Samichlaus oder Weihnachtsmann

AK TIVES L E B E N
Gütiger alter Mann oder mahnender Moralist
Samichlaus oder
Weihnachtsmann
Etwas mulmig wurde es einem schon, wenn es vor der Haustüre polterte und laut an die Türe geklopft wurde.
Warum benutzt der Samichlaus eigentlich nie den Klingelknopf? Die Palette der Gefühle von Kindern reicht
von ausgelasser Freude über leichtes Herzklopfen bis zu panischer Angst. Wie waren Ihre Chlaus-Erfahrungen in den ersten Lebensjahren?
(rz) In der Entwicklung
von Kindern gibt es
eine Phase, da hat unterschiedliches Wissen
nebeneinander Platz,
obwohl es sich eigentlich widerspricht. Viele
Kinder behaupten: «Ich
habe keine Angst vor dem
Samichlaus, der ist gar nicht
richtig.» Wenn er aber an die Türe
klopft, ist alles ganz anders in der Kinder-Gefühlswelt. Denn bei uns spielt der
Samichlaus traditionell sowohl die Rolle
des wohlwollenden, verständnisvollen,
väterlichen Mannes mit dem Jutesack voller
Geschenke als auch die Rolle des mahnenden, strafenden mit der Fitze oder Rute.
Schweizer Samichlaus
© ALLE FOTOS: REGULA ZELLWEGER
In der Schweiz schafft man es heute noch,
einen katholischen, kardinalsähnlichen und
einen reformierten, einfacheren aus dem
Walde kommenden Nikolaus zu haben.
Beide gehen aber auf Nikolaus von Myra
zurück. Er ist einer der bekanntesten Heiligen
der Ost- und der lateinischen Kirchen. Sein
Gedenktag, der 6. Dezember, wird im gesamten Christentum mit zahlreichen Volksbräuchen begangen.
St. Nikolaus wirkte in der ersten Hälfte des
4. Jahrhunderts als Bischof von Myra in der
kleinasiatischen Region Lykien, die heute zur
Türkei gehört.
Als furchteinflössende Gehilfen bekam der
heilige Nikolaus in verschiedenen Ländern
Begleiter zur Seite gestellt. Diese gehen
vermutlich auf vorchristliche Naturgottheiten zurück und stellen «das gezähmte» und
auch «das projizierte Böse schlechthin» dar. In
den verschiedenen Ländern hat der Nikolaus
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verschiedene, landestypische Begleiter.
In Tschechien kommt der Nikolaus beispielsweise mit einem Engel und einem Teufel.
Oft gibt es eine Rollenteilung, der Schmutzli
beispielsweise agiert als Knecht.
Ausbildung zum Samichlaus
Samichlaus oder Schmutzli sind keine Berufe
– trotzdem kann man eine Ausbildung absolvieren. Die St. Nikolausgesellschaft der Stadt
Zürich informiert auf ihrer Webseite: «Die
St. Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich führt
jedes Jahr einen Einstimmungs- und Ausbildungstag durch. Der Besuch ist für Chlaus
und Schmutzli obligatorisch.
Zur Weiterbildung gehören Vorträge von
Kinderpsychologen genauso wie Diskussionen mit Eltern, Kindergärtnerinnen und Spielgruppenleiterinnen. Daneben werden an den
Ausbildungstagen auch regelmässig Videos
verschiedener Chlausfeiern angeschaut und
im Plenum diskutiert.
Jeder Chlaus muss zuerst mindestens zwei
Jahre lang mit verschiedenen Chläusen als
Schmutzli unterwegs gewesen sein, bis er ins
rote Gewand steigen darf. Neue Schmutzlis
nehmen in der Regel zuerst während zwei,
drei Feiern als zweite Schmutzlis teil. Dabei
sagen sie wenig bis nichts, weshalb sie auch
als «Nickerschmutzlis» bezeichnet werden.»
im lappländischen Korvatunturi, der schwedische in Dalarna, der dänische in Grönland und der schweizerische im Schwarzwald oder in den Wäldern der Region. In
manchen Kinderbüchern lebt der Weihnachtsmann am Südpol. Unser Nikolaus ist
am 6. Dezember mit seinem Esel zu Fuss
unterwegs, begleitet vom Schmutzli. Der
holländische Sinterklaas kommt mit einem
Dampfschiff aus Spanien, begleitet vom
«Zwarten Piet». Der amerikanische Weihnachtsmann fährt seine Geschenke mit
einem Schlitten aus, der von Rentieren gezogen wird.
Briefe an den Weihnachtsmann
Wenn sich die Erwachsenen nicht einig
sind, wo der Weihnachtsmann wohnt, ist
es schwierig, seine Postadresse zu finden.
Denn viele Kinder schicken in der Adventszeit Briefe mit Wünschen an den Weihnachts-
mann. Diese Briefe werden in vielen Ländern
in eigens eingerichteten Weihnachtspostämtern gesammelt und zumeist auch beantwortet. Die Kinder freuen sich, wenn sie einen
Brief des Weihnachtsmannes mit dem einzigartigen Poststempel erhalten.
Briefe an den Weihnachtsmann gelangen in der Schweiz nach Chiasso. Mit der
Adresse nimmt es die Post nicht so genau,
«Samichlaus im Wald» funktioniert als Adresse
genauso wie «Weihnachtsmann am Nordpol». Sogar eine aufgemalte Briefmarke wird
toleriert. Wenn der Brief mit einer Rücksendeadresse versehen ist und in einen Briefkasten der Post eingeworfen wurde, ist dem
Kind eine Antwort sicher. Denn der Schweizer Weihnachtsmann bei der Post beherrscht
alle vier Landessprachen und antwortet
sogar auf Englisch.
Bilder aus der Privatsammlung von
Cornelia Reichenbach,
www.baumschulen-reichenbach.ch
Weihnachtsmann
Die Tradition des Weihnachtsmannes verbreitete sich von
Europa nach den USA. Dargestellt wird er als rundlicher, freundlicher alter Mann
mit roten Wangen und einem
langen weissem Bart. Dass es
solche Weihnachtsmänner bereits im 19. Jahrhundert gab, beweisen zeitgenössische Postkarten.
Sie trugen häufig weisse, aber auch
blaue und grüne Mäntel. Erst die Coca-Cola
Werbung ab 1931 prägte den heutigen Santa
Claus in den Farben Rot und Weiss. Er wohnt
mit seinen Rentieren am Nordpol. Bekannt
ist sein Rentier mit der roten Nase: Rudolf.
In der Welt der Samichläuse hat die Emanzipation noch kaum Einzug gehalten. Es gibt
aber bereits Bilderbücher und Geschichten
mit einer Weihnachtsfrau als Protagonistin.
Wo der Weihnachtsmann wohnt
Auch der europäische Weihnachtsmann
wohnt meist im hohen Norden. Der finnische
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