stephan/Weyeneth, Robert: Europarecht. Unter Einbezug des Verhältnisses SchweizEU, 2 Auflage, Zürich/St. Gallen, 2014, S. 107.
140 Vgl. Iken, J.: Personenfreizügigkeit: Tendenzen und Entwicklungen in den Rechtskreisen der Schweiz und der EU,
2003, S. 60 / Brunetti, A. u.a.: Die Schweiz in der europapolitischen Zwickmühle. 1999, S. 14.
141 Vgl. Meier/Buholzer: Die Zukunft der EU und die Schweiz, 1997, S. 53.
142 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 19.
143 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 5.
144 Vgl. Bahadir, A.: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 20.
20
bestehen.145 Der bilaterale Weg könnte somit neben dem Beitritt zur EU und dem EWR als dritter
politischer Integrationsweg bezeichnet werden. Dennoch befindet sich die Schweiz in einer
kontinuierlichen und strittigen internen Debatte über den Weg und die Ziele der Europapolitik. 146
Immer häufiger tangiert europäisches Recht auch die Schweiz, welche als Nichtmitgliedsstaat der
EU darauf jedoch keinen gestalterischen Einfluss hat. Eine intensive aktive Beteiligung und
Mitgestaltung der Schweiz an der europäischen Politik könnte diese wohl als Mitgliedsstaat der EU
erreichen. Vorstöße dieser Art scheiterten jedoch immer wieder an der notwendigen Zustimmung
der Mehrheit des Volkes und der Stände. Denn bis heute befürchten große Teile des Schweizer
Volkes einen Verlust wesentlicher schweizerischer Eigenarten bei einer zu tiefen Integration in die
EU.147 Im Hintergrund der oben erläuterten institutionellen und politischen Besonderheiten der
Schweiz sowie zum besseren Verständnis der Bedeutung der bilateralen Verträge für die Schweiz,
werden die wichtigsten historischen Gegebenheiten zwischen der Schweiz und der EG/EU hier
verkürzt dargestellt.
A. Schweizerische Interessenwahrung und die Europäische Gemeinschaft
Liefen
die
Handelsbeziehungen
zwischen
den
europäischen
Staaten
jahrzehntelang
gleichberechtigt auf Grundlage bilateraler Abkommen, bildeten sich in den 50er und 60er Jahren
des 20. Jahrhunderts in Europa zwei verschiedene Integrationsmodelle heraus. 148 Auf der einen
Seite stand die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA), welche den Mitgliedsstaaten volle
politische Handlungsfreiheit zusprach und sich auf rein wirtschaftliche Interessen beschränkte. 149
Auf der anderen Seite stand die EG, welche neben einer wirtschaftlichen Verknüpfung auch eine
enge politische Verbindung vorsah.150 Unter den Mitgliedsstaaten wurden Schritt für Schritt
Handelsbarrieren und Zölle abgebaut sowie Standards gegenseitig angepasst. Wie auch im Zweiten
WK beruhte die Schweizer Außenpolitik auf den Elementen der Unabhängigkeit, der Souveränität
und der Neutralität. Da ein Beitritt zur EWG als eine Verletzung und Unvereinbarkeit mit der
politischen Unabhängigkeit, Neutralität und dem Föderalismus betrachtet wurde, beteiligte sich
die Schweiz maßgeblich an der Gründung der EFTA, welche 1960 realisiert wurde. Auch der 1963
145
146
147
148
Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 6.
Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 26.
Vgl. Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz, 1996, S. 13f.
Vgl. Aeppli, R. u. a.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, KOF Studien, 2,
Zürich, 2008. S. 7.
149 Vgl. Integrationsbüro EDA/EVD (Hrsg.): Bilaterale Abkommen Schweiz-EU, Bern, 2009, S. 6.
150 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 12.
21
erfolgte Beitritt zum Europarat geschah erst, als die Schweiz sich versichert hatte, dass dieser keine
supranationalen Ambitionen anstreben würde und mit den Schweizer Politikgrundsätzen vereinbar
war.151 Das Fundament des heutigen Vertragsnetzwerkes zwischen der EU und der Schweiz wurde
1972 mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EG und einzelnen EFTA-Staaten gelegt. 152 Das
Freihandelsabkommen
erleichterte
die
Wirtschaftsbeziehungen,
indem
es
den
freien
Warenverkehr mit Industriegütern zwischen der EFTA und der EWG liberalisierte. 153 Vom Schweizer
Stimmvolk wurde das Freihandelsabkommen mit über 70% Ja-Stimmen befürwortet und bildete
von da an für viele Jahrzehnte die wichtigste Rechtsgrundlage zwischen der EG und der Schweiz. 154
Die hohe Zustimmung des Volkes zum Freihandelsabkommen lag vor allem daran, dass das
Freihandelsabkommen
keine
supranationalen
Elemente
beinhaltete. 155
Aufgrund
des
wirtschaftlichen Erfolges des Freihandelsabkommens, entfiel in der Schweiz in den kommenden
Jahren eine grundlegende Debatte über das Verhältnis zu Europa.
1974 ratifizierte die Schweiz dann auch eines der wohl wichtigsten Vertragswerke der EG, die
Europäische Menschenrechtskonvention.156 In den folgenden Jahren wurde jedoch der
Bedeutungszuwachs der EG und der parallele Bedeutungsverlust der EFTA immer ersichtlicher. 157
Die einstige Phase der Distanz zwischen EFTA und EG wich in den 70er Jahren einer immer
stärkeren Annäherung an die EG.158 Bereits 1973 traten Großbritannien und Dänemark aus der EFTA
aus und traten zusammen mit Irland der EG bei. 1985 wechselte auch Portugal, in Erwartung an
der Wachstumsdynamik teilhaben zu können, in die EG. Der zunehmende Fortschritt und die
Weiterentwicklung des Integrationsprozesses der EG bspw. durch die Einheitlich Europäischen Akte
sowie das Binnenmarktprogramm führten für die Schweiz und andere EFTA Staaten zu Gefahren in
Bereichen der Wettbewerbsfähigkeit und der Diskriminierung ihrer wirtschaftlichen Produkte. 159
Um diesen Problem entgegenzuwirken, verfolgte die Schweiz zunächst eine größtmögliche
Anpassung und Vereinbarkeit von Schweizer Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht der EG.
Beitrittsfähig zu werden und zu bleiben, ohne jedoch beitreten zu müssen, galt als die Devise der
151 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 25.
152 Vgl. Jaag, Tobias: Europarecht. Die europäischen Institutionen aus schweizerischer Sicht, 3 Auflage, Zürich, 2010,
S. 389f.
153 Vgl. ebd., S. 399.
154 Vgl. Integrationsbüro EDA/EVD (Hrsg.): Bilaterale Abkommen Schweiz-EU, 2009, S. 6 / Jaag, T.: Europarecht, 2010,
S. 399.
155 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 19.
156 Vgl. Jakob, Eric/ Weber, Martin (Hrsg.): 40 Jahre Schweiz im Europarat, Basel/München, 2003, S. 31.
157 Vgl. Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 178f.
158 Vgl. Bergmann, Jan (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union, 5 Auflage, Baden-Baden, 2015, S. 252f.
159 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 20f.
22
neuen Politik der sogenannten Europafähigkeit. 160 Des Weiteren beteiligte sich die Schweiz ab 1989
und vor allem auf Druck der nordischen EFTA Staaten an den Verhandlungen zur Gründung eines
Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) zwischen der EG und den EFTA-Staaten. Nicht nur die
Verhandlungen zwischen der EG und der EFTA verliefen dabei schwierig, sondern auch die
Verhandlungen der einzelnen EFTA-Staaten untereinander. Die EG verwies recht schnell darauf,
dass der EWG-Vertrag nur eine Übergangslösung sei und vor allem der vor weiteren Beitritten
notwendigen Übernahme und Angleichung des Rechtes innerhalb der Gemeinschaft diene. 161 Die
Schweiz betrachtete den EWR hingegen zunächst als längerfristige Integrationslösung und
versuchte, die für ihre Politik wichtigen Elemente im EWR-Vertrag zu sichern und Ausnahmeregelungen hinzuzufügen. Besonders das nach Meinung anderer EFTA-Staaten unflexible und
überspitzte schweizerische Souveränitätsverständnis mit dessen Anforderungen an den auszuhandelnden Vertrag stießen auf Unverständnis.162 Dies verzögerte die Verhandlungen und führte nach
einiger Zeit dazu, dass die Schweiz sich eingestehen musste, einigen Erwartungen nicht gerecht
werden zu können. Ebenso reichten noch während der Verhandlungen Österreich und Schweden
ihr EG-Beitrittsgesuch ein.
Spätestens zu Beginn der 90er Jahre, durch das Ende des Ost-West Konflikts und die Beitrittswünsche weiterer mittel- und osteuropäischer Staaten in die EG/EU galt die EFTA nunmehr nur noch als
“EU-Wartezimmer“.163 Für die schweizerische Außenpolitik, welche vor allem eine Außenwirtschaftspolitik ist, wurden der Bedeutungsverlust der EFTA und die Verhandlungen zum EWR zu
einem immer größeren Problem.164 Während der Bundesrat im Integrationsbericht von 1988 noch
den Standpunkt vertrat, dass die Vertiefungen der Beziehungen zur Gemeinschaft nicht zum Ziel
eines Beitritts erfolgten, äußerte sich der Bundesrat 1992 dahingehend, dass ein Vollbeitritt
prioritär zu prüfende Option und Ziel der Integrationspolitik der Schweiz sein müsste. 165 Der immer
weiter zunehmende Abhängigkeit der Schweiz konnte nach damaliger Meinung nur mit einem
Beitritt166 und dem daraus resultierenden Mitbestimmungsrecht entgegengewirkt werden. 167
160 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S.21f / Steppacher, B.:
Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 124f.
161 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 22f.
162 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 306.
163 Vgl. Bergmann, J.: Handlexikon der Europäischen Union, 2015, S. 253.
164 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 19 / Thürer, D.: Perspektive
Schweiz, 1998, S. 178f.
165 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 279.
166 Weitere Gründe und Entwicklungen für den Wechsel zum Beitritt in die EG: Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen
der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 23ff.
167 Vgl. Meier/Buholzer: Die Zukunft der EU und die Schweiz, 1997, S. 54.
23
Ebenso möchte die Schweiz an einer aktiven Mitwirkung am europäischen Integrationsgeschehen
in Zukunft nicht mehr verzichten. 168 Am 20. Mai 1992 reichte die Schweiz ihr bis heute von vielen
Schweizern heftig kritisiertes Beitrittsgesuch zur EU ein. 169 Das Beitrittsgesuch der Schweiz ist
jedoch seit der negativ Abstimmung zum EWR Beitritt eingefroren, es wurde jedoch bis heute nicht
zurückgezogen.170 1992 stimmten zwar sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat dem EWR
Abkommen mit großer Mehrheit zu,171 jedoch scheiterte der EWR-Beitritt an der obligatorischen
Referendumsabstimmung, bei der sich sowohl das Volk mit 50.3% als auch die Kantone mit 16 zu 6
gegen einen Beitritt aussprachen. Auch durch den schnellen und gravierenden Wechsel der
Europapolitik hin zu einem Beitritt erreichte die Volksabstimmung zum EWR Beitritt mit fast 79%
einen Höchstwert in puncto Stimmbeteiligung und zeigte zumindest auf Seiten der Stände eine
klare Position gegen eine zu weite Integration in die Europäische Gemeinschaft. 172 Von den heute
noch vier Ländern, welche in der EFTA vertreten sind – Schweiz, Island, Norwegen und
Liechtenstein –, ist die Schweiz das einzige Land, welche nicht zu den sogenannten EFTA-EWR
Staaten zählt. Eine positive Abstimmung zum EWR-Vertrag hätte für die Schweiz eine vollständige
wirtschaftliche Integration sowie einen gleichberechtigten Zugang zum Binnenmarkt der EG
ermöglicht.173
B. Der Bilaterale Weg
Durch ihre ablehnende Haltung stand die Schweiz letztlich jedoch nicht nur gegenüber der EG
sondern auch innerhalb der EFTA zunehmend isoliert da. 174 In der Folge entschlossen sich
Parlament und Bundesrat die entstandenen Nachteile, welche durch den Nichtbeitritt zum EWR
sowie durch den eingefrorenen EG-Beitritt entstanden waren, soweit wie möglich durch die Aushandlung von bilateralen Verträgen sowie die Anpassung von Schweizer Recht an jenes der EG zu
kompensieren.175 Letzteres geschieht bis heute vor allem über die Fortführung des Grundsatzes der
168 Vgl. Steppacher, B.: Schritte zur Europäisierung der Schweiz, 1992, S. 124.
169 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 14 / Vertieft zu den
Gründen und den Reaktionen auf das Beitrittsgesuch vgl. insb. Beglinger, Martin: Le Lundi Noir, In: NZZ
Geschichte, Nr. 1, April 2015, S. 95ff.
170 Vgl. Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 399 / Beglinger, M.: Le Lundi Noir, April 2015, S. 110.
171 Vgl. Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 214.
172 Vgl. Beglinger, M.: Le Lundi Noir, April 2015, S. 102 / Hermann, Michael/Staatssekretariat für Migration (Hrsg.):
Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 44.
173 Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz Europäische Union, Bern, 2014, S. 7.
174 Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 283.
175 Vgl. Hänni, Peter (Hrsg.): Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration. Die Rolle der Kantone in
einem sich wandelnden internationalen Kontext, Zürich, 2000, S. 318 / Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der
Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 27.
24
Europafähigkeit bzw. Europakompaltibilität sowie durch den autonomen Nachvollzug. Auch wenn
die Schweiz formell betrachtet nicht dazu verpflichtet ist, EU-Recht zu übernehmen, werden bei
der Übernahme von EU-Recht zur Verwirklichung schweizerischer Interessen Abweichungen nur
vereinzelt vorgenommen.176 Dies liegt auch daran, dass der Anpassungsdruck bis in die Gegenwart
stetig zunahm. Die derzeitige Schweizerische Bundesgesetzgebung ist zu ca. 50% von EU-Recht
betroffen.177 Möglich macht dies auch die Politik der Kantone. So hat bspw. der Kanton Freiburg
1995 per Beschluss veranlasst, dass alle Personen der Kantonsverwaltung, welche mit
gesetzgeberischen Aufgaben betraut sind, neue Gesetze bzw. Gesetzesabänderungen auf ihre
Europakompatibilität hin zu überprüfen und im Falle einer Nichtkompatibilität diese zu begründen
haben.178 Wenn auch nicht immer schriftlich festgehalten, folgen heute die Kantone beim Erlassen
und Verändern von Gesetzen dem Grundsatz der Europakompatibilität. Durch die intensivierte
Politik der Europakompatibilität spätestens nach der EWR-Abstimmungsniederlage, gelangen bis
heute große Mengen europäischer Regelungen in die Schweizer Rechtsordnung, ohne dass dies
den jeweiligen Erlassen und beim Volk klar erkennbar ist.
Neben der eben genannten Vertiefung der Politik der Europakompatibilität konzentrierte sich die
Schweiz nach der gescheiterten EWR Abstimmung auf die Aushandlung sektorspeziefischer
Abkommen mit der EU.179 Die Aufnahme von Verhandlungen war besonders für die Schweiz von
erheblicher Bedeutung, da diese ihrer Wirtschaft einen diskriminierungsfreien Marktzugang
sichern wollte.180 Denn die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt war den Staaten des EWR
sowie den EU-MS vorbehalten, zu denen die Schweiz nicht zählte. 181 Die Schweiz musste diverse
Anstrengungen unternehmen, ehe es ihr gelang, die EG zu bilateralen Verhandlungen zu
bewegen.182
Fast zwei Jahre nach dem schweizerischen Verhandlungsbegehren kam die EG dem (Bitt-)Gesuch
der Schweiz zur Aufnahme bilateraler sektorieller Verhandlungen schließlich entgegen und
eröffnete Ende 1994 die formellen Verhandlungen in den folgenden sieben Bereichen: Landverkehr, Luftverkehr, Personenfreizügigkeit, Landwirtschaft, Technische Handelshemmnisse, Öffentli176
177
178
179
180
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 28.
Vgl. ebd., S. 5.
Vgl. Hänni, P.: Schweizerischer Föderalismus und europäische Integration, 2000, S. 319.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 30.
Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen
Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7.
181 Vgl. Reiterer, Michael: Die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz "dynamisieren" oder die 'Grenzen des
Bilateralismus', Vortrag Universität Basel – Europainstitut, 13.04.2011, S. 2.
182 Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 24.
25
ches Beschaffungswesen und Forschung.183 Die Verhandlungen verliefen jedoch sehr zäh, da es auf
beiden Seiten kritische Verhandlungsprobleme insb. im Bereich des Landverkehrs und der Personenfreizügigkeit gab.184 Insbesondere die Personenfreizügigkeit wurde auf Drängen der EU in das
Verhandlungspaket aufgenommen und entwickelte sich schließlich zum Kernstück der Abkommen.
Die EU Kommission stellte klar, dass es keine BIL I Verträge ohne die Personenfreizügigkeit gäbe.
Ebenso stellte die EU die Bedingungen, dass die Verträge parallel verhandelt, gleichzeitig und
gemeinsam unterzeichnet und in Kraft treten müssten. 185 Insbesondere durch den Druck Spaniens,
Portugals und Frankreich enthalten alle Verträge am Ende schließlich die so genannte “GuillotineKlausel“, durch welche bei der Kündigung bzw. Nichtverlängerung eines Abkommens alle anderen
Abkommen der BIL I außer Kraft gesetzt werden. 186 Grund für diese Klausel ist die Möglichkeit der
Schweizer während der notwendigen Volksabstimmungen zu den Verträgen, nur jene Verträge
anzunehmen, welche das Volk für vorteilhaft hält. 187 Noch während der Verhandlungen zu den
bilateralen Verträgen treten 1995 die drei neutralen Länder Finnland, Österreich und Schweden
der EU bei.188 Dies führte in der Schweiz zu neuen Diskussionen über die Vereinbarkeit der Politik
der Neutralität und einem EU Beitritt. Ebenso trat die Schweiz 1995 der WTO bei, wodurch einige
der wesentlichen Bereiche der Diskriminierung der EU gegenüber der Schweiz aufgehoben
wurden. Die BIL I Verträge werden 1999 schließlich von Bern und Brüssel unterzeichnet. 189
Nachdem das schweizerische Volk den BIL I im Jahr 2000 mit 67,2% Ja-Stimmen zugestimmt hatte,
traten die Verträge 2002 in Kraft und eröffneten der Schweiz den Zugang zum EU Binnenmarkt.
Kurz zuvor stimmten die Schweizer Stimmbürger 2001 über die Initiative “Ja zu Europa“ ab. 190 Inhalt
dieser Initiative war die Forderung an die Regierung, unverzüglich Beitrittsverhandlungen mit der
EU einzuleiten. Die Initiative wurde von den Kantonen wie auch von der Schweizer Bevölkerung mit
76,8% der Stimmen deutlich verworfen. Der Bundesrat sprach sich in seiner Empfehlung gegen die
Annahme der Initiative aus, erklärte aber im Vorfeld, dass das langfristige Ziel der Europapolitik
weiterhin der Beitritt zur EU sei.191 Einen möglichen Beitritt zur EU knüpfte der Bundesrat jedoch an
183 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 30 / Kellenberger,
Jakob: Wo liegt die Schweiz. Gedanken zum Verhältnis CH – EU, Zürich, 2014, S. 35.
184 Vgl. Meyer-Marsilius, Joachim, u.a. (Hrsg.): Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>,
Zürich, 1999, S. 505.
185 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7.
186 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 22.
187 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31.
188 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 11.
189 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7.
190 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31f.
191 Vgl. Außenpolitischer Bericht vom 15. November 2000, Präsenz und Kooperation: Interessenwahrung in einer
zusammenwachsenden Welt, BBI 2000 318f.
26
drei Bedingungen: So sollten zunächst die Erfahrungen mit den sieben bilateralen Abkommen
abgewartet und ausgewertet werden und mögliche Auswirkungen eines EU-Beitritts auf
elementare Schweizer Wirtschafts- und Politikbereiche geprüft werden, denn schließlich sollte eine
breite innenpolitische Unterstützung der bundesrätlichen Integrationspolitik vorhanden sein.
Im Jahr 2004 folgten dann die Bilateralen II 192, welche neben wirtschaftlichen Interessen auch politische Bereiche betreffen und regeln.193 Auch wenn in den BIL I bereits Absichtserklärungen zu
weiteren Verträgen bekundet wurden, zeigte sich die EU-Kommission zunächst erneut zurückhaltend. Erst im Juni 2002 begannen die Verhandlungen zu den Bilateralen II zwischen der Schweiz
und der EU, nachdem sich die Schweiz bereit erklärt hatte, auch in zwei für die EU als wichtig
erachteten Anliegen zu verhandeln. Namentlich die Einbindung in eine grenzübergreifende Zinsbesteuerung sowie die Betrugsbekämpfung im Bereich der indirekten Steuern insb. dem Zigarettenschmuggel. 2004 konnten Lösungen für die letzten Differenzen gefunden und neun Abkommen
unterzeichnet werden.194 Davon wurden sieben Abkommen dem fakultativen Referendum unterstellt, doch lediglich das Abkommen zu Schengen/Dublin gelangte zur Abstimmung und wurde vom
Volk mit 54,6% Ja-Stimmen angenommen. 195 Da die Bilateralen II nicht wie die BIL I miteinander
verbunden
sind,
konnten
sie
zeitlich
versetzt
in
Kraft
treten.
Bis
auf
das
Betrugsbekämpfungsabkommen, welches zwar noch nicht von allen 28 EU MS ratifiziert wurde,
jedoch teils provisorisch angewendet wird, sind alle Verträge bis heute formell in Kraft getreten. 196
Durch die Osterweiterung, d.h. durch den Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten zur EU, wurde
das Freihandelsabkommen sowie sechs Abkommen der BIL I im Jahr 2004 automatisch auf diese
ausgedehnt.197 Im Bereich der Freizügigkeit wurden von der Schweiz jedoch Übergangsregelungen
gefordert und auch mit der EU ausgehandelt. Durch ein Fakultatives Referendum im Jahr 2005
über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit wurden die BIL I erneut in Frage gestellt und dem
Volk zur Abstimmung vorgelegt. Das Volk entschied sich mit 56% für die Ausdehnung der
Personenfreizügigkeit und damit für die Fortführung der BIL I.
192 Die Bilateralen II umfassen folgende Themenbereiche: Ruhegehälter von pensionierten EU-Beamten; verarbeitete
Landwirtschaftsproduktgehälter; Umwelt; Statistik; Medien; Betrugsbekämpfung; Zinsbesteuerung; Polizeiliche
und juristische Zusammenarbeit in den Bereichen Asyl und Migration (Schengen und Dublin): Mehr zum Inhalt der
Bilateralen II Verträge vgl. insb. Thürer, Daniel, u.a.(Hrsg.): Bilaterale Verträge I & II Schweiz – EU, Zürich, 2007, S.
809ff.
193 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 7f.
194 Vgl. Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 405.
195 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 31.
196 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 9. / Jaag, T.: Europarecht, 2010,
S. 405.
197 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 36.
27
Eine Wende in der schweizerischen Europapolitik stellt der Europabericht von 2006 dar. In diesem
kommt der Bundesrat zu der Erkenntnis, dass:
"mit dem heute bestehenden Vertragswerk und dessen kontinuierlicher Anpassung bzw. Ergänzungen
neue Bedürfnisse einerseits und den eigenständigen Politiken der Schweiz andererseits unsere Ziele zu
diesem Zeitpunkt weitgehend erreicht werden können".198
Der Beitritt zur EU ist somit nicht mehr das längerfristige Ziel der schweizerischen Europapolitik,
sondern nur noch ein evtl. notwendiges Instrument, auf welches bei Bedarf in der Zukunft zurückgegriffen werden kann, um die bestmögliche Interessenwahrung zu gewährleisten. 199 Auch wenn in
dem Europabericht darauf verwiesen wird, dass auch der bilaterale Weg ebenfalls nur das derzeit
geeignetste Mittel zur Interessenwahrung der Schweiz und nicht das Endziel der Europapolitik sei,
hat dieser sich in den letzten Jahren aus Schweizer Sicht bewährt. Der bilaterale Weg gilt bis heute
als das am besten geeignetste Instrument der Schweizer Europapolitik, während der Beitritt zur EU
dagegen immer weniger Anklang in der Politik sowie Bevölkerung findet. 200 Seit 2007 ist die EU in
der Schweiz durch eine eigene Delegation vertreten, was die diplomatischen Beziehungen vertieft
sowie vereinfacht.201 Auch wenn die vertraglichen Beziehungen zur EU sich stetig weiterentwickelten, sorgte 2007 die Finanz- und Schuldenkrise innerhalb der EU nicht nur in der Schweiz für eine
vermehrt skeptische Haltung gegenüber der EU.202
Seit 2008 trat ebenfalls das Schengen/Dublin Assoziierungsabkommen formell in Kraft und bereits
Ende 2008 beginnt die operationelle Beteiligung der Schweiz am Schengenraum durch den Abbau
der Personenkontrollen an den Landesgrenzen. Für die erweiterte EU und deren MS wird es jedoch
immer schwieriger, das System der bilateralen Verträge zu verwalten bzw. neue Verträge zu
verhandeln. So wie sich die Kantone der Schweiz häufig schwer tun, eine einheitliche Regelung zu
finden, gehen auch jedem Versuch mit der Schweiz neue bilaterale Sonderregellungen abzuschließen, langwierige Verhandlungen der MS voraus. In den jährlichen Schlussfolgerungen des Rates
der EU zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Staaten wird bspw. 2010 auf der einen
Seite erneut die engen und wichtigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU betont,
jedoch spricht der Rat auch seine Bedenken gegenüber dem von der Schweiz gewählten bilateralen
Weg aus.203 Dieser ist zu einem hoch komplexen Gebilde aus zahlreichen Abkommen geworden,
198
199
200
201
202
203
Europabericht 2006 vom 28. Juni 2006, BBI 2006 6983ff.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 37.
Vgl. Birrer, Raphaela: Wir müssen klarmachen, dass ein EU-Beitritt nicht infrage kommt, 29.04.2015.
Vgl. Luzi, Bernet: Berns öffentlichster Diplomat, In: NZZ, 25.11.2011.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 44.
Vgl. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den
EFTA-Ländern, 14.12.2010, Doc.Nr. 17423/10, S. 12f.
28
welcher aufgrund der Ermangelung eines institutionellen Rahmens zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt. Während die EU dementsprechend die zunehmend ineffizienten Regelungen zur
Übernahme von EU Recht, einschließlich der Rechtsprechung des EUGH sowie die unzureichende
Überwachung und Durchsetzung der bilateralen Verträge kritisierte, hielt die Schweiz am
bestehenden Konstrukt der bilateralen Verträge fest und versuchte zudem weitere Abkommen wie
etwa die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt für Elektrizität zu erreichen. 204 Gespräche über
die sog. Bilateralen III, welche sich u.a. mit institutionellen Fragen hinsichtlich der Übernahme von
EU-Recht sowie der Auslegung und Überwachung der bilateralen Verträge durch den EUGH,
befassten, verliefen jedoch sehr zäh. Insbesondere das schweizerische Souveränitätsempfinden
schloss eine automatische Übernahme von EU-Rechtsentwicklungen aus und stellte sich zudem
gegen eine Überwachung der bilateralen Verträge durch den EUGH (Feindbild des fremden
Richters).205 Die großen Differenzen im Bereich der institutionellen Fragen führten jedoch auch zu
einer Blockierung innerhalb der anderen europapolitischen Dossiers. Im Hinblick auf den Stillstand
der Verhandlungen über eine weitergehende Teilnahme der Schweiz am europäischen
Binnenmarkt, äußerte sich der Rat 2013:
"[...], dass der von der Schweiz verfolgte Ansatz, sich durch sektorale Abkommen in immer mehr
Bereichen an der Politik und den Programmen der EU zu beteiligen, ohne dass es einen horizontalen
institutionellen Rahmen gäbe, an seine Grenzen gestoßen ist und einer Überprüfung unterzogen
werden muss. Jede neue Ausweitung des komplexen Systems von Abkommen würde die Homogenität
des Binnenmarktes gefährden und die Rechtsunsicherheit vergrößern und außerdem die Verwaltung
eines solchen umfangreichen und heterogenen Systems von Abkommen weiter erschweren würde.
Angesichts der weit fortgeschrittenen Integration der Schweiz mit der EU würde eine neuerliche
Ausweitung dieses Systems zusätzlich das Risiko einer Beeinträchtigung der Beziehungen der EU zu
ihren EWR-EFTA-Partnern in sich bergen."206
Um den bilateralen Weg nicht in einer Sackgasse enden zu lassen, erklärte sich der Bundesrat 2013
bereit für Zugeständnisse im Bereich der institutionellen Fragen. 207 Unter der Voraussetzung, dass
es zu parallelen Verhandlungen und Fortschritten innerhalb des Stromabkommens, im Steuerbereich sowie bei Galileo und dem EU-Forschungsprogramm kommt, wäre der Bundesrat bereit, dem
204 Vgl. Häfliger, Markus: Bundesrat strebt Bilaterale III an, In NZZ, 27.06.2013, Nr. 146, S. 11 / Kunz, R.: Schweiz – EU:
Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S.
331.
205 Vgl. Häfliger, M.: Bundesrat strebt Bilaterale III an, 27.06.2013, S. 11 / Siebenthal, Erich: 11.3020 Interpellation:
Bilaterale Abkommen III mit der EU und Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen im Agrar- und
Lebensmittelbereich, 01.03.2011.
206 Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTALändern, 08.01.2013, Doc.Nr. 5101/13, S. 10.
207 Vgl. Senti, Martin: Der Bundesart bewegt sich, 27.06.2013.
29
EUGH bei der Auslegung der bilateralen Verträge das letzte Wort zu geben. 208 Seine Entscheidung,
den bilateralen Weg zu erhalten und mit einem neuen institutionellen Rahmen zu unterlegen, um
mit der EU neue Marktzugangsabkommen zu schließen, hat der Bundesrat in der Folge stets
bekräftigt.209 Der bilaterale Weg gilt nach Ansicht des Bundesrats als das derzeit einzige
europapolitische Instrument, um den Wohlstand der Schweiz unter der Wahrung der
Unabhängigkeit zu gewährleisten.210
Anfang und Ende 2014 hatte das Schweizer Stimmvolk über zwei Volksinitiativen, u.a. zur Begrenzung der Einwanderung in die Schweiz abzustimmen. Während die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" vom 9. Februar 2014 angenommen wurde, wurde die Ecopop-Initiative, welche
eine weitaus striktere Begrenzung der Einwanderung forderte, am 30.11.2014 mit erheblicher
Mehrheit vom Volk abgelehnt.211 Die Annahme der MEI stellt die Schweizer Politik vor eine
gewaltige Herausforderung; gilt es doch, den neuen Verfassungsartikel soweit überhaupt möglich
konform mit dem FZA umzusetzen oder das FZA innerhalb von drei Jahren mit der EU neu zu
verhandeln.212 Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass bei einem zukünftigen Verstoß gegen das
FZA und einer eingeleiteten Kündigung aufgrund der Guillotine-Klausel alle BIL I außer Kraft treten.
Die Annahme der MEI belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der EU und der
Schweiz und stellt den gerade begonnenen Ansatz, den bilateralen Weg mit einem institutionellen
Rahmen zu versehen, zusätzlich in Frage.213
IV Die Masseneinwanderungsinitiative und der Bilaterale Weg
Die Zustimmung für die Begrenzung der Zuwanderung durch die Annahme der MEI am 09.02.2014
war für viele Schweizer sowie ausländische Beobachter eine Überraschung. 214 Auch wenn die
Befürworter der Initiative in den Wochen vor der Abstimmung in Umfragen stetig an Zuwachs
gewannen hatten, war man in vielen Kreisen zuversichtlich, dass die notwendige Mehrheit nicht
erreicht wird.215 Schließlich stand dem vor allem rechtsbürgerlichem Lager der JA-Sagern, ein
208 Vgl. Häfliger, M.: Bundesrat strebt Bilaterale III an, 27.06.2013, S. 11.
209 Vgl. Fraktion der Schweizerischen Volkspartei, 13.3676 Interpellation, Fragwürdiges Verhandlungsmandat über ein
institutionelles Rahmenabkommen mit der EU, 11.09.2013.
210 Vgl. Burkhalter, D: Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, 10.10.2013.
211 Vgl. Moser, Peter: Von der MEI zum Ecopop-Nein. Eine Analyse der Zürcher Resultate des Urnengangs von
30.11.2014, 05.12.2014.
212 Vgl. EDA (Hrsg.): Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 5.
213 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331.
214 Vgl. o.V.: Die Überraschung ist perfekt, 09.02.2014.
215 Vgl. o.V.: SVP-Initiative legt in neuer Umfrage deutlich zu, andere Parteien reagieren mit dringglichem Aufruf,
29.01.2014.
30
Schulterschluss aller Regierungsparteien (ausgenommen der SVP), der Bundesrat, eine
parlamentarische Mehrheit, sowie die meisten Wirtschaftsverbände und ein Großteil der Medien
entgegen, welche Empfehlungen zur Ablehnung der MEI aussprachen. 216 Denn die Umsetzung einer
Begrenzung der Zuwanderung, wie von der MEI gefordert, steht im offensichtlichen Konflikt mit
dem FZA und stellt daher auch eine Vielzahl von Verträgen (insb. die BIL I) infrage. 217 Somit ist es
nicht verwunderlich, dass seit der Annahme der MEI über die Umsetzung der Initiative intensiv
debattiert wird. Dabei stehen sich vor allem die Lager gegenüber, welche eine wortgetreue
Umsetzung der Initiative erwarten und diejenigen, welche den bilateralen Weg mit der EU nicht
gefährden möchten und den wirtschaftlich erfolgreichen Standort Schweiz bedroht sehen. Wunsch
und Ziel der Regierung sowie vieler betroffener Kräfte ist ein Spagat zwischen dem Erhalt der BIL I
(und des bilateralen Wegs im Allgemeinen) sowie der nahen Umsetzung des Verfassungstextes der
MEI.218 Dies wird jedoch von vielen als die wohl unmögliche „Quadratur des Kreises“ betrachtet.
Mittlerweile hat die Regierung bereits ein Umsetzungskonzept 219 sowie einen Gesetzesentwurf220
zur MEI vorgelegt. Letzterer ist eben jener Versuch, die Initiative wortgetreu umzusetzen, aber
auch den Konflikt mit der EU vorerst zu entschärfen.221 So schlägt die Regierung zur Steuerung der
Zuwanderung ein klassisches Kontingentsystem vor, welches jedoch bis zur Neuverhandlung des
FZA mit der EU alle EU- und EFTA-Bürger davon ausnimmt. 222 Auch besteht auf Seiten der Schweiz
das dafür notwendige Verhandlungsmandat zur Anpassung des FZA mit Brüssel bereits. 223 Ziel des
Mandates ist es, dass FZA insoweit anzupassen, dass es der Schweiz eine eigenständige Steuerung
der Zuwanderung ermöglicht, jedoch den bilateralen Weg als Grundlage der Beziehungen zwischen
der Schweiz und der EU beibehält. Die EU zeigt sich aber bis heute nicht bereit, über eine
Anpassung der Personenfreizügigkeit im Sinne der MEI zu verhandeln. 224 In der Folge gilt das wohl
schwierigste politische Problem der Schweiz auch nach über einem Jahr seit der Abstimmung über
216 Vgl. Spillmann, Markus: Eine Zäsur für die Schweiz, In: NZZ, 10.02.2014, Nr. 33, S. 1.
217 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 27.
218 Vgl. Morf, Peter: Die Quadratur des Kreises, 08.04.2014.
219 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Umsetzungskonzept Art. 121A BV (Steuerung der Zuwanderung), 20.06.2014, S. 1ff.
220 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 1ff.
221 Vgl. Gemperli, Simon: Wer kündigt wann und warum nicht, In: NZZ, 18.02.2015, Nr. 40, S. 10.
222 Vgl. Gemperli, S.: Bundesrat und SVP vollziehen Kehrtwende, 18.02.2015 / EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht
Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 15.
223 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und
Verhandlungsmandat, 11.02.2015, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msgid=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015).
224 Vgl. Gemperli, Simon: EU geht von neuer Abstimmung aus, 09.04.2015.
31
die MEI weiterhin als ungelöst. 225 Den Schweizern und vor allem den schweizerischen
Unternehmen steht dadurch ein weiteres Jahr der Ungewissheit bevor. Zu bedenken ist zudem,
dass seit dem 09.02.2014 eine dreijährige Frist zur Umsetzung der Initiative begonnen hat. 226
A. Verfahren, Inhalt und Intentionen der MEI
Bei der am 14.02.2012 eingereichten Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung“ handelt es sich um
eine Teilrevision der Bundesverfassung in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs, mit welchem das Ziel
verfolgt wird, die sogenannte Masseneinwanderung zu stoppen.227 Die Initiative wurde am 12.07.2011
von der Bundeskanzlei auf die Einhaltung der notwendigen gesetzlichen Formen geprüft und nicht
beanstandet.228 Der Sammelbeginn der notwendigen 100 000 Unterschriften für das Zustandekommen
der Initiative begann am 26.07.2011.229 Die Bundeskanzlei bestätigte am 19.03.2013, dass die Initiative
mit 135.557 gültigen Unterschriften, erfolgreich zu Stande gekommen sei. 230 Nach 139 Abs. 3 BV kann die
Bundesversammlung eine Initiative für ganz oder teilweise ungültig erklären, wenn „[…] die Initiative die
Einheit der Form, die Einheit der Materie oder zwingende Bestimmungen des Völkerrechts [...]“ verletzt.
Die Initiative “Gegen Masseneinwanderung“ erfüllt jedoch die Anforderungen an die Gültigkeit nach Art.
139 Abs. 3 BV.231 Die Möglichkeit einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag zu
unterbreiten, nutzte der Bundesrat nicht. In der Botschaft des Bundesrates vom 07.12.2012 sprach dieser
eine Empfehlung zur Ablehnung der Initiative aus, ebenso wie das Parlament am 27.09.2013 die Ableh nung der Initiative empfahl.232 Bei der Abstimmung am 09.02.2014 wurde dennoch das erforderliche
Mehr von Ständen und Volk erreicht. 233 Dadurch wurde die Verfassung automatisch um den Art. 121a
ergänzt und der Initiativtext tel quel in die Bundesverfassung übernommen. Er gilt daher seit dem
225 Vgl. Häfliger, Markus: Bundesrätliches Schattenboxen, In NZZ, 12.02.2015, Nr. 35, S. 21.
226 Vgl. Gemperli, Simon: Wegmarken auf dem steinigen bilateralen Weg, In NZZ, 02.12.2014, Nr. 280, S. 9 .
227 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 332 / Kaddous, Christine: Rechtsgutachten über die Vereinbarkeit der Initiative
<<gegen Masseneinwanderung>> und der ECOPOP-Initiative <<Stop der Überbevölkerung – ja zur Sicherung der
natürlichen Lebensgrundlagen>> mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der
Europäischen Union (FZA), die Anwendung der <<Guillotine>>-Klausel und einer allfälligen Neuverhandlung des
FZA, 29.09.2013, S. 5.
228 Vgl. Bekanntmachungen der Departemente und der Ämter vom 12 Juli 2015, zur Vorprüfung der Eidgenössischen
Volksinitiative <<Gegen Masseneinwanderung>>, BBI 2011 6269ff.
229 Vgl. Schweizerische Bundeskanzlei: Eidgenössische Volksinitiative 'Gegen Masseneinwanderung', o.D., URL
https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis413.html (letzter Zugriff 23.08.2015).
230 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 297.
231 Vgl. insb. zur Prüfung der Verletzung zwingenden Völkerrechts: Botschaft zur Volksinitiative «Gegen
Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 298ff.
232 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 297 /
Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 27. September 2013, BBI 2013
7351.
233 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 332.
32
09.02.2014 als geltendes Verfassungsrecht. Zu betonen ist jedoch, dass die neue Verfassungsbestimmung
trotz der sofortigen Geltung bis zu seiner Konkretisierung keine Wirkung entfaltet. 234 Dies ist erst dann der
Fall, wenn die wenig bestimmt gefasste und damit nicht unmittelbar anwendbare neue Verfassungsnorm
in einem Gesetz geregelt wird. Die inhaltliche Offenheit sowie die Präzisierungsbedürftigkeit 235 der
Initiative führt zu einem gewissen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung des Initiativtexts. 236 Der
Initiativtext der MEI verweist dabei auf folgende Aspekte:237
„Art. 121a (neu) Steuerung der Zuwanderung
1
Die Schweiz steuert die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig.
2 Die
Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz
wird durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt. Die Höchstzahlen gelten für sämtliche
Bewilligungen des Ausländerrechts unter Einbezug des Asylwesens. Der Anspruch auf dauerhaften
Aufenthalt, auf Familiennachzug und auf Sozialleistungen kann beschränkt werden.
3 Die
jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für erwerbstätige Ausländerinnen und Ausländer
sind auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorranges
für Schweizerinnen und Schweizer auszurichten; die Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind
einzubeziehen. Massgebende Kriterien für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen sind
insbesondere das Gesuch eines Arbeitgebers, die Integrationsfähigkeit und eine ausreichende,
eigenständige Existenzgrundlage.
4
Es dürfen keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden, die gegen diesen Artikel
verstossen.
5
Das Gesetz regelt die Einzelheiten."
Absatz 1 des Initiativtextes statuiert, dass die Schweiz ihre Einwanderung in Zukunft (wieder unabhängig und) eigenständig steuert. Diese Forderung entspricht damit einer Neuausrichtung der
Schweizer Einwanderungspolitik.238 Die Initianten der Initiative verweisen dabei darauf, dass unter
234 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 347.
235 Die notwendie Präzisierungsbedürftigkeit der Umsetzung der Initiative war auch den Initianten bewusst,
weswegen sie ein Argumentarium zur Verfügung stellten, in welchem sie ihre eigene Interpretationen der
Vorschriften darlegten. Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium
Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“, 17.12.2013, S. 1ff.
236 Vgl. Epiney, Astrid: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, In: Freiburger Schriften zum
Europarecht, Institut für Europarecht (Hrsg.) Freiburg, Nr. 17, 2014, S. 8f.
237 Der Wortlaut der Initiative ist einsehbar unter http://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis413t.html (letzter Zugriff
23.08.2015).
238 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 5.
33
"eigenständig" zu verstehen ist, dass die Schweiz unabhängig und unter dem Verbot der Beeinflussung ausländischer Regeln sowie Richter und Gremien darüber entscheiden darf, wer in die
Schweiz einwandern darf und wer nicht. 239 In Absatz Zwei fordern die Initiatoren die Einführung
von Höchstzahlen und Kontingenten, verweisen jedoch darauf, dass es für die unterschiedlichen
Ausländerkategorien wie bspw. Kurzaufenthalter und Grenzgänger separate Kontingente geben
soll. In die geforderten Höchstzahlen ist neben allen Aufenthaltskategorien, welche die
ausländische Zuwanderung in relevanter Weise beeinflussen, auch der Asylbereich zu integrieren.
Damit soll verhindert werden, dass das Asylwesen außerhalb des Anwendungsbereichs der
Initiative fällt.240 Der in Abs. 1 genannte Begriff der Zuwanderung ist demgemäß im weiten Sinne
auszulegen. Im dritten Abs. werden maßgebliche Kriterien für die Erteilung von Kontingenten
genannt, die aufgeführten Kriterien sind dabei jedoch nicht abschließend. So ist die Erteilung der
Einwanderungsbewilligungen bspw. anhand des volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichem
Interesse der Schweiz zu bemessen. 241 Diese Formulierung gibt dem Gesetzgeber bei der
Umsetzung
und
Festlegung
von
Kontingenten
und
Höchstzahlen
einen
wichtigen
Gestaltungsspielraum. Ebenfalls wird in Abs. 3 auf die Aufhebung der aktuellen Unterscheidungen
aufgrund des Herkunftsstaates sowie den sogenannten Inländervorrang verwiesen. Nach den
Initianten soll ein Arbeitgeber nur dann einen Einwanderer in die Schweiz holen können, wenn
dieser in der Schweiz keinen geeigneten Arbeitnehmer finden konnte. Explizit wird darauf
verwiesen, dass die oben genannten Forderungen auch die Grenzgänger betreffen, da die Anzahl
dieser in den letzten Jahren massiv zugenommen hat und bspw. zu Belastungen der
Infrastrukturen geführt hat.242
In Abs. 4 wird gefordert, dass internationale Staatsverträge, welche in die eigenständige Steuerbarkeit der Zuwanderung durch die Schweiz eingreifen und damit gegen die in dieser Initiative geforderten Normen verstoßen, nicht eingegangen werden dürfen. 243 Damit soll möglichen zukünftigen
Widersprüchen zwischen Staatsverträgen und dem Verfassungstext vorgebeugt werden. Da der
Initiativtext größtenteils nicht unmittelbar anwendbar ist und einer gesetzlichen Umsetzung
bedarf, bestimmt Abs. 5, dass die generellen Grundsätze in einem Gesetz zu konkretisieren sind. 244
239
240
241
242
243
Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 37.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 6.
Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 38.
Vgl. ebd., S. 39.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 7 / Überparteiliches Komitee
gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 39.
244 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 331.
34
Die neue Verfassungsbestimmung ist dabei vor allem aus sich selbst heraus, also nach ihrem
Wortlaut auszulegen.245 Durch die Annahme der Initiative haben die Initianten ihre zuvor alleinige
Deutungshoheit über die Initiative verloren und werden wenn dann nur im Rahmen der
historischen Auslegung berücksichtigt. Die Initiative ergänzt die Übergangsbestimmungen der
Bundesverfassung des Art. 197 um die Ziffer 9 und ändert diese wie folgt:
„1
Völkerrechtliche Verträge, die Artikel 121a widersprechen, sind innerhalb von drei Jahren nach
dessen Annahme durch Volk und Stände neu zu verhandeln und anzupassen.
2
Ist die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 121a drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und
Stände noch nicht in Kraft getreten, so erlässt der Bundesrat auf diesen Zeitpunkt hin die
Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg. "
Abs. 1 der Übergangsbestimmungen fordert die Regierung dazu auf, einschlägige völkerrechtliche
Verträge, welche gegen die Initiative verstoßen, innerhalb von drei Jahren neu zu verhandeln und
anzupassen. Explizit verweisen die Initianten dabei auf das FZA mit der EU, welches Kontingente
und Höchstzahlen nicht zulässt.246 Von den Übergangsbestimmungen ausgenommen wird jedoch
im Vorfeld bereits die
Europäische
Menschenrechtskonvention
(EMRK).
Abs.
2
der
Übergangsbestimmungen gilt laut Initianten der Erhöhung des Drucks auf die Regierung zur
fristgerechten Umsetzung der Initiative.
B. Mögliche Konflikte mit dem FZA
1. Grundzüge des FZA
Das FZA wurde am 21.06.1999 im Rahmen der BIL I zwischen der Schweiz und der EU unter zeichnet und trat im Juni 2002 in Kraft. 247 Beim FZA handelt es sich um einen völkerrechtlichen
Vertrag, bei dem die völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze zur Anwendung kommen. 248 Es dient
der Liberalisierung des Personenverkehrs und ermöglicht den Staatsangehörigen der Schweiz
sowie denen der EU prinzipiell das Recht, den Aufenthaltsort bzw. Arbeitsplatz innerhalb der
Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen. Des Weiteren beschreibt Art. 1 FZA die
245
246
247
248
Vgl. ebd., S. 352.
Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 40.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 10.
Vgl. Heselhaus, Sebastian/Hänni, Julia: Die eidgenössische Volksinitiative <<Gegen Masseneinwanderung>>
(Zuwanderungsinitiative) im Lichte des Freizügigkeitsabkommens und der bilateralen Zusammenarbeit mit der EU,
In: SZIER, 1/2013, S. 27.
35
folgenden Ziele:
„Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien,
insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;
Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für
Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;
Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer."
Neben den Grundbestimmungen des Haupttextes enthält das FZA drei weitere Anhänge sowie
diverse Protokolle, welche Bestandteile des Abkommens sind. 249 Dadurch wird das Freizügigkeitsrecht (Anhang I) ebenfalls durch die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme (Anhang II)
sowie die gegenseitige Anerkennung von Berufsdiplomen (Anhang III) ergänzt. 250 Damit deckt das
FZA die Gewährleistung der folgenden Rechte ab: das Aufenthalts- und Einreiserecht, das Prinzip
der Gleichbehandlung, das Recht auf Verbleib, das Recht auf Familiennachzug, das Recht auf den
Zugang zu einer un- sowie selbstständigen Erwerbstätigkeit und ihrer Ausübung, das Recht auf eine
kurzzeitige Erbringung von Dienstleistungen sowie die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme und die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen.251
Seit dem Inkrafttreten des FZA kommt diesem ohne einen Transformationsakt innerstaatliche
Geltung zu.252 Auch kommt dem FZA Vorrang gegenüber innerstaatlichem Recht jeglichen Ranges
zu. Zudem beruht es auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit der Gesetzgebungen und verpflichtet die
Schweiz sowie die EU, notwendige Maßnahmen zu treffen, um die Wirkung und Tragweite des
Abkommens zu sichern.253 Für die EU gehört die in Art. 18 EGV (21 AEUV) geregelte Personenfreizügigkeit zu den zentralen Grundfreiheiten der EU. 254 Das Recht der Unionsbürger, sich auf dem
Gebiet der MS frei aufzuhalten und zu bewegen, ist zentral für den Status der Unionsbürgerschaft,
da es für alle anderen Rechte die Voraussetzung bildet. Spätestens seit der Vertragsrevision von
Lissabon fokussiert sich die Politik der EU nicht mehr auf den Binnenmarkt an erster Stelle,
sondern auf die Schaffung eines Raumes der Sicherheit, Freiheit und ohne Binnengrenzen für die
Unionsbürger.255 Die Personenfreizügigkeit ist zum Erreichen dieses Ziels und als Motor der euro249 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 11.
250 Vertieft zum Inhalt und der Bedeutung der Anhänge, vgl. insb. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU,
2012, S. 50ff / Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 302 ff.
251 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 16.
252 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 24.
253 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 16.
254 Vgl. Kadelbach, Stefan: In: Ehlers, Dirk (Hrsg.): Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Auflage, 2009, §
19, S. 660.
255 Vgl. Tobler, Christa: <<Die Geister, die ich rief...>>. Zum Ja der Schweiz zur Masseneinwanderungsinitiative und
zum umgekehrten <<Drei-Kreise-Modell>> der EU, In: SZIER, 1/2014, S. 8.
36
päischen Integration dementsprechend von zentraler Bedeutung. Wenn die Personenfreizügigkeit
damals auch nicht ihre gegenwärtige Bedeutung eingenommen hatte, so ist erneut zu betonen,
dass sie auf Initiative der EU den zu verhandelnden Themen der BIL I hinzugefügt wurde und
zudem die Bedingung für die Aufnahme und den Abschluss der BIL I darstellte. 256 Dies führte zu
großen Herausforderungen bei den Verhandlungen zwischen Brüssel und Bern, da es insb. in den
Bereichen Landverkehr und Personenverkehr die größten Divergenzen gab. Viele Schweizer
fürchteten bei einer Einführung der Personenfreizügigkeit negative Konsequenzen wie den Verlust
der Kontrolle über die Steuerung der Einwanderung, die Zunahme von Lohndumping und
Schwarzarbeit, erhöhte Arbeitslosigkeit und allgemein auch eine zunehmende Überfremdung. 257
Dennoch blieb die EU bei ihrem Standpunkt, keine BIL I ohne die Personenfreizügigkeit. Die
Haltung der EU ist durch ihre damalige Situation zu erklären. Zum einen war es auch für die EU
keine Selbstverständlichkeit, Beziehungen zu anderen europäischen Staaten durch sektorielle
Abkommen weiterzuentwickeln.258 Zum anderen war die EU durch ihre eigne Konsolidierung sowie
aufgrund ihrer Erweiterung stark ausgelastet und ließ sich bei den Verhandlungen Zeit, galt es
doch, die Interessen aller MS gegenüber der Schweiz zu berücksichtigen und die sieben Verträge so
zu gestalten, dass diese für alle MS mehr Vor- als Nachteile ergeben. Selbstverständlich lag es
ebenso im Interesse der Schweiz, am Ende ein mehrheitlich vorteilhaftes Abkommen zu
unterzeichnen. Durch die negative Abstimmung zum EWR befand sich die Schweiz (insb. die
Schweizerische
Wirtschaft) jedoch in einer angespannten Lage, da diese
um ihre
Wettbewerbsfähigkeit in der EU fürchtete. 259 Erklärtes Ziel des Bundesrates und Grund für die
Aufnahme der Verhandlungen mit der EU über die BIL I war der Versuch, der kulturellen,
politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Isolierung der Schweiz entgegenzuwirken. Dies
führte folglich auch zu Zugeständnissen wie bspw. die Aufnahme der Verhandlungen in Bereichen
der Personenfreizügigkeit. Damit die BIL I jedoch trotz der Personenfreizügigkeit die Chance
256 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 356 / Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I:
<<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 482.
257 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 265 /Jaeger, Franz.
u.a.: Eine freizügige Schweiz – Chimäre oder Chance? Zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die
erweiterte EU, Zürich/Chur, 2005, S. 1ff / Insbesondere wurden diese Ängste bei der ersten Erweiterung des FZA
erneut aufgegriffen und führten 2004 schließlich zu den sog. flankierenden Maßnahmen, welche das Ziel hatten
negative Konsequenzen durch die Öffnung des Arbeitsmarktes bswp. In den Bereichen Lohndruck sowie den
Arbeitsbedingungen zu verhinden. Vertieft dazu: Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative,
29.09.2013, S. 7f / Argumentation MEI S 14.
258 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S.
505.
259 Vgl. ebd., S. 471.
37
hatten, ein Referendum zu überstehen, verhandelte der Bundesrat vorsichtig und fordernd, insb.
im Bereich der Freizügigkeit.260 Schließlich einigten sich die EU und die Schweiz auf eine
stufenweise Umsetzung der Personenfreizügigkeit innerhalb einer Übergangszeit von 12 Jahren ab
Inkrafttreten des Vertragswerkes für die EU 15 MS.261
Bei jeder Erweiterung der EU gilt es auch, dass FZA für die neuen MS anzupassen ebenso die Übergangsfrist. Neben diesem Grundsatz des Nicht-Automatismus enthält der Vertrag eine Ventilklausel
(Art. 10 FZA), welche es der Schweiz erlaubt, unter gewissen Voraussetzungen ihren Inländervorrang beizubehalten, Lohn- und arbeitsspezifische Kontrollen durchzuführen sowie jährliche
Höchstzahlen einzuführen.262 Damit diese Klausel aktiviert werden kann, muss die Zahl der neuen
Aufenthaltsbewilligungen den Durchschnittswert der vorherigen drei Jahre um mehr als 10% überschreiten.263 Die Möglichkeit, die Ventielklausel in Anspruch zu nehmen, ist jedoch zeitlich 264
begrenzt und richtet sich nach Art. 10 Abs. 4 FZA. Auch wenn die Voraussetzungen zur Aktivierung
der Schutzklausel über einige Jahre gegeben war, nutzte die Schweiz die Schutzklausel recht
zurückhaltend bzw. verzichtete gar darauf. 265 Zusätzlich von großer Bedeutung ist die im FZA
verankerte “stand still-Klausel“ (Stillhalte/Stillstandsklausel). Diese verpflichtet die EU und die
Schweiz dazu, keine diesem Abkommen entgegenstehenden neuen Beschränkungen für
Staatsangehörige der anderen Vertragsparteien hinzuzufügen und damit gewährte Rechte des FZA
zu untergraben.266 Das FZA wurde anfänglich auf sieben Jahre 267 abgeschlossen und verlängert sich
ohne gegenteilige Aktionen der Vertragsparteien auf unbestimmte Zeit, bleibt dabei jedoch
kündbar.268
260 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264.
261 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 12.
262 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S. 482
/ Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 340.
263 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 12.
264 Für die Eu 15 + 2 (Zypern und Malta) konnte die Schutzklausel bis zum 31.05.2014 angewendet werden. Für die
EU-8 Staaten galt die Schutzklaus bis zum 30.04.2014 und für die MS Bulgarien und Rumänien bis zum
31.05.2019. Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 13.
265 Vgl. Kontingente für B-Bewilligungen ( Aufenthaltsbewilligung 5 Jahre) wurden bspw. für die EU 15+2 MS im Jahr
2013 bis 2014 eingeführt. 2008 und 2009 lagen die notwendigen Voraussetzungen ebenfalls vor, doch vezichtete
der Bundesrat auf die Einführung von Kontingenten. Für die EU-8 MS wurde die Schutzklausel seit dem Mai 2012
bis zum April 2014 ebenfalls für B-Bewilligungen eingeführt.
266 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 13f.
267 Diese ursprüngliche Befristung des FZA wurde ebenfalls auf den Wunsch der Schweiz dem Vertrag hinzugefügt um
die Referendumsfähigkeit des Abkommens zu verbessern. Am 31. Mai 2009 lief die siebenjährige Frist aus und da
das FZA weder von der EU noch von der Schweiz gekündigt wurde, hat es sich auf unbestimmte Zeit verlängert.
Vgl Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 266.
268 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S.
473.
38
Das FZA ist jedoch durch die sog. “Guillotine-Klausel“ mit den anderen sechs Abkommen der BIL I
verknüpf.269 Sobald eines der sieben Abkommen der BIL I gekündigt wird, verlieren automatisch
auch alle anderen Abkommen ihre Gültigkeit. Bis heute wurde der Anwendungsbereich des FZA
mehrfach auf die neuen Mitgliedstaaten, welche der EU 2004 sowie 2007 beitraten, erweitert. 270
Durch die Guillotine-Klausel sind die jeweiligen Erweiterungen der EU für das FZA und damit für
die BIL I von erheblicher Bedeutung. 271 Würde die Schweiz einer Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf einen neuen MS der EU nicht zustimmen, könnte die EU aufgrund des Art. 25 Abs. 3 FZA
den Vertrag kündigen und dadurch die Aktivierung der Guillotine-Klausel auslösen. Die
Erweiterung des FZA auf Kroatien, welches 2013 der EU beigetreten ist, war bereits ausgehandelt
worden.272 Aufgrund der Annahme der MEI und einem Verstoß 273 gegen die neue Verfassungsbestimmung Art. 121a BV sah sich der Bundesrat jedoch nicht mehr in der Lage, die Erweiterung des
FZA auf Kroatien zu unterzeichnen.
2. Vereinbarkeit der MEI und des FZA
Sowohl vor der Abstimmung zur MEI als auch danach gab es bereits eine Reihe von Rechtsgutachten und andere Stellungnahmen, welche den Initiativtext insb. auf seine Vereinbarkeit mit dem FZA
geprüft haben.274 Die Autoren vertraten dabei den Standpunkt, dass der Inhalt der MEI eine
Vielzahl möglicher Konflikte und Verstöße mit dem FZA birgt. Seit der Annahme der MEI befindet
sich die Schweiz, wie häufig behauptet, im politischen Ausnahmezustand. 275 Mehr als ein Jahr nach
der Zustimmung zur MEI besteht kein Zweifel mehr daran, dass sich der Art. 121a BV in offenem
Widerspruch zum System der bilateralen Verträge befindet. Zu betonen ist hierbei jedoch, dass die
Anzahl möglicher Konflikte von der gesetzlichen Umsetzung der MEI abhängt. 276 Viele der oben
genannten Rechtsgutachten gehen daher auf eine Reihe von Umsetzungsszenarien genauer ein,
269
270
271
272
273
274
275
276
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264f.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 12.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 265f.
Vgl. Staatssekrearitat für Migration: Personenfreizügigkeit Schweiz – EU/EFTA, Stand 29.01.2015, URL
https://www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/themen/fza_schweiz-eu-efta.html (letzter Zugriff 23.08.2015).
Andere Meinung Epiney: Das Protokoll über den Einbezug Kroatiens in die Personenfreizügigkeit wird nicht vom
Art. 121a Abs. 4 BV erfasst, da es sich nicht um einen neuen völkerrechtlichen Vertrag handelt, welcher zu neuen
Verpflichtungen führt. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des FZA
in persönlicher Hinsicht. Vgl. Epiney: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 9 BV, S. 15ff.
Vgl insb. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, / Botschaft zur Volksinitiative
«Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 291ff / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der
Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014. S. 1ff.
Vgl. Häfliger, M.: Bundesrätliches Schattenboxen, 11.02.2015, S. 21.
Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 330.
39
um mögliche Konflikte mit dem FZA zu prüfen und darzustellen. Im folgenden Teil werde ich auf
Grundlage oben genannter Gutachten auf die grundlegenden Konflikte zwischen den Forderungen
des Initiativtextes der MEI und den vom FZA gewährten Rechten und inhaltlichen Bestimmungen
eingehen. Die dargestellten rechtlichen Konflikte werden dabei jedoch verkürzt und nicht abschließend dargestellt.
Stand still-Klausel: Die in Art. 13 FZA enthaltende Stillstandsklausel verpflichtet die Vertragsparteien, in den unter dieses Abkommen fallenden Bereichen keine neuen Beschränkungen für
Staatsangehörige der anderen Vertragspartei einzuführen. Die in der MEI geforderten jährlichen
Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer unterscheiden nicht zwischen Staatsangehörigen der
EU und Staatsangehörigen anderer Nationen.277 Da die Initiative Staatsangehörige der EU nicht
davon ausnimmt, wäre die Einführung oben genannter zahlenmäßiger Beschränkungen jenseits
der Übergangsbestimmungen bereits ein Verstoß gegen die Stillstandsklausel. 278 Dies ist jedoch nur
ein Beispiel für die im Wortlaut der MEI geforderten Maßnahmen, welche bereits eine
Beschränkung und damit einen Verstoß gegen die Stillstandsklausel begründen. Weitere Konflikte
finden sich in den folgenden Bereichen.
Verbot der Diskriminierung: Eines der zentralen Ziele und wesentliche Bestimmung des FZA ist das
Recht auf Gleichbehandlung, welches allen vom FZA erfassten Personen die gleichen Lebens-,
Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen garantiert. 279 Augenscheinlich knüpfen die Regelungen
zur Gleichbehandlung des Art. 2 FZA280 an den europäischen Grundsatz des allgemeinen Verbotes
der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV an. 281 Das im FZA
geregelte allgemeine Verbot der Diskriminierung betrifft dabei nicht nur direkte Diskriminierungen,
d.h.
Einschränkungen
aufgrund
der
Staatsangehörigkeit,
sondern
auch
indirekte
Diskriminierungen, welche unabhängig von dem Kriterium der Staatsangehörigkeit zu einer
Diskriminierung führen könnten.282 Zwar ist bereits in Art. 8 BV der Grundsatz der Rechtsgleichheit
verankert, durch die Einführung der Staatsangehörigkeit als unzulässiges Unterscheidungsmerk-
277 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 19.
278 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 342.
279 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 338 / Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013,
S.20.
280 Ausführlich zur Tragweite des Art. 2 FZA: vgl. insb. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197
Ziff. 11 BV, 2014, S. 29f.
281Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 30.
282 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 21.
40
mal, geht das FZA jedoch über diesen verfassungsmäßigen Grundsatz hinaus.283
Die Masseneinwanderung stellt durch ihren Wortlaut Ausländerinnen und Ausländer jedoch
eindeutig eine direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar. Der Wortlaut der MEI
formuliert einige Einschränkungen, welche (je nach Umsetzung) in Konflikt mit Art. 2 FZA stehen.
Problematisch sind hier sowohl die allgemeinen Aufenthaltsvoraussetzungen für Ausländer, welche
u.a. durch die geforderten Kontingente beschränkt werden würden, als auch Beschränkungen ihrer
Rechte, bspw. im Bereich der Sozialleistungen sowie der Vorrang von Schweizer Staatsangehörigen
auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt. Je nach Umsetzungskonzept sind solche Einschränkungen,
welche Staatsangehörige der EU direkt diskriminieren und damit den Grundsatz der Inländergleichbehandlung verletzen, mit der Gleichbehandlungsregel des FZA nicht vereinbar. 284
Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit: Die Hauptintention der Personenfreizügigkeit ist eine erhebliche Erleichterung der beruflichen Mobilität unter der Überwindung
quantitativer und qualitativer Beschränkungen.285 Art. 4 FZA gewährleistet den Staatsangehörigen
der Vertragsparteien ein Recht auf Aufenthalt sowie den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit. Dieses
Recht wird vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (inklusive Ventilklausel) des Art. 10 FZA
sowie nach Maßgabe des Anhangs I eingeräumt und bietet darüber hinaus jedoch keinen Freiraum
für zahlenmäßige Beschränkungen. Wenn die von der MEI geforderte neue quantitative
Beschränkung in Form von Höchstzahlen bzw. Kontingenten für ausländische Staatsbürger sich
somit außerhalb der Übergangsbestimmungen des Art. 10 FZA bewegt, ist dies mit dem FZA nicht
vereinbar.286 Zudem kommt der von den Initianten geforderte Vorrang der Schweizer bei der
Arbeitsplatzvergabe einer qualitativen Beschränkung der Freizügigkeit gleich und steht damit
ebenfalls im Widerspruch mit dem FZA.
Das Schweizer Recht gewährt Staatsangehörigen der EU unterschiedliche Kategorien von Aufenthaltsbewilligungen, welche bspw. je nach Art und Dauer der ausgeübten Tätigkeit oder anhand der
Situation der betroffenen Person erteilt werden.287 Zu betonen ist, dass Anhang I Art. 2 FZA einen
Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beinhaltet. 288 Dies bedeutet, dass bei der
283 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 285.
284 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 344.
285 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 343 / Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013,
S. 24.
286 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 26.
287 Vgl. ebd., S. 25.
288 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 335.
41
Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für EU
Bürger, die nationale Behörde keinen Ermessensspielraum hat und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Gegensatz zu Drittstaatsangehörigen von rein deklarativer Natur ist. Die von der
MEI geforderten Kontingente bedingen zudem eine Prüfungs- und Bewilligungspflicht im Einzelfall,
was das FZA bereits verletzt.289 Das FZA richtet sich somit per se gegen jegliche Art von
Kontingenten, auch wenn diese wie im Falle der MEI noch nicht konkretisiert bzw. angewendet
werden.290
Recht auf Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung: Die in den
Art. 1 und 4 des FZA gewährten Rechte in punkto Freizügigkeit von Arbeitnehmern der Vertragsparteien werden durch die Bedingungen der Art. 6 bis 11 des Anhangs I zum FZA geregelt. 291
Der Begriff des Arbeitnehmers wird im FZA zwar nicht definiert, jedoch ist nach aktueller Recht sprechung eine Person als Arbeitnehmer zu betrachten, wenn diese für eine andere Person
innerhalb einer gewissen Zeit und unter dessen Anweisungen Leistungen erbringt und dafür eine
Vergütung erhält.
Unter die Gruppe der unselbstständigen Erwerbstätigen zählt das FZA zudem die Gruppe der
Grenzgänger, welche im Staatsgebiet eines Vertragspartners wohnhaft sind und eine Tätigkeit im
Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei ausüben. Die ursprüngliche Verpflichtung zur täglichen
Rückkehr in das Herkunftsland wurde mittlerweile durch die Pflicht zur wöchentlichen Rückkehr
ersetzt. Auch ist der Status des Grenzgänger nicht mehr an den Wohnsitz in einem Nachbarland
der Schweiz gebunden. Arbeitnehmer im Sinne des FZA sind ebenfalls Personen, welche in den
heimischen Arbeitsmarkt integriert waren, jedoch ihren Arbeitsplatz verloren haben. 292
Demgegenüber stehen die Personen welche sich auf der Suche nach Arbeit in das Hoheitsgebiet
einer Vertragspartei begeben haben und nicht den mit Vorteilen verbundenen Status des Arbeitnehmers zugesprochen bekommen. Als Nichterwerbstätige Arbeitsuchende müssen Personen über
hinreichend finanzielle Mittel für sich und ihre Familienangehörige verfügen, um während der Zeit
des Aufenthalts keine Mittel aus der Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. 293 Das FZA gewährt
dem Arbeitnehmer somit das Recht auf Ein- und Ausreise sowie den Verbleib auf dem Staatsgebiet
einer Vertragspartei – auch nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit – sowie das Recht auf
289
290
291
292
293
Vgl. ebd., S. 342.
Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 41.
Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 75f.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 32.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 279.
42
Familiennachzug.294 Zusätzlich gilt das Recht auf Gleichbehandlung; bezogen sowohl auf den
Zugang und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als auch auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen
sowie
soziale
und
steuerliche
Vergünstigungen.
Die
von
der
Masseneinwanderungsinitiative geforderten Kontingente für ausländische Staatsangehörige
beschränken den Zugang sowie die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und
würden daher gegen das FZA verstoßen. 295 Zudem widerspricht die Forderung nach möglichen
Beschränkungen von Sozialleistungen dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern
im Bereich der sozialen Sicherheit. Weiterhin verstößt die Forderung der Initiative, dass
ausländische Arbeitslose die Schweiz wieder zu verlassen haben, gegen das Recht auf Aufenthalt
und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit. So dürften Arbeitssuchende, welche die im FZA genannten
Voraussetzungen erfüllen und sich zur Arbeitssuche in die Schweiz begeben möchten, diese
aufgrund dieser Regelung ggf. nicht betreten. Ebenfalls begründet eine solche Regelung Konflikte
für Arbeitssuchende, welche sich bereits im Land befinden und sich durch ihre vorherige Arbeit in
der Schweiz einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erworben haben.
Recht auf Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Ausübung: Durch das FZA
haben natürliche Personen einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit einer
Gültigkeit von mindestens fünf Jahren, sofern sich diese im Hoheitsgebiet eines anderen Staates
zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit niederlassen möchten und eine selbstständige
Tätigkeit der zuständigen Behörde nachweisen.296 Ab wann eine selbstständige Tätigkeit gegeben
ist, richtet sich dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und es ist
schweizerischen Kantonen untersagt, eigene negativ präventive Hürden aufzustellen. 297 Wie die
Arbeitnehmer haben auch die selbstständigen Erwerbstätigen das Recht auf Gleichbehandlung in
bereits genannten Punkten. Das FZA beinhaltet ebenfalls den Status des selbstständigen Grenzgängers, welcher zur Ausübung seiner Tätigkeit keine Aufenthaltsbewilligung benötigt. 298 Auch für
selbstständige Erwerbstätige besteht zudem nach Beendigung ihrer Tätigkeit entsprechend den
Bedingungen des Art. 4 Anhang II FZA ein mögliches Verbleiberecht. Auch hier verstößt die Masseneinwanderungsinitiative mit ihrer Forderung nach Kontingenten und Höchstzahlen, welche
294 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 33.
295 Vgl. ebd., S. 34.
296 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 337 / Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013,
S. 35.
297 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 36.
298 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 337.
43
europäische Staatsangehörige nicht ausschließen und damit deren Ausübung und den Zugang zu
einer selbstständigen Tätigkeit in der Schweiz beschränken, gegen das FZA. 299 Des Weiteren steht
zudem der Wunsch der Initianten der MEI nach einer Möglichkeit, das Recht auf Daueraufenthalt
in der Schweiz zu beschränken, mit den im FZA gewährleisteten Rechten und Möglichkeiten für EU
Staatsangehörige in Konflikt.
Das Recht auf Erbringung von Dienstleistungen: Das FZA regelt die Bedingungen des Dienstleistungsverkehrs in Art. 5 FZA und in den Artikeln 17 bis 23 des Anhangs I FZA. 300 Bei den
Dienstleistungen wird unterschieden zwischen kurzzeitigen und solchen von längerer Dauer.
Zudem wird zwischen dem Dienstleistungserbringer (aktive Dienstleistung) und dem
Dienstleistungsempfänger
(passive
Dienstleistung)
unterschieden.
Das
FZA
gewährt
Dienstleistungserbringern – im Falle der Dienstleistungen auch Gesellschaften - die Möglichkeit
innerhalb eines Zeitraumes von maximal 90 Arbeitstagen pro Jahr, eine Dienstleistung auf dem
Staatsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen.301 Dienstleistungen, welche vom
Dienstleistungserbringer innerhalb der maximal erlaubten Zeit von 90 Arbeitstagen erbracht
werden, können nicht untersagt werden und benötigen keine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Auch ein Dienstleistungsempfänger kann sich zum Empfangen einer Dienstleistung in das
Staatsgebiet der anderen Vertragspartei begeben und das Einreise- sowie Aufenthaltsrecht
beanspruchen. Für eine Inanspruchnahme von Dienstleistungen, welche einen Aufenthalt von
mehr als drei Monaten fordert, hat der Dienstleistungsempfänger für die Gültigkeitsdauer der
Dienstleistung einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Aufenthalte unter drei
Monaten benötigen hingegen keine Aufenthaltsbewilligung. Die im FZA geregelten Verbote der
Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit finden auch im Dienstleistungsbereich ihre
Anwendung (Art. 19 Anhang I FZA).302 Ein Verstoß der MEI im Bereich der Dienstleistung hängt hier
insb. von der Umsetzung der Initiative ab. Da das Ziel der MEI die Reduzierung der Einwanderung
in die Schweiz ist, ist es fraglich, ob der kurz- oder längerfristige Aufenthalt zur Erbringung oder
zum Empfang einer Dienstleistung unter die geforderten Beschränkungen wie bspw. durch
Kontingente oder Höchstzahlen fällt.303 Würde die Umsetzung der Initiative Dienstleistungen mit
einbeziehen und die im Wortlaut geforderten Beschränkungen umsetzen, wäre dies ein Verstoß
gegen das FZA.
299
300
301
302
303
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 37.
Vgl. ebd., S. 38.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 40f.
Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 30.
Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 43f.
44
Das Aufenthaltsrecht von Personen ohne Erwerbstätigkeit: In dem Art. 6 FZA sowie Art. 24
Anhang I FZA werden die Bestimmungen zum Aufenthalt von Personen geregelt, welche keiner
wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Zur Gruppe der Personen ohne Erwerbstätigkeit werden
Studenten, Rentner sowie nicht erwerbstätige Personen gezählt. 304 Im Gegensatz zu den Gruppen
der selbst- und unselbstständigen Arbeitnehmer sowie den Dienstleistungserbringern, welche
gewissen Übergangsbestimmungen innerhalb des FZA unterworfen wurden, galt für die Gruppe
der Personen ohne Erwerbstätigkeit bereits seit dem Inkrafttreten des FZA die völlige Freizügigkeit.
Aufenthaltsbewilligungen werden dieser Gruppe dabei mit einer Gültigkeit von mindestens fünf
Jahren erteilt. Bei Studenten richtet sich der Zeitraum der Aufenthaltsbewilligung jedoch nach der
Dauer der Ausbildung und wird jährlich dem noch entsprechenden Zeitraum angepasst. Die
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist jedoch auch hier an die Bedingungen geknüpft, dass die
Personen, welche eine Aufenthaltsbewilligung – für sich selbst oder Familienangehörige – beantragen, über eine umfängliche Krankenversicherung sowie über ausreichende finanzielle Mittel
verfügen und im Zeitraum ihres Aufenthalts nicht auf Sozialleistungen zurückgreifen müssen. Die
MEI, welche den dauerhaften Aufenthalt von EU Staatsangehörigen, welche keiner
Erwerbstätigkeit nachgehen, einschränken möchte, verstößt daher gegen das durch das FZA
zugesicherte Aufenthaltsrecht für Personen ohne Erwerbstätigkeit.305
Das Recht auf Familiennachzug: Ebenfalls durch das FZA geregelt (Art. 3 Anhang I FZA) wird das
Recht auf den sogenannten Familiennachzug.306 Personen, welche sich auf dem Hoheitsgebiet einer
anderen Vertragspartei niedergelassen haben und über eine gültige Aufenthaltsbewilligung
verfügen, können mit ihren Familienangehörigen zusammenleben, da diesen ebenfalls ein
Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat zugesprochen wird. Vom Recht auf Familiennachzug können
jedoch nur Personen profitieren, welche sich in einem genau bestimmten Nähe- sowie Verwandtschaftsgrad307 zu der Person befinden, welcher das Recht auf Familiennachzug gewährt wird.
Zudem ist der Familiennachzug an die Voraussetzung geknüpft, dass den Familienangehörigen eine
angemessene Unterkunft gestellt werden kann. Die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Aufenthaltsbewilligung für Familienangehörige entspricht der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsbe304
305
306
307
Vgl. ebd., S. 45f.
Vgl. ebd., S. 47.
Vgl. ebd.
In den Anwendungsbereich der Vorschrift und als Familienangehörige gelten ungeachtet ihrer
Staatsangehörigkeit: "der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder
denen Unterhalt gewährt wird; die Verwandten und die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen
Unterhalt gewährt wird; im Fall von Studierenden der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Kinder." Art. 3 lit. 2
Anhang I FZA.
45
willigung der Person, welche das Recht auf Familiennachzug inne hat. 308 Zudem gesteht das FZA
unter gewissen Voraussetzungen (Art. 4 Anhang I FZA) auch den Familienangehörigen ein Verbleiberecht zu. Die Masseneinwanderungsinitiative spricht wörtlich davon, dass der Anspruch auf den
Familiennachzug beschränkt werden kann. Da die Initiative Europäische Staatsangehörige nicht
ausnimmt und somit in Aussicht stellt, dass EU Bürger auch bei Erfüllung der im FZA genannten
Voraussetzungen von ihrem Aufenthaltsrecht nicht Gebrauch machen können, wäre dies eine
eindeutige Verletzung des FZA.309 Weiterhin würde die Beschränkung des Familiennachzugs dazu
führen, dass die vom FZA erfassten Familienangehörigen ihr Recht auf die Möglichkeit des Zugangs
zu einer Erwerbstätigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen könnten. 310 Auch ist in der Beschränkung
des Familiennachzugs ein Verstoß gegen das Verbleiberecht zu sehen.
3. Gesetzliche Beschränkungsmöglichkeiten innerhalb des FZA
Nach den oben aufgeführten Konflikten steht eine wortgetreue Umsetzung der MEI
augenscheinlich im erheblichen Widerspruch zu wesentlichen Elementen und Vorschriften des
FZA. Folglich geht es bei der Umsetzung der MEI nicht nur um eine “geringe“ Anpassung des FZA,
sondern vielmehr um eine weitgehende Neuausrichtung des Abkommens. 311 Fraglich ist daher, ob
die Schweiz sich bei einer dem FZA widersprechenden Umsetzung auf vorhandene
Rechtfertigungsgründe innerhalb des FZA berufen könnte. Zu prüfen sind hier vor allem die
Übergangsbestimmungen in Art. 10 FZA, insb. die sogenannte Ventilklausel. Zudem die mögliche
Anwendbarkeit der “konsensuellen Schutzklausel“ aus Art. 14 Abs. 2 FZA sowie eine Prüfung der in
Art. 5 Anhang I genannten Beschränkungsmöglichkeiten.312 Das FZA sieht in Art. 10
Übergangsbestimmungen zur schrittweisen und “kontrollierten“ Öffnung des Arbeitsmarktes der
Schweiz vor.313 Während der im FZA festgelegten Zeiträume ist es der Schweiz erlaubt, Kontingente
einzuführen, den Inländervorrang beizubehalten sowie Kontrollen der Arbeits- und Lohnbedingungen durchzuführen.314
308 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 338.
309 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 27.
310 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 49.
311 Vgl. Heselhaus, S. / Hänni J.: Rechtsgutachten: Vereinbarkeit der MEI mit Abkommen zwischen EU und Schweiz,
05.10.2011, S. 58.
312 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 341.
313 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 56.
314 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 340.
46
Übersicht über die Übergangsfristen zur Personenfreizügigkeit:315
Anhand dieser Grafik ist zu erkennen, dass die Zulässigkeit dieser Einschränkungen jedoch nur
noch gegenüber Bulgarien und Rumänien möglich ist. 316 Für die EU-17-Staaten galt seit 2007 und
für EU-8-Staaten seit 2011 die volle Freizügigkeit, eingeschränkt durch die Möglichkeit einer Akti vierung der Schutzklausel.317 Zudem ermöglichen die Übergangsregelungen zwar vertraglich genau
bestimmte Beschränkungen der Freizügigkeit, jedoch sind diese nur für eine temporäre und situationsabhängige Anwendung gedacht.318 Permanente Abweichungen und Beschränkungen der Freizügigkeit wie von der MEI gefordert, können über die Übergangsbestimmungen nicht gerechtfertigt
werden. Auch die in Art. 10 FZA enthaltene Ventilklausel, welche als zusätzliche Schutzklausel im
Falle einer kontinuierlichen und überdurchschnittlich hohen Einwanderung aktiviert werden
konnte, steht seit dem 31. Mai 2014 für die EU 25 Staaten nicht mehr zur Verfügung. 319 Da das FZA
keine weitere Möglichkeit beinhaltet, die Ventilklausel zu verlängern, hat der Bundesrat im April
2014 die Revision der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs beschlossen
und damit die Kontingente für die EU-17- und die EU-8-Staaten bereits aufgehoben. 320
315 Quelle Grafik: SECO - Direktion für Arbeit, 11. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen SchweizEU. Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt, 23.05,2015, S. 11.
316 Der Bundesrat hat im Mai 2014 beschlossen, die Übergangsfrist gestützt auf das Protokoll II zum FZA für Bulgarien
sowie Rumänien bis zum 31. Mai 2016 zu verlängern. Der Inländervorrang, die Kontingente sowie die Kontrolle
der Arbeits- und Lohnbedingungen werden demnach aufrechterhalten. Vgl. Medienmitteilung Bundesrat:
28.05.2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=53154 (letzter Zugriff
23.08.2015).
317 Diese wurde auch aktiviert: Siehe Grafik B* sowie vgl. Birrer, Raphaela: Bundesrat ruft Ventilklausel an – die EU
reagiert, 24.04.2013.
318 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 345.
319 Vgl. ebd., S. 341.
320 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Personenfreizügigkeit: Ventilklausel läuft aus, 30.04.2014, URL
https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=52803 (letzter Aufruf 23.08.2015).
47
Dementsprechend kann auch die Ventilklausel nicht als Rechtfertigungsgrundlage zur Umsetzung
der MEI herangezogen werden. Fraglich ist, ob Beschränkungen des FZA über den Art. 5 Abs. I
Anhang I FZA aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt
werden können. Art. 5 Abs. II Anhang I FZA verweist jedoch darauf, dass bei der Auslegung der
oben genannten Begriffe drei Richtlinien321 des Unionsrechts angewendet werden. Durch die unionsrechtliche Auslegung ist der Begriff der öffentlichen Ordnung eng zu verstehen. 322 So darf bei
einer Maßnahme, welche über Art. 5 Anhang I FZA gerechtfertigt wird, nur das persönliche
Verhalten einer Einzelperson auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausschlaggebend sein. 323
Wirtschaftliche Absichten und Gründe dürfen ebenfalls nicht über Art. 5 Anhang I FZA geltend
gemacht werden. Folglich erlaubt die Bestimmung des Art. 5 Anhang I FZA lediglich Beschränkungen im Einzellfall und kann für die Umsetzung der MEI ebenfalls nicht als Rechtfertigungsgrund
beansprucht werden.
Eine weitere Möglichkeit zusätzliche Beschränkungen des FZA zu rechtfertigen, ist in Art. 14 FZA
verankert. Auf dessen Grundlage kann eine Vertragspartei bei schwerwiegenden wirtschaftlichen
oder sozialen Problemen einen Gemischten Ausschuss einberufen, welcher geeignete Abhilfemaßnahmen innerhalb von 60 Tagen prüft und ggf. beschließt. Der Art. 14 Abs. 2 FZA ist somit eine
allgemeine und konsensuelle Schutzklausel, welche bei sozialen und wirtschaftlichen Problemen
Abhilfe schaffen soll.324 Fraglich ist jedoch, ob in der Schweiz derzeit nachweisbare schwerwiegende
wirtschaftliche oder soziale Probleme vorliegen. Entsprechend den Angaben des eidgenössisches
Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung haben sich nach
„[…] der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro durch die Schweizerische
Nationalbank am 15. Januar 2015 und der darauf folgenden Aufwertung des Schweizer Frankens [...]
die Konjunkturindikatoren der Schweiz verschlechtert. Zwar wird die Wechselkursaufwertung die
Konkurrenzfähigkeit Schweizer Firmen beeinträchtigen, dennoch sollten die aufgehellte
Konjunkturperspektiven für Europa und der gefestigte Aufschwung in den USA diese negativen Effekte
mildern. Aus heutiger Sicht dürfte es in der Schweiz zu einer temporären Konjunkturdelle kommen. Ein
schwerwiegender Abschwung – mit deutlich rückläufiger Wirtschaftstätigkeit und stark steigender
Arbeitslosigkeit – ist im aktuellen Umfeld nicht absehbar. Für die Jahre 2015 und 2016 wird
demzufolge ein BIP-Wachstum von +0,9% bzw. +1,8% mit einem leichten Anstieg der
Arbeitslosenquote erwartet.“.325
321 Die Richtlinien 64/221/EWG (ABl. Nr. 56, 1964, S. 850), 72/194/EWG (ABL. Nr. L 121, 1972, S. 32) und 75/35/EWG
(ABl. Nr. L 14, 1975, S. 10).
322 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 335.
323 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 341f.
324 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 57 / Kunz, R.: Schweiz – EU:
Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S.
346.
325 Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes: Wirtschaftlage, Frühjahr 2015, Wirtschaftslage, URL
48
Auch wenn in dieser Stellungnahme gewisse derzeitige, wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgeführt
und für das nächste Jahr prognostiziert werden, ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Schweiz
schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme innerhalb des Anwendungsbereichs des
Art.14 Abs. 2 FZA geltend machen kann. Selbst wenn die Schweiz, notwendige Probleme geltend
machen könnte, besagt Art.14 Abs. 2 FZA über die Maßnahmen, welche vom Gemischten
Ausschluss beschlossen werden, dass diese „in Umfang und Dauer auf das zur Abhilfe erforderliche
Mindestmass zu beschränken [sind]. Es sind solche Massnahmen zu wählen, die das Funktionieren
dieses Abkommens so wenig wie möglich beeinträchtigen.“ Dauerhafte Beschränkungen wie von
der MEI gefordert, könnten somit auch nicht über den Art. 14 FZA gerechtfertigt werden.
In Anbetracht der eben aufgeführten Rechtfertigungsgründe innerhalb des FZA scheint eine erfolgreiche Berufung auf diese für eine wortnahe Umsetzung der MEI mehr als unwahrscheinlich.
Möchte die Schweiz jedoch das FZA nicht verletzen, um einer Aufkündigung des FZA zu entgehen,
hat sie dafür theoretisch zwei weitere grundsätzliche Optionen. 326 Eine Option wäre, die MEI im
Einklang mit den Bestimmungen des FZA umzusetzen. Fraglich ist hierbei jedoch, inwieweit eine
solche Umsetzung, wenn in Hinblick auf den Handlungsspielraum der Regierung überhaupt
möglich, mit den Intentionen der Initiative und dem geäußerten “Volkswillen“ zu vereinbaren
wäre. Die zweite Option wäre der Versuch, das FZA mit der EU neu zu verhandeln, wie dies bereits
im Wortlaut der Initiative geäußert wird.
4. Umsetzung der MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA
Wie bereits dargelegt, benötigen einige Bestimmungen des neuen Art. 121a BV in vielen Punkten
inhaltliche Präzisierung für Ihre Umsetzung.327 Art. 121a BV ist daher nicht unmittelbar anwendbar
und bedarf einer Ausführungsgesetzgebung. Eines der offensichtlichsten und wohl am meist
diskutierten Beispiele hierfür findet sich in der Aufforderung der Initiative, dass die jährlichen
Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer anhand der gesamtwirtschaftlichen Interessen der
Schweiz zu bestimmen seien.328 Eine solch offene und interpretationsfreudige Formulierung
bedingt automatisch einen gewissen Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Initiative. Bei
dem Ziel die MEI im Einklang mit den Bestimmungen des FZA umzusetzen, besteht jedoch die
https://www.wbf.admin.ch/de/themen/wirtschaft/wirtschaftslage/ (letzter Zugriff 23.08.2015).
326 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 348.
327 Vgl. ebd., S. 347.
328 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 353ff / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV,
2014, S. 8.
49
Frage, inwieweit die Bestimmungen des Art. 121a BV ausgelegt werden dürfen, um dieses Ziel zu
erreichen, ohne dabei den verfassungsrechtlich gewährleisteten Handlungsfreiraum zu
überschreiten. Dementsprechend müssen für eine mit dem FZA konforme Umsetzung zwei große
Fragen geklärt werden. Die erste Frage betrifft die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, welche
das Parlament und der Bundesrat bei der Umsetzung und Auslegung der MEI zu beachten haben.
Die zweite Frage ist, ob es überhaupt inhaltliche Umsetzungskonzepte geben kann, welche die MEI
rechtskonform zum FZA umsetzen.
Verfassungsrechtliche Bestimmungen: Wenig Hoffnung auf eine verfassungsrechtlich mögliche
und konforme Auslegung der MEI mit dem FZA finden sich in vielen Äußerungen von Politikern,
Verbänden und genannten Rechtsgutachten vor der Abstimmung zur MEI. 329 Auch formulierte
bspw. der Bundesrat in seinen Schlussfolgerungen zur MEI bereits:
„Die Initiative ist mit dem FZA nicht vereinbar. Das FZA müsste im Falle einer Annahme derInitiative
mit grösster Wahrscheinlichkeit gekündigt werden. Dies hätte kaum abschätzbare Auswirkungen auf
die Beziehungen zur EU insgesamt und würde den bisherigen bilateralen Weg der Schweiz
gefährden.“330
Nach der Abstimmung begann jedoch sofort eine Relativierungstendenz, bei welcher nicht nur
Politiker begannen, über mit dem FZA konforme Umsetzungen zu debattieren. 331 Die im Vorfeld der
Abstimmung mehrheitlich geäußerte Meinung, dass die MEI allgemein nicht mit dem FZA
vereinbar wäre, führt verfassungsrechtlich nicht zu einer Verpflichtung, die Bestimmung des Art.
121a BV auch so auszulegen.332 Die Auslegungsmöglichkeiten der neuen Verfassungsbestimmung
richtet sich nach den maßgeblichen und üblichen juristischen Methoden, insb. dem Wortlaut, der
Systematik sowie der Zielsetzung und der Entstehungsgeschichte.333 Die Deutungshoheit über in
der MEI enthaltene Formulierungen wie: gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz oder
Völkerrechtliche Verträge, die Artikel 121a widersprechen, [...] neu zu verhandeln und anzupassen,
neu zu verhandeln bzw. anzupassen bedeutet jedoch nicht gleich kündigen334, liegt jedoch nicht
329 Vgl. bspw. economiesuisse: Initiative <<Gegen Masseneinwanderung>> schadet der Wirtschaft, 26.07.2011, URL
http://www.economiesuisse.ch/de/themen/awi/bilwirtschaftsbez/seiten/_detail.aspx?
artID=article_Masseneinwanderung_20110726 (letzter Zugriff 23.08.2015).
330 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 342.
331 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 9.
332 Vgl. ebd., S. 41.
333 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 20 / Zur Auslegung und dem
Verhältnis der MEI zum Völkerrecht vgl. Insb.: Bundesamt für Justiz: Angenommene Volksinitiative «Gegen
Masseneinwanderung»: Auslegung der Artikel 121a und 197 Ziffer 9 (heute: 197 Ziffer 11) der Bundesverfassung,
08.04.2015, S. 3ff.
334 Vgl. Bundesamt für Justiz: Angenommene Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»: Auslegung der Artikel
121a und 197 Ziffer 9 (heute: 197 Ziffer 11) der Bundesverfassung, 08.04.2015, S. 22.
50
mehr bei den Initianten der Initiative, sondern beim Gesetzgeber. 335 Dieser kann im Rahmen der
Auslegung zwar den Willen der Initianten berücksichtigen, es gilt jedoch prinzipiell, dass jeglicher
Rechtstext, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Auslegungsmethoden zu interpretieren
und autoritativ von jenen Instanzen auszulegen ist, welche das Recht anwenden. 336 Des Weiteren
ist bei der Auslegung von Verfassungsbestimmungen, das in Art. 5 BV verankerte Beachtungsgebot
des Verhältnisses von Landes- und Völkerrecht zu berücksichtigen. 337 Darin begründet liegt die
Pflicht, Verfassungsbestimmungen soweit möglich völkerrechtskonform 338 auszulegen, um so
etwaige Konflikte zu vermeiden. Verstößt eine landesrechtliche Norm vom Sinngehalt her auf
ersichtliche Weise gegen Völkerrecht, liegt ein Normenkonflikt vor. Bei einer erfolgreichen
Volksabstimmung welche nicht vereinbar mit dem Völkerrecht ist, kennt das schweizerische
Verfassungsrecht aber keine Konfliktregel, welche eine klare Rangordnung vorschreibt. Handelt es
sich bei der Initiative, welche gegen das Völkerrecht verstößt, jedoch um eine nicht unmittelbar
anwendbare Initiative, so stehen dem Gesetzgeber bestimmte Gestaltungsfreiräume zur
Überbrückung der einschlägigen Widersprüche zwischen dem Verfassungs- und dem Völkerrecht
zur Verfügung. Unstrittig ist jedoch, dass im vorliegenden Fall der MEI, das von der Regierung
auszuarbeitende Gesetz dem Anliegen des Art. 121a BV, die Zuwanderung in die Schweiz zu
begrenzen, in irgendeiner Art und Weise entsprechen muss. 339 In der Schweiz, in welcher die direktdemokratische Mitwirkung des Volkes vermehrt zum obersten Staatsprinzip erklärt wird, ist
durchaus damit zu rechnen, dass eine nicht vollumfängliche umgesetzte Initiative, als Missachtung
der Vorstellung des absoluten Volkswillen gedeutet werden kann.340
Ein aktuelles Beispiel in Bezug auf die Folgen bei der “Missachtung des Volkswillen“ ist die
Umsetzung der Ausschaffungsinitiative341, bei welcher sich der Nationalrat gegen die strikte
wortgetreue
Umsetzung
entschieden
hat
und
nun
einer
von
der
SVP
initiierten
335 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 352.
336 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 21 / Hangartner, Yvo:
Bundesgerichtlicher Positionsbezug zum Verhältnis von Bundesverfassung zum Völkerrecht, In AJP, 5/2013, 22
Jahrgang, S. 703.
337 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 352.
338 Die Problematik inwieweit Volksinitiativen welche gegen das Völkerrecht verstoßen umgestzt bzw. angewendet
werden können, ist in vielen Punkten bis heute in der Schweiz strittig. Vgl Bericht über das Verhältnis von
Völkerrecht und Landesrecht vom 05 März 2010, BBI 2010 2263ff.
339 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 37.
340 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 349.
341 Vgl. Details Eidgenössische Volksinitiative 'für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)',
URL https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis357.html (letzter Zugriff 23.08.2015).
51
Durchsetzungsinitiative gegenübersieht.342 Für die MEI bedeutet das oben aufgeführte zwar, dass es
aus verfassungsrechtlicher Sicht den notwendigen Handlungsfreiraum zur konformen Umsetzung
der Initiative mit dem FZA theoretisch gibt, es jedoch fraglich ist, ob die Regierung eine solche
Umsetzung unter Beachtung des zur MEI geäußerten Volkswillens erreichen kann. Meines
Erachtens wäre es jedoch durchaus interessant zu sehen, was geschehen würde, wenn die von der
Regierung gewählte Umsetzung zu einer neuen Volksinitiative führen würde, in welcher die
inhaltlich präzisierungbedürftigen Stellen der MEI ausformuliert und dem Volk vorgelegt werden.
Angenommen, die neue Initiative wählt einen strikten Wortlaut, welcher im eindeutigen Konflikt
mit dem FZA steht und der Regierung keinen Handlungsfreiraum mehr gibt, muss sich das
Schweizer Volk für oder gegen den bilateralen Weg entscheiden. Zumindest laut aktueller
Umfragen hält die Mehrheit der Schweizer den Erhalt des bilateralen Weges wichtiger als die
Umsetzung der MEI.343
Inhaltlich konforme Umsetzungskonzepte: Um die Verfassungsbestimmung des Art. 121a BV in
einem Gesetz so umzusetzen, dass dieses inhaltlich nicht gegen das FZA verstößt, müssen vor
allem Lösungen im Bereich der Kontingente und Höchstzahlen sowie bei den oben genannten
Problemen der Ausländerdiskriminierung gefunden werden. Mittlerweile haben u.a. eine Vielzahl
von
wirtschaftlichen
und
politischen
Verbänden
Wortlautinterpretationen
der
Verfassungsbestimmung sowie Konzepte mit darin enthaltenden Lösungsvorschlägen zur
konformen Umsetzung der MEI mit dem FZA veröffentlicht. Zu betonen ist jedoch, dass es sich
lediglich um Konzepte sowie Vorschläge handelt und das die darin genannten Ansichten nicht
unbedingt auf Zustimmung bei der EU treffen müssen. Dies lässt sich anhand der Thematik der
Kontingente und Höchstzahlen veranschaulichen. Wie erwähnt, ist der Grundgedanke der
Personenfreizügigkeit die Überwindung von zahlenmäßigen Beschränkungen und das FZA richtet
sich somit ausdrücklich gegen Kontingente und Höchstzahlen, welche nicht durch das Abkommen
zu rechtfertigen sind.344 Durch den Wortlaut der Initiative, dass die Kontingente und Höchstzahlen
342 Problematisch an der Durchsetzungsinitiative bzw. allgemein am strikten Wortlaut der Ausschaffungsinitiative ist,
dass diese keine Prüfung im Einzelfall vorsieht und dadurch bedingt, dass Richter auf das wichtige rechtsstaatliche
Instrument der Verhältnismäßigkeit verzichten müssen. Ebenfalls existiert ein Konflikt mit dem Völkerrecht, da
das von der EMRK garantierte Recht auf Familienleben bei dem Entscheid über die Ausschaffung keine Beachtung
finden würde. Vgl. o.V.: Ausschaffungsinitiative soll strikt nach Wortlaut umgesetzt werden, 14.02.2014 /
Geissbühler, Andrea: Deshalb die Durchsetzungsinitiative, 09.07.2015.
343 Vgl. o.V.: Bei Ecopop-Abstimmung waren Bilateralen wichtiger als Zuwanderung, 04.02.2015 / Tresch, Anke, u.a.:
Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, gfs.bern und Institut für Politikwissenschaft
Universität Genf, 2014.
344 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 342.
52
anhand der gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu bestimmen sind, wurden bspw.
Vorschläge geäußert, dass die Kontingente für EU-Bürger so hoch angesetzt werden, dass diese
nicht
überschritten
werden
könnten. 345
Ebenfalls
diskutiert
wurde,
dass
bestimmte
Personengruppen, um die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz nicht zu gefährden, von den
Kontingenten und Höchstzahlen auszunehmen sind.346 Genannt wurden hier bspw. die
Grenzgänger, aber auch Personen innerhalb der Forschung oder Beschäftigte bei Internationalen
Organisationen und ihre Familienangehörigen.347 Auch die Einführung von Kontingenten und
Höchstzahlen, welche jedoch bei deren Ausschöpfung zeitnah erweitert werden können, d.h., dass
im Bedarfsfall Staatsangehörige der EU die Möglichkeit haben, dennoch die im FZA garantierte
Freizügigkeit zu nutzen, wurde angeführt. 348 Diese Vorschläge ermöglichen es EU-Bürgen, ihre
durch das FZA garantierten Rechte trotz vorliegender Kontingente bzw. Höchstzahlen in Anspruch
zu nehmen.
Fraglich ist jedoch, inwieweit Brüssel eine Verletzung des FZA bereits in der Anwendung bzw.
Aufstellung von Kontingenten und Höchstzahlen sieht, auch wenn diese selbst bei deren
Überschreitung, die individuelle Freizügigkeit praktisch nicht verletzen würden. Denn Rechtfertigungsgründe innerhalb des FZA für die Einführung von Kontingenten gibt es, wie bereits geprüft,
nicht. Eher sind solche Konzepte mit dem FZA in Einklang zu bringen, die EU-Bürger von vornherein
von zukünftigen Kontingenten und Höchstzahlen ausnehmen bzw. Kontingente und Höchstzahlen
lediglich als Richtwerte festlegen.349 Ein weiterer Aspekt, der bei einer konformen Umsetzung der
MEI mit dem FZA zu regeln ist, sind die vielen bereits aufgeführten Verstöße durch Diskriminierung
aufgrund der Staatsangehörigkeit. Insbesondere die Umsetzung des von der MEI geforderten
Inländervorrangs befindet sich derzeit in einer hitzigen Debatte. 350 Nach der MEI sollen in der
Schweiz nur Ausländer zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zugelassen werden, wenn nachgewiesen wurde, dass kein geeigneter inländischer Arbeitnehmer gefunden werden konnte. 351 Der
Inländervorrang galt seit Einführung der Personenfreizügigkeit nur noch gegenüber Personen aus
345 Dieser Vorschlag wird mehrfach geäußert jedoch stets als unrealistisch und unvereinbar mit Absicht der Initiative
gesehen. Vgl. Ernst, Wolfgang: Es gilt das Prinzip der Hoffnung, In NZZ, 13.02.2014, Nr. 36, S. 19 / Epiney, A.: Zur
rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 9.
346 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 37.
347 Vgl. Donzé, René: <<Wir sollten die Grenzgänger nicht kontingentieren>>, 02.03.2014.
348 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 29.
349 Vgl. ebd., S. 28f.
350 Vgl. Linger, Tilman: Inländer-Vorrang? Nichts ist passiert, 19.01.2015, / Schöchli, Hansueli: Fahnden nach dem
Wert der Bilateralen, In NZZ, 04.02.2015, Nr. 28, S 23.
351 Vgl. Buomberger, Peter: Schweizervorran – Wie umsetzen?: 14.05.2014 / Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der
Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 32.
53
Drittstaaten. Auch das Einbeziehen von bereits wohnhaften EU-Bürgern sowie EU-Bürgern mit
einer Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz in den Inländervorrang, ändert
nichts daran, dass dieser zu einer nicht mit dem FZA zu vereinbaren Beschränkung führt, da der
Zugang zum Arbeitsmarkt für EU Bürger außerhalb der Schweiz erschwert bzw. verhindert wird.
Auch hier könnte der Wortlaut der Initiative, bei der Umsetzung die “gesamtwirtschaftlichen Interessen“ zu berücksichtigen, Abhilfe schaffen. 352 Schließlich spricht sich die Wirtschaft ganz klar für
die Beibehaltung der bisherigen Regeln aus und damit gegen die geforderten Kontingente sowie
den Inländervorrang. Die Einführung von Kontingenten sowie dem Inländervorrang würde
aufgrund der Verletzung des FZA sehr wahrscheinlich zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen
führen. Auch dies würde dem erklärten Ziel der Initiative, die wirtschaftlichen Interessen der
Schweiz zu berücksichtigen in keinster Weise Rechnung tragen. 353 Zusammenfassend lässt sich auch
hier sagen, dass der Wortlaut der Initiative Konzepte zulässt, welche eine Umsetzung im Einklang
mit dem FZA ermöglichen. Fraglich ist jedoch, inwieweit der notwendige politische Wille, sowie der
Rückhalt im Volk vorhanden ist, eine solche Umsetzung zu fokussieren.
5. Neuverhandlung des FZA
Eine weitere Option bzw. Forderung des Initiativtextes der MEI ist, dass völkerrechtliche Verträge,
welche die selbstständige Steuerung der Zuwanderung durch die Schweiz verhindern, innerhalb
von drei Jahren neu verhandelt werden sollen.354 Implizit wird von den Initianten der MEI dabei das
FZA als ein solches neu zu verhandelndes Abkommen bezeichnet. Zumindest theoretisch sind Neuverhandlungen zur Anpassung von völkerrechtlichen Verträgen immer möglich. Um eine Anpassung des FZA auf völkerrechtlicher Ebene durchzuführen, müssten sich die Schweiz und die EU zu
Verhandlungen bereit erklären und im Falle einer Einigung die Abänderungen des Vertrags in die
Wege leiten. Bei der von der Initiative ausdrücklich verlangten Neuverhandlung des FZA ergeben
sich jedoch eine Vielzahl von Fragen und Konflikten. 355 Die wohl elementarste Frage ist, ob es der
Schweiz und der EU bei einer Neuverhandlung des FZA gelingen könnte, einen Kompromiss zu
finden, der für beide Seiten tragbar ist. Vor dieser schwierigen Herausforderung steht jedoch
bereits das Problem, dass für eine solche Neuverhandlung beide Seiten für Verhandlungen bereit
352 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 355.
353 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 37.
354 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 59f / Überparteiliches Komitee
gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 33.
355 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 356.
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und über ein dafür notwendiges Verhandlungsmandat verfügen müssen. Auf die Bereitschaft der
EU, die Neuverhandlungen des FZA zu beginnen, wartet die Schweiz jedoch seit mehr als 18
Monaten nach der Annahme der MEI vergeblich. 356 Zusätzlich stellt sich die Frage, inwieweit der
gesetzte Zeitraum von drei Jahren zur Neuverhandlung des FZA mit der EU überhaupt realistisch ist
und ob dieser überhaupt noch eingehalten werden kann.
Wie erwähnt, setzte die Schweiz bereits frühzeitig auf Gespräche über eine Neuverhandlung des
FZA mit der EU. Den Entwurf des Verhandlungsmandats verabschiedete die schweizerische Regierung im Oktober 2014, definitiv beschlossen wurde das Verhandlungsmandat im Februar 2015. 357
Das Mandat verfolgt dabei zwei Ziele gleichermaßen: So gilt es, dass FZA so anzupassen, dass es
der Schweiz unter der Wahrung ihrer gesamtwirtschaftlichen Interessen möglich ist, ihre Zuwanderung eigenständig zu regeln. Zudem soll der bilaterale Weg zwischen der EU und der Schweiz als
Grundlage der Beziehungen gesichert werden. Um die dafür notwendigen Verhandlungen
aufzunehmen, ist das Einverständnis der EU sowie die Zustimmung aller MS nötig. 358 Seit der
Annahme der MEI hat die EU jedoch stets verkündet, dass sie nicht bereit sei, im Bereich der
Personenfreizügigkeit zu verhandeln, da es sich bei dieser um eine der Grundfreiheiten und
fundamentalen Säule des freien Binnenmarktes der EU handelt. 359 Galten auf Schweizer Seite
zunächst noch Hoffnungen, dass es sich bei der ablehnenden Haltung gegenüber einer
Neuverhandlung des FZA um Interventionen von EU Hardlinern handele, sowie um eine Taktik, um
in späteren Verhandlungen stärker auftreten zu können, erhalten solche Hoffnungen stetig neue
Rückschläge.360 Mittlerweile bekennt sich die EU geschlossen, d. h. die Kommission, die MS sowie
das EU-Parlament zur unnachgiebigen Haltung, dass Beschränkungen der Personenfreizügigkeit
wie von der MEI gefordert nicht mit dem FZA zu vereinbaren sind. Formelle Verhandlungen sind
diesbezüglich abzulehnen. Die Haltung der MS sowie des Parlaments zur Aufnahme zeitnaher oder
zukünftiger Verhandlungen sind von großer Bedeutung.361 Nicht nur, dass für die Aufnahme von
Neuverhandlungen das Einverständnis aller MS notwendig ist, zudem müssten diese dann auch bei
den anschließend folgenden Verhandlungen dem ausgearbeiteten Ergebnis zustimmen. Denn im
356 Vgl. Bahadir, A.: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 4 / Washington, Oliver:
Harte Ansage des EU-Parlaments zur Personenfreizügigkeit, 07.05.2015.
357 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Bundesrat will mit der EU über Personenfreizügigkeit verhandeln, 08.10.2014,
URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=54761 sowie Steuerung der
Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und Verhandlungsmandat, 11.02.2015, Url
https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015).
358 Vgl. auch Jaag, T.: Europarecht, 2010, S. 404.
359 Vgl. Nuspliger, Niklaus: <<Die Freizügigkeit gilt absolut oder gar nicht>>, In: NZZ, 10.02.2014, Nr. 33, S. 7.
360 Vgl. Fellmann, Fabian u.a.: EU stoppt Strom-Kompromis, In NZZ am Sonntag, 26.04.2015, Nr. 17, S 13.
361 Vgl. Washington, O.: Harte Ansage des EU-Parlaments zur Personenfreizügigkeit, 07.05.2015.
55
Gegensatz zu den anderen bilateralen Verträgen handelt es sich beim FZA um ein sog. gemischtes
Abkommen, welches bei Veränderungen nicht nur die Genehmigung der EU sowie der Schweiz,
sondern auch der Zustimmung aller MS der EU bedarf. 362 Das die notwendige Zustimmung aller MS
sowie die des Parlaments ein sehr schwieriges Unterfangen ist, dürfte ohne Zweifel sein.
Schließlich ist einer großen Mehrheit der MS daran gelegen, dass sich ihre Bürger frei in der EU
sowie in der Schweiz bewegen können.363 Insbesondere einige MS wie bspw. Rumänien stehen
einer Beschränkung der Freizügigkeit dabei mit ganz klaren Worten entgegen, wie der
Schweizerische Botschafter vor kurzem während eines Hearings vor dem EU-Parlament feststellen
konnte.364 Grundsätzlich müsste es der Schweiz also gelingen, die EU und alle MS davon zu
überzeugen, dass die von der Schweiz letztendlich bei den Verhandlungen geforderten Beschränkungen der Personenfreizügigkeit insgesamt mehr von Vorteil als von Nachteil für alle wären.
Meines Erachtens könnte dies der Schweiz gelingen, wenn es um “alles oder nichts“ geht. Fehlt es
letztlich an der Zustimmung einiger MS und würde dies zur Aufkündigung der BIL I führen, müsste
man sich durchaus fragen, ob das geringere Übel für die MS das Ende der Personenfreizügigkeit
mit der Schweiz oder die Annahme der bis dahin hoffentlich “entgegenkommenden“ Beschränkungen der Personenfreizügigkeit wären. Fraglich ist jedoch, inwieweit die MS bereit sind, dem
Nichtmitgliedsstaat Schweiz erneut entgegen zu kommen. Denn mit Sicherheit haben MS durch
ihren Beitritt zur EU ebenfalls für sie unvorteilhafte Bestimmungen übernehmen müssen. Dazu
passt die Aussage der EU Kommissarin Viviane Reding, welche sagte, dass „Die
Personenfreizügigkeit sei Teil des Binnenmarkts, und dieser sei nur als Gesamtpaket zu haben. Da
kann die Schweiz nicht hier oder da Rosinen picken.“ 365 Für alle MS der EU gilt, dass die Vorteile des
Binnenmarktes oder auch des EU Beitritts zusammen mit dessen negativen Punkten einhergehen.
Es liegt an den (Mitglieds-)Staaten zu beurteilen, ob für diese die Vor- oder Nachteile überwiegen
und ob sie ein Teil der EU werden oder diese wieder verlassen möchten. Doch es gilt auch für die
Schweiz der Grundsatz, dass sie nicht nur die Vorteile des Binnenmarktes für sich beanspruchen
kann.
Zusätzlich erschwerend ist, dass rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien in Europa
versuchen, das Ergebnis der MEI für ihre Zwecke zu nutzen. Für die EU-Kommission wird es
deswegen politisch noch viel schwieriger sein, dem Nichtmitgliedsstaat Schweiz bei Eingriffen in
362 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 265.
363 Vgl. Birrer, Raphaela: «Die EU wird der Schweiz garantiert nicht entgegenkommen», 08.05.2015 / Epiney, A.: Zur
rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 35.
364 Vgl. Washington, O.: Harte Ansage des EU-Parlaments zur Personenfreizügigkeit, 07.05.2015.
365 o.V.: «Die Schweiz kann nicht hier oder da Rosinen picken», 19.01.2014.
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eine so elementare Grundfreiheit entgegenzukommen.366 In einer von der ETH Zürich durchgeführten Simulation der Neuverhandlung des FZA, in welcher drei Umsetzungskonzepte der MEI von
prominenten Delegationen367 aus Politik und Wirtschaft verhandelt wurden, stand am Ende fest,
dass nicht nur in Brüssel und Bern sondern auch am simulierten Verhandlungstisch in Zürich eine
Beschränkung des Prinzips der Personenfreizügigkeit nicht erreichbar war.368
Eine weitere Möglichkeit seitens der Schweiz, die EU zu einer Neuverhandlung des FZA zu bewegen
bzw. die schließlich von der Schweiz geforderten Beschränkungen zu akzeptieren, könnte jedoch
ihr Entgegenkommen in anderen Bereichen sein, welche für die EU von Interesse sind. 369 Schon seit
2008 betont die EU regelmäßig, dass die sektoralen Abkommen mit der Schweiz aufgrund ihrer
Anzahl und Komplexität an ihre Grenzen gestoßen sind und sie ohne eine institutionelle
Vereinbarung über Gerichtsbarkeit, Rechtsauslegung und Acquis-Übernahme keine weiteren
Binnenmarktverträge abschließen will.370 Für viele Schweizer versinnbildlichen diese Forderungen
jedoch nur die Absicht der EU, die Souveränität der Schweiz zu untergraben und so einen weiteren
Schritt zum Beitritt der Schweiz zur EU zu erzwingen. Dennoch könnten gerade die derzeitigen
Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz hinsichtlich eines institutionellen Rahmenabkommens auch für die Verhandlungen zur Umsetzung der MEI von Bedeutung sein. 371 Die Forderungen,
welche die EU in ihrem Verhandlungsmandat372 zu den institutionellen Mechanismen aufgestellt
hat, machen eines deutlich: man ist bereit zu verhandeln, jedoch soll mit der gerne beklagten
“Rosinenpickerei“ der Schweiz Schluss sein.373
Die Schweiz muss sich dementsprechend darüber im Klaren sein, welche Kompromisse sie bereit
ist einzugehen um, die EU zufrieden zu stellen, oder ob sie wirklich den Wegfall der BIL I und die
damit verbundenen Konsequenzen riskieren möchte. Das Verhandlungsmandat der Schweiz zeigt
sich hier wieder als der Versuch der Quadratur des Kreises, soll doch sowohl der bilaterale Weg
gesichert als auch die selbstständige Steuerung der Zuwanderung erreicht werden. Über den letzt366 Vgl. Nuspliger, N.: <<Die Freizügigkeit gilt absolut oder gar nicht>>, 09.02.2014, S. 7.
367 Teilnehmer waren unter anderen: die Nationalräte Thomas Aeschi (SVP) und Christa Markwalder (FDP) sowie die
ehemaligen Schweizer Botschafter Bernhard Marfurt und Luzius Wasescha. Ihnen gegenüber: Ursula Plassnik,
einst Außenministerin von Österreich, und Peter Gottwald, der frühere deutsche Botschafter in Bern. Ergänzt
wurden die Delegationen durch mehrere Experten für Europapolitik.
368 Vgl. Daum, Matthias: Es wird schwierig, In: Die Zeit, 18.09.2014, Nr. 39, S. 13.
369 Vgl. Flückiger, Jan: Bundesrat sucht den Befreiungsschlag, In: NZZ, 25.06.2015, Nr. 144, S. 9.
370 Vgl. Gemperli, Simon: Keine Katastrophe, sondern ein Weckruf, 28.04.2015 / Rat der Europäischen Union:
Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern, 08.01.2013, S. 10.
371 Vgl. DEA: Institutionelle Fragen, Stand 28.05.2015, URL https://www.eda.admin.ch/dea/de/home/verhandlungenoffene-themen/verhandlungen/institutionelle-fragen.html (letzter Zugriff 23.08.2015).
372 Vgl. Council of the european union: negotiating mandate for an EU-Switzerland institutional framework
agreement, 06.05.2014, Doc-Nr: 9525/14, S. 1ff.
373 Vgl. Rafi, Reza: Die EU gibt der Schweiz den Tarif durch, In SonntagsZeitung, 06.07.2014, S. 3.
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endlichen Ausgang der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU kann nur gemutmaßt
werden.374 Sicher ist nur, dass der Start eventueller Neuverhandlungen des FZA vom politischen
Willen der EU abhängt. Das ggf. zukünftige Verhandlungsmandat würde inhaltlich dann jedoch der
Schweiz “genau“ veranschaulichen, wie die EU zum Revisionswunsch der Schweiz steht und welche
eigenen Revisionswünsche die MS der EU vorbringen. 375 Doch selbst wenn die EU bereit ist, ein
Mandat zu verabschieden und Verhandlungen zu beginnen, ist es nahezu ausgeschlossen, dass die
dafür in der Initiative geforderte Frist von drei Jahren noch eingehalten werden kann. 376
Erfahrungsgemäß dauert es selbst bei in der EU unbestrittenen Themen mindestens ein halbes
Jahr, bis das für ein Verhandlungsmandat notwendige Einverständnis aller 28 MS eingeholt ist.
Namhafte Politiker schätzen die Dauer des Verhandlungszeitraumes sogar auf bis zu 10 Jahre. 377 Als
positiven Aspekt im Bereich der Neuverhandlung des FZA lässt sich jedoch sagen, dass zwischen
der Schweiz und der EU zwar keine offizielle Verhandlung, jedoch sehr wohl intensive informelle
Gespräche stattfinden.378 Auch beobachtet die EU die politischen Gespräche und Vorschläge der
Schweiz genau und kommentiert politische Vorstöße der Schweiz teilweise innerhalb kurzer Zeit. 379
Ein intensives Interesse Brüssels an den Entscheidungen der Schweiz im Bereich der MEI ist somit
nicht zu leugnen.
6. Kündigung des FZA
Wie dargelegt, befinden sich die Bestimmungen der MEI im offensichtlichem Widerspruch mit dem
FZA. Die oben aufgeführten Optionen, insb. die Neuverhandlung des FZA sowie eine konforme
Umsetzung des Art. 121a BV mit dem FZA, könnten Lösungen für den derzeitigen Freizügigkeitskonflikt darstellen. Beide Optionen sind jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden und
es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn die Schweiz bei der Umsetzung der MEI keine für die
EU zufriedenstellende Lösung findet und das FZA schließlich verletzt wird. Würde eine Verletzung
des FZA automatisch zu einer Kündigung führen? Schließlich stellt sich die Frage, was geschieht,
374 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 356.
375 Vgl. Kellenberger, Jakob: Prioritäten im Verhältnis zur EU, In: NZZ, 13.10.2014, Nr. 237, S. 17.
376 Vgl. Häfliger, Markus: Sommaruga nimmt Masseneinwanderungsinitiative ganz in ihre Hand, In: NZZ, 09.10.2014,
Nr. 234, S. 9.
377 Vgl. Schindler, Felix: «Es dauert zehn Jahre, bis neue Verträge ausgehandelt sind», 10.02.2014.
378 Vgl. Bahadir, A.: Switzerland: A vote against migration holds up far more, June 2015, S. 4 / Brönnimann, Christian:
Ein Chefunterhändler soll es in Brüssel richten, In: Tages-Anzeiger, 25.06.2015, S. 5.
379 So antwortete Brüssel bspw. innerhalb 45 Minuten nach der SchweizerischenVerabschiedung des
Verhandlungsmadats zur Neuverhandlung des FZA mit einem deutlichen "Nein" für Verhandlungen im Bereich der
Personenfreizügigkeit. Vgl. Häflinger, M: Sommaruga nimmt Masseneinwanderungsinitiative ganz in ihre Hand,
08.10.2014, S. 9.
58
wenn es tatsächlich zu einer Kündigung des FZA kommt, insb. in Hinblick auf die Wirkung der
Guillotine-Klausel, aber auch auf das zukünftige Verhältnis Schweiz EU.
Zunächst beinhaltet Art. 25. Abs. 3 FZA die Möglichkeit einer Kündigung durch die Vertragspartei en.380 Die EU sowie die Schweiz können das FZA demgemäß durch Notifikation gegenüber der
anderen Vertragspartei zu jedem beliebigen Zeitpunkt kündigen. Die Entscheidung das FZA aufzukündigen, ist sowohl auf Seiten der EU als auch auf Seiten der Schweiz eine Frage des politischen
Ermessens.381 Sowohl die Schweiz als auch die EU müssen sich bei der Aufkündigung des FZA an die
jeweiligen Bestimmungen des inländischen Rechts bzw. im Fall der EU an die internen Verfahrensregeln halten. Diesbezüglich besteht jedoch sowohl bei der EU als auch bei der Schweiz
Klärungsbedarf. Auf Seiten der EU bestehen zwar interne Verfahrensregeln zur Aussetzung von
internationalen Übereinkünften (vgl. Art. 218 AEUV), jedoch keine explizite Regelung zur Aufkündigung von Übereinkünften. Die herrschende Meinung geht jedoch auf Grundlage des Prinzips der
Parallelität der Formen davon aus, dass die auf das Abschließen von Übereinkünften anwendbaren
Verfahrensregeln auch bei der Aufkündigung von Verfahren Anwendung finden. Strittig ist, ob bei
einer Vertragsverletzung des FZA durch die Schweiz bei der darauf ggf. erfolgenden Kündigung die
Zustimmung aller MS erforderlich ist. 382 In diesem Fall könnte es sich bei einer Kündigung des FZA
für die EU um ein längerfristiges und komplexes Verfahren handeln, von welchem die Schweiz
profitieren könnte. In der Schweiz werden derzeitig insb. Fragen diskutiert, ob die Regierung bei
einer Vertragsverletzung verpflichtet sei, das FZA zu kündigen und in wessen Kompetenz eine
Kündigung letztendlich fallen würde.383 Gemäß dem Grundsatz pacta sunt servanda ist die Schweiz
(sowie die EU) dazu verpflichtet, die Bestimmungen des Vertrages nach Treu und Glauben zu
erfüllen.384 Dementsprechend äußerte der Bundesrat in seiner Botschaft zur MEI auch, dass, wenn
es der Schweiz nicht mehr möglich sei, die Bestimmungen des Vertrages zu erfüllen oder diesen
neu zu verhandeln, sie das FZA aufkündigen müsste. 385 Diese Position ist mittlerweile jedoch
umstritten. Zum einen existiert in der Schweiz eine (Lehr-)Meinung, welche daran zweifelt, dass
der Bundesrat überhaupt berechtigt ist, einen solch wichtigen Vertrag ohne Parlamentsplenum
380 Vgl. Heselhaus/Hänni: Die eidgenössische Volksinitiative <<Gegen Masseneinwanderung>>, 2013, S. 55.
381 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 61f.
382 Vgl. hierzu auch: Europarecht, Tobias Jaag, 3. Auflage BASIS RC 5. Die Bilateralen I bedurften gemäß Art. 218 Abs.
6 Uabs. 2 lit. A AEUV die Zustimmung von Rat und Parlament. Das FZA (gemischtes Abkommen) bedurfte jedoch
die zusätzliche Genehmigung durch alle MS.
383 Vgl. Gemperli, Simon: Bundesrat hält sich alle Optionen offen, 02.03.2015.
384 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 56.
385 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 336.
59
oder gar die explizite Zustimmung des Volkes zu kündigen. 386 Der Bundesrat stellt sich jedoch gegen
diese Meinung und verweist lediglich auf den Art. 152 Abs. 3 ParlG, welcher den Bundesrat dazu
verpflichtet, die Außenpolitischen Kommissionen des Parlaments bei einer solch wesentlichen
Entscheidung wie der der Kündigung des FZA zu konsultieren. Jedoch gilt die Kündigung eines
Vertrages aus Sicht des Bundesrats als ultima ratio.387
Des Weiteren besteht die Meinung, dass die Pflicht zur Kündigung aufgrund einer
selbstverschuldeten Vertragsverletzung lediglich eine moralische Verpflichtung sei. Der Bundesrat
äußerte sich dazu in einer an ihn gerichteten Interpellation 388 wie folgt:
“Scheidet eine Kündigung aus rechtlichen oder politischen Gründen aus, so hätte die Schweiz letztlich
die Konsequenzen zu tragen, die sich aus einem vertragswidrigen Zustand ergeben können [...]. Weil
die Bundesverfassung gemäss Artikel 192 Absatz 1 der Bundesverfassung jederzeit ganz oder
teilweise revidiert werden kann, steht Volk und Ständen grundsätzlich auch der Weg offen, die
völkerrechtswidrige Verfassungsnorm wieder zu ändern oder aufzuheben.“ 389
Grundsätzlich gilt, dass wenn ein Staat für ihn bindendes Völkerrecht durch zurechenbares
Verhalten verletzt, dies eine Verantwortlichkeit begründet. 390 Durch das Bestehen einer solchen
Verantwortlichkeit ergeben sich völkerrechtlichen u.a. die folgenden Verpflichtungen: Die
Wiederherstellung
des
völkerrechtskonformen
Zustands
durch
das
Beenden
seines
völkerrechtswidrigen Verhaltens. Dies könnte auch durch eine Kündigung des Staatsvertrages
geschehen, jedoch kann sich der Staat dadurch nicht seiner Verantwortlichkeit für die während der
Gültigkeit des Vertrages verschuldeten Verletzungen, entziehen. Erfüllt der verantwortliche Staat
seine
Pflichten
nicht,
stehen
der
verletzten
Vertragspartei
eine
Auswahl
an
Reaktionsmöglichkeiten391 (bspw. Retorsionen sowie Repressalien) zur Verfügung.392 Im Fall der MEI
würde dies bedeuten, dass die Schweiz keiner direkten Pflicht zur Kündigung unterliegt, jedoch mit
386 Vgl. Schneider-Schneiter, Elisabeth: 14.4249 Interpellation, Schutz der Rechte der Stimmbevölkerung,
12.12.2014 / Gemperli, S.: Bundesrat hält sich alle Optionen offen, 02.03.2015 / Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin
führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung”?, 2014, S. 357.
387 Vgl. Kunz, R.: Schweiz – EU: Wohin führt der bilaterale Weg nach der Annahme der Volksinitiative „Gegen
Masseneinwanderung”?, 2014, S. 357.
388 Mit der Interpellation können die Mitglieder der Bundesversammlung Auskunft über wichtige Ereignisse oder
Probleme der Aussen- oder Innenpolitik oder der Verwaltung verlangen. Der Bundesrat beantwortet die
Interpellation in der Regel während der folgenden Session. Vertieft zur Interpellation, vlg. von Wyss, Moritz:
Maximen und Prinzipien des parlamentarischen Verfahrens. Eine Untersuchung über die Schweizerische
Bundesversammlung, Zürich 2001, S. 133f.
389 Vgl. Schneider-Schneiter, E.: 14.4249 Interpellation, Schutz der Rechte der Stimmbevölkerung, 12.12.2014.
390 Vgl. Ipsen, Knut: Völkerrecht, 6 Auflage, München 2014, S. 546ff / Bericht über das Verhältnis von Völkerrecht und
Landesrecht vom 05 März 2010, BBI 2010 2288f.
391 Zur Widergutmachung bzw. den Rechtsfolgen einer vertragsverletzung, vgl. insb. Von Arnauld, Andreas:
Völkerrecht, 2 Auflage, Heidelberg/München, 2014, S. 178ff.
392 Vgl. Bericht über das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht vom 05. März 2010, BBI 2010 2289f.
60
einer Kündigung bzw. Repressalien rechnen muss. Wie mögliche Repressalien der EU aussehen
würden, ist schwer zu sagen. Grundsätzlich gilt, dass diese dem Gewaltverbot sowie dem Prinzip
der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen. Ausgehend von der elementaren Bedeutung der
Personenfreizügigkeit ist jedoch mit rabiaten Vorstößen der EU zu rechnen, insb. innerhalb jener
Bereiche, welche für die schweizerische Wirtschaft von großer Bedeutung sind (bspw. technische
Handelshemmnisse).393
Bei einer Kündigung des FZA (unabhängig ob von der EU oder der Schweiz) würde sich automatisch
die in Art. 25 Abs. 4 FZA enthaltene Guillotine-Klausel aktivieren. Diese besagt, dass „[d]ie in
Absatz 1 aufgeführten sieben Abkommen [...] sechs Monate nach Erhalt der Notifikation über die
Nichtverlängerung gemäss Absatz 2 oder über die Kündigung gemäss Absatz 3 ausser Kraft
[treten]." Der während den Verhandlungen zu den BIL I bestimmende Parallelismus – Verträge
werden gleichzeitig beschlossen, genehmigt und in Kraft gesetzt – wurde so auch in der GuillotineKlausel verankert.394 Die BIL I bilden durch die Guillotine-Klausel ein unauflösliches Ganzes und verhindern, dass einzelne Verträge durch das schweizerische Volk gezielt entfernt werden können. 395
Mehrfache Versuche der Schweiz, eine Lockerung der Guillotine-Klausel zu erreichen, scheiterten
in der Vergangenheit.396 Wenn auch nicht aufgrund einer Guillotine-Klausel wären bei einer
Kündigung der BIL I zudem auch andere Abkommen zwischen der Schweiz und der EU betroffen. Es
ist davon auszugehen, dass die EU so z.B. insb. das Schengen- und Dublin- Assoziierungsabkommen, sowie Abkommen zur Bildung und Jugend, der Forschung und zu MEDIA in
Frage stellt.397 So wird eine Kündigung der Abkommen mit erheblichen negativen wirtschaftlichen,
finanziellen und politischen Folgen im Verhältnis mit der EU assoziiert. 398
Erneut zu betonen ist, dass Art. 121a BV nicht unmittelbar anwendbar und somit auch noch keine
Verletzung der im FZA enthaltenden Rechte begründet.399 Eine von den völkerrechtlichen Bestimmungen des FZA abweichende schweizerische Rechtslage allein begründet noch keine Verletzung,
sondern erst tatsächlich widersprechendes Verhalten.400 Erst die Umsetzung der Initiative
(gefordert bis 2017) könnte eine solche Verletzung des FZA bedeuten. Sollte der Bundesrat bis
393 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 36 / Birrer, Raphaela: «Die EU
würde wohl zu Repressalien greifen», 11.02.2015.
394 Vgl. Cottier, T.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264.
395 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 22.
396 Vgl. Kaddous, C.: Rechtsgutachten zur MEI und ECOPOP Initiative, 29.09.2013, S. 63.
397 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 318.
398 Vgl. ebd., S. 321.
399 Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 27.
400 Vgl. ebd., S. 24.
61
2017 keine Lösung gefunden haben, müsste er gemäß der Initiative das Gesetz auf dem
Verordnungsweg einführen. Das Völkerrecht geht den bundesrätlichen Verordnungen jedoch vor
und die Schweiz müsste sich, wenn das FZA bis dahin nicht gekündigt wurde, daran halten. 401 Ein
Erlass auf dem Verordnungsweg gilt jedoch nur vorübergehend, denn es besteht weiterhin die
Pflicht, die Verordnung durch die notwendige Gesetzesänderung abzulösen. 402 Da die Umsetzung
weiterhin zeitlichem, verfahrenstechnischem sowie politischem Druck unterliegt, ist eine
Kündigung des FZA somit nicht ausgeschlossen.
C. Die Bedeutung des bilateralen Wegs für die Schweiz
Weltweit gehört die Schweiz zu den Staaten mit den höchsten Anteilen des Außenhandels am
Bruttoinlandsprodukt.403 Die EU ist dabei mit Abstand der wichtigste Wirtschaftspartner für die
Schweiz.404 2013 gingen rund 55% aller Warenausfuhren in die EU und rund 73% aller Einfuhren
hatten ihren Ursprung dort. Die Frage nach der Bedeutung der BIL I für die Schweiz sowie die Frage
nach möglichen Alternativen zum bilateralen Weg ist seit der Annahme der MEI noch intensiver in
den Focus gerückt, als dies ohnehin schon der Fall war. 405 Politik und Wirtschaftsverbände sprechen
sich mehrheitlich klar für den bilateralen Weg aus und bescheinigen den BIL I große wirtschaftliche
Bedeutung. Auffallend ist jedoch, dass es der Politik und Wirtschaft schwer fällt, eine breite Masse
des Volkes davon zu überzeugen. Auf der einen Seite liegt dies daran, dass die meisten
vorliegenden Studien zu der Bedeutung der BIL I hochkomplex sind, mehrheitlich zwar die BIL I
insgesamt als positiv bewerten, es den Verfassern der Studien jedoch schwer fällt, harte Zahlen
sowie genaue Prognosen zu liefern. Auch wenn sich dies wohl insb. durch die MEI derzeit ändert,
liegen viele Studien, die sich mit den BIL I beschäftigen, zeitlich zurück (Referenzjahr häufig 2008)
und fokussieren sich zudem meist auf die Personenfreizügigkeit. 406 So wurde bspw. berechnet, dass
ohne das FZA das BIP im Jahr 2008 zwischen 5,5 und 17 Milliarden Franken tiefer ausgefallen
wäre.407 Allgemein gilt das FZA als das wichtigste Abkommen der BIL I und verfügt über die meisten
401 Vgl. Birrer, R.: «Die EU würde wohl zu Repressalien greifen», 11.02.2015.
402 Vgl. Bundesamt für Justiz: Angenommene Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung»: Auslegung der Artikel
121a und 197 Ziffer 9 (heute: 197 Ziffer 11) der Bundesverfassung, 08.04.2015, S. 25.
403 Vgl. Bundesamt für Statistik, Handelsbilanz, URL:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/05/blank/key/handelsbilanz.html (letzter Zugriff
23.08.2015).
404 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 51.
405 Vgl. Schöchli, H.: Fahnden nach dem Wert der Bilateralen, 03.02.2015, S. 23.
406 Vgl. von Matt, Othmar, Bilaterale sind 5 bis 17 Milliarden Franken wert, In Schweiz am Sonntag, 16.11.2014, Nr.
46, S. 4 / Schürer, Stefan, Die Folgen der Guillotine, 31.12.2013.
407 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 54.
62
wissenschaftlichen Daten408 Das FZA ist als der zentrale Pfeiler der bilateralen Verträge mit der EU
zu bezeichnen.409 Es öffnet den Schweizerischen Arbeitsmarkt gegenüber den Bürgern der EU/EFTA
Staaten und hat der Schweiz in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum
ermöglicht. Mehr als 60% der Zuwanderer aus den EU/EFTA Staaten begeben sich in die Schweiz,
um zu arbeiten.410 Das Qualifikationsniveau der zugewanderten Erwerbstätigen ist hoch und liegt
deutlich über dem der in der Schweiz ansässigen Erwerbsbevölkerung.411 Die bei der Einführung
der Personenfreizügigkeit im Volk geäußerten Sorgen sind nicht eingetroffen. Der Reallohn hat ein
deutlich stärkeres Wachstum gegenüber den 90er Jahren und die allgemeine Lohnentwicklung seit
dem Inkrafttreten des FZA ist ausgewogen. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit Inkrafttreten des FZA
nicht wesentlich verändert und liegt mit dem Durchschnittswert von 3% in den letzten 12 Jahren
sogar etwas tiefer als vor den BIL I.412 Der stetige Zufluss von qualifizierten jungen Ausländern, die
zudem meist etwas günstiger als inländische Arbeitskräfte sind, führt innerhalb der Gruppe der
50+ Jährigen jedoch häufiger zu Problemen. Diese finden schwerer eine neue Arbeit. 413 Insgesamt
sprechen sich die Studien zum FZA jedoch mehrheitlich positiv aus und bekräftigen, dass es sich
bei der Personenfreizügigkeit um das wichtigste Abkommen der BIL Verträge handelt. 414
Eine Kündigung des FZA würde dazu führen, dass ein Kontingente-System eingeführt werden
müsste. Die Erfahrungen mit dem alten Kontingente-System vor der Einführung des FZA waren
jedoch wirtschaftlich gesehen negativ.415 Dies lag vor allem an den hohen Kosten sowie dem
komplexen administrativen Apparat, welcher nicht im Verhältnis zu der relativ geringen Anzahl an
Bewilligungen stand. Derzeit prüfen die schweizerischen Behörden ca. 13.000 Gesuche von
Personen außerhalb der EU/EFTA-Staaten, die einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nachgehen
möchten.416 Gemäß den Vorgaben des Art. 121a BV müssten pro Jahr bei gleichbleibendem Niveau
408 Vgl. Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015, S. 9 / auch SECO jahrliche
Observatoriumsbereichte, URL
http://www.seco.admin.ch/dokumentation/publikation/00008/00022/05114/index.html?lang=de (letzter Zugriff
23.08.2015).
409 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 232.
410 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den
Bilateralen profitiert, In Dossier Politik, 27.04.2015, Nr. 5, S. 4.
411 Vgl. SECO: Observatoriumsbericht Nr. 11, 23.06.2015, S. 113.
412 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den
Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 4.
413 Vgl. Strahm, Rudolf: Ohne Inländervorrang geht es nicht, 12.01.2015.
414 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 232f / Aeppli,
R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 136f / EJPD/WBF/EDA:
Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S.
28f.
415 Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 8.
416 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
63
zusätzlich 200.000 Gesuche von EU/EFTA Angehörigen (einschließlich Grenzgängern und Kurzaufenthalten) sowie rund 75.000 Gesuche von Ausländern außerhalb der EU/EFTA-Staaten geprüft
werden. Des Weiteren würden die umlagefinanzierten Sozialversicherungen finanziell stärker
belastet werden, da die durch die Zuwanderung bedingte Verlangsamung der Alterung der
Bevölkerung gestoppt wird.417 Zudem ist es fraglich, inwieweit und wie schnell Unternehmen
Positionen mit ausländischen Fachkräften besetzen können. Zeitliche Verzögerungen sowie
zusätzliche Kosten bspw. durch eine mögliche Nachweispflicht, keinen geeigneten inländischen
Bewerber gefunden zu haben, wirken sich zudem negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der
Schweiz aus.418
Das FZA ist neben den Abkommen zum öffentlichen Beschaffungswesen, zum Landverkehr, zum
Luftverkehr, zur Forschung, zu den technischen Handelshemmnissen sowie zur Landwirtschaft
jedoch nur ein Bestandteil der BIL I, welche durch die Guillotine-Klausel alle miteinander
verbunden sind. Die Annahme der MEI hat somit nicht nur zu der Frage geführt, in welchem Maße
es Unternehmen weiterhin möglich sein wird, auf ausländische Arbeitskräfte zurückzugreifen,
sondern auch Unsicherheit in Hinblick auf den zukünftigen Marktzugang zu den europäischen
Nachbarstaaten geschaffen.419 Diese Unsicherheit wird verständlich, wenn man einige der Konsequenzen für die Schweiz aufführt, welche sich im Falle einer Kündigung der BIL I ergeben könnten.
Technische Handelshemmnisse: Neben dem FZA gilt das Abkommen zu den technischen Handelshemmnissen als einer der wichtigsten Verträge. 420 Das Abkommen regelt bspw., dass Inspektionen
von Produktionsverfahren gegenseitig anerkannt werden. Dadurch können etwa ¼ der in die EU
exportierten Industrieprodukte ohne eine zusätzliche Zulassungsprüfung auf den EU Markt
gebracht werden.421 Die direkten Kosteneinsparungen liegen pro Jahr bei mehreren Hundert
Millionen-Franken. Zusätzlich erhöht das Abkommen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt
gehandelt wird und steigert das Handelsvolumen bei einer bereits existierenden Handelsbeziehung.422 Ohne das Abkommen, müssten Schweizer Unternehmen nicht nur mit zusätzlichen Kosten
für die anfallenden Zulassungsprüfungen rechnen, auch käme es bei der Abnahme von Produkten
zu Verzögerungen bspw. durch Wartezeiten auf EU-Inspektoren etwa bei Pharma- und
BV, Februar 2015, S. 39.
Vgl. SECO: Observatoriumsbericht Nr. 11, 23.06.2015, S. 8.
Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 264.
Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 6.
Vgl. Schürer, Stefan, Die Folgen der Guillotine, 31.12.2013.
Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 29.
422 Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 136.
417
418
419
420
421
64
Chemieunternehmen.423 Für ein exportorientiertes Land wie die Schweiz führt dies folglich auch zu
Wettbewerbsnachteilen.
Öffentliches Beschaffungswesen: Durch dieses Abkommen erhalten schweizerische Unternehmen
– über die Bestimmungen des WTO-Rechts hinausgehend – den gleichberechtigten Zugang zu
öffentlichen Ausschreibungen im EU Raum.424 Die jährlich von der EU ausgeschriebenen Aufträge
belaufen sich auf mehrere hundert Milliarden. 425 Schweizerische Unternehmen konnten so jährlich
Aufträge von bis zu über einer Milliarde für sich gewinnen. 426 Zudem ermöglicht das Abkommen
eine unbürokratische Zusammenarbeit und Lösung von Marktzugangsproblemen zwischen der
Europäischen Kommission und der Schweiz.
Landverkehrsabkommen: Dieses Abkommen öffnet den Schienen- und Straßenverkehrsmarkt für
den Transport von Personen und Gütern zwischen der EU und der Schweiz. 427 Das Abkommen führt
zu einer erhöhten Effizienz beim Gütertransport sowie bei der Güterbeladung. Zudem bildet es den
vertraglichen Rahmen für die leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe. Auf deren Grundlage
zahlen EU-Transporteure der Schweiz jährlich über 400 Millionen Franken. 428 Diese Gelder fließen
vor allem in die Instandhaltung sowie den Ausbau der Verkehrsnetze. Die neu geschaffenen Verkehrsachsen kommen dabei jedoch nicht nur dem internationalen Güterverkehr zugute. 429 Fiele das
Abkommen weg, müssten erst neue bilaterale Verträge mit den einzelen MS der EU geschlossen
werden, um den Spediteuren den Gütertransport erneut zu ermöglichen.
Landwirtschaftsabkommen: Das Landwirtschaftsabkommen führte vor allem zum Abbau von
Zöllen aber auch anderen Handelshemmnissen bspw. bei Zulassungsbestimmungen, bei
Produktvorschriften sowie sanitären und phytosanitären Regelungen. 430 Seit Inkrafttreten des
Abkommens haben sich die landwirtschaftlichen Exporte in die EU mehr als verdoppelt. Die EU gilt
im landwirtschaftlichen Bereich als der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Ein Wegfall des
Abkommens würde u.a. dazu führen, dass schweizerische Landwirte ihre Produkte wesentlich
423 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den
Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 5.
424 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 29f.
425 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den
Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 6.
426 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 30.
427 Vgl. ebd.
428 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den
Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 7.
429 Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 11f.
430 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 30.
65
schwieriger auf dem europäischen Binnenmarkt vertreiben könnten.431
Luftverkehrsabkommen: Durch das Luftverkehrsabkommen (LVA) werden den schweizerischen
Fluggesellschaften Zugangsrechte zu den europäischen Luftverkehrsmärkten unter nahezu den
gleichen Wettbewerbsbedingungen wie für die europäischen Konkurrenten gewährt. 432 Das LVA
führt zu einer verbesserten Verkehrsanbindung, von der nicht nur Personen profitieren, sondern
von der auch die exportorientierte Wirtschaft abhängig ist. 433 Durch den einheitlichen Zugang zum
Luftmarkt ist zudem die administrative Entlastung erheblich. Im Falle einer Kündigung würden die
alten bilateralen LVA soweit möglich und vorhanden (mit Frankreich existiert z.B. kein solches
Abkommen) wieder in Kraft treten.434 Diese sind jedoch mehrheitlich sehr restriktiv formuliert und
entsprechen aufgrund ihres Alters häufig nicht mehr den heutigen Marktbedürfnissen. In der Folge
müssten Flugrouten neu ausgehandelt werden. Nicht sicher ist dabei, ob die Schweiz ihre
derzeitige Angebotsvielfalt und allgemein ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten kann. 435
Zudem würde bei einem Wegfall des LVA auch dessen gesamter Anhang, d.h. das seit 2002
entwickelte Luftrecht der EU wegfallen. Weil die Schweiz jedoch kein eigenes Luftrecht mehr
entwickelt hat, würden somit wesentliche Teile ihres Luftrechts wegfallen und erneuert werden
müssen. Da mit dem LVA zudem weitere europarechtliche Abkommen verbunden sind bspw. das
One-Stop-Security-Abkommen sowie das Schengen-Abkommen, müssten Flughäfen für erneute
Personenkontrollen teilweise erheblichen Kosten für notwendige Umbauarbeiten aufbringen. 436
Forschungsabkommen: Die Forschungsrahmenprogramme (FRP) bilden die Hauptinstrumente der
EU zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Innovations- und Wissenschaftspolitik. 437 Das FRP der EU
gilt hinsichtlich Finanzvolumen sowie thematischer Abdeckung als das größte und attraktivste
Forschungsförderungsabkommen weltweit.438 Das Forschungsabkommen ermöglicht der Schweiz
die gleichberechtigte Teilnahme an den verschiedenen Forschungsprogrammen der EU. Das derzeit
431 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen (Hrsg.): Europapolitik: Wie die Schweiz von den
Bilateralen profitiert, 27.04.2015, S. 6.
432 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 31.
433 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen: Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen
profitiert, 27.04.2015, S. 7.
434 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 31.
435 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 326 /
EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV,
Februar 2015, S. 31.
436 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen: Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen
profitiert, 27.04.2015, S. 8f.
437 Vgl. Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, Forschungsrahmenprogramme der Europäischen
Union, URL http://www.sbfi.admin.ch/themen/01370/01683/index.html?lang=de (letzter Zugriff 23.08.2015).
438 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 55.
66
neuste Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation, Horizon-2020 startete im Januar
2014 und umfasst ein Budget von ca. 80 Milliarden Euro. Für den Forschungsstandort Schweiz
bedeutet die Beteiligung an den FRP nachweislich einen großen technologischen, wissenschaftli chen und wirtschaftlichen Nutzen.439 Ungefähr jedes vierte Projekt von Schweizer Forschenden
wird vom EU-Forschungsrat angenommen und verschafft der Schweiz damit einen Spitzenwert. 440
Zudem ist der finanzielle Rückfluss durch die FRP ein direkter volkswirtschaftlicher Nutzen. Ein
Wegfall des Forschungsabkommens würde dazu führen, dass die Schweiz sich auf viele Forschungsprogramme nicht mehr bewerben könnte und damit von diesen ausgeschlossen bliebe. 441 Viele
ehrgeizige Wissenschaftler müssten für ihre Projekte bzw. für die Teilnahme an europäischen
Prestige-Projekten ins europäische Ausland ziehen. Für den Wissenschaftlich innovativen Standort
Schweiz hätte dies erhebliche negative Folgen.
Eine Kündigung der eben aufgeführten Verträge der BIL I würde zudem auch andere mit der EU
geschlossene Verträge betreffen.442 Es ist schwierig im Vorfeld zu sagen, welche Verträge die EU
schließlich mit den Verträgen der BIL I als verbunden erachtet. Als sehr wahrscheinlich gelten
jedoch z.B. die Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen. Auch der Wegfall dieser Abkommen hätte weitreichende Folgen, so könnte die Schweiz im Rahmen des Schengen-Abkommens
nicht mehr auf das Schengener Informationssystem zurückgreifen. Darüber werden europaweit
bspw. Verbrecher oder gestohlene Fahrzeuge gesucht. Zudem würden erneute Grenzkontrollen
eingeführt werden, wodurch es an den Grenzen nicht nur wieder zu langen Verzögerungen
kommen würde, sondern auch erhebliche Kosten443 auf die Schweiz zukämen. Auch ist das
Schengen-Visum für die Tourismusbranche wichtig; so benötigen bspw. asiatische Reisende kein
extra Visum für die Schweiz.444 Durch eine Kündigung des Dubliner Assoziierungsabkommens
müsste die Schweiz mit einer erheblichen Zunahme von Asylgesuchen und den damit verbundenen
Kosten rechnen.445 Denn das Abkommen regelt, dass ein Asylgesuch nur von dem Staat überprüft
werden muss, in welchem der Asylbewerber bereits Familienangehörige hat bzw. wo er als erstes
439 Vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» vom 7. Dezember 2012, BBI 2013 326.
440 Vgl. Economiesuisse – Verband der Schweizer Unternehmen: Europapolitik: Wie die Schweiz von den Bilateralen
profitiert, 27.04.2015, S. 12.
441 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 31.
442 Vgl. ebd., S. 27.
443 Vgl Wiederaufbau um Umbau von Flughäfen, Grenzposten, Kontrollbereichen, zusätzliche Personalkosten etc.:
EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV,
Februar 2015, S. 40f.
444 Vgl. Höltschi, René/Nuspliger, Niklaus: Das bilaterale Gebäude wankt, In NZZ, 01.03.2014, Nr. 50, S. 13.
445 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 40.
67
registriert wurde. Ohne das Dubliner Abkommen könnten Asylbewerber, welche von der EU
abgelehnt wurden, einen zusätzlichen Antrag in der Schweiz stellen.
Auch wenn sich eine genaue Darstellung der Folgen einer Kündigung der BIL I sowie deren exakter
Einfluss auf die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft schwer bestimmen lässt, zeigt diese bei
Weitem nicht abschließende Übersicht doch bereits eine nicht geringe Anzahl negativer Konsequenzen im Falle einer Kündigung. Fakt ist, dass die Schweizerische Wirtschaft sich im internationalen Vergleich seit der Einführung der BIL I außerordentlich gut entwickelt hat. 446 Während die
Schweiz im OECD-Vergleich in den zwanzig Jahren vor den BIL I ein unterdurchschnittliches
Wachstum verzeichnete, war ihr Wachstum nach Inkrafttreten der BIL I und auch insb. während
der Krisenjahre seit 2007 überdurchschnittlich hoch. 447 Der bilaterale Weg und der damit
verbundene rechtlich abgesicherte Zugang zum Europäischen Binnenmarkt mit seinen mehr als
500 Millionen Konsumenten geht auch im Bereich der Zusammenarbeit auf der technischen Ebene
weit über die Möglichkeiten der Lösungsfindung im Rahmen der WTO hinaus. 448 Inwieweit diese
erstaunliche wirtschaftliche Entwicklung auch ohne die BIL I abgelaufen wäre, lässt sich empirisch
schwer nachweisen. Tatsache ist jedoch, dass der eingeschlagene bilaterale Weg für die Schweiz
der damals bestmögliche Weg war, um einer wirtschaftlichen Isolierung nach dem EWR-Nein zu
entgehen.449 Für den Kleinstaat Schweiz mit seiner offenen Volkswirtschaft ist der
(gleichberechtigte) Zugang zu ausländischen Märkten, insb. zu den Märkten an den Staatsgrenzen,
lebenswichtig.450 Auch wenn der bilaterale Weg bspw. hinsichtlich des geforderten institutionellen
Rahmenabkommens der EU sowie des stetig wachsenden Drucks auf die Schweiz mit der
Rechtsentwicklung der EU Schritt zu halten, eine zunehmende Herausforderung darstellt, 451 galt der
bilaterale Weg damals und bis vor kurzem als der politisch konsensfähigste Weg für die Schweiz,
um sich unter Wahrung der Volksinteressen am Europäischen Binnenmarkt zu beteiligen.452
Sollte es zu einer Kündigung der BIL I und den dazugehörigen Verträgen kommen, ist es fraglich,
welche Alternativen der Schweiz zur Verfügung stehen. Denn im Falle einer Kündigung der BIL I
446 Vgl. Abberger, K.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015. S. 27.
447 Vgl. SECO: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, 14.01.2015, S. 53.
448 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 29.
449 Vgl. Meyer-Marsilius, J. u.a.: Beziehungen Schweiz-EU. Sonderband I: <<Bilaterale Verträge>>, Zürich, 1999, S.
471.
450 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 28.
451 Vgl. Müller, Vreni: Der EU-BEITRITT ist ein Souveränitätsgewinn, In: Die Stellung der Schweiz in Europa, Forum
Helveticum (Hrsg.), 2007, S. 102.
452 Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 7 / Burkhalter, D:
Der bilaterale Weg der Schweiz: Erneuerung statt Erosion, 10.10.2013.
68
blieben der Schweiz einzig das Freihandelsabkommen von 1972 sowie die Bilateralen II mit einem
erheblich eingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt.453 Die europapolitischen Handlungsoptionen
der Schweiz, insb. ein EWR-Beitritt, ein EU-Beitritt, eine Zollunion, der bilaterale Weg sowie der
Alleingang, wurden innerhalb von Politik und Wissenschaft häufig diskutiert. 454 Als wenig realistisch
und wirtschaftlich sowie politisch ungeeignet werden Zollunion sowie Alleingang von Wissenschaft
und Bundesrat häufig verworfen und sollen demgemäß auch hier keine Beachtung finden. Damit
blieben im Falle eines Scheiterns des bilateralen Wegs die theoretischen Optionen eines EWRBeitritts sowie eines Beitritts zur EU. Hinsichtlich des EWR-Beitrittes lässt sich sagen, dass die EU
diesem Weg der Schweiz vor allem aus Gründen der Homogenität positiv gegenüber stehen
würde.455 Denn ein Eintritt der Schweiz in den EWR würde die Übernahme des acquis
communautaire zur Folge haben und damit der Schweiz einen geregelten Zugang zum
europäischen Binnenmarkt ermöglichen. Für die Schweiz würde der EWR jedoch bedeuten, dass
diese über so gut wie keine Mitbestimmung mehr verfügt. Das fundamentale Problem der
Entscheidungsmechanismen würde für die Schweiz fortbestehen. Diese würde beim EWR-Beitritt
im Gegensatz zum bilateralen Weg ihre Verhandlungsposition aufgeben müssen und außerdem
den damit einhergehenden Souveränitätsverlust vor dem Volk rechtfertigen. Einwerfen könnte
man hier jedoch, dass die Schweiz hinsichtlich ihrer Verhandlungsmöglichkeiten auch auf dem
derzeitigen bilateralen Weg vor zunehmenden Herausforderungen steht. Musste die Schweiz nach
dem EWR-Nein noch mit 12 MS der EU verhandeln, sind es heute 28. 456 Auch dass der bilaterale
Weg, insb. hinsichtlich der stetig zunehmenden Europäisierung des Schweizer Rechts, ohne
Einflussnahme der Schweiz mit einem Souveränitätsverlust einhergeht, scheint dabei weniger
kritisch aufgenommen zu werden. Insgesamt gilt der EWR aufgrund seiner fehlenden
Mitgestaltungsmöglichkeiten jedoch in der Schweiz als der schlechteste Integrationsfall und es ist
nicht verwunderlich, dass viele Mitglieder des EWR diesen nur als Zwischenschritt für einen
zukünftigen EU-Beitritt gesehen haben.457
Eine weitere europapolitische Option für die Schweiz wäre demgemäß auch ein Beitritt zur EU. Die
von der EU geforderten Beitrittskriterien, insb. eine funktionierende Marktwirtschaft,
institutionelle Stabilität sowie die Fähigkeit zur Erfüllung des acquis communautaire, könnte die
453 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 299.
454 Vgl. Cottier, T. u.a.: Die Rechtsbeziehungen der Schweiz und der Europäischen Union, 2014, S. 38 / Lopatka, A.:
Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 119f. / insb. auch Europabericht 2006 vom 18. Juni 2006, BBI 2006
6815ff.
455 Vgl. Lopatka, A.: Bilaterale Beziehungen Schweiz & EU, 2012, S. 121.
456 Vgl. Ferrari, Luciano: Es braucht eine neue Europadebatte, In Tages-Anzeiger, 06.12.2012, S. 1.
457 Vgl. Beglinger, M.: Le Lundi Noir, 2015, S. 98ff.
69
Schweiz sicherlich erfüllen.458 Im Rahmen eines Beitritts müsste die Schweiz jedoch Anpassungen in
der Geldpolitik sowie im Steuersystem vornehmen und zudem als MS einen nicht geringen
Nettobeitrag an die EU zahlen. Insbesondere jedoch die anfallenden Veränderungen innerhalb der
politischen Institutionen stellen die Schweiz vor Herausforderungen. Grundsätzlich gilt es
abzuwägen, ob die Einschnitte innerhalb dieser bzw. die neuen Möglichkeiten eines EU Beitritts
bspw. zu einem Souveränitätsgewinn oder Verlust führen. So wie beim Beitritt zum EWR würde
auch ein EU-Beitritt die Übernahme des acquis communautaire bedeuten, mit dem Unterschied,
dass die Schweiz bei den Entscheidungsprozessen mitbestimmen könnte.459 Wie erfolgreich die
Schweiz ihre Interessen in der EU geltend machen kann, hängt von vielen Faktoren ab;
grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass gemessen am Verhältnis von Bevölkerung und
Stimmgewicht, Kleinstaaten in allen EU-Institutionen überproportional vertreten sind.460 Ein Beitritt
zur EU müsste jedoch sowohl das Volks- als auch das Ständemehr erreichen. Hinsichtlich der
gegenwärtig vorherrschenden europaskeptischen Grundhaltung innerhalb der Schweizer
Bevölkerung ist dies derzeitig mehr als unwahrscheinlich. Die Annahme der MEI stellt die
schweizerische Europapolitik deshalb und auch mangels Alternativen des derzeit favorisierten
bilateralen Wegs vor große Herausforderungen. Für nicht wenige Schweizer gilt daher der bei einer
Kündigung anfallende „Rückschritt“ in die Zeit vor den bilateralen aus wirtschaftlicher sowie
politischer Sicht als desaströs.461
D. Hintergründe zum Abstimmungsverhalten bei der MEI
Die dargelegte wirtschaftliche Situation der Schweiz zeigt, dass sie sich seit Einführung der
bilateralen Verträge in einem sehr guten Zustand befindet. Wenn auch bei Weitem nicht einziger
Grund für das derzeitig so positive wirtschaftliche Gesamtbild der Schweiz spielen die BIL I und das
Verhältnis zur EU dennoch eine wesentliche Rolle. 462 Die eben skizzierten Folgen eines Wegfalls der
BIL I sowie anderer Verträge mit der EU führen zur Frage, wie es den Initianten der MEI gelungen
ist, die notwendige Mehrheit im Volk zu mobilisieren. Insbesondere weil sich im Vorfeld der
Abstimmung die Mehrheit der Schweizer Parteien, der Presse sowie der Wirtschaftsverbände
458 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 303.
459 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 300.
460 Vgl. Bronska, J.: Die Schweiz in Europa: Mittendrin, doch außen vor?, 2009, S. 302.
461Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 44.
462 Sicher ist, dass die Bil I seit ihrem Bestand zum Wachstum beigetragen haben. Vgl. Aeppli, R.: Auswirkungen der
bilateralen Abkommen auf die Schweizer Wirtschaft, 2008, S. 137.
70
gegen die MEI gestellt und den schwerwiegenden Konflikt zwischen der MEI und dem FZA
prognostiziert hat.463
Die MEI wurde am 09.02.2014 mit einer knappen Mehrheit im Volk von 50,3 % sowie einem
deutlichen Ständemehr von 14,5 gegen 8,5 Kantone angenommen. 464 Die Stimmbeteiligung lag
aufgrund des Themas der MEI sowie dem intensiv geführten Abstimmungskampf bei 56,6% und
damit ca. 10% über der durchschnittlichen Stimmbeteiligung. 465 Damit gehört die Initiative zur
Masseneinwanderung zu den größten (anhand der prozentualen Teilnahme) Volksabstimmungen
in der Schweizer Geschichte. Zudem gilt das Ergebnis der MEI als Novum, da sich das
schweizerische Volk zum ersten Mal bei einer Vorlage zur Änderung der Zuwanderung gegen die
Empfehlungen von Bundesrat und Parlament stellte. 466 Mittlerweile liegen mehrere Analysen zur
Abstimmung der MEI vor, welche versuchen u.a. oben genannte Frage zu beantworten.
Grundsätzlich steht fest, dass die Abstimmung zur MEI von starken Links-Rechts-Gegensätzen
geprägt war.467 Die Initiative wurde insb. von solchen Personen unterstützt, welche Traditionen
verteidigen, Schweizer gegenüber Ausländern bevorzugt behandelt sehen wollen, für eine
geschlossene Schweiz eintreten und zudem Ordnung und Ruhe als besonders wichtig empfinden.
Die Entscheidung der Initiativbefürworter ist somit von ihrer ausgeprägten Abneigung gegenüber
der Zuwanderung beeinflusst. Insgesamt gelang es dem Lager der SVP auch deutlich besser
zusätzliche Wähler zu mobilisieren, als den Gegnern der Initiative. Dies sowohl in eher
konservativen Kantonen wie Glarus, Appenzell Innerrhoden und dem Aargau als auch innerhalb
der unteren Bildungs- sowie Einkommensschichten, welche sich mehrheitlich für die Initiative
aussprachen.468 Des Weiteren ließen sich Personen, die dem Bundesrat misstrauen, leichter
mobilisieren als jene, die ihm vertrauen. 469 So profitierte die MEI zusätzlich davon, dass Personen,
die normalerweise nicht oder selten an Abstimmungen teilnehmen, ihren Unmut gegenüber der
Regierung bei der Abstimmung zur MEI äußerten. Auch stießen drei der vier Hauptargumente für
eine Annahme der MEI auf breite Zustimmung: 1) die Einwanderung wieder selbstständig steuern;
2) unkontrollierte Zuwanderung führt zu Lohndruck sowie Verkehrs- und Wohnungsproblemen; 3)
463
464
465
466
467
Vgl. Spillmann, Markus: Eine Zäsur für die Schweiz, 10.02.2014, S. 1.
Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 37f.
Vgl. Hermann, Michael: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 44.
Vgl. ebd., S. 8.
Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 40ff / Hermann, M.:
Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 6f.
468 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 44 / Tresch, A. u.a.:
Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 46ff.
469 Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 39.
71
das Risiko, dass die eigenständige Kontrolle der Zuwanderung zur Kündigung der bilateralen
Verträge führe, sei einzugehen.470 Auf Seiten der Gegner der Initiative fanden wesentlich weniger
Argumente eine breite Zustimmung. Lediglich das Argument, dass die Wiedereinführung von
Kontingenten zu hohen Kosten, bürokratischem Aufwand sowie Unflexibilität führe, überzeugte.
Der Konflikt zwischen der MEI und dem FZA sowie die prognostizierte Kündigung der BIL I
überzeugte zwar die Gegner der Initiative, konnte jedoch Befürworter nicht überzeugen. Ebenfalls
wurden die Argumente, dass eine Limitierung der Zuwanderung zur Isolierung der Schweiz führe
und dass das Ende der Personenfreizügigkeit eine wichtige Säule für den Erfolg der
schweizerischen Wirtschaft bedeute, von den Befürwortern der Initiative abgelehnt. Dass sich das
schweizerische Volk in der Vergangenheit bei Abstimmungen stets für den bilateralen Weg
ausgesprochen hat, führte ebenfalls dazu, dass Verteidiger des bilateralen Wegs und dessen
Errungenschaften zu spät unterstützend in die öffentliche Diskussion eingegriffen hatten. 471 Auch
wurde die populistisch formulierte MEI lange Zeit nicht ernst genug genommen, unterschied sie
doch bspw. nicht zwischen einer gut ausgebildeten europäischen Spezialärztin und einem
Asylbewerber. Die MEI teilte letztendlich auch durch die spätere intensive Politisierung und
Mediatisierung die Schweizer Gesellschaft in zwei gegensätzliche Lager, welche durch
unterschiedliche Wertehaltungen und Ansichten zur nationalen Identität geprägt waren. 472
Grundsätzlich galt, dass die Anzahl der JA-Stimmen sich anhand einer bestimmten politischen
Grundhaltung erklären lässt: Je skeptischer die Einstellung gegenüber Fremden, desto größer das
Bedürfnis nach außenpolitischer Abgrenzung. Sowie: Je wichtiger Tradition und Identität, desto
größer war die Zustimmung zur MEI in den Gemeinden. Dass die schweizerische Bevölkerung aus
diversen Gründen eher wertkonservativ und Veränderungen gegenüber abgeneigt ist, kam auch
der Abstimmung zur MEI zugute.473 Da insb. die SVP in der Schweiz die konservative Grundhaltung
prägt, war somit zum Grad der Konservativität auch die politische Nähe zur SVP für die
Abstimmung entscheidend.474
Eine interessante Erkenntnis zum Abstimmungsverhalten offenbarte die Frage, inwieweit die
persönliche Betroffenheit von den in der MEI genannten negativen Auswirkungen der Zuwanderung das Abstimmungsverhalten beeinflusste. 475 Die Initianten der MEI verwiesen insb. auf Aspekte
470
471
472
473
474
475
Vgl. ebd., S. 55ff.
Vgl. Landmark, Philipp; Zäsur auf dem bilateralen Weg, 09.02.2014.
Vgl. Tresch, A. u.a.: Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 42f
Vgl. Bernauer/Ruloff: Globaler Wandel und schweizerische Aussenpolitik, 2000, S. 48f.
Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 16.
Vgl. ebd., S. 22.
72
des Kulturlandverlusts, des Siedlungsdrucks, des Platzmangels sowie des Dichtestresses. Einige
dieser Aspekte sind durchaus nicht unbegründet. Nach einer aktuellen OECD Studie belegte die
Schweiz im Jahr 2012 Platz eins im Bereich der pro-Kopf-Einwanderung aller OECD Staaten. 476 Die
Nettozuwanderung im Jahr 2014 betrug ca. 73.000 Personen, 50.600 davon aus den EU27/EFTAStaaten und war damit zwar gegenüber dem Vorjahr gesunken, blieb jedoch weiterhin auf einem
hohen Niveau.477 Fast jeder vierte der acht Millionen Schweizer Einwohner ist Ausländer. Verglichen
mit allen anderen europäischen Ländern hat die Schweiz mit 23,8% einen der höchsten 478
Ausländeranteile.479 Im Argumentarium der MEI wurde immer wieder auf die Bedürfnisse der
Einwanderer (bspw. in den Bereichen ärztliche Versorgung, benötigtes Siedlungsgebiet für neue
Wohnungen, Kindergärten, Schulen etc.) und die Folgen der Einwanderung (bspw. Überlastung des
Straßen- und Schienennetz, die starke Bevölkerungszunahme und die damit einhergehende
Bevölkerungsdichte) verwiesen.480 Auswertungen des Abstimmungsverhaltens zur MEI kamen
jedoch
zu
dem
Ergebnis,
dass
eine
direkte
Betroffenheit
von
oben
genannten
Wachstumsindikatoren keinen wirklich relevanten kausalen Einfluss auf die Befürwortung der MEI
hatte.481 Entscheidend für die Zustimmung zur MEI war nicht die direkte Betroffenheit, sondern die
Vorstellung und die Furcht vor den Folgen der Einwanderung und dem Bild der “zubetonierten“
Schweiz. Weitere Erkenntnisse lassen sich vereinfacht anhand dieser Grafik aufzeigen:
476 Vgl. OECD: Internationaler Migrationsbericht (gekürzte Ausgabe), 01.12.2014, URL
http://www.oecd.org/berlin/publikationen/international-migration-outlook.htm (letzter Zugriff 23.08.2015).
477 Vgl. SECO: Observatoriumsbericht Nr. 11, 23.06.2015, S. 17.
478 Nur noch Luxemburrg hat mit etwa 45% einen höheren Ausländeranteil als die Schweiz. Der Europäische
Durchschnittswert liegt bei 6,7% vgl.
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/73995/umfrage/auslaenderanteil-an-der-bevoelkerung-der-laenderder-eu27/ (letzter Zugriff 23.08.2015).
479 Vgl. Bundesamt für Statistik: Migration und Integration – Indikatoren URL
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/01/01.html (letzter Zugriff 23.08.2015)
480 Vgl. Überparteiliches Komitee gegen Masseneinwanderung: Argumentarium Volksinitiative, 17.12.2013, S. 12ff.
481 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 22.
73
Politische Differenzen insb. in den Bereichen Migration und Außenpolitik sind stark mit den in der
Schweiz bestehenden Sprachregionen verbunden.482 Zu erkennen ist, dass der französische Teil der
Schweiz sich gegen die Annahme der MEI ausgesprochen hat, während die Deutschschweiz sowie
das italienische Schweiz mehrheitlich für die MEI gestimmt haben. Der französische Teil der
Schweiz gehört seit der EWR-Abstimmung von 1992 zum Landesteil der außenpolitischen Öffnung,
während die Deutschschweiz als eher öffnungsskeptisch gilt. 483 Bedeutend und bei der Abstimmung
zur MEI erkennbar ist jedoch der konservative Wertewandel, von welchem insb. der italienische
Teil der Schweiz in den letzten Jahren erfasst wurde. Zudem ist der bei vielen Abstimmungen
vorliegende Stadt-Land-Graben auch bei der MEI erkennbar. Besonders auffällig ist die niedrige
Zustimmung zur MEI in den großen Kernstädten der Schweiz. Zu erklären ist dies damit, dass die
Kernstädte vor allem für Menschen attraktiv sind, die Dichte und Multikulturalität suchen. 484 In den
Kleinstädten und Dörfern, die weniger von der Zuwanderung betroffen sind, ist die konservative
und traditionelle Grundorientierung ausschlaggebend. Mittlerweile ist jedoch auch das Umland
der großen Kernstädte, in welchem lange Zeit eher das liberale Bürgertum prägend war, in den
zunehmenden konservativen Einfluss der SVP geraten.
482 Vgl. ebd., S. 29f.
483 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 31f.
484 Vgl. ebd., S. 33f.
74
Mit einer Politik, die insb. auf den Widerstand gegen die EU, einer Kontrolle der Einwanderung
sowie der Bewahrung von schweizerischen Werten und Traditionen beruht, ist es der SVP nicht nur
gelungen zur stärksten Partei der Schweiz zu werden. 485 Sie gilt zudem auch als die größte und
erfolgreichste rechtsradikale Partei in Westeuropa. Immer wieder gelingt es der SVP, die in der
Schweizer Bevölkerung verankerten Ängste zu nutzen und zu verstärken, insb. durch die Konstruktion des “Feindbildes EU“.486 Dennoch ist die MEI nach den derzeitigen Erkenntnissen weniger als
Europafrage487 zu interpretieren.488 Vielmehr bedingt der langjährige Trend in Richtung nationalkonservativ, dass die Personenfreizügigkeit wahrscheinlich eher Symbol als Auslöser der politischen
Stimmungslage war. Zusammenfassend beruht das Abstimmungsergebnis der MEI insb. auf den
Faktoren: Ideologie, Parteisympathie, konservative und fremdenskeptische Grundhaltung sowie
überaus starke Mobilisierung von politisch wenig interessierten und häufig inaktiven Stimmbürgern.489
E. Aktuelle Entwicklungen zur MEI
Die Annahme der MEI gilt für den Großteil ihrer Befürworter als wichtiger Sieg und weiterer Schritt
zu einer unabhängigen, selbstbewussten und traditionellen Schweiz. 490 Für Schweizer, die auf eine
grundsätzlich weltoffene Schweiz mit liberaler Wirtschaftsordnung sowie intensiven Verflechtungen mit der EU bedacht sind, gilt die MEI jedoch als Rückschritt. Fraglich ist, wie sich dieser
Konflikt zwischen diesen zwei wohl doch so unterschiedlichen Weltanschauungen bis heute
entwickelt hat. Zu welchen Reaktionen führte die Annahme der MEI im Inland sowie Ausland?
Welche Ansätze und Lösungen hat die Schweiz für die von der MEI ausgelösten Konflikte
gefunden? Im folgenden Teil der Arbeit werde ich anhand einiger ausgewählter Beispiele
Antworten auf diese Fragen geben. Insbesondere gehe ich dabei auf die seit der Annahme der MEI
stattgefundenen Entwicklungen im Verhältnis zur EU sowie auf den aktuellen Umsetzungsstand
der Gesetzesvorlage zur MEI ein.
485 Vgl. inbesondere zum Aufstieg und der Politik der SVP: Stockemer, Daniel: “The Swiss Radical Right: Who are the
New Voters of the Swiss Peoples` Party?” In: Representation, Volume 48, Issue 2, 2012 , S 197ff / Gemperli,
Simon: Angst vor dem Volk ist ein schlechter Ratgeber, 11.03.2015.
486 Jaeger, F.: Eine freizügige Schweiz – Chimäre oder Chance?, 2005, S. 1 / Balmer, D. u.a.: Aus Europa-Freunden
wurden Zuwanderungskritiker, 22.11.2014.
487 Vgl. Das der Bilaterale Weg in der Bevölkerung noch über Rückhalt verfügt, zeigte auch das klare Nein zur Eccopop
Initiative. Vgl. Wilhelm, Martin: «Eine Mehrheit will keinen Bruch mit Europa» 30.11.2014.
488 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 31f.
489 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 48 / Tresch, A. u.a.:
Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 42f.
490Vgl. Landmark, Philipp; Zäsur auf dem bilateralen Weg, 09.02.2014.
75
1. Reaktionen zur Annahme der MEI
Die Reaktionen auf die Annahme der MEI aus dem europäischen Ausland waren mehrheitlich
negativ.491 Zwar betonten viele Europäische Staaten, dass der durch die Abstimmung zur MEI
geäußerte Volkswille zu respektieren sei, die derzeitig guten Beziehungen zwischen der Schweiz
und der EU seien jedoch gefährdet.492 Deutliche Kritik an der Entscheidung kam aus Frankreich und
Luxemburg.493 Während Frankreich die Abstimmung als paradox bezeichnete und andeutete, die
Beziehungen zur Schweiz zu überprüfen, äußerte sich Luxemburgs Außenminister dahingehend,
dass die EU keine faulen Kompromisse am Grundprinzip der Freizügigkeit mit der Schweiz eingehen
dürfe. Auch die Stimmen aus Deutschland waren durchaus kritisch, jedoch betonte
Bun-
deskanzlerin Merkel, dass man sich im Interesse aller Parteien für eine vernünftige Lösung
einsetzen werde.494 Schließlich hatte auch Deutschland die Personenfreizügigkeit jahrelang für
ostmitteleuropäische Staaten eingeschränkt. In England dagegen stieß das Ergebnis der MEI sogar
auf Verständnis.495 Während die Regierung von wachsenden Sorgen betreffend der Folgen der
Personenfreizügigkeit in Europa sprach, brachte die euroskeptische UK Independence Party (UKIP)
zudem ihre Anerkennung und Unterstützung zum Ausdruck. Insgesamt stieß die Annahme der MEI
in Europa fast ausschließlich innerhalb der rechtspopulistischen Parteien auf Unterstützung.
496
Die
überwiegende Haltung der EU machte auch die Pressemitteilung der EU zur MEI deutlich:
„Die Europäische Kommission bedauert, dass eine Initiative zur Einführung mengenmäßiger
Beschränkungen der Einwanderung durch diese Volksabstimmung angenommen wurde. Dies verletzt
das Prinzip des freien Personenverkehrs zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Die EU
wird nun die Folgen dieser Initiative für die Gesamtbeziehungen zwischen der Union und der Schweiz
analysieren. In diesem Zusammenhang wird auch die Position des Bundesrates zum
Abstimmungsergebnis berücksichtigt werden.“497
Die ersten handfesten Reaktionen der EU auf die Annahme der MEI waren u.a. die Unterbrechung
von Verhandlungen zu laufenden Verträgen wie bspw. dem geplanten Stromabkommen. 498
Ebenfalls legte die EU auch die Verhandlungen zur Beteiligung der Schweiz an Programmen wie
491 Vgl. Nuspliger, Niklaus: Die Schweiz sorgt für Emotionen, In: NZZ, 27.02.2014, Nr. 48, S. 11.
492 Vgl. o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014.
493 Vgl. o.V.: Reaktion auf Volksentscheid: Frankreich will Beziehungen zur Schweiz überdenken, 10.02.2014 / o.V.: EU:
«Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014.
494 Vgl. Schmid, Ulrich: Merkelsche Milde für die Schweiz, In: NZZ, 19.02.2014, Nr. 41, S. 9.
495 Vgl. o.V.: EU: «Neuverhandlung der Freizügigkeit ausgeschlossen», 10.02.2014.
496 Vgl. Nuspliger, N.: Die Schweiz sorgt für Emotionen, 27.02.2014, S. 11.
497 Erklärung der Europäischen Kommission nach der Volksabstimmung in der Schweiz über die
"Masseneinwanderungsinitiative", 09.02.2014, URL http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-96_de.htm
(letzter Zugriff 23.08.2015).
498 Vgl. Höltschi, René: Weiterer Nadelstich der EU-Kommission, 11.02.2014.
76
Erasmus, Creative Europe sowie an dem milliardenschweren Projekt Horizon 2020 auf Eis, da diese
mit der Personenfreizügigkeit in Verbindung stehen. 499 Auslöser hierfür war zudem der Konflikt um
die Unterzeichnung der Schweiz hinsichtlich der Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf
Kroatien. Während die EU ihren Standpunkt, dass die Grundfreiheit der Freizügigkeit nicht zu
verhandeln sei, treu geblieben ist bzw. diesen sogar bis in die Gegenwart auf einheitlicher Linie
verfestigt hat, konnten zumindest für einige der oben genannten Konflikte Lösungen gefunden
werden. Auf der einen Seite erstellte die Schweizer Regierung Übergangslösungen für die
Programme Horizon 2020, Erasmus sowie MEDIA, um zumindest eine indirekte Teilnahme an den
Projekten zu ermöglichen.500 Des Weiteren hat die Schweiz, welche sich aufgrund des
Abstimmungsergebnisses zur MEI nicht in der Lage sah, die FZA Erweiterung auf Kroatien zu
unterzeichnen, dennoch diesbezüglich Maßnahmen501 getroffen, um eine Deblockierung von
Verhandlungen mit der EU zu erreichen.502 Mit diesem Vorgehen konnte die Schweiz die
Wiederaufnahme von Verhandlungen mit der EU erreichen. So haben die EU und die Schweiz im
Dez. 2014 ein neues Abkommen unterzeichnet, welches der Schweiz die Teilnahme an einigen
Bereichen von Horizon 2020 ermöglicht.503 Zudem schlossen die Europäische Kommission und die
Schweiz
vor
kurzem
ein
wegweisendes
Steuerabkommen
gegen
Steuerbetrug
und
Steuerhinterziehung ab.504 Weniger erfolgreich verliefen die fortgeführten Verhandlungen zum
Stromabkommen, welches trotz guter Lobby und Interesse auf beiden Seiten nicht abgeschlossen
wurde.505 Die Zukunft des Stromabkommens wurde von den Verhandlungen über das derzeitig
499 Vgl. Höltschi, René: Die <<Mini-Guillotine>> droht, 11-02.2014 / Durch den EU-Stop der Assoziierung an den
Programmen Horizon 2020, Erasmus+ sowie MEDIA gilt/galt die Schweiz in diesen Bereichen als Drittsaat. Vgl.
Medienmitteiling SBFI vom 07.03.2014, URL http://www.sbfi.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html?
lang=de&msg-id=52251 (letzter Zugriff 23.08.2015).
500 Zu den Umgesetzen sowie vorgeschlagenen Übergangslösungen: Vgl. Medienmitteiling SBFI vom 07.03.2014, URL
http://www.sbfi.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html?lang=de&msg-id=52251 (letzter Zugriff
23.08.2015) sowie Übergangslösung für Erasmus+ im Jahr 2014, 16.04.2014, URL
https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=52695 (letzter Zugriff 23.08.2015).
501 Die Maßnahmen beinhalten: Kontingentierte Zulassung für Kroaten zum Schweizer Arbeitsmarkt, die
Anerkennung best. Diplome sowie die Bereitsstellung finanzieller Mittel. Vgl. Direktion für europäische
Angelegenheiten: Personenfreizügigkeit Schweiz-EU, August 2015, S. 39.
502 Vgl. EDA: Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europäische Union, 2014, S. 6.
503 Die vollständige Assoziirung bzw. die zukünftige Teilnahme als Drittsaat am gesamten Projekt wird jedoch
weiterhin von der Umsetzung der Mei abhängig gemacht. Vgl. Pressemitteilung Kommission, Schweiz kann an
Teilen des EU-Forschungsprogramms Horizont 2020 teilnehmen, 05.12.2014, URL
http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/12929_de.htm (letzter Zugriff 23.08.2015).
504 Durch dieses Abkommen werden die EU und die Schweiz ab 2018 automatisch Kontodaten austauschen. Das
Abkommen entspricht dem weltweiten Standard für den automat. Inforamtionsaustausch der OECD/G20 und
steht zudem im Einklang mit den verstärkten Transparenzanforderungen der MS. Vgl. Pressemitteilung
Kommission, Kommission schließt wegweisendes Steuerabkommen mit der Schweiz ab, 19.03.2015, URL
Kommission schließt wegweisendes Steuerabkommen mit der Schweiz ab (letzter Zugriff 23.08.2015).
505 Vgl. Gemperli, S.: Keine Katastrophe, sondern ein Weckruf, 28.04.2015 / Fellmann, F.: EU stoppt StromKompromis, 26.04.2015, S 13.
77
laufende institutionelle Rahmenabkommen sowie mit dem Ausgang der Umsetzung der MEI
verknüpft.
Inländische Reaktion auf die MEI fielen zunächst unterschiedlich aus. Während sich die Befürwor ter der Initiative gegenseitig zum großen Erfolg gratulierten und bereits von einem Wendepunkt
und einer harten Umsetzung der MEI sprachen, wussten viele der Regierungsvertreter, dass die
Schweiz vor einer großen Herausforderung mit großem Risiko steht. 506 Noch am Tag der
Abstimmung kam es in vielen großen Städten der Schweiz zu kleineren Demonstrationen, in
welchen gegen die “Abschottung und für eine offene Schweiz“ protestiert wurde. 507 Recht schnell
meldeten sich auch die Vertreter der Wirtschaft zu Wort, die erneut mehrheitlich ihre Bedenken
für die wirtschaftliche Situation der Schweiz zum Ausdruck brachten. Neben den Vertretern der
Wirtschaft positionierten sich – insb. nach der Sistierung von Horizon 2020 sowie Erasmus –
Vertreter von Wissenschaft und Forschung öffentlich kritisch gegenüber den Folgen der MEI und
forderten die Regierung auf, den bedeutenden Forschungsplatz Schweiz zu erhalten. 508
Vor und kurz nach der Abstimmung zur MEI wurde in der Schweiz häufig die Meinung vertreten,
dass aufgrund der dreijährigen Frist zur Umsetzung keine sofortigen Konsequenzen der EU zu
erwarten wären.509 Dementsprechend trafen die harten und schnellen Reaktionen der EU viele
Schweizer unerwartet und wurden nicht selten als Erpressung einer Großmacht gegenüber einem
demokratisch getroffenen Entscheid dargestellt bzw. verstanden. 510 Beschleunigt durch die ausführliche, mediale Berichterstattung über die Tragweite der MEI kam es zu einer intensiven politischen
und die Gesellschaftsschichten übergreifenden Diskussion über die Zukunft der Schweiz. Galt eine
Umsetzung der MEI im Vorfeld der Abstimmung noch als unvereinbar mit dem FZA, begann nach
der Abstimmung eine intensive Relativierungsbewegung innerhalb von Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft, welche Umsetzungskonzepte und Wortlautinterpretationen lieferten, um die MEI
mit dem FZA in Einklang zu bringen.511 Mittlerweile liegen eine Vielzahl solcher Konzepte und Interpretationen vor, welche eine einvernehmliche Umsetzung der MEI mit der EU ermöglichen sollen.
Einige dieser Elemente finden sich auch im derzeitigen Umsetzungsentwurf der Regierung wieder,
auf welches ich im folgenden Kapitel eingehen werde. Ebenfalls bewirkte die Annahme der MEI
einen erneuten Vorstoß zu Reformen innerhalb der Volksrechte. Wie erwähnt, äußerten sich auch
506
507
508
509
510
511
Vgl. o:V.: Reaktionen: "Schlüsselmoment in der Schweizer Politik", 09.02.2014.
Vgl. Gasser, Benno: Demonstranten gegen die SVP Initiative, In. Tages-Anzeiger, 10.02.2014, S.6 .
Vgl. o.V.: SPV-Initiative schadet Forschungsplatz, 19.02.2014.
Vgl. Höltschi, R./Nuspliger, N.: Das bilaterale Gebäude wankt, 01.03.2014, S. 13.
Vgl. Thalmann, Jörg: Europas Emotionen und die Fakten, In Integration am Ende?, 2015, S. 14.
Vgl. Epiney, A.: Zur rechtlichen Tragweite der Art. 121 a, Art. 197 Ziff. 11 BV, 2014, S. 9f.
78
in der Vergangenheit Stimmen, welche gewisse Regelungen der derzeitigen Volksrechte
kritisierten.512 Insbesondere die Übersteigerung des Volkswillens, die stetig zunehmende
Initiativflut mit weitreichenden Folgen sowie die Zweckentfremdung der direktdemokratischen
Rechte im Interesse parteipolitischer Profilierung werden vermehrt angeführt. 513 Geäußerte
Reformvorschläge erhalten jedoch schnell konservativen Gegenwind, welcher sogar zur beruflichen
Diskreditierung führen kann. Volksrechte gelten für viele Schweizer als unantastbar und so ist es
nicht verwunderlich, dass sich dazu geäußerte Reformansätze schnell wieder verlieren, da
maßgebenden Akteure abspringen. Es ist daher Tatsache, das Reformvorschläge fast ausschließlich
von Personen und Institutionen stammen, die keine politische Verantwortung (mehr) tagen. Als
nach der MEI die von der Bundeskanzlei ins Leben gerufene Denkgruppe Democrazia Vivainta,
welche sich wohl insb. mit höheren Hürden für Volksintiativen beschäftige, bekannt wurde, ereilte
sie von allen Seiten teils heftige Kritik. 514 Auch wenn sich die Gruppe dazu geäußert hatte, dass es
keineswegs ihr Ziel sei, Volksrechte zu schwächen bzw. abzubauen, ist es mittlerweile im Bereich
der Reformen von Volksrechten wieder still geworden.515
Die niedrigen Hürden für Initiativen kommen zur Zeit jedoch der Initiative Raus aus der Sackgasse
(RASA) entgegen. Der Wortlaut dieser Initiative lautet wie folgt: „Die Bundesverfassung1 wird wie
folgt geändert: Art. 121a und 197 Ziff. 11 Aufgehoben [1] SR 101“. 516 Damit stellt sich die RASA
deutlich gegen das Ergebnis des 9. Feb. 2014 und hat bis zum 02.06.2016 Zeit 100.000 Stimmen zu
sammeln (aktueller Stand der gesammelten Stimmen ca. 80.000).517
Schließlich führte die Annahme der MEI auch zu einer vertieften Auseinandersetzung über das
Verhältnis und die Bedeutung der EU. In keinem anderen Land Europas steht der Gedanke der
europäischen Integration so sehr für die existenzielle Gefährdung oder zumindest den
identitätszerstörenden Systemkollaps.518 Wenn man jedoch die verfassungsmäßige Vielfalt der in
der EU vertretenden MS bedenkt, welche von der Monarchie bis zur Republik, vom stark
zentralisierten bis zu eher föderalistischen System reicht, ist es schwer vorzustellen, dass das
politische System der Schweiz in der EU keinen Platz finden würde. 519 Die in der Schweiz eigentlich
512
513
514
515
516
517
518
Vgl. Vuichard, F.: Direkte Demokratie: Zitterpartie ohne Ende, 30.01.2015.
Vgl. Zeller, René: Volksrechte sind nicht unantastbar, In: NZZ, 28.04.2015, Nr. 97, S. 11.
Vgl. o.V.: «Geheime Denkgruppe» wirft Wellen, In: NZZ, 25.06.2014, Nr. 144, S. 10.
Vgl. o.V.:Das sind die Mitglieder der geheimen Denkgruppe des Bundes, 24.06.2014.
Wortlaut der RASA-Initiative, URL https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis458t.html (letzter Zugriff 23.08.2015).
Vgl. Serafin, Sean: Bald 80’000 Unterschriften für RASA-Initiative!, 16.07.2015.
Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 83 / Lindner, W. u.a.: Schweizer Eigenart – eigenartige Schweiz,
1996, S. 13f.
519 Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 306.
79
permanent geführte politische Debatte über die Ziele der Europapolitik mangelte es zumindest
nach Ansicht der EU Befürworter stets an Objektivität sowie einer möglichst vorurteils- und vor
allem idelogiefreien Herangehensweise.520 Während es konservative Kräften in der Schweiz mehr
und mehr gelang, Vorurteile und Ängste gegenüber der EU im Volk zu manifestieren, traten
Befürworter einer objektiven Diskussion über die gesamteuropäische Perspektive und deren
Möglichkeiten für die Schweiz vermehrt in den Hintergrund. Dies wurde jedoch auch durch die
europäische Krise sowie den Erfolg der Bilateralen begünstigt. 521 Die Schweiz ist zwar so eng mit der
EU verbunden wie noch nie, die Bevölkerung ist jedoch EU-skeptisch wie nie zuvor. 522 Gemäß Jakob
Kellenberger (u.a. Chefunterhändler der Schweiz bei den BIL I) ist das beschränkte Interesse für die
europäische Wirklichkeit u.a. Voraussetzung für die in der Schweiz stattfindende Nichtwürdigung
von Errungenschaften523 und Gemeinsamkeiten zur EU.524 Bezeichnendes Beispiel für die
Wahrnehmung von europäischen Entwicklungen und die Distanz der Schweiz zur europäischen
Integration ist der isländische Sinneswandel im Jahr 2013, keinen EU Beitritt mehr anzustreben. 525
Die Wahrnehmung dieses Ereignisses hat bei den Schweizern mehr Spuren hinterlassen als der
Beitritt der drei neutralen Länder Österreich, Schweden und Finnland zur EU. Auch wenn die
Annahme der MEI die in der Schweiz stattfindende Diskussion bzw. die Haltung gegenüber der EU
gegenwärtig nicht grundlegend geändert hat, so haben durch die MEI ausgelöste Fragen doch
gewisse Relationen aufgezeigt. Wurde das kürzlich abgeschlossene Freihandelsabkommen mit
China auch von den Befürwortern einer unabhängigeren Wirtschaftsstellung gegenüber der EU
enthusiastisch aufgenommen, offenbarten die Debatten zur MEI, dass das Handelsvolumen der
Schweiz mit China etwa dem der Lombardei und das Handelsvolumen mit den USA etwa dem mit
Baden-Württemberg entspricht.526 Die Debatten zur MEI stellen in der Schweiz nicht selten
vertretende Ansichten von der gegenseitigen Abhängigkeit und Gleichberechtigung der geforderten Härte gegenüber Europa bei anstehenden Verhandlungen und den Gedanken der allgemeinen
520 Vgl. Thürer, D.: Perspektive Schweiz, 1998, S. 205 / Kellenberger, J.: Prioritäten im Verhältnis zur EU, 13.10.2014, S.
17.
521 Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 83.
522 Vgl. Ferrari, L.: Es braucht eine neue Europadebatte, 06.12.2012, S. 1.
523 Die Nichtwürdigung von Leistungen der EU sowie die Verschiebung von Misserfolgen auf die EU, findent jedoch
auch in anderen EU-Staaten statt. Dies geschieht insb. durch Politik und Medien, Politiker beanspruchen erreichte
Verdienste und schieben bei Misserfolgen die Schuld auf Brüssel. Barroso Präsident der Europäischen Kommission
nennt dies: Die nationalisierung des Erfolges und die europärisierung des Misserfolges. Vgl. dazu auch Assheuer,
Thomas: "Die Identität ist das geringste Problem", In: Die Zeit, 12.01.2014, Nr. 02, S. 38f.
524 Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 114ff.
525 Vgl. ebd., S. 130.
526 Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 130 / o.V.: Ein Handelspartner, so wichtig wie China,
28.08.2013 / IIhle, Pascal: Freihandel Schweiz-China: Bitte nicht blenden lassen, In: Handelszeitung, 19.06.2014,
Nr. 25, S. 24.
80
Unabhängigkeit auf die Probe. Einschätzungen von erfahrenden Diplomaten sowie die ersten
Reaktionen der EU machen zwar deutlich, dass auch der EU an einer Fortführung der durchaus
fruchtbaren Beziehungen zur Schweiz gelegen ist, die Frage, wer sich jedoch in einer
unabhängigeren Position befindet, recht deutlich zu beantworten ist.527 Während die Schweiz ca. 57% des Außenhandels der EU abdeckt, sind es andersherum fast 60%. 528 Zudem ist die EU nicht
generell auf die Lösung der MEI-Problematik sowie auf die Beziehungen zur Schweiz fokussiert; für
die Schweiz hingegen sind die Beziehungen zur EU essenziell. 529 In Anbetracht dessen sind die von
der Wirtschaft geäußerten Bedenken und Ängste seit der Annahme der MEI durchaus
nachvollziehbar. Die bestehende Unsicherheit für den wirtschaftlichen Standort Schweiz, welche
durch die Annahme der MEI ausgelöst wurde, wurde zudem massiv durch die Aufhebung der
befristeten Frankenuntergrenze durch die Nationalbank verstärkt. 530 Bei einer kürzlich
veröffentlichten Umfrage innerhalb ausgewählter Schweizer Unternehmen gaben zwar 72% der
befragten Unternehmen an, noch keine Maßnahmen ergriffen zu haben und sich vorerst auf die
Beobachtung zu beschränken.531 Ungeachtet dessen, schätzen 80% die möglicherweise
eintreffenden Beschränkungen der MEI als <eher> oder <sehr> problematisch ein. Zudem geben
1/5 der Firmen an, über die Verlagerung von Arbeitsprozessen mit dem entsprechenden
Personalabbau in der Schweiz nachzudenken. Dies wird zudem dadurch verstärkt, dass
Investitionen in schweizerische Unternehmen bereits durch die bloße Annahme der MEI
aufgeschoben oder unterlassen werden.532 Die Umsetzung der MEI wird dementsprechend von der
Wirtschaft kritisch beobachtet und ist mit weitreichenden Folgen verbunden.
2. Derzeitiger Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Art. 121a BV
Da die Umsetzung der MEI für die Schweiz von augenscheinlich größter Bedeutung ist, stellt sich
die Frage, wie weit und in welcher Form die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels 121a BV
durch die Regierung mittlerweile vorangeschritten ist.
527 Vgl. Birrer, Raphaela/Capodici, Vincenzo: «Die Schweiz war immer in der Defensive», 05.08.2015 / Israel, Stephan:
«Das können wir nicht hinnehmen», 09.02.2014.
528 Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten: Schweiz-EU in Zahlen – Handel, Bevölkerung,
Verkehr, Stand 28.07.2015, S. 6 / EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des
Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 28.
529 Vgl. Wehrli, Thomas / Feusi, Dominik: «Die Schweiz ist nicht das erste Thema in der EU», 28.02.2014.
530 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 9.
531 Vgl. Donkor, Charles: PwC-Umfrage: Wie verhalten sich Schweizer Unternehmen nach der Abstimmung zur
Masseneinwanderungsinitiative?, 12.06.2015, S. 3.
532 Vgl. Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015, S. 108.
81
Zunächst lässt sich sagen, dass sich die von der Regierung ausgearbeitete Gesetzesvorlage (Feb.
2015) derzeit in der Vernehmlassung533 befindet.534 Die Veröffentlichung der Resultate aus der
Vernehmlassung werden im Herbst 2015 erwartet. Zum Inhalt der Gesetzesvorlage lässt sich sagen,
dass die Regierung bei der Umsetzung von Art. 121a BV ein drei-Säulen-Modell (Anpassung
Gesetzgebung, Anpassung FZA sowie Begleitmaßnahmen) vorschlägt. 535 Innerhalb der ersten Säule
wird das Ausländergesetz (AuG) den Bestimmungen des Art. 121a BV angepasst. Das vom Bundesrat erarbeitete Zuwanderungssystem enthält für alle Ausländer jährliche Kontingente und Höchstzahlen.536 Zudem soll den inländischen Arbeitskräften bei der Stellenbesetzung Vorrang gewährt
werden. Der Inlädervorrang soll nach dem Entwurf dabei im Einzelfall geprüft werden, aus
Gründen der Wirtschaft sind Berufe mit ausgewiesenem Fachkräftemangel davon jedoch
ausgenommen. Laut Entwurf werden den Höchstzahlen Aufenthalte zur Erwerbstätigkeit ab vier
Monaten unterstellt.537 In die Höchstzahlen einzubeziehende Personen sind ebenfalls Grenzgänger,
Familienangehörige, Nicht-Erwerbstätige sowie Flüchtlinge. Für die Bedarfserhebung der
Kontingente und Höchstzahlen soll der Bundesrat zuständig sein. Dies soll jedoch unter
Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Interesses sowie unter Einbeziehung von
Bedarfserhebungen der Kantone und den Empfehlungen einer Zuwanderungskommission
geschehen. Eine der Grundlagen des Gesetzesentwurfs ist jedoch die Neuverhandlung des FZA. In
der Konsequenz gilt das AuG für die Angehörigen der EU/EFTA Staaten nur subsidiär. 538 Damit das
Umsetzungskonzept und die beschränkenden Bestimmungen des AuG auch bei Angehörigen der
EU/EFTA Staaten Anwendung findet, ist eine entsprechende Anpassung des FZA erforderlich. Die
zweite Säule der Gesetzesvorlage ist demgemäß die Neuverhandlung des FZA. Die anzustrebende
Lösung
innerhalb
der Neuverhandlung
des FZA
soll
sich
dabei
nach
den
neuen
Verfassungsbestimmungen, dem Umsetzungskonzept, an dem dann vorliegenden Vernehmlas533 Das Vernehmlassungsverfahren ist eine Phase der Gesetzgebung, in welcherVorhaben des Bundes von erheblicher
politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite auf ihre sachliche
Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz hin geprüft werden. Die Vorlage wird dafür den Kantonen, den in
der Bundesversammlung vertretenen Parteien, den Dachverbänden der Gemeinden, Städte und der Berggebiete,
den Dachverbänden der Wirtschaft sowie weiteren im Einzelfall interessierten Kreisen unterbreitet. Ausführlich
zum Vernehmlassungsverfahren: Vgl. Lindner, W: Schweizerische Demokratie, 2012, S. 331f.
534 Vgl. Direktion für europäische Angelegenheiten: Personenfreizügigkeit Schweiz-EU, August 2015, S. 37.
535 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 8f.
536 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und
Verhandlungsmandat, 08.10,2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msgid=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015).
537 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 16.
538 Vgl. ebd., S. 7.
82
sungsentwurf sowie am erteilten Verhandlungsmandat orientieren.539 Durch die dritte Säule des
Entwurfs, die sog. Begleitmaßnahmen, soll durch gezielte Förderungen des inländischen Potentials
die Zuwanderung gesenkt werden.540 Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Bundesrat eine Reihe von
Maßnahmen gestartet, die u.a. darauf abzielen, vor allem Frauen sowie ältere Arbeitnehmende zu
mobilisieren und zudem effizienter an Arbeitnehmer suchende Betriebe zu vermitteln. 541 Die
Maßnahmen zur Förderung des inländischen Potentials gilt bei der Umsetzung des Art. 121a BV als
zentrales Mittel, den Volkswillen umzusetzen und die Zuwanderung zu senken. Auch wenn der
Bundesrat betont, dass die Umsetzung auf der Grundlage der drei Säulen der Versuch ist, den
außenpolitischen Erfordernissen sowie dem Verfassungsauftrag nach Wahrung der Wohlfahrt und
des Erhalts eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandortes zu entsprechen, äußert er erneut
eine Vielzahl von Bedenken.542 Die gewählte Umsetzung des Art. 121a BV widerspricht einer der
zentralen Grundfreiheiten der EU, nämlich dem Grundsatz der Personenfreizügigkeit.543 In der Folge
gilt es, entsprechende Verträge, darunter das FZA, das EFTA- Übereinkommen sowie der
Rahmenvertrag Schweiz-Lichtenstein, neu zu verhandeln. Sollte die verfassungskonforme
Anpassung des FZA nicht möglich sein, ist der Fortbestand der BIL I sowie anderer Verträge, welche
mit dem BIL I in Verbindung stehen, gefährdet.544 Ein Wegfall dieser Verträge hätte nach Ansicht des
Bundesrats gravierende negative Folgen für die schweizerische Wirtschaft sowie für zukünftig
angestrebte Verhandlungen mit der EU.545 Neben dem europapolitischen Aspekt ist die Umsetzung
des Art. 121a BV sowohl bei den zuständigen Behörden der Kantone als auch des Bundes mit
einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sowie die
kaum zu beziffernden Kosten hängen insb. mit den vom Bund und den Kantonen festzulegenden
Höchstzahlen sowie Kontingenten und den damit verbundenen Einschränkungen für erwerbstätige
Ausländer zusammen.546 Die öffentlichen Stellungnahmen von Partien, Gewerkschaften und
539 Vgl. ebd., S. 9.
540 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 9.
541 Vgl. Medienmitteilung Bundesrat: Steuerung der Zuwanderung: Bundesrat verabschiedet Gesetzesentwurf und
Verhandlungsmandat, 08.10,2014, URL https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msgid=56194 (letzter Zugriff 23.08.2015).
542 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 8.
543 Vgl. ebd., S. 42.
544 Vgl. ebd., S. .40.
545 Vgl. insb. Bedeutung BIL I und mögliche Folgen bei Kündigung: EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur
Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a BV, Februar 2015, S. 27ff.
546 Vgl. EJPD/WBF/EDA: Erläuternder Bericht Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes Umsetzung von Art. 121a
BV, Februar 2015, S. 37f.
83
anderen zur Gesetzesvorlage des Bundesrats fallen mehrheitlich kritisch aus. 547 Befürworter einer
einvernehmlichen Umsetzung des Art.121a BV mit dem FZA kritisierten vor allem, dass der
Bundesrat
seinen
Verfassungsspielraum
nicht
ausreichend
genutzt
und
dem
gesamtwirtschaftlichen Interesse nur ungenügend Rechnung trage. 548 Auf Ablehnung, ja sogar auf
Bedauern trifft u.a. die Entscheidung des Bundesrates, Kurzaufenthalter und Grenzgänger in die
Kontingente mit einzubeziehen.549 Ebenfalls häufig kritisiert wird die durch die Gesetzesvorlage
weiterhin bestehende Gefahr für die BIL I sowie die allgemeine Ausarbeitung des Entwurfs ohne
vorherige Verhandlungen mit der EU.550
Besonders hart fällt die Kritik der SVP zum vorliegenden Gesetzesentwurf aus. Sie erklärt die
Gesetzesvorlage für ungenügend und wirft dem Bundesrat vor, dass dieser gezeigt habe, dass er
den Volkswillen nicht umsetzen und seinen Verfassungsauftrag nicht erfüllen will. 551 Da der
Bundesrat nach Meinung der SVP eine Kündigung der BIL I mit allen Mitteln verhindern wolle und
die Umsetzung der MEI von dem Verhandlungswillen der EU abhängig mache, spricht die SVP von
gezielter Sabotage und einem Vetorecht der EU. Der vom Bundesrat verfolgte Ausschluss von
EU/EFTA-Bürgern (welche den größten Anteil der Nettozuwanderung ausmachen) von der Anwendung des AuG führt dazu, dass der Gesetzesentwurf kaum Wirkung entfalte. 552 Je weiter die
aktuelle Auswertung der Stellungnahmen aus dem Vernehmlassungsverfahren voranschreitet, je
mehr offenbart sich, dass auch den Parteien, Kantonen und Verbänden der Umgang mit dem
Abstimmungsergebnis zur MEI schwer fällt und die Meinungen weit auseinandergehen.553
Gemeinsamkeiten bestehen in der Forderung nach der Anwendung einer Schutzklausel 554 bei der
Umsetzung des Art. 121a.555 Auch die SVP, welche die MEI strikt umgesetzt sehen will und damit
547 Vgl. o.V.: Gewerkschaften und Parteien kritisieren Gesetzesentwurf, 11.02.2015 / Schöchli, H.: Fahnden nach dem
Wert der Bilateralen, 04.02.2015 S 23.
548 Vgl. Zimmermann, Ivo: Der Bundesrat nutzt den Spielraum nicht, 11.02.15 / Schöchli, H.: Bundesrat kommt der
Wirtschaft entgegen, 11.02.2015, S.28 / Economiesuisse: Stellungnahme Umsetzung von Ar. 121A BV, 28.05.2015,
S. 1f.
549 Vgl. hotelleriesuisse: MEI: Eine Umsetzung unter Berücksichtigung der standortgebundenen Hotellerie,
11.02.2015 / Unia Gewerkschaft: Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer,
28.05.2015, S. 2.
550 Vgl. Zimmermann, I.: Der Bundesrat nutzt den Spielraum nicht, 11.02.15 / o.V.: Gewerkschaften und Parteien
kritisieren Gesetzesentwurf, 11.02.2015.
551 Vgl. o.V.: Entwürfe zur Änderung des Ausländergesetzes, 26.05.2015.
552 Vgl. Gemperli, S.: Bundesrat und SVP vollziehen Kehrtwende, 18.02.2015.
553 Vgl. Sommaruga, Simonetta: "Die Schweiz wird ihr Verhältnis zu Europa klären müssen", Rede am Swiss Economic
Forum in Interlaken, 04.06.2015.
554 Das derzeitige in der Schweiz meistdiskutierte Schutzklauselkonzept vgl. Ambühl, Michael/Zürcher, Sibylle:
Immigration and Swiss-EU Free Movement of Persons: Question of a Safeguard Clause, In Swiss Political Science
Review, Volume 21, Issue 1, 2015, Page 76ff.
555 Vgl. Gemperli, Simon: Moratorium für Ausländerkontingente prüfen, 27.05.2015.
84
den Bruch mit den bilateralen Verträgen bewusst in Kauf nimmt, äußert sich mittlerweile in puncto
Schutzklausel gesprächsbereit.556 Das Grundprinzip der derzeit häufig diskutierten Schutzklausel
stellt darauf ab, dass die Personenfreizügigkeit in der Schweiz so lange vollumfänglich gilt, bis ein
vorher berechneter Schwellenwert bei der Nettozuwanderung überschritten wird, der es der
Schweiz erlaubt, Maßnahmen wie Kontingente zu erheben. 557 Voraussetzung für die Akzeptanz so
einer Schutzklausel durch die SVP ist folglich, dass diese sehr tief angelegt ist und zu einer
deutlichen Senkung der Zuwanderung führt. Auch gilt eine Schutzklausel nicht als Garant für eine
erfolgreiche oder zumindest zufriedenstellende Umsetzung. In Hinblick darauf, dass Schutzklauseln
im “Normalfall“ als befristetes Ventil zur Behebung außerordentlicher Situationen dienen, ist es
mehr als fraglich, ob sich die EU dazu bereiterklärt, der Schweiz ein solches Instrument zur
Verfügung zu stellen, ohne dies ebenfalls ihren eigenen MS zu ermöglichen. 558 Wie weit die EU der
Schweiz bei der Freizügigkeit entgegenkommt, hängt letztlich auch von den Verhandlungen zum
institutionellen Rahmenabkommen ab. Bereits diese Fragen verdeutlichen, dass die Schweiz nicht
nur bei den ggf. in Zukunft stattfindenden Verhandlungen mit der EU sondern auch bei der
"innenpolitischen" Umsetzung der MEI vor großen Herausforderungen steht. Die SVP stellte zudem
klar, wenn die Regierung keine geeigneten Schritte unternehme, um das derzeitige
Umsetzungskonzept dem Volkswillen anzupassen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis zur
Lancierung und Annahme einer radikalen Volksinitiatve. 559 Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer
weiteren Volksabstimmung kommt, ist durchaus nicht gering. Auch andere Parteien, Verbände
sowie namhafte Politiker wie bspw. der ehemalige Bundespräsident Didier Burkhalter streben eine
erneute Abstimmung an, um das Volk über das zukünftige Verhältnis zu Europa entscheiden zu
lassen.560 Spätestens nach der ausgearbeiteten Gesetzesfassung des Art. 121a BV sind lediglich
50.000 Schweizer Bürger notwendig, um per Referendum eine erneute Volksabstimmung zu
forcieren.561 Anhand der im Land vertretenen Kontroversen sowie der augenscheinlich begrenzten
Möglichkeiten eine zufriedenstellende Lösung für alle Interessen zu finden, ist dies ein durchaus
wahrscheinliches Szenario.
556 Vgl. von Matt, Othmar: Bilaterale: Blocher macht Weg frei für Schutzklausel, In: Schweiz am Sonntag, 19.07.2015,
Nr. 193, S. 1.
557 Vgl. Ambühl, M./Zürcher, S.: Immigration and Swiss-EU Free Movement of Persons, 2015, Page 79f.
558 Vgl. Gemperli, Simon: Moratorium für Ausländerkontingente prüfen, In NZZ, 27.05.2015, Nr. 119, S. 21.
559 Vgl. o.V.: Entwürfe zur Änderung des Ausländergesetzes, 26.05.2015 / Mooser, Huber: SVP droht mit einer
Kündigungs-Initiative, 15.12.2014.
560 Vgl. Bühler, Stefan/Freiedli, Daniel: «Es liegt ein Hindernislauf vor uns», In: NZZ am Sonntag, 04.05.2014, S. 11 /
Rist, Manfred/Gemperli, Simon: Widmer-Schlumpf für neue EU-Abstimmung, In: NZZ, 04.02.2015, Nr. 28, S. 9 /
hier auch: BDP: URL http://www.bdp.info/schweiz/de/aktuell/fuerdenbilateralenweg (letzter Zugriff 23.08.2015).
561 Vgl. Kellenberger, J.: Prioritäten im Verhältnis zur EU, 13.10.2014, S. 17.
85
V Zusammenfassung und Ausblick
Die dargestellte Problematik veranschaulicht, dass die Schweiz hinsichtlich ihrer zukünftigen
Europapolitik vor großen Herausforderungen steht. Der bis dato praktizierte bilaterale Weg wurde
in der Schweiz immer wieder als Königsweg und momentan einziger Weg bezeichnet, welcher der
Schweiz einerseits den gleichberechtigten Zugang zum Binnenmarkt der EU ermöglicht und andererseits die politische Unabhängigkeit der Schweiz bewahrt. Während die Mehrheit der schweizerischen Bevölkerung den bilateralen Weg und dessen schrittweise Erweiterung in der Vergangenheit
mehrfach unterstützt hat, änderte sich dies gewissermaßen überraschend durch die Annahme der
MEI am 09.02.2014.562 Wie dargestellt, beinhaltet der Wortlaut der MEI eine Vielzahl an Verstößen
gegen das FZA, welches zudem durch die Guillotine-Klausel mit allen anderen Abkommen der BIL I
eine untrennbare Einheit bildet. Auch wenn die Regierung bei der Umsetzung der Initiative einen
gewissen
Handlungsfreiraum
hat,
war
es
von
Anfang
an
unwahrscheinlich,
einen
Umsetzungsentwurf zu präsentieren, der sowohl mit den Zielen und dem Willen der Initianten der
MEI als auch mit der europäischen Grundfreiheit der Personenfreizügigkeit vereinbar ist. Der
derzeitige Gesetzesentwurf der Regierung führt u.a. Beschränkungen in Form von Kontingenten
und Höchstzahlen ein, welche mit den FZA nicht vereinbar sind. Um die Vereinbarkeit der MEI mit
dem FZA zu erreichen, setzt die schweizerische Regierung auf eine Neuverhandlung des FZA mit
der EU und nimmt bis zur Anpassung des FZA europäische Staatsangehörige vom Anwendungsbereich der derzeitigen Umsetzung der MEI aus. Diese Option entschärft zwar den gegenwärtigen
Konflikt mit der EU, bietet jedoch keine dauerhafte Lösung des Problems. 563 Sollte es nicht gelingen
das FZA neu zu verhandeln, ist fraglich, wie lange die derzeitige Übergangsregelung, insb. von
Verfechtern einer starken Begrenzung der Zuwanderung, hingenommen wird. Die Annahme der
MEI hat erneut verdeutlicht, dass in der schweizerischen Bevölkerung zwei fast grundsätzlich
gegensätzliche Vorstellungen aufeinandertreffen. Auf der einen Seite befinden sich die konservativen, teilweise isolationistischen Kräfte, vor allem im Umfeld der SVP. 564 Diese begründen den Erfolg
der Schweiz mit deren politischen Eigenheiten insb. der starken souveränen Unabhängigkeit und
der großen Macht des Volkes. Auf der anderen Seite stehen die Befürworter einer weltoffenen und
integrationsfreudigen Schweiz, welche deren Erfolg eben gerade in einer weitreichenden
562 Vgl. Abberger, K. u.a.: Der bilaterale Weg – eine ökonomische Bestandsaufnahme, 2015, S. 6.
563 Vgl. Gemperli, S.: Wer kündigt wann und warum nicht, 18.02.2015, S. 10.
564 Vgl. Weisser, Veronica/Duss, Sibille: Die Schweiz in der europapolitischen Zerreissprobe, In: Konjunkturanalyse
Schweiz, UBS (Hrsg.), 15.10.2014, S. 6f.
86
Integration in die Weltwirtschaft insb. in den europäischen Binnenmarkt sehen.
Die zur MEI durchgeführten Studien haben aufgezeigt, dass die schweizerische Bevölkerung sich in
den letzten Jahren vermehrt ins rechte bzw. konservative Spektrum bewegt hat. 565 Nicht etwa eine
direkte Betroffenheit etwaiger Folgen der Masseneinwanderung (bspw. der sog. Dichtestress) war
ausschlaggebender Faktor für die Zustimmung zur MEI, sondern vielmehr die bloße Furcht vor
erwarteten zukünftigen Folgen, wie der häufig thematisierten Überfremdung durch ausländische
Zuwanderer.566 Doch eine solche Skepsis gegenüber Fremden ist nicht angeboren, sie gründet sich
vielmehr auf einen politischen Kurs, der auch bei der gegenwärtigen Debatte um die Umsetzung
der MEI erneut deutlich zum Vorschein kommt. Die Schweiz kann sich im Gegensatz zu anderen
Staaten nur schwer auf eine gemeinsame Kultur, Ethnie oder Sprache berufen und findet ihre
Abgrenzung daher eher nach außen und gegenüber dem Fremden. 567 Rechtspopulistische Parteien
wie die SVP setzen folglich auf die politischen Grundsätze der Schweiz, vor allem die Souveränität
sowie die Direkte Demokratie, und positionieren diese als unvereinbar mit der fortschreitenden
Integration. Während europäische MS vermehrt Souveränität auf supranationale Institutionen
transferieren, bezeichnet die SPV die Verhandlungen zum Rahmenabkommen als landesverräterisch.568
Angesichts dieser Tatsachen ist die Abstimmung zur MEI zugleich Krise und Chance. Die Umsetzung
der MEI erfordert nicht nur intensive Gespräche und Verhandlungen mit der EU, welche weiterhin
kein Verhandlungsmandat in Aussicht stellt, sondern sie fordert außerdem von der Schweiz eine
interne Debatte über ihr zukünftiges Verhältnis zu Europa. Soll der bilaterale Weg erhalten werden,
liegt es an den Befürwortern aus Politik, Wirtschaft und Forschung, der Bevölkerung die Vorteile
und die Bedeutung des bilateralen Weges (insb. den BIL I) zu vermitteln. Wie aufgeführt ist die
Wahrscheinlichkeit einer erneuten Abstimmung über die Personenfreizügigkeit (bzw. den
bilateralen Weg im allgemeinen) aufgrund der RASA Initiative, der Möglichkeit des Referendums,
aber auch durch die bereits erfolgte Androhung einer Kündigungs-Initiative durch die SVP durchaus
hoch. Das Ergebnis dieser Volksabstimmung wäre dann jedoch endgültig und müsste von der
Regierung ohne Handlungsfreiraum umgesetzt werden. Sollte sich das schweizerische Volk gegen
den bilateralen Weg entscheiden und es zur Kündigung der BIL I kommen, würde die Schweiz ihren
565 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 5f / Tresch, A. u.a.:
Analyse der Eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2014, 2014, S. 53f.
566 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 22f.
567 Vgl. Alabor, Camilla: Souveränität: <<Das ist Wunschdenken>>, 19.02.2015.
568 Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S.26 / Gafner, Beri: «Der Bundesrat spricht mit zwei Zungen», In:
Basler Zeitung, 09.07.2014, S. 2.
87
privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren und auf den vertraglichen Stand
des Freihandelsabkommens zurückfallen.569 Als Drittstaat stünde der Wirtschafts- und
Forschungsstandort Schweiz, wie aufgeführt, vor weitreichenden Herausforderungen und es ist
mehr als fraglich, ob die Schweiz ihre derzeit so positive wirtschaftliche und gesellschaftliche
Situation aufrecht erhalten könnte. Ebenfalls gilt zu bedenken, dass auch im Falle einer Aufhebung
der MEI (bzw. einer Bestätigung der Personenfreizügigkeit) durch das Volk die Schweiz vor einer
nicht weniger schweren Herausforderung steht: Vor der Abstimmung zur MEI hat die EU mehrfach
betont, weitere bilaterale Verträge mit der Schweiz von Verhandlungen über ein institutionelles
Rahmenabkommen abhängig zu machen.570 Möchte die Schweiz diesen Weg nicht nur auf dem
gegenwärtigen Stand erhalten, muss sie sich mit der EU insb. über Themen wie die automatische
Übernahme von europäischem Recht sowie der gerichtlichen Kontrolle der Verträge durch den
EUGH (fremde Richter) auseinandersetzen. Die Schweiz muss wie auch bei den Verhandlungen zur
Beschränkung der Personenfreizügigkeit verstehen, dass der Zugang zum Binnenmarkt für alle Teilnehmer gleichberechtigt, d.h. unter den gleichen Vor- sowie Nachteilen erfolgt. Die EU kann die
Schweiz nicht besser stellen als ihre eigenen MS. Dennoch bedeuten Schweizer Zugeständnisse zu
diesen Punkten für die SVP nur den Verlust schweizerischer Eigenheiten und offenbaren damit ein
weiteres Problem für die Zukunft des bilateralen Weges. Jede zukünftig inizierte Volksabstimmung,
welche auf die Aufhebung oder die Beschränkung eines mit der EU geschlossenen Abkommens
hinausläuft, stellt unabhängig von dessen Annahme den bilateralen Weg erneut in Frage und
erzeugt wirtschaftliche und politische Unsicherheit. In einem Land wie der Schweiz, in welcher das
Volk über eine solch große politische Macht verfügt, ist es m. E. daher von größter Bedeutung, der
gegenwärtigen populistischen und nationalistischen Tendenz durch eine sachliche und vorurteilsfreie Aufklärung entgegenzuwirken. Denn nicht nur die Annahme der MEI sondern auch die zunehmende Angst vor Überfremdung sowie dem Verlust der schweizerischen Eigenarten begründen
sich in dem Gedanken, dass man sich zwischen einer wirtschaftlichen und politischen Öffnung
nach außen und der Bewahrung von schweizerischen Eigenarten entscheiden muss. Souveränität,
Direkte Demokratie und Neutralität werden als unvereinbar mit der fortschreitenden europäischen
Integration bewertet.571 Ein Beitritt zur EU ist demgemäß für viele Schweizer einhergehend mit dem
totalen Identitätsverlust.572 In vermeintlicher Souveränität übernimmt die Schweiz lieber
569
570
571
572
Vgl. Gentinetta, K./Kohler, G.: Souveränität im Härtetest, 2010, S. 299.
Vgl. Bühler, Stefan: Mission Bilaterale III, 29.6.2015.
Vgl. Gabriel, J.: Sackgasse Neutralität, 1997, S. 65.
Vgl. Kellenberger, J.: Wo liegt die Schweiz, 2014, S. 83.
88
europäische Gesetze als sich an deren Ausarbeitung zu beteiligen. Der Schweiz gelang es lange vor
der europäischen Idee, die in ihren 26 Kantonen lebenden Minderheiten zu einem gemeinsamen
friedvollen und demokratischen Handeln zu bewegen. Sie könnte daher der EU als Vorbild dienen,
wird sie doch häufig als european microcosm bezeichnet. Leider entzieht sich die Schweiz mit
ihrem Potential einer weitreichenden europäischen Integration und Mitgestaltung Europas. 573
Zweifelsohne stehen die Beziehungen zur EU derzeit auf dem Prüfstand und es liegt in erster Linie
an der Schweiz zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen möchte. 574 Grundsätzlich gilt auch
hier, je eher eine globale Weltsicht eingenommen, die Kenntnis über Zusammenhänge vergrößert
wird und je stärker der Glaube an die eigene Handlungsmacht ist, desto größer ist die Offenheit
gegenüber dem Fremden.575 In diesem Sinne lässt sich nur hoffen, dass die Schweizer ihre Skepsis
und Vorurteile abbauen und sich objektiv mit den Vor- und Nachteilen der europäischen
Integration auseinandersetzen.
573 Vgl. Hollmann, A.: Die Schweizer und Europa, 2005, S. 13 / Bronska, J.: Die Schweiz in Europa: Mittendrin, doch
außen vor?, 2009, S. 318.
574 Vgl. Jones, R., Rede an der Ausserordentlichen Delegierten-versammlung des Gewerkschaftsbundes des Kantons
Bern, 01.11.2014, S. 7.
575 Vgl. Hermann, M.: Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative, 17.12.2014, S. 9.
89
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union
AJP
Aktuelle Juristische Praxis (Zeitschrift)
Art.
Artikel
AuG
Ausländergesetz (Schweiz)
BBI
Bundesblatt
BDP
Bürgerlich-Demokratische Partei
BIP
Bruttoinlandsprodukt
bspw.
beispielsweise
BV
Bundesverfassung Schweizerische Eidgenossenschaft
CH
Schweiz
DEA
Direktion für europäische Angelegenheiten
ebd.
Ebenda / ebendort
EDA
Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten
EFTA
European Free Trade Asssociation
EG
Europäische Gemeinschaft
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EJPD
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartment
EU
Europäische Union
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Union
evtl.
eventuell
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
f
folgende
ff
fort folgende
FRP
Forschungsrahmenprogramme
FZA
Freizügigkeitsabkommen
G20
Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer
GASP
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Hrsg.
Herausgeber
insb.
insbesondere
LAV
Luftverkehrsabkommen
MEI
Masseneinwanderungsinitiative
m.E.
Meines Erachtens
MS
Mitgliedsstaaten
NZZ
Neue Zürcher Zeitung
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
ParlG
Parlamentsgesetz
RASA
Raus aus der Sackgasse (Initiative)
RL
Richtlinie
SECO
Staatssekretariat für Wirtschaft
SVP
Schweizerische Volkspartei
SZIER
Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht
u.a.
und andere
UKIP
UK Independence Party
UNO
United Nations Organization
WBF
Eidgenössisches Department für Wirtschaft, Bildung und Forschung
WTO
World Trade Organization
Ziff.
Ziffer
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