Weichhart_Grundkonzepte und Paradigmen der

Lehrveranstaltung:
Semester:
LV-Leiter:
VU Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
SS08
Weichhart
Typ:
Modulzusammenfassung
Verfasser:
Gilbert Kotzbek, a0700764
Anmerkung:
Der folgende Text dient lediglich als Ergänzung der LV-Unterlagen und zusätzliche Hilfestellung bei
der Prüfungsvorbereitung. Eine Garantie auf inhaltliche Korrektheit kann nicht gegeben werden. Außerdem handelt es sich um eine Rohfassung, welche nie ernsthaft korrigiert wurde. Aus diesem Grund
kann auch keine Garantie auf korrekte Rechtschreibung und Grammatik gegeben werden.
Des Weiteren setzt sich der Text aus eigenem und fremdem Gedankengut zusammen. Da es sich
jedoch nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, welche veröffentlicht wird, handelt, wurden so gut wie
alle Regeln des korrekten wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere die Zitierregeln, missachtet.
Missbrauch kann und wird auch nicht geduldet!
Universität Wien
Institut für Geographie und Regionalforschung
Gilbert Kotzbek
VU Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie - Modulzusammenfassung:
Modul 0101
Kennzeichen der Betrachtungsperspektiven der Geographie:
-
Beschäftigung mit den Systemzusammenhängen zwischen den Geofaktoren
Thematisierung der Lagebeziehungen zwischen den Phänomenen der Erdoberfläche
Lebensweltliche Orientierung
Maßstabsfrage
Die Hauptphasen der Objektbetrachtung der Humangeographie:
1. Geodeterministische Phase
Ist gleich die Frühphase der Humangeographie.
Die Erscheinungen der Kultur sind durch Naturgegebenheiten bestimmt.
2. Physiognomisch-morphologische Phase mit einer genetisch-historischen Perspektive
Beschreibung und Klassifizierung der äußeren Gestalt, ihre Herkunft und Entstehungsgeschichte
o Äußere Gestalt - Morphologie
o Äußeren Erscheinung - Physiognomie
3. Funktionale Phase
Seit den 1920/30er Jahren – Funktionale Zusammenhänge (z.B.: Stadt-Umland Beziehungen).
Stoffwechsel und Physiologie der Landschaft
4. Raumwissenschaftliche Phase
Ab Ende der 1960er Jahre im deutschsprachigen Raum als quantitativ orientierte Untersuchung.
Die Suche nach Raumgesetzen.
5. Verhaltenswissenschaftliche Phase
Die Welt in unseren Köpfen, Wahrnehmung und Bewertung. Entsteht fast zeitgleich
mit der Psychologie. Wahrnehmungsprozesse als Produktion materieller Strukturen.
6. Handlungstheoretische Phase
Ist derzeit aktuell: Kulturlandschaften sind die Produkte beabsichtigter oder nicht beabsichtigter Folgen menschlichen Handelns.
Bei den Phasen fällt die Nicht-Linearität auf. Die älteren Phasen verschwinden nicht. Jede
Phase hat ihren eigenen Zugang geschaffen.
Die drei Dimensionen der Wissenschaft:
-
Die Wissenschaft als System von Aussagen:
o Wahrheitsanspruch
o Aufstellen von Erklären
o Suche nach Gesetzlichkeiten (Theorien)
-
Die Wissenschaft als Tätigkeit
o Streben nach inhaltlicher Wahrheit und formaler Korrektheit
o Beweis- und Begründungspflicht
o Methodische Nachvollziehbarkeit
B1.2. Grundlagen und Konzepte der Humangeographie
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-
Die Wissenschaft als soziales System
o Organisatorisch-institutionellen Rahmen
o Spielregeln und Normen
o Soziale Eigendynamik
Modul 0201
Raum: Eine vorläufige Begriffsbestimmung
- Ein Raum kann ein kleinerer oder größerer Ausschnitt der Erdoberfläche sein, mit vagen Grenzen und unspezifischen Adressangaben
- Die allgemeinste Art ist jedoch, dass ein Raum jede Art einer Ordnungsrelation sein
kann.
- Ein Raum kann aber auch ein Place sein, ein subjektiv erlebter Raum, welcher für
bestimmte Menschen, einen bestimmten Wert besitzt (z.B.: Heimat oder Wahlfahrtsort).
Mit Hilfe einer Karte kann man Ordnungsrelationen darstellen, wobei man hier abstrakte
Ordnungsrelationen hat. Die Stelle gibt die absolute Lage an. Eine relative Lage ist zum Beispiel die Beziehung zu einer anderen Lage.
Problemstellung: Strandleben
- Lokalisierung der Phänomene, Verteilungsmuster
- Unterschiede zwischen den Verteilungsmustern?
- Zusammenhänge zwischen den Verteilungsmustern und der Umwelt?
- Räumliche Ordnung und Regionalisierung
Eine erste Regionalisierungsmöglichkeit bildet die physiogeographische Regionalisierung (im
Fall vom Strandbeispiel mittels einer zonalen Anordnung). Die einzelnen Zonen sind klar von
einander unterscheidbar. Die Grenzen sind jedoch nur Momentaufnahmen und sind breit
gesäumt.
-
Lokalisierung der Phänomene , Verteilungsmuster:
o Positionierung der Phänomene in einem Koordinatensystem, wobei man absolute Stellen und Distanzen zu anderen Stellen erkennen kann.
o Systematische Anordnung mit Zahlen. Dabei wird ein Rasterfeld über das Untersuchungsgebiet gelegt und die Phänomene innerhalb einer Rasterzelle
werden aufsummiert.
o Weiters kann man die Verteilungsmuster darstellen mittels:
 Eines 3d Modells
 Einer Isoplethenkarte, welche mittels Interpolation erzeugt wird
 Einer Werteklassendarstellung, welche eine Verdichtung der Information darstellt.
Das Aufstellen von Erklärungen ist das Ziel jeder Wissenschaft.
Erklären bedeutet, eine kausale Begründung für ein Phänomen zu finden. Dafür benötigt
man jedoch Theorien.
Theorien sind verallgemeinernde Behauptungen, welche einen Kausalzusammenhang oder
Verursachungszusammenhang zwischen Phänomenen der Realität postulieren.
Eine Theorie gilt jedoch nur so lange, bis sie widerrufen wird und ist in jedem Fall zu falsifizieren, da sie Allaussagen enthalten.
Es gibt zwei Formen der Verallgemeinerung:
-
Starke Form (Deterministische Form)
o Zwingend, immer und überall geltend
B1.2. Grundlagen und Konzepte der Humangeographie
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-
Schwache Form (Probabilistische Form)
o Meistens, mit hoher Wahrscheinlichkeit
Erklärungen in der Geographie:
Für die Geographie ist besonders charakteristisch, dass sie meist solche Eigenschaften von
Phänomen der Realität erklären will, die durch ihre räumliche Lage, ihrer absoluten Position
in einem Koordinatensystem oder als Relation zu anderen Phänomenen bestimmt sind.
Phänomen des Personal Space:
Der Personal Space ist die Hülle, die Aura eines Menschen, wobei es vier verschiedene Arten dieser Aura gibt.
- Intime Zone
Verwandte … <0,5m
- Personale Zone
Gute Freunde … 0,5-1m
- Soziale Zone
Bekannte … ~1,2m
- Öffentliche Zone
Fremde … wenn räumlich möglich: >1m
Dabei gibt es jedoch individuelle Unterschiede.
Modul 0202
Zeitlicher Maßstab des Strandbeispiels:
- Zeitlicher Maßstab: 100 Jahre
o Räumliche Veränderungen
- Zeitlicher Maßstab: 1 Jahr
o Bei Vergleich mit mehreren Jahren, bleibt die Struktur erhalten, wachsende
Amplitude
- Zeitlicher Maßstab: Woche
o Zyklischen Verlauf
- Zeitlicher Maßstab: Minuten
o Gleichgewichtslinie
o Geringfügige Änderungen, stabil
Schlussfolgerung:
Ein Phänomen, welche bei einer empirischen Datenerhebung erfasst wird, ist eine Funktion
des zeitlichen Maßstabs.
Dabei hat man ebenfalls Veränderungen des räumlichen Maßstabs, wodurch sie eine raumzeitliche Struktur ergibt.
Die Tyrannei von Raum und Zeit:
Raum und Zeit sind die Gitterstäbe des Käfigs, in dem wir uns befinden. Dieser Käfig stellt
unsere Existenz dar. Der Mensch ist gefangen und unterliegt vier Zwängen.
- Biologischen Zwängen
- Zwängen von Verfügbarkeitseinschränkungen
- Zwängen von Zeiteinschränkungen
- Zwängen von privaten und hoheitlichen Einschränkungen
Die dritte Hauptfragestellung der Geographie:
„Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Menschen und seinen Aktivitäten und
den physisch-materiellen Gegebenheiten der Realität?“
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Die klassische Formulierung:
„Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Menschen und seinen Werken (Kultur)
und der Natur?“
Problem: Wie lassen sich Kultur und Natur von einander unterscheiden? Dieses Problem
führte zu Fehlinterpretationen und tritt auf Grund der Dichotomie des Weltverständnisses auf.
Eine modernere Variante der Formulierung:
„Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt?“
Problem: Die Umwelt umfasst jeweils alle Lebensbedingungen der betreffenden Art, womit
eine Reduzierung auf die natürlichen Umweltaspekte unzulässig ist.
Die zwei Seiten der Beziehung:
„Wie beeinflussen die physisch-materiellen Gegebenheiten der Realität den Menschen?“
und
„Welchen Einfluss und mit welchen Ergebnis beeinflusst der Mensch die physischmateriellen Gegebenheiten der Umwelt?“
Die Analyse der räumlichen Kovariation:
Darunter versteht man die vergleichende Gegenüberstellung von zwei oder mehreren Verteilungsmuster, mit unterschiedlichen Phänomenen desselben Untersuchungsgebietes.
Eine ausgeprägte Kovariation ist ein Indiz für einen kausalen Zusammenhang zwischen den
betreffenden Phänomenen.
Ein Indiz, jedoch kein Beweis für einen kausalen Zusammenhang.
Räumliche Kovariation kann durch verschiedenste Weise auftreten:
- Zufall
- Gemeinsame Abhängigkeit einer dritter Variablen
- Variablen messen das gleiche Phänomen
Modul 0203
Unter einem System versteht man die Summe von Elementen, welche miteinander durch
eine Summe von Relationen funktional miteinander verknüpft sind.
Der Begriff System ist ein ontologisch neutraler Begriff, das bedeutet, man kann es sehen
wie man es will.
Bei einer neueren Systemtheorie handelt sich um ein System, wenn es sich selber von anderen Systemen abgrenzen kann.
Das Mensch-Umwelt System besteht aus zwei lokalen Systemen, dem lokale Sozialsystem
(Mensch-Mensch Beziehungen) und dem lokalen Umweltsystem (Beziehungen zwischen
materiellen Elementen eines Gebietes).
Durch die Nutzung werden die beiden lokalen Systeme zum Übersystem, dem MenschUmwelt System miteinander verknüpft.
Dabei kann es auch zu positiven und auch negativen Rückkopplungsschleifen kommen, wodurch Dichtestress entstehen kann, wobei sich die Nutzung in Folge einpendelt.
Die Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Sinn/Werte und Materie ist ein besonderes
Charakteristikum der Geographie.
Maßstabsbereiche:
Mikroebene: Unterste Auflösungsebene – Mikrogeographie
- Erfassbare Phänomene: Soziale Interaktionen, Dynamik von Kleingruppen, Nutzung
von Einzelparzellen, Mikromorphologie…
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Regionale Maßstabsebene:
- Überwiegender Arbeitsbereich der Geographie; Darüber befindet sich nur der globale
Maßstab
- Erfassbare Phänomene: Nodalregionen, Pendlereinzugsgebiete, Wirtschaftsverflechtungen…
Der räumliche Betrachtungsmaßstab definiert die Phänomene und Prozesse der Realität,
welche in den Brennpunkt unseres Forschungsinteresses geraten.
Modul 0301
Methodologie:
Unter Methodologie versteht man die systematische Reflexion zum Theoriensystem, zur
Aufgabenstellung, zur Methodenlehre und zur inneren organisatorischen Struktur des Faches.
Die Grunddisziplinen für die Methodologie sind Wissenschafts- und Erkenntnistheorien.
In der klassischen Geographie der Landschafts- und Länderkunde ist die Methodologie normativ orientiert.
Die zwei Hauptprobleme der Methodologie sind:
- Mehtodology of Geography … technischer Aspekt
o Wie werden Theorien entwickelt? Wie sollen Begriffe gebildet werden? Welche Genauigkeitsansprüche bei welchen Verfahren?
- Philosophy of Geographie … tiefer gehend
o Objektkonzeption und Zielsetzung, Wahl der erkenntnistheoretischen Orientierung
In der deutschsprachigen Geographie werden beide Begriffe unter dem Begriff Methodologie
zusammengefasst.
Die klassische Geographie der Landschafts- und Länderkunde hatte ihren Höhepunkt in
der deutschsprachigen Geographie 1940 bis Ende der 1960er Jahre.
In der englischsprachigen Geographie kam sie um 1850 auf und hatte ihren Höhepunkt um
1950 herum, wo bereits alle theoretischen Konzepte voll ausgearbeitet waren.
Die Grundstruktur des logischen Systems der Geographie basiert auf der Dichotomie,
auf die Dichotomie der ontologischen Begründung (Natur – Geist/Kultur) und auf die Dichotomie der methodologischen Begründung (nomothetisch – ideographisch).
Auf der untersten Ebene befindet sich die Allgemeine Geographie (Geofaktoren), welche auf
jeder Seite der ontologischen Begründung eine eigene Art besitzt. Auf der „Natur“-Seite befindet sich die Physiogeographische Allgemeine Geographie und auf der „Geist/Kultur“-Seite
befindet sich die Anthropogeographische Allgemeine Geographie.
Diese Disziplinen bilden die Landschaftskunde, welche noch nomothetisch ist. Das Ziel ist
der Landschaftskunde ist es die Dichotomie zu überwinden. Auf der ideographischen Seite
folgt die Länderkunde, als Weiterentwicklung der Landschaftskunde.
Die Integrationsstufenlehre:
Die Integrationsstufenlehre beinhaltet verschiedene Komplexebenen. Auf der untersten Ebene befinden sich die Elementarkomplexe, welche mittels der Geofaktoren zu Landschaften
integriert werden. Die Landschaften sind bereits hochrangige Komplexe.
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Durch erneute Integration werden aus den Landschaften, Länder, welche höchstrangige
Komplexe darstellen.
Landschaften personifizieren eine Verknüpfung aller Geofaktoren, sie sind Integrationsprodukte von Geofaktoren.
Das Landschaftskonzept hat die Funktion die Dichotomie von Natur und Kultur zu überwinden.
Länder sind nicht gleich Staaten, Länder sind einmalige Raumindividuen, welche nur ideographisch erfasst werden können. Sie sind ganzheitliche Raumindividuen, welche die Darstellung des Besonderen in der Erscheinung, im Wirkungsgefüge, im geschichtlichen Werden als Aufgabe haben.
Die Länderkunde beschreibt die Länder als Individuen und ist nicht an Größenordnungen
gebunden.
Die Länderkunde gilt in der klassischen Geographie als krönender Abschluss.
Landschaften und Länder als komplementäre Phänomene:
Der Gegenstand der Länderkunde wird inhaltlich durch das Landschaftskonzept definiert und
eingeengt.
Landschaften sind das Integrationsprodukt natürlicher und kultureller Geofaktoren und begründen somit die Sinnhaftigkeit einer einheitsgeographischen Länderkunde.
Die Landschaften sind der Ausgangspunkt für die Einheitsgeographie.
Das logische System wurde weiter integriert. Im kulturellen Teil der Allgemeinen Geographie kam die Sozialgeographie als Teildisziplin und im natürlichen Teil kam die Landschaftsökologie als Teildisziplin hinzu.
Was sind jedoch Landschaften? Das ist die ungelöste Grundfrage der Geographie!
Mutmaßungen über Landschaften:
- Landschaften sind konkrete Gegenstände der Realität
- Landschaften sind ganzheitliche Raumorganismen
- Landschaften sind Gegenstände der visuellen Erfahrung
- Landschaften sind die Systemzusammenhänge zwischen den Geofaktoren
Die Emergenz der Landschaft. Die Landschaften sind mehr als ihr Bestandteile.
Das Physiognomische Prinzip beschreibt die Geographische Substanz:
Unter geographischer Substanz versteht den gesamten physiognomisch erfassbaren geographischen Stoffbereich der Erdoberfläche.
Das länderkundliche Schema:
Die Abfolge des Stoffes ist so aufbereitet, dass der Inhalt eines Kapitels sich jeweils kausal
auf den Inhalt des vorherigen Kapitels bezieht.
Das länderkundliche Schema hat eine geodeterministische oder possibilistische Weltdeutung.
Das Hettner Sandwich:
Das Hettner Sandwich wurde in den 1930er entwickelt und zeigt, wenn man es von oben
betrachtet die Wechselwirkungen zwischen den Geofaktoren. Betrachtet man es jedoch von
der Seite, so erkennt man die einzelnen Geofaktoren.
Landschaften sind kognitive Konstrukte und nicht Teile der Realität.
Das Schichtmodell von Hettner zeigt die allgemeine Perspektive der klassischen Geographie.
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Warum spricht man vom logischen System?
Aufgrund der Grundlagen, wegen des Objektverständnisses der klassischen Geographie,
welches besagt, dass eine Wissenschaft durch ihren Forschungsgegenstand bestimmt wird
und aufgrund der Organisationsstruktur, welches als Spiegelbild der geosphärischen Realität
interpretiert wird. Dahinter versteckt sich die Integrationsstufenlehre.
Eine Wissenschaft kann mittels drei generellen Kriterien von anderen Wissenschaften
unterschieden werden.
1. Durch den spezifischen Forschungsgegenstand, eine spezifische Domäne
2. Durch Methoden, um diese Domäne zu erfassen
3. Durch ihre Geschichte, welche die historische Entwicklung von Methoden und Begriffen verfolgt, womit gewährleistet ist, dass sich eine Wissenschaft weiter entwickeln
kann.
Die Methoden und die Geschichte sind Veränderungen ausgesetzt, nur die Domäne bleibt
konstant und bildet somit den Kern einer Wissenschaft.
Die Konsequenz daraus lautet, wie die geographische Wissenschaft gemäß ihrem Forschungsgegenstandes aufzubauen ist.
Die Organisationsstruktur des Faches Geographie ergibt sich logisch aus der Struktur der
Realität. Dies ist jedoch eine Immunisierung gegenüber jeder Kritik.
Die zwei Dimensionen des Objektbegriffs:
- Erfahrungsobjekt (Realobjekt)
Ist ein Gegenstandsbereich oder Ausschnitt der Realität, mit dem sich eine Wissenschaft befasst.
- Erkenntnisobjekt (Formalobjekt)
Ist ein interessierender Aspekt des Gegenstandes, die spezifische Fragestellung der
Disziplin.
Diese Unterscheidung fand in der klassischen Geographie jedoch nicht statt und so kam es
zu vielen Unstimmigkeiten.
Die Folgen des substanz-zentrierten Objektbegriffs:
Beziehungen, Wechselwirkungen und Interrelationen konnten somit nicht in die Objektdefinition der klassischen Geographie einfließen.
Beziehungen, Wechselwirkungen und Interrelationen sind keine Objekte, sondern vielmehr
Attribute.
Bei der Landschaft kam es somit zu einer Substanzionierung. Die Umdeutung von Relationen zu Substanzen.
Das Objekt der Geographie ist die Geosphäre mit all ihren Sphären. Die geographische Wissenschaft sucht demnach nach dem Wesen der Gesamtheit des Durchdringungsraumes der
genannten Sphären. Es gibt jedoch keine Definition für den Begriff „Wesen“.
Daher wird vielmehr die Gesamtwirklichkeit als solche zum Forschungsgegenstand gemacht,
was jedoch ein Totalitäts- und Allanspruch ist. Aus Programmen werden Entitäten.
Modul 0302
Die Vorboten der Revolution:
- Hinweise auf eine Krise der Einheitsgeographie (siehe Publikation von A. Rühl
1933(!))
- Kritik am Landschaftskonzept
- Krise in der Länderkunde
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Der Kieler Geographentag ist ein Symbol für eine wissenschaftliche Revolution. Es kam zu
einer fundamentalen öffentlichen Kritik an der Gesamtkonzeption der klassischen Einheitsgeographie.
Die Agitatoren waren junge Dozenten mit soliden Kenntnissen der neueren Wissenschaftstheorie und junge Studenten.
Wohlbegründete Vorschläge für eine Neukonzeption des Faches kamen auf, wodurch Kiel
zum Symbol eines Umbruches wurde.
Sämtliche Konzepte der klassischen Geographie wurden verworfen.
Die Logik des Landschaftsbegriffs:
Die Kulturlandschaft wird als Oberbegriff gesehen und beinhaltet die Naturlandschaft und die
Kulturlandschaft. Dies ist jedoch logisch nicht korrekt, da Kulturlandschaft einmal als Unterund einmal als Oberbegriff im selben Satz genannt wird.
Durch Integration der physischen Geofaktoren entsteht die Naturlandschaft und durch die
Integration der kulturellen Geofaktoren entsteht die Kulturlandschaft. Die Natur- als auch die
Kulturlandschaft ergeben zusammen bei einer weiteren Integration die Kulturlandschaft. Das
ist das Unlogische im logischen System der Kulturlandschaft, da es logisch nicht korrekt ist,
woran auch die klassische Geographie scheiterte.
Genau diese Schwächen wurden von den Revolutionären am Kieler Geographentag aufgenommen und für ihre Argumentationen verwendet.
Die Landschaft in der Alltagssprache hat drei verschiedene Bedeutungen:
- Gegend, Ansicht, Panorama
- Bezirk, Areal, Gebiet
- Künstlerisches Abbild der Landschaft
Die Geographie kennt hingegen zwei Bedeutungen von Landschaft:
- Systemzusammenhänge zwischen Geofaktoren in einem bestimmten Bereich der
Geosphäre
- Verbreitungsgebiet, in dem ein Phänomen die Dominanz besitzt.
Funktionen sprachlicher Ausdrücke:
- Lexikalischer Aspekt (Semantik)
o Konnotation, Denotation
- Syntaktischer Aspekt
o Verknüpfungsregeln
- Pragmatischer Aspekt
o Soziale Bedeutsamkeit des Sprachaktes
Hypostasierung oder Reifikation
Darunter versteht man wortwörtlich die Vergegenständlichung, die Verdinglichung eines bloß
in Gedanken existierenden Begriffs, die Substanzialisierung von Beziehungen.
Beziehungen, Interaktionen und Relationen werden in ontologischer Manier für gegenständliche Objekte gehalten.
Die Beziehung wird kognitiv umgewandelt zum Ding.
Im Alltag wird die Hypostasierung zur Komplexitätsreduzierung verwendet.
Relationen zwischen Phänomen der Erdoberfläche lassen sich mit der Objektsprache beschreiben. Die Objektsprache nimmt direkt Bezug auf die Realität.
Diese Phänomene werden als Abkürzung als „Landschaft“ bezeichnet, womit es zu einer
Reflexion der „Landschaft“ auf der Ebene der Metasprache kommt, wodurch die Idee der
Landschaft mit der Ontologisierung zum Ding wird.
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Konsequenzen und Grundlagen der Hypostasierung:
- Allanspruch der Landschaftsmethodologie
- Holismus und Organismus-Metaphern
- Affinität der klassischen Geographie zum Idealismus
Auf dem Weg zur Dekonstruktion der Realobjekte
Für eine Wissenschaft kommt es nicht darauf an, dass sie ihr eigenes Gegenstandsgebiet
hat, sondern vielmehr, dass sie ihr eigenes Forschungsziel hat, ihren besonderen Gesichtspunkt, unter dem sie Objekte betrachtet, auch wenn sie diese mit anderen Wissenschaften
gemein haben.
Als ein wesentliches Erkenntnisziel der Geographie kann man die örtlichen, regionalen und
kontinentalen Ausprägungen des Bedeutungs- und Wirkungszusammenhänge der Geofaktoren ansehen.
Eine Wissenschaft wird also nicht durch ihren Forschungsgegenstand gerechtfertigt, sondern
durch das Vorhandensein einer Klasse von logischen und arbeitsökonomischen mehr oder
weniger zusammengehöriger Fragestellungen und entsprechender Lösungsansätze.
Das Erkenntnisobjekt und nicht das Erfahrungsobjekt ist also der entscheidende Punkt.
Wie lassen sich Erkenntnisobjekte begründen?
Das anthropologische (pragmatische) Obligat der Erkenntnis:
Die Erkenntnis ist für den Menschen und er selbst ist ihr Schöpfer, auch der ihrer Methoden.
Dadurch ergibt sich eine pragmatische Abhängigkeit. Es gibt keine Begründung, da der
Mensch selbst der Schöpfer ist.
Die Erkenntnisobjekte der Wissenschaft sind pragmatische Entscheidungen und können daher nicht durch den Verweis auf Gegebenheiten der Realität begründet werden. Sie können
jedoch kritisiert werden.
Die wichtigsten Konstitutionsbedingungen für Erkenntnisobjekte:
- Subjektive Erkenntnisinteressen von Forschungspersönlichkeiten, der Forschungstrieb der Menschen
- Der Konsens der Fachgelehrten
- Allgemeine gesellschaftliche Interessenslagen, die soziale Konstitution, der gesellschaftliche Pluralismus der Postmoderne
Das Obligat der sprachlich-begrifflichen Repräsentation:
Erst wenn das Ergebnis des Erkenntnisprozesses in zusammenhängender begrifflichsprachlicher Form vorliegt, kann man es an Hand von operativen und operationalen Kriterien
überprüfen.
Das Prozessobligat der wissenschaftlichen Erkenntnis:
Wissenschaftliche Erkenntnis entsteht in einem fortlaufenden Prozess von Wahrnehmung,
begrifflicher Darstellung und theoretischer Deutung. Die Theorie wird an der Empirie erprobt,
was zu neuen Wahrnehmungen und Begriffen führt, was Anlass für neue theoretische Ansätze ist.
Das spieltheoretische Obligat der Erkenntnis:
Es gibt kein für alle Zeiten gültiges und absolut sicheres Wissen. Das Spiel um die Erkenntnis ist jeweils nur ein Optimales und das betrifft auch sämtliche Methode und Kriterien des
theoretischen Wissens.
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Die Kieler Wende:
Von den Landschaften und Ländern hin zu einer raumanalytischen Geographie des spatial
approach auf der Grundlage der Philosophy of science.
Das Ziel war die Modernisierung des Faches und der Umbau zu einer quantitativ ausgerichteten raumanalytischen Disziplin.
Die neopositivistische Wende trat im deutschsprachigen Raum erst Ende der 1960er Jahre
ein, im englischsprachigen Raum bereits in den 40ern und war in den 50er Jahren bereits
vollzogen.
Modul 0303
Ein neues Grundverständnis der Geographie:
Ausgangspunkt ist das Bemühen der objektiven Erfassung und Erklärung von realen Sachverhalten, was eine Herauslösung distinkter Beobachtungstatbestände fordert.
Das Erklären von realen Sachverhalten bedeutet deren gedankliche Verknüpfung mit vorhandenen Erfahrungen, welche bestimmte Gesetze, Vermutungen und Theorien als Voraussetzung beinhaltet.
Aus den Theorien erwachsen die Aspekte der Beobachtung. Dabei handelt es sich um ein
Wechselspiel von Theorie und Erfahrung. Das ist ein neuer moderner positivistischer Erklärungsbegriff.
Theorien und Modelle:
Eine wissenschaftliche Theorie kann als inhaltlich interpretierendes Modell verstanden werden. Ein Modell als rein formales und symbolisches Abbild des Verknüpfungssystems zwischen Sachverhalten, welche die Theorie erklären will. Ein Modell gibt nur die logische Struktur des Erklärungszusammenhangs wieder.
Grundfragen geographischer Modellbildung:
Beobachtungen geben Sachverhalte wieder, die wir als Dinge und Merkmale dieser Dinge
interpretieren. Diese Merkmale sind Attribute und Relationen. Wobei man unter Attributen die
räumliche und zeitliche Position und unter Relationen die räumlichen und zeitlichen Distanzen verstehen kann.
Das ist ein völlig neuer Ansatz. Der Raum als Attribut der Dinge. Diese Dinge können vereinzelt, in Gruppen oder in Komplexe auftreten.
Die choristische Deskription ist die Darstellung der Tatbestände hinsichtlich ihrer Lage auf
der Erdoberfläche als Punkte, Linien oder Flächen in einem Koordinatensystem und gilt erste
Aufgabenstellung der Geographie.
Das Koinzidenzenprinzip:
Die choristische Beschreibung erlaubt Aussagen über die räumliche Nähe und Ferne von
Sachverhalten, bzw. die Feststellung räumlicher Koinzidenz oder Distanz.
Räumliche Koinzidenz wird für die Geltung eines kausalen Zusammenhangs vorausgesetzt.
Das Koinzidenzenprinzip als heuristisches Prinzip, da es als Hypothesengenerator eingesetzt wird.
Analyse von Koinzidenzen:
Diese Analysen haben das Ziel der Feststellung statistischer Gesetzmäßigkeiten bei Koinzidenzbeziehungen.
Methoden:
- Bestimmung relativer Häufigkeiten
- Korrelationskoeffizienten
- Komplex-Indizes
- Inverse Assoziationskoeffizienten usw.
„Quantitative Analyse von Geodaten, statistisch-mathematische Beweisführung“
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Beschreibungsmodelle räumlicher Verteilungen:
Choristische Darstellungen von Einzeltatbeständen erlauben die gedankliche Ordnung der
Beobachtungen in Form von erdräumlichen Strukturmustern.
Unter Areale versteht man Gruppierungen von punktuellen Standorten mit gleichen oder
ähnlichen Sachverhalten. Ein Areal ist eine relativ geschlossene und homogene Verbreitungseinheit auf der Erdoberfläche.
Areale sind das Ergebnis von gedanklicher Zusammenfassung von Einzelstandorten zu größeren Raumeinheiten.
Regionalisierung ist eine spezielle Form der klassenlogischen Begriffsbildung.
Die Elemente von Beziehungsarealen sind in irgendeiner Weise mit einander verbunden.
Außerhalb der Grenzen bestehen keine oder nur geringe Beziehungen.
Räumliche Felder sind begriffliche Zusammenfassungen gleichmäßig abgewandelter Sachverhalte.
Bei einem Zentralfeld variieren die Sachverhalte distanzabhängig um einen Mittelpunkt.
Katena: Gesetzmäßige Variation der Erscheinungen entlang eines Raumprofils.
Die „nearest Neighbour“-Methode misst die Distanzen zwischen den Standorten und ermittelt
den Mittelwert.
Chorologische Theorienbildung:
Chorologische Theorien formulieren Annahmen über Regelmäßigkeiten, die zur Ausbildung
räumlicher Systeme in Form von übergeordneten Zusammenhängen zwischen entfernten
Standorten führen. Dies erfordert die Suche nach Raumgesetzlichkeiten, wobei die Distanz
die Schlüsselvariable ist.
Das Programm der Kieler Revolutionäre war:
- Der Umbau des Faches Geographie zu einer modernen quantitativ orientierten
Raumwissenschaft
- Die Suche nach Raumgesetzlichkeiten
- Choristische Analytik
- Neukonzeption von Raumbegriffen
Stellen, Distanzen, Richtungen und Netze:
Stellen sind Quasipunkte auf der Erdoberfläche. Sie besitzen nur Lageeigenschaften und
haben weder eine eigentliche Ausdehnung noch einen Inhalt. Stellen sind nur Adressen. Sie
sind vorgegeben durch ihre absolute Position oder durch ihre relative Lage als Beziehung zu
anderen Stellen.
Stellen sind maßstabsabhängig.
Zwei Stellen stehen in Relation zueinander. Distanz und Richtung ergeben die Entfernung,
welche graphisch mit einer Verbindungslinie dargestellt werden kann.
Bei Topologiedarstellungen kommen Kanten und Knoten hinzu, wodurch Netze entstehen.
Gebiete:
Gebiete sind beliebige Ausschnitte der Erdoberfläche. Wie auch Stellen besitzen sie keinen
Inhalt, das bedeutet, dass sie sachdimensional nicht spezifiziert sind. Es handelt sich dabei
um normative Regionen, im Spezialfall um Territorien, Rasterfelder oder sonstige beliebige
zweidimensionale Struktureinheiten.
Gebiete haben also nur Form-, Größe- und Lageeigenschaften.
Gebiete werden nicht von der Natur vorgegeben und sind somit beliebig.
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Die Verschränkung von Lage und Sachaussagen:
Stellen und Gebiete sind grundsätzlich inhaltsleer, doch befinden sich an Stellen oder Gebieten bestimmte Objekte, oder finden Ereignisse statt. Dies wird als die Ausstattung einer Stelle oder eines Gebietes bezeichnet.
Ein Standort ist eine Stelle mit Sachattributen. Der Standort bezeichnet nicht nur seine Position und nicht nur seine Ausstattung, sondern die Verknüpfung beider Aussagen. Ein Standort ist ein Ort, welche nicht an einer anderen beliebigen Stelle vorkommen könnte.
Ein Areal ist ein Gebiet, welches gekennzeichnet ist durch gleiche Sachattribute. Ein Areal
ist ein Verbreitungsgebiet und ein Synonym für homogene Regionen, wobei flächenhafte
Beschränkungen existieren.
Unter einem Feld versteht man ein Gebiet, in dem eine Sacheigenschaft eine regelhafte variante Merkmalsausprägung hat, die von der Distanz zu einer bestimmten Stelle abhängig ist.
z.B.: Zentral-peripher: Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto geringer werden die
Gemeinsamkeiten.
Dies kann jedoch auch genau umgekehrt der Fall sein.
Die Bedeutungsvarianten des Begriffs Region
Ähnlichkeitsprinzip: (Raumwissenschaftlicher Ansatz)
- Homogene Regionen, Formalregion, Strukturregion
- Gebiete, die in Bezug auf ein bestimmtes Attribut Ähnlichkeiten aufweisen, werden in
einer Region zusammengefasst - Regionalisierung
Funktionale Verflechtungen: (Raumwissenschaftlicher Ansatz)
- Funktionalregion, Nodalregion, Verflechtungsbereich
- Interaktionen zwischen den räumlichen Teilelementen eines Untersuchungsgebietes
(Pendlerbeziehungen, zentralörtliche Beziehungen…)
Gültigkeitsbereich von Normen: (Raumwissenschaftlicher Ansatz)
- Programmregion, Planungsregion, Normative Regionen
- Räumliche Gestaltungseinheiten, Gültigkeitsbereich von Normen, politisch administrative Aktivitätsregionen
- Meist handelt es sich um pragmatische und politische Entscheidungen zur Regionalisierung, Territorien sind solche Regionen (Gemeinden, Bezirke, Bundeländer, Länder, Staaten aber auch Staatenverbünde wie die EU oder ASEAN)
Lebensweltliche Regionen: (Sozialwissenschaftlicher Ansatz)
- Wahrnehmungsregion, Identitätsregion
- Alltagsweltliche kognitive Struktur, Projektionsfläche von Ich-Identität
Gegenüberstellung:
-
-
Klassische Geographie
o Landschaften und Länder
o Organismische Raumeinheiten
o Gestaltqualität der Realität
o
Raumwissenschaftliche Geographie
o Stellen, Gebiete, Standorte, Areale, Felder und Regionen
o Taxonomische Raumeinheiten
o Methodische Konstrukte
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Modul 0401
Die Wissenschaft muss als soziales System betrachtet werden.
Das Paradigma ist ein neuer wissenschaftstheoretischer Ansatz. Das Wort Paradigma kennt
zwei Bedeutungen.
In einem allgemeinen Sinn bedeutet Paradigma soviel wie Beispiel oder Musterbeispiel.
Die zweite Bedeutung des Wortes Paradigma ist ein spezifischer Fachausdruck aus der
Kuhn’schen Theorie.
Unter einem Paradigma versteht man eine forschungsleitende Perspektive oder Sichtweise,
welche für eine bestimmte Zeit und für eine bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern konsensbildend ist. Das Paradigma ist somit das für eine bestimmte Zeit gültige Weltbild für eine
bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern.
Der Begriff Paradigma ist ein holistischer Begriff, beinhaltet somit sämtliche Begriffe, Methoden, Ansätze, Verfahren usw.
Der Entwicklungsprozess eines Paradigmas:
Zunächst befindet man sich in der Protowissenschaftlichen oder vorparadigmatischen
Phase, in welcher das wissenschaftliche Tun dem Zufall überlassen ist. Man steht am Anfang und begibt sich auf die Such nach Fakten. Es liegen noch keine Selektionskriterien der
Datenerhebung in Form von Hypothesen oder Theorien vor.
Im Laufe der Zeit entwickeln sich verschiedene Schulen, welche unterschiedliche Meinungen
haben, wobei sich jedoch eine Schule behaupten kann. In weiterer Folge kommt es zu einer
Konsultarphase, wodurch es auch zu einer Reduzierung der Schulen kommt.
In der Normalwissenschaftlichen Phase liegen bereits allgemein anerkannte und als adäquat geltende Konzepte und Beschreibungskategorien zur Darstellung und Erklärung der
Realität fest. Man verfügt über bewährte Strategien zur Lösung fachlicher Probleme.
Die Funktionen eines Paradigmas:
Es kommt zu einer Ausbildung von dogmatischen Überzeugungen, die gegen alle Einwände
gesichert erscheinen. Gleichzeitig werden die Basiskonzepte außer Streit gestellt, wodurch
man sich speziellen Fragestellungen widmen kann.
Das Paradigma wird zudem in einem Sozialisationsprozess erlernt, es kommt also zur Internalisierung des Weltbildes des Paradigma.
Es kann zwar zu Differenzen innerhalb eines Paradigmas kommen, jedoch wird das Grundkonzept nicht in Frage gestellt.
Die Minimalbestände eines Paradigmas sind:
- Symbolische Verallgemeinerungen (z.B.: die Geofaktoren der klassischen Geographie)
- Ontologische Modelle
- Heuristische Modelle
- Werte und normative Festlegungen
Symptome einer Grundlagenkrise des Paradigmas:
- Intensivierung von methodisch-konzeptionellen Diskussion
- Entwicklung eines Krisenbewusstseins
- Ausbrechen von offener Unzufriedenheit, meist bei jungen Studenten
Somit wird die Bühne für eine Revolution aufgebaut
Wenn es zu einer Revolution kommt, kommt es zu einem Paradigmenwandel, es tritt ein
neues Paradigma auf den Plan.
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Es verkündet eine neue Weltsicht, wobei auch neue Konzepte, Modelle, Theorien, Ansätze
hervorkommen. Es kommt zu neuen Problemstellungen und anderen Lösungsansätzen. Das
neue Paradigma hat dabei ein neues Set an Minimalbeständen, also neue symbolische Verallgemeinerungen, neue ontologische und heuristische Modelle und neue Werte und normative Festsetzung.
Das zentrale Problem der Neuerer ist jedoch, dass ihre Probleme als Scheinprobleme und
ihre Argumente als Scheinargumente vom Old Establishment hingestellt werden.
Die Begründung, warum das neue Paradigma vorteilhafter ist als das alte ist schwer zu beweisen. Dazu kommt noch, dass es den Revolutionären nicht leicht gemacht wird, da der
„Kampf“ um die Vorherrschaft einen Charakter eines Glaubenskrieges hat. Das Old Establishment setzt sich mit allen Mitteln zur Wehr und kann meistens auch zunächst das neue
Paradigma abwehren, da bestehende Machtpositionen ausgenutzt werden.
Nach einer Zeit löst sich das Problem von selbst, aufgrund der biologischen Lösung. Das Old
Establishment löst sich langsam auf und der Weg ist frei für das neue Paradigma. Revolutionen wie in Kiel sind kein Einzelfall, sie kommen nicht singulär, sondern standardisiert vor.
Die Wissenschaftsgeschichte ist gekennzeichnet von Traditionsbrüchen.
Ein Paradigmenwandel bewirkt eine Zerstörung des sozialen Bezugsrahmens.
Nach der Kuhn’schen Theorie kann es jeweils nur ein Paradigma in der Normalwissenschaftlichen Phase geben. Der Lebenslauf eines Paradigmas ist gekennzeichnet, dadurch,
dass im Laufe der Zeit Anomalien auftreten, also Störungen, es kommt zu den ersten Anzeichen einer Krise. Ein neues Paradigma tritt auf den Plan und löst das alte ab, so die
Kuhn’schne Theorie.
Die kognitiven Grundlagen und Vorannahmen werden ausgetauscht. Paradigmen sind inkommensurabel, das bedeutet, dass sie rational nicht vergleichbar sind. Ein Paradigmenwandel ist gekennzeichnet von einer Spaltung der Wissenschaft, einem revolutionären Umbruch.
Auch wenn in der englischsprachigen Geographie der quantitative Paradigmenwandel als
zunächst evolutionär, aufgrund des langwierigen Prozesses, erscheint, muss dieser Wandel
als revolutionär angesehen werden, da es zu grundlegenden Änderungen kam.
Die axiomatischen Grundlagen von Paradigmen:
Erkenntnisobjekte werden im Rahmen von Paradigmen postuliert und durch den Paradigmenwandel verändert.
Auch die Wissenschaftstheorie gründet auf axiomatische Vorannahmen, welche nicht beweisbar sind.
Paradigmen lassen sich nicht beweisen, das erscheint einleuchtend, da Paradigmen auch
nicht kommensurabel sind, also nicht rational miteinander vergleichbar sind.
Normative Konzeptionen:
Die Entscheidung zum Rationalismus ist eine normative Konzeption, da es keine Aussagen
geben darf, welche sich den logischen und rationalen Diskussionen und der kritischen Überprüfung im Sinne der Logik und der Erfahrung entziehen.
Die Auffassung des Rationalismus schließt dogmatische Begründungen prinzipiell aus. Ein
solch formulierter Rationalismus ist als keine ontologische Auffassung, sondern mehr ein
methodisches Prinzip.
Der Rationalismus ist eine Setzung und ein Axiom.
Weitere Setzungen bei empirischen Wissenschaften:
Entsprechend der spezifischen Zielsetzung einer Disziplin sind axiomatische Vorannahmen
zu treffen:
- Festsetzungen bezüglich der Relevanz von Beobachtungen
- Festsetzungen, welche die intersubjektive Überprüfbarkeit von Aussagen betreffen.
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Eine erfahrungswissenschaftliche Theorie muss grundsätzlich so formuliert werden, dass es
die prinzipielle Möglichkeit gibt, an der Erfahrung zu scheitern.
Die Normative Forderung: Eine Theorie darf nicht gegen eine empirische Prüfung immunisiert werden.
Man kann eine Wissenschaft nicht wissenschaftstheoretisch begründen.
Weil die grundlegenden Vorentscheidungen der Wissenschaftstheorie auf normative Setzungen basieren, kann es keine objektive und endgültige vergleichende Bewertung von Paradigmen geben, da diese normative Setzungen die Entscheidung zum Rationalismus beinhalten.
Modul 0402
Die Entwicklung in der Geographie des englischen Sprachraums:
Die quantitative Revolution setze hier wesentlich früher ein und war Anfang der 60er Jahre
weitgehend abgeschlossen. Anfang der 70er Jahre zeichnete sich bereits das nächste Paradigma ab. Als „Kiel“ also gerade mal ins Rollen kam, kam es zum nächsten Wandel im englischsprachigen Raum.
Der quantitativen Revolution folgte die soziale Revolution, mit neuen Problem- und Fragestellungen.
Das spatial approach war längst Mainstream, doch es zeichnete sich eine Krise ab. Es kam
Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit auf.
Wem nützt eine bestimmte räumliche Struktur?
Wer profitiert und wer wird ausgeschlossen?
Wem schadet sie?
In Folge dieser sozialen Revolution traten zwei Ansätze hervor:
Die radical geography, mit einem strukturalistischen, marxistischen Ansatz und die welfare
geography mit einem etwas gemäßigteren Ansatz.
Ein Paradigmenwandel kann auch zu einem persönlichen Bekehrungsprozess einer einzelnen Person führen, wie das Beispiel von Harvey zeigt.
Etwa zur gleichen Zeit entstand parallel ein drittes Paradigma als Gegenreaktion, nämlich
das Verhaltenswissenschaftliche Paradigma „What about the people in geography?“
Zentraler Kritikpunkt war die fehlende Bezugnahme des spatial approach auf das menschliche Individuum und seiner subjektiven Wahrnehmung und Wertung der räumlichen Umwelt.
Die zentrale These des verhaltenswissenschaftlichen Paradigmas:
Die Vorstellung der Realität beeinflusst das menschliche Handeln.
Das Verhalten des Menschen ist also nicht durch die bloße objektivierbare Struktur der Realität beeinflusst, sondern durch seine bloße Vorstellung der Realität.
Das Programm des verhaltenswissenschaftlichen Paradigmas:
- Wie wird die räumliche Umwelt des Menschen wahrgenommen?
- Wie sieht die kognitive Weiterverarbeitung dieser Sinneszuschreibung aus?
- In welcher Weise hängt das raumrelevante Tun des Menschen vom subjektiv wahrgenommenen und bewerteten Image der Realität ab?
Das verhaltenswissenschaftliche Paradigma hat zudem eine zusätzliche Begriffsbedeutungsmöglichkeit des Begriffs Region eingeführt, nämlich die Lebensweltlichen Regionen, als
Wahrnehmungsregion oder Identitätsregion. Die flächenhafte Projektion der Ich-Identität und
alltagsweltliche kognitive Strukturen.
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Zur Zeit der Kieler Revolution bestanden im englischen Sprachraum bereits vier Paradigmen nebeneinander
- Die klassische Schule nach Sauer
- Das spatial approach
- Die radical geography
- Und die behavioral geography
Dies führt jedoch zu einem Widerspruch der Kuhn’schen Theorie, welche besagt, dass jeweils nur ein Paradigma in der normalwissenschaftlichen Phase existieren kann. – Die Koexistenz von rivalisierenden Paradigmen.
Anfang der 70er Jahre kam ein weiteres Paradigma auf, die Humanistic Geography, mit
einer objektivierenden Perspektive und einem holistischen Weltbild.
Der Mensch wird als autonomer Handlungsträger angesehen. Die Rekonstruktion von Sinnund Bedeutungszusammenhängen und Place, als subjektiv wahrgenommener Raum.
Die Humanistic Geography hat erkenntnistheoretische Hintergrundpositionen
- Existenzialismus, Pragmatismus und Idealismus, sowie die Phänomenologie von
Husserl.
Dieses Paradigma richtet sich gegen die inhumanistische Attitüde.
Die Humanistic Geography hat einen qualitativen Ansatz.
Das Paradigma der feministischen Geographie hat als Hintergrundphilosophien Feminismustheorien und hat einen ganz eigenen Zugang zur Raumrelevanz entwickelt.
Kritisiert wird, dass die Ungleichheit zwischen Mann und Frau kaum angesprochen wird. Der
Feminismus verfolgt die Aufhebung der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen und will
Emanzipationen bewirken.
Völlig neue Begriffe werden eingeführt, wie Gender (soziales Geschlecht), Patriachat, Reproduktion, Androzentrismus, Gewalt…
Die neue regionale Geographie ist die Gegenposition zur klassischen Länderkunden und
trat in den 80er Jahren im englischsprachigen Raum auf.
Regionen werden als sozioökonomische Beziehungsmuster gedeutet, die in einem bestimmten physisch materiellen Kontext ablaufen.
Das handlungstheoretische Paradigma der Geographie ging Anfang der 80er Jahre vom
deutschsprachigen Raum aus und hat eine disziplinübergreifende Orientierung mit den Sozialwissenschaften und bildet die Gegenposition zum verhaltenswissenschaftlichen Paradigma. Die Kritik am verhaltenswissenschaftlichen Paradigma ist, dass der Mensch als Automat
dargestellt wird, der auf äußere Anstöße reagiert.
Wie aber schon Max Weber feststellte, ist Handeln als intentionales Tun, auf einen subjektiven Sinn bezogen.
Die Menschen sind autopoietische Systeme.
Die Gegenposition zum raumwissenschaftlichen Paradigma ist, das der Raum nicht als Ursache von etwas sein kann.
Die Erforschung des menschlichen Tuns hat die Sinnzusammenhänge der sozialen Welt zu
berücksichtigen. Die Geographie als Sozialwissenschaft.
Das humanökologische Paradigma besitzt eine ontologische Ausgangshypothese und
leugnet die Dichotomie zwischen Kultur und Natur. Natur und Kultur sind keine Gegensätze,
sondern Aspekte eines ganzheitlichen Zusammenhangs.
Das Erkenntnisobjekt ist der Mensch in der Umwelt.
Dieses humanökologische Paradigma kam in den 60er Jahren auf, ist jedoch ein Minderheitenprogramm.
Das nicht-dichotome Konzept von Subjekt und Gesellschaft.
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Die poststrukturalistischen Ansätze haben eine ontologische Ausgangshypothese: Die
Wirklichkeit ist das Produkt sozialer Konstruktionen.
Die Sicherheit des Wissens und der Vernunft werden radikal in Frage gestellt.
Zentrales Element ist die Sprache als Ort der Konstruktion gesellschaftlicher Realität.
Diese Ansätze beziehen sich stark auf Sprachwissenschaften und kamen in den 60er Jahren
auf und haben ihre Ursprünge in den fernöstlichen Philosophien.
Die gesellschaftliche Realität wird erst in Diskursen produziert.
Kulturalistische Ansätze: Diese hängen stark mit den poststrukturalistischen Ansätzen zusammen, behaupten aber ein eigenständiger Ansatz zu sein.
Die Kulturgeographie beschäftigt sich mit der Kultur, wobei unter Kultur alle Praktiken der
Sinnzuschreibung verstanden werden.
Paradigmenwandel:
Es existiert das Phänomen der Koexistenz rivalisierender Paradigmen. Die Geographie als
Multiparadigmenspiel.
Die Kuhn’sche Theorie trifft also nicht zu!
Modul 0402II
Siehe Unterlagen!!!
Modul 0403
Die deutschsprachige Geographie – eine verspätete Wissenschaft:
Die positivistische Wende der deutschsprachigen Geographie trat mit erheblicher Verspätung gegenüber der der englischsprachigen Geographie auf.
Die Sonderterminologie führte zum Exzeptionalismus und führte somit zur Abschottung der
Wissenschaft.
Die wissenschaftliche Isolierung trat in den 1930er Jahren ein und so kam es zur Abschottung des Faches. Die Verzögerung konnte somit nicht mehr aufgehalten werden und führt
zum heutigen Paradigmenpluralismus.
Zudem kam es zu einer zeitlichen Kompression. In der englischsprachigen Geographie kam
es in den 40er Jahren zu den ersten Kritiken und der Wandel war bereits in den 60er angeschlossen.
In der deutschsprachigen Geographie kamen die Kritiken und der Wandel jedoch auf einmal.
Anfang und Ende des Paradigmenzyklus fanden praktisch zeitgleich statt.
In den 80er Jahren wurden somit verschiedene Paradigmen (manchmal auch am selben
Institut) gelehrt.
Alte Klassiker und neue (ehemalige Revolutionäre) mit viel Einfluss standen sich gegenüber.
Daneben gab es noch so genannte Vermittler (Paradigmen sind jedoch inkommensurabel!).
Und weiters gab es noch einige Einzelkämpfer z.B. für die Radical Geography oder für das
feministische Paradigma.
Die Raumstrukturforschung entwickelte sich als neues Paradigma, mit einer analytischen
Vorgehensweise, es werden aber auch komplexe statistische und choristische Methoden
eingesetzt. Man vermeidet ausdrücklich die Landschaftsmetaphorik und wählt Ersatzbegriffe
wie Raum oder Region.
Hier lässt sich eine klare Tendenz zur Hypostasierung und einem pragmatischen Empirismus
erkennen.
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Paradigmenpluralismus:
Dieser Paradigmenpluralismus entspricht auch dem Pluralismus der Theorien.
Es besteht eine soziale Spannung zwischen dem Old Establishment und den Revolutionären. Es ergibt sich durch den Paradigmenpluralismus eine Mehrfrontensituation. Die älteren
Paradigmen verschwinden nicht und können sogar im Laufe der Zeit einen Aufschwung erleben. Die Kuhn’sche Theorie trifft also nicht zu.
Der Paradigmenpluralismus wird in der deutschsprachigen Geographie als unangenehm und
störend betrachtet. Andere Paradigmen werden als deviantes Verhalten gewertet, welches
sanktioniert werden muss. Es besteht eine eindeutige Tendenz zur Ignorierung des Thema
„Paradigmenpluralismus“.
In der englischsprachigen Geographie ist man dem Paradigmenpluralismus meist positiv
eingestellt, da sich andere Sichtweisen ergeben. Seit Anfang der 80er Jahre wird die Geographie als eine Disziplin mit einer ausdrücklichen multi-paradigmatischen Struktur beschrieben und sei als ein wesentliches Element der Fachdisziplin anzusehen.
Paradigmen können nämlich einen gemeinsamen Theoriekern haben.
Paradigmen können als Komplementoren angesehen werden. Dies ist ein eindeutiger Vorzug des Paradigmenpluralismus. Die Paradigmen sind keine Konkurrenten sondern Komplementoren, die einander ergänzen und zusammen einen Mehrwert erbringen.
Ziel ist es die Realität, in so fern es sie gibt, zu erforschen. Mit dem Paradigmenpluralismus
ist es möglich die Realität aus verschiedenen Sichtpunkten zu untersuchen.
Es gibt unterschiedliche Strategien zur Bewältigung des Paradigmenpluralismus:
-
Ignoranz (Menfoutisten)
Dies ist die schlimmste aller Varianten. Es kommt zur Abschottung und Isolierung
sowie zu einer Blockade. Neue Ideen und Ansätze werden verschlafen. Die quantitative Bedeutung dieser Gruppe darf man jedoch nicht unterschätzen. So können z.B.:
Publikationen für wissenschaftliche Zeitschriften abgelehnt werden usw.
-
Dogmatisches Beharren (Bischöfe)
Bei dieser Strategie kommt es zu einer aktiven Blockade! Sie ist aktiv kämpferisch
und hat die Bekämpfung und Unterdrückung als Ziel. So kommt es zu einer einseitiges Einladungs- und Berufungspolitik oder es werden Gutachten abgelehnt.
-
Ablehnung der Paradigmenvielfalt (Vereinheitlichungs-Idealisten)
Diese Gruppe lehnt sämtliche Konzepte über Paradigmenvielfalt ab. Es kommt zur
negativen Beurteilung des Erkenntnisrelativismus und zur einseitigen Berufspolitik.
-
Evolutionärer Pragmatismus (Erkenntnis-Darwinisten)
Bei dieser Strategie steht man den Paradigmenpluralismus offen gegenüber. Man
nimmt an, dass die Geographie sich noch in ihrer vorwissenschaftlichen Phase befindet und sich ein Paradigma mit der Zeit behaupten wird. Die Paradigmenvielfalt wird
hier als Mittel zum Zweck angesehen.
-
Akzeptanz (Komplementaritäts-Idealisten)
Diese Strategie bewertet den Paradigmenpluralismus positiv und hat den Erkenntnispluralismus und den Paradigmenpluralismus als Ziel akzeptiert. Es herrscht eine
grundsätzliche Offenheit bei der Berufungspolitik oder bei pragmatischen Entscheidungen.
VU Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie – Fragen
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Was versteht man unter „Erkenntnisobjekt“? Was sind die wichtigsten Konstitutionsbedingungen von Erkenntnisobjekten?
Das Erkenntnisobjekt wird auch als Formalobjekt bezeichnet. Anders als das Erfahrungsobjekt, kennzeichnet das Erkenntnisobjekt das „Interessierende“ eines Gegenstandsbereiches
– die spezielle Fragestellung einer Disziplin.
Das Erkenntnisobjekt ist der springende Punkt bei der Ansicht der heutigen Wissenschaft.
Eine Wissenschaft wird nicht durch ihr allein gehörendes Forschungsobjekt bestimmt, sondern durch ihre spezielle Fragestellung/Zielsetzung, welche auch Objekte betrachten kann,
welche auch von anderen Wissenschaften untersucht werden können.
Eine Wissenschaft wird also nicht durch ein spezielles Forschungsobjekt gerechtfertigt, wie
es bei der klassischen Geographie der Landschafts- und Länderkunde war, sondern durch
das Vorhandensein einer Klasse von logisch und arbeitsökonomischen Fragestellungen und
Problemlösungsansätze.
Wie lassen sich Erkenntnisobjekte jedoch begründen?
- Das anthropologische (pragmatische) Obligat der Erkenntnis:
Die Erkenntnis ist für den Menschen und er selbst ist ihr Schöpfer sowie ihrer Methoden. Dadurch ergibt sich eine pragmatische Abhängigkeit. Es gibt somit keine Begründungen, da der Mensch selbst der Schöpfer ist.
Erkenntnisobjekte sind pragmatische Entscheidungen und können somit nicht begründet werden, sie können jedoch kritisiert werden.
Die wichtigsten Konstitutionsbedingungen Erkenntnisobjekte sind:
- Das subjektive Forschungsinteresse von Forschungspersönlichkeiten, der Forschungstrieb des Menschen
- Der Konsens der Fachgelehrten
- Die allgemeine gesellschaftliche Interessenslage, die soziale Konstitution, der gesellschaftliche Pluralismus der Postmoderne.
Erläutern Sie die vier Bedeutungsvarianten des Begriffs „Region“.
Die vier Regionen lassen sich durch bestimmte Kriterien als solche Regionen bestimmen.
- Ähnlichkeitsprinzip (Raumanalytischer Ansatz)
o Homogene Regionen, Formalregion, Strukturregion
Gebiete welche anhand eines gewissen Sachverhaltes Gemeinsamkeiten aufweisen, werden zu Regionen zusammen gefasst – Regionalisierung
-
Funktionale Verflechtung (Raumanalytischer Ansatz)
o Nodalregion, Verflechtungsbereich, Funktionalregion
Aufgrund von Interaktionen zwischen Teilelementen des Untersuchungsgebietes
kommt es hier zur Regionalisierung. z.B.: Pendlerbeziehungen, Stadt/UmlandBeziehungen…
-
Gültigkeitsbereich von Normen (Raumanalytischer Ansatz)
o Normative Regionen, Planungsregion, Programmregion
Bei diesem Kriterium kommt es zur Regionalisierung aufgrund von administrativen oder politischen Entscheidungen. Ein Spezialfall dieser Regionen sind die
Territorien (Gemeinden, Bezirke, Länder, Staaten, aber auch Staatenverbünde
wie die EU oder ASEAN).
-
Lebensweltliche Regionen (Sozialwissenschaftlicher Ansatz)
o Wahrnehmungsregionen, Identitätsregionen
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Hier kommt es zur Verknüpfung der Ich-Identität mit dem Wahrnehmungsprozess.
Alltägliche kognitive Strukturen, Flächenprojektion der Ich-Identität
Bewältigung des Paradigmenpluralismus.
Für die Bewältigung des Paradigmenpluralismus gibt es fünf verschiedene Strategien:
-
Ignoranz (Menfoutisten)
Diese Strategie ist die schlimmste, da man hier total abschottet und blockiert. Mit dieser Strategie verschläft man neue Ansätze, Methoden…
Man darf jedoch die quantitative Größe dieser Gruppe nicht unterschätzen. Zudem
kommt es zum Beispiel zum Ablehnen von Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften.
-
Dogmatisches Beharren (Bischof)
Diese Strategie hat die Bekämpfung und Unterdrückung sich als Ziel gesetzt. Es wird
aktiv angekämpft gegen andere Paradigmen. So kommt es zu einer einseitigen Berufs- oder Einladungspolitik oder es werden z.B. Gutachten abgelehnt.
-
Ablehnende Paradigmenvielfalt (Vereinheitlichungsidealist)
Diese Strategie lehnt sämtliche anderen Paradigmen ab. Hier kommt es ebenfalls zu
einer einseitigen Berufspolitik. Diese Strategie bewertet andere Paradigmen schlecht.
-
Evolutionärer Pragmatismus (Erkenntnis-Darwinist)
Diese Strategie ist offen gegenüber der Paradigmenvielfalt. Die Geographie wird
noch in der vorwissenschaftlichen Phase angesehen, wobei sich ein Paradigma mit
Laufe bewähren wird. Der Paradigmenpluralismus ist somit Mittel zum Zweck.
-
Akzeptanz (Komplementaritäts-Idealist)
Diese Strategie ist grundsätzlich positiv gegenüber dem Paradigmenpluralismus eingestellt. Es kommt zu keiner einseitigen Berufspolitik oder sonstigen Schikanen oder
Einschränkungen. Die Vielfalt wird als Chance angesehen.
Erläutern Sie die Analyse der Räumliche Kovariation (+Beispiel). Welchen Paradigma ist es
zuzuordnen?
Die Analyse der Räumlichen Kovariation: Darunter versteht man die vergleichende Gegenüberstellung zweier oder mehrerer Verteilungsmuster mit unterschiedlichen Phänomenen
desselben Untersuchungsgebietes.
Eine ausgeprägte räumliche Kovariation kann positiv oder negativ sein und gilt als Indiz für
einen kausalen Zusammenhang zwischen Phänomen.
Räumliche Kovariation ist jedoch nur ein Indiz und kein Beweis für den kausalen Zusammenhang, denn räumliche Kovariation kann auch vorkommen durch:
- Zufall
- Die Abhängigkeit einer dritten Variablen
- Die Variablen messen dasselbe Phänomen
Die räumliche Kovariation ist dem raumwissenschaftlichen Paradigma zuzuordnen, welches
quantitativ orientiert ist und nach Raumgesetzlichkeiten sucht.
Vergleichen Sie zwischen dem Paradigma der feministischen Geographie und dem handlungstheoretischen Paradigma in der Geographie.
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Das Paradigma der feministischen Geographie hat einen völlig neuen Zugang zur Raumrelevanz geschaffen. Die Hintergrundphilosophie dieses Paradigmas sind Feminismustheorien,
welche die Aufhebung der Unterdrückung der Frau durch den Mann und Emanzipationen
fordert.
Die Kritik dieses Paradigmas ist, dass die Ungleichheiten zwischen Mann und Frau zu wenig
angesprochen und diskutiert werden.
Dieses Paradigma führte neue Begriffe in die Welt der Geographie ein, wie Gender (soziales
Geschlecht), Patriachat, Macht, Reproduktion oder Androzentrismus.
Das handlungstheoretische Paradigma kam Anfang der 80er Jahre in der deutschsprachigen
Geographie auf und stellt vor allem gegen das raumwissenschaftliche und gegen das verhaltenswissenschaftliche Paradigmen Kritiken auf.
Der Raum könne nicht als Ursache für etwas sein, lautet die Kritik am Raumwissenschaftlichen Paradigma.
Die Kritik am verhaltenswissenschaftlichen Paradigma formuliert sich so, dass der Mensch
nicht bloß auf äußere Anstöße reagiert. Der Mensch ist ein autopoietisches System und wie
Max Weber schon feststellte hat, ist das menschliche Handeln als intentionales Tun, ein solches, welches sich auf einen subjektiven Sinn bezieht.
Die Geographie als Sozialwissenschaft.
Diskutieren Sie ausführlich das wissenschaftstheoretische Konzept des „Paradigma“
Unter Paradigma versteht man in der Alltagswelt soviel wie Beispiel oder Musterbeispiel. Die
zweite Begriffsdeutung für Paradigma kommt aus der Theorie von Thomas Kuhn.
Unter einem Paradigma versteht Kuhn jene forschungsleitende Perspektive oder Sichtweise,
welche für eine bestimmte Zeit und für eine bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern konsensbildend ist.
Das Paradigma nach Kuhn ist als das für eine bestimmte Zeit gültige Weltbild für eine bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern. Dabei handelt es sich um einen holistischen Begriff,
da das Paradigma sämtliche Theorien, Methoden, Verfahren, Konzepte, Ansätze usw. enthält.
Die Entwicklungsphase eines Paradigmas:
Zunächst befindet sich das Paradigma in der protowissenschaftlichen oder vorparadigmatischen Phase. Man steht am Anfang und muss sich auf die Suche machen nach Fakten. Zu
dieser Zeit gibt es noch keine Kriterien zur Datenerhebung in Form von Hypothesen oder
Theorien. Das wissenschaftliche Tun ist vom Zufall bestimmt.
In dieser Phase können mehrere Schulen entstehen, welche unterschiedliche Meinungen
verstreten. Im Laufe der Zeit kann sich eine Schule bewähren wobei es zu einer Konsultarphase kommt, wodurch es auch zu einer Reduzierung der Schulen kommt.
In der normalwissenschaftlichen Phase kann sich laut Kuhn immer nur ein Paradigma befinden. In dieser Phase liegen bereits allgemein anerkannte und als adäquat angesehene Konzepte und Kriterien zur Darstellung der Phänomene der Realität fest. Man verfügt über bewährte Strategien und Problemlösungsansätze.
Der Nutzen des Paradigmas ist der, dass es zur Ausbildung von dogmatischen Überzeugungen kommt, welche gegen alle Einwände geschützt erscheinen. Weiters werden alle Basiskonzepte außer Streit gestellt, wodurch man sich speziellen Fragestellungen widmen kann.
Das Paradigma wird zudem in der Sozialisation erlernt, wird also internalisiert und führt zu
einem gemeinsamen Weltbild. Es kann zwar zu Differenzen kommen innerhalb eines Paradigmas, jedoch wird nie am Grundkonzept gezweifelt.
Ein Paradigma hat immer ein Set eines Minimalbestandes:
- Symbolische Verallgemeinerungen (z.B.: die Geofaktoren der Klassiker)
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-
Ontologische Modelle
Heuristische Modelle
Werte und normative Festlegungen.
Was versteht man unter „Hypostasierung“ („Reifikation“)? Besprechen Sie es an Beispiel des
Landschaftsbegriffs.
Unter Hypostasierung oder Reifikation versteht man wortwörtlich, eine Vergegenständlichung, die Verdinglichung eines bloß in Gedanken existierenden Begriffs, die Substanzionierung von Beziehungen.
Relationen, Interaktionen, Beziehungen… werden in ontologischer Manier als Objekte gehalten.
Im Alltag wird die Hypostasierung zur Komplexitätsreduzierung eingesetzt.
Relationen zwischen Phänomenen der Erdoberfläche sind auf der Ebene der Objektsprache
welche, direkten Bezug auf die Realität nimmt beschreibbar. „Landschaft“ wird weiters verwendet als abgekürzte Benennung der Relation. Es kommt zu einer Reflexion der „Landschaft“ auf der Ebene der Metasprache, wodurch auf Grund der Ontologisierung, die reine
Idee über die Landschaft zum Ding wird.
Konsequenzen und Grundlagen der Hypostasierung:
- Allanspruch der Landschaftsmethodologie
- Holismus und Organismus-Metaphern
- Affinität der klassischen Geographie zum Idealismus
Charakterisieren Sie ausführlich zwei neuere Paradigma der Humangeographie (nach freier
Wahl).
Das verhaltenswissenschaftliche Paradigma
Das verhaltenswissenschaftliche Paradigma kam etwa zur gleichen Zeit auf die die radical
geography und die welfare geography, also Anfang der 70er Jahre.
„What about the people in geography?“
Der zentrale Kritikpunkt dieses Paradigmas ist die fehlende Bezugnahme des spatial approach auf das menschliche Individuum und seiner subjektiven Wahrnehmung und Bewertung
der räumlichen Umwelt.
Die zentrale These:
Die Vorstellung über die Realität beeinflusst das menschliche Handeln.
Das Verhalten des Menschen wird also nicht beeinflusst durch die bloße objektivierbare
Struktur der Realität, sondern durch die bloße Vorstellung.
Das Programm:
-
Wie wird die räumliche Umwelt des Menschen wahrgenommen?
Wie sieht die kognitive Weiterverarbeitung dieser Sinneswahrnehmung aus?
In welcher Weise hängt das raumrelevante Tun des Menschen vom subjektiv bewerteten und wahrgenommenen Image der Realität ab?
Zudem lieferte dieses Paradigma die vierte Bedeutung des Begriffs Region als „Lebensweltliche Regionen“, als einziger sozialwissenschaftlicher Ansatz.
Das Paradigma der humanistic geography
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Dieses Paradigma kam in den 70er Jahren auf und hat eine objektivierende Perspektive und
ein holistisches Weltbild.
Der Mensch wird als autonomer Handlungsträger angesehen und es kommt zur Rekonstruktion von Sinn- und Bedeutungszusammenhängen sowie von Place, als subjektiv wahrnehmbarer Raum.
Dieses Paradigma hat erkenntnistheoretische Hintergrundpositionen wie den Idealismus,
Existenzialismus und Pragmatismus, sowie die Phänomenologie von Husserl.
Dieses Paradigma richtet sich gegen die inhumanistische Attitüde und verfolgt einen qualitativ orientierten Ansatz.
Das Paradigma der feministischen Geographie
Das Paradigma der wissenschaftlichen Geographie bietet einen völlig neuen Zugang zur
Raumrelevanz. Die Hintergrundphilosophie dieses Paradigmas sind die Feminismustheorien,
welche der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frau durch den Mann entgegenwirken und
Emanzipationen bewirken wollen.
Dieses Paradigma kritisiert vor allem, dass auf die Ungleichheit von Mann und Frau viel zu
wenig Bezug genommen wird.
Zudem führte dieses Paradigma völlig neue Begriffe in die Geographie ein wie Gender (das
soziale Geschlecht), Patriachat, Reproduktion, Gewalt und Androzentrismus.
Dieses Paradigma kommt in den neuersten Diskussionen häufig vor und versucht die raumstrukturellen sozialen Ungleichheiten zu erfassen und sie zu beheben.
Das handlungstheoretische Paradigma
Dieses Paradigma kam in den 80er Jahren auf und hatte den Ursprung im deutschsprachigen Raum. Dieses Paradigma kritisiert vor allem das verhaltenswissenschaftliche Paradigma, da in diesem der Mensch bloß als Automat angesehen wird, welcher bloß auf äußere
Anstöße reagiert. Menschen sind jedoch autopoietische Systeme und wie Max Weber schon
feststellte, ist jedes menschliche Handeln auf einen subjektiven Sinn bezogen.
Dieses Paradigma kritisiert jedoch auch das raumwissenschaftliche Paradigma, weil der
Raum, nicht als Ursache von etwas sein könne.
Die Geographie als Sozialwissenschaft.
Das humanökologische Paradigma
Dieses Paradigma hat eine ontologische Ausgangshypothese und leugnet die Dichotomie
von Kultur und Natur. Natur und Kultur sind keine Gegensätze, sondern Bestanteile eines
ganzheitlichen Systems.
Das Erkenntnisobjekt ist der Mensch in der Umwelt.
Dieses Paradigma kam in den 60er Jahren auf, ist jedoch ein Minderheitenprogramm.
Das nicht dichotome Konzept von Subjekt und Gesellschaft.
Koinzidenzprinzip
Die choristische Beschreibung erlaubt Aussagen über räumliche Nähe und Ferne von Sachverhalten bzw. über die Feststellung räumlicher Koinzidenz und Distanz.
Die räumliche Koinzidenz ist sehr wichtig, da sie Voraussetzung ist für kausale Zusammenhänge.
Das Koinzidenzprinzip ist ein heuristisches Prinzip und deshalb werden Koinzidenzen als
Hypothesengeneratoren eingesetzt.
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Die Analyse von Koinzidenzen hat das Ziel der Feststellung von statistischen Gesetzmäßigkeiten bei Koinzidenzbeziehungen:
Methoden:
- Bestimmung der relativen Häufigkeiten
- Korrelationskoeffizienten
- Komplex-Indizes
- Inverse Assoziationskoeffizienten.
Quantitative Analyse von Geodaten, statistisch-mathematische Beweisführung
Pragmatische Obligate und Folgen.
Das anthropogene oder pragmatische Obligat der Erkenntnis:
Die Erkenntnis ist für den Menschen und er selbst ist ihr Schöpfer und derer Methoden. Daraus ergibt sich eine pragmatische Abhängigkeit. Es gibt eine Begründung für die Erkenntnisobjekte, da der Mensch der Schöpfer der Erkenntnis ist. Die Erkenntnisobjekte sind somit
pragmatische Entscheidungen, welche nicht begründbar sind, jedoch kritisiert werden können.
Begriffe der raumwissenschaftlichen Geographie diskutieren.
Die raumwissenschaftliche Geographie entwickelte mehrere Begriffe.
Unter einer Stelle versteht man zum Beispiel einen Quasipunkt. Diese Stelle hat nur Lageeigenschaften und hat im Wesentlichen auch keine Ausdehnung. Diese Stellen sind inhaltsleer
und haben eine klare Adresse.
Stellen können mittels ihrer absoluten Lage (Position) angegeben werden oder durch ihre
relative Lage zu anderen Stellen.
Befinden sich zwei Stellen in Relation zu einander, so spricht man von Distanz und Richtung,
welche zusammen die Entfernung angeben. Die Entfernung wird mittels einer Verbindungslinie graphisch dargestellt.
Bei topologischen Darstellungen kommen Kanten und Knoten hinzu, wodurch Netze entstehen können.
Gebiete sind ebenfalls inhaltsleer und besitzen nur Lage-, Größe- und Formeigenschaften.
An Gebieten oder Stellen befinden sich jedoch bestimmte Objekte oder finden Ereignisse
statt. Dies kann man als Ausstattung einer Stelle oder eines Gebietes ansehen.
Eine Stelle, welche Sachattribute aufweist, nennt man Standort. Dabei ist ein Standort nicht
nur die Position der Stelle und nicht nur die Ausstattung, sondern die Verknüpfung von beiden.
Ein Gebiet, welches eine Ausstattung besitzt nennt man Areal. Areale besitzen also gleiche
Sachausstattungen und sind somit homogene Regionen.
Unter einem Feld versteht man ein Gebiet, in welchem die Sacheigenschaft variierende
Merkmalsausprägungen um eine Stelle aufweist. Bei einem zentral-peripheren Feld nimmt
die Merkmalsausprägung vom Zentrum ab. Dies kann jedoch auch umgekehrt der Fall sein.
B1.2. Grundlagen und Konzepte der Humangeographie
VU Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
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Universität Wien
Institut für Geographie und Regionalforschung
Gilbert Kotzbek
Das logische System der klassischen Geographie.
Das logische System der klassischen Geographie ist gekennzeichnet durch ihre Dichotomie
auf den Bereichen der ontologischen (Natur – Geist/Kultur) und der methodologischen (nomothetisch – ideographisch).
Auf der untersten Ebene befindet sich die Allgemeine Geographie mit ihren Geofaktoren.
Diese Allgemeine Geographie teilt sich weiters auf in die Physiogeographische und Anthropogogeographische Allgemeine Geographie, welche zusammen die Landschaftskunde bilden. Die zentrale Aufgabe der Landschaftskunde ist es, die Dichotomie zu überwinden. Aus
der Landschaftskunde folgt auf der ideographischen „Seite“ die Länderkunde, welche als
krönender Abschluss der klassischen Geographie aufgefasst werden kann.
Das logische System der klassischen Geographie basiert auf der Integrationsstufenlehre,
welche aus drei Ebenen besteht, den Elementarkomplexe, hochrangige und höchstrangige
Komplexe.
Aus den Elementarkomplexen wird Integration über die Geofaktoren die Landschaftskunde
(hochrangiger Komplex) erzeugt. Eine weitere Integration führt zur Länderkunde.
Die Landschaftskunde definiert sich also aus der Integration der Geofaktoren und definiert
somit die Inhalte der Länderkunde und beengt diese zudem.
Später wurden noch die Landschaftsökologie (Natur) und die Sozialgeographie (Kultur) in
den jeweiligen ontologischen Teilen der Dichotomie des logischen Systems integriert.
Was sind jedoch Landschaften und Länder? Dies ist die zentrale Frage der klassischen
Geographie.
B1.2. Grundlagen und Konzepte der Humangeographie
VU Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Mitschrift aus
Grundkonzepte und
Paradigmen
der Geographie
LV-Leiter: WEICHHART
SS 2008
Anmerkung:
Der folgende Text dient lediglich als Ergänzung der LV-Unterlagen und zusätzliche
Hilfestellung bei der Prüfungsvorbereitung. Eine Garantie auf inhaltliche Korrektheit kann
nicht gegeben werden. Außerdem handelt es sich um eine Rohfassung, welche nie ernsthaft
korrigiert wurde. Aus diesem Grund kann auch keine Garantie auf korrekte Rechtschreibung
und Grammatik gegeben werden.
Des Weiteren setzt sich der Text aus eigenem und fremdem Gedankengut zusammen. Meist
wurde der Text der Vorlesungsfolien um das Vorgetragene ergänzt. Da es sich jedoch nicht
um eine wissenschaftliche Arbeit, welche veröffentlicht wird, handelt, wurden so gut wie alle
Regeln des korrekten wissenschaftlichen Arbeitens, insbesondere die Zitierregeln, missachtet.
1
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
„Was ist Geographie?“ Eine erste Annäherung
Kennzeichen der Betrachtungsperspektive der Geographie
•
•
•
•
Beschäftigung mit den Systemzusammenhängen zwischen den Geofaktoren
Thematisierung von Lagebeziehungen zwischen Phänomenen der Erdoberfläche
„lebensweltliche“ Orientierung (Gegenstände sind alltagsweltlich)
Maßstabsbereich (Kontinente und Großregionen; Meso- und Kleinregionen;
Mikrogeographie). Der Maßstab bedingt die Fragestellung.
Geographie ist ein Denkgebäude das von den Geographen selbst gemacht wird. Es gibt keine
natürliche Daseinsform der Geographie.
Geographie ist nicht topographisches Wissen; ein Geograph ist kein Atlas, muss mit diesem
aber umgehen können.
Geographie ist eine Erfahrungswissenschaft (empirische Wissenschaft), sie beschäftigt sich
mit Gegenständen und Phänomenen der Wirklichkeit. Dabei hat sie einen umfassenden
Gegenstandsbereich, nämlich die gesamte Geosphäre! Während sich die Nachbardisziplinen
spezialisieren untersucht die Geographie wechselseitige Beziehungen und Wirkungen.
Die traditionelle “Arbeitsteilung” der Geographie
Physiogeographie
Systemzusammenhänge
zwischen den physischen
Geofaktoren
Humangeographie
Systemzusammenhänge
zwischen den anthropogenen Geofaktoren
Systemzusammenhänge Natur - Kultur
Früher:
Später:
Heute:
Physiogeographie
Inventarisierung + Klassifizierung
Genese (Entstehung)
Wechselwirkung
Humangeographie
Artefakte
Mensch an sich
Hauptphasen der Objektbetrachtung in der Humangeographie
1. Geodeterministische Phase: Früheste Phase; Erscheinungen der Kultur sind durch
Naturgegebenheiten bestimmt. Deterministische Erklärungsform.
2. Physiognomisch-morphologische und historisch-genetische Perspektive: 20er und 30er;
Beschreibung und Klassifikation der äußeren Gestalt von Phänomenen, Herkunft,
Entstehungsgeschichte.
3. Funktionale Phase: “Stoffwechsel” und “Physiologie” der Landschaft.
2
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
4. Raumwissenschaftliche Phase: 60er im dt. Sprachraum; Suche nach “Raumgesetzen”.
Quantitative Zusammenhänge des Handelns.
5. Verhaltenswissenschaftliche Phase: 60er; Die Welt in unseren Köpfen – Wahrnehmung
und Bewertung der Umwelt stehen im Mittelpunkt.
6. Handlungstheoretische Phase: Die “Kulturlandschaft” als Produkt beabsichtigter und
nichtbeabsichtigter Folgen menschlichen Handelns; der Mensch als handelnder Akteur wird
untersucht.
7. Kulturwissenschaftliche Phase
Die verschiedenen Perspektiven ersetzten einander nicht, sondern werden integriert und
ergänzen einander.
Dimensionen von Wissenschaft
•
Wissenschaft als System von Aussagen (→ Denkgebäude)
Wahrheitsanspruch (= relativer)
Aufstellen von Erklärungen (→ Generalisierung)
Suche nach Gesetzlichkeiten (→ Theorien)
•
Wissenschaft als Tätigkeit
Streben nach inhaltlicher Wahrheit und formaler Korrektheit
Beweis- und Begründungspflicht
methodische Nachvollziehbarkeit
•
Wissenschaft als soziales System
Organisatorisch-institutionelle Struktur
“Spielregeln” und Normen
soziale Eigendynamik (Macht, Politik,…)
Besonderheiten der Geographie
•
•
•
•
Geographie als “diffuse Disziplin”
Thematisierung der “Kontextualität” (= Zusammenhang, Einbindung in Umwelt) von
Phänomenen der Geosphäre
Erforschung von “Räumlichkeit”
“Alltagsweltliche” Orientierung
3
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Am Strand – eine Einführung in die Weltsicht der
Geographie
„Raum“ – eine vorläufige Begriffsbestimmung
•
•
•
Strandleben
Kleinerer oder größerer Ausschnitt der
Erdoberfläche, unspezifische „Adressangabe“
mit vagen Grenzen
Jede Art von Ordnungsrelationen
„Place“ (= Ort; subjektive Komponente; Werte,
Bedeutungen, Gefühle)
Das Bild ist ein Ausschnitt der Alltagswelt, die Verteilung der Phänomene wird auf der
Karte erfasst; die Karte als Methode zur Darstellung von Ordnungsrelationen
•
•
•
•
Lokalisierung der Phänomene, Verteilungsmuster
Unterschiede in der Verteilung?
Zusammenhänge zwischen Verteilungsmuster und Umwelt?
„Räumliche Ordnung“, „Regionalisierung“
Eine physiogeographische Regionalisierung des Strandes
Absolute Labe = Lage einer Stelle im Raum
Relative Lage = Beziehung zu anderen Objekten (z.B.: zentrumsnah)
4
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Lokalisierung der Phänomene
Warum gibt es Unterschiede in der Verteilung?
Durch die Informationsverdichtung (durch Raster, Regionalisierung,…) gehen zwar
Informationen verloren, andererseits können neue Erkenntnisse (Gesamtinformationen)
erlangt werden.
Räumliche Ordnung/
→ zonale Muster
Zusammenhang
Regionalisierung nach
→ Cluster
mit Umwelt?
Ähnlichkeit oder
Beziehung zueinander
Lokalisierung der Phänomene durch:
Regionalisierung: Ist nicht naturgegeben, sondern ist ein Konstrukt der Wissenschaft
(abhängig von den Methoden)
Bedeutung des Wortes „Regionalisierung“:
- Klassifikationsmethode
- Folge der Globalisierung; Regionalisierung → Bildung räumlicher Disparitäten
Durch Raster: Hierbei spielen die dichte und die Lage der Rasterlinien eine wichtige Rolle.
Es entsteht ein methodisches Artefakt, determiniert durch die Methode (= Rastergröße)
Das Aufstellen von Erklärungen
... ist das Ziel jeder Wissenschaft. Erklären heißt, eine kausale Begründung für ein
Phänomen finden, etwas auf seine Ursache zurückführen. Ohne Theorie gibt es keine
Erklärung.
Theorien
...sind verallgemeinernde Behauptungen, die einen Kausalzusammenhang oder
Verursachungszusammenhang zwischen Phänomenen der Realität postulieren (sind immer
nur Postulate = Behauptungen). Sie sind nie verifizierbar, nur falsifizierbar.
5
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Formen der Verallgemeinerung
Deterministische Form („starke Form“):
„Für alle A gilt: sie werden von B verursacht“.
Probabilistische Form („schwache Form“):
„In x% der Fälle trifft zu, dass A durch B verursacht wird.“
Erklärungen in der Geographie
Für die Geographie ist besonders charakteristisch, dass sie meist solche Eigenschaften von
Phänomenen erklären will, die durch ihre räumliche Lage, ihre absolute Position in einem
Ordnungsraster oder durch ihre Relation zu anderen Phänomenen bestimmt sind.
Zur Erklärung der räumlichen Verteilung der Strandbesucher
•
Im Nordwesten ist die Besucherdichte höher
als im Südosten;
• auffällige „Cluster bildungen“
• „Einzelgänger“.
Wie kann dieses Verteilungsmuster erklärt
werden?
Ein Erklärungsansatz: „Proxemics“
• Menschen weisen ein ausgeprägtes
„Territorialverhalten“ auf
• Phänomen des „Personal Space“
⋅ intime
⋅ personale
⋅ soziale
⋅ öffentliche Zone
N
Hypothese
Die Strandbesucher organisieren in der Regel ihren Stand(Liege)ort so, dass sie zur Wahrung
des Personal Space eine möglichst große Distanz zu unbekannten Nachbarn herstellen und
möglichst nahe beim Partner oder Freunden situiert sind.
„Interpersonale Distanzen“
Bevölkerungsdichte
Liebespaare
Familien
„Einzelgänger“
Durchschnittliche Dichte
Distanz
zwischen den Gruppen
Distanz in m
2
4
6
8
6
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
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Besucherzahlen
Die Entwicklung der Besucherzahlen von 1890-1990
Der zeitliche Maßstab: 100 Jahre
1890
Jahresgang der Besucherzahlen
1990
Zeit
Besucherzahlen
Der zeitliche Maßstab: Jahr
Monate 1
2
3
5
4
6
7
8
9
10
11
12
Besucherzahlen im Verlaufe einer Sommerwoche
Besucherzahlen
Der zeitliche Maßstab: Woche
Zeit Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
Besucherzahlen nach Minuten
Besucherzahlen
Der zeitliche Maßstab: Minuten
Zeit
7
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Schlussfolgerung
Das Phänomen, das wir bei einer empirischen Datenaufnahme erfassen, ist eine Funktion des
zeitlichen Maßstabs.
Die „Eroberung“ des Strandes
Eingang zum Strand
„Räumliche Diffusion“
„Die Tyrannei von Raum und Zeit“
Grenzen der Handlungsmöglichkeit durch die Tatsache der Körperlichkeit (Constraints =
Grenzen)
„Raum-ZeitAquarium“
T. HÄGERSTRAND
B
A
Authority Constraints
zB: Zutritt (Verein,…)
Capability Constraints
Quelle: P. HAGGETT, 1979, 3. Aufl., Abb. 1-7
Acessibility Constraints
zB: Auto,…
Activity Constraints: was
kann ich am Strand tun mit
der gegebenen Zeit;
Activities müssen in
Relation zur Zeit der
Anreise Stehen
8
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die dritte Hauptfragestellung der Geographie
„Welche kausalen Zusammenhänge bestehen zwischen dem Menschen und seinen
Aktivitäten und den physisch-materiellen Gegebenheiten der Realität?“
Die “klassische“ Formulierung der Frage (Klassische Geographie; 20.Jh): „Welche kausalen
Zusammenhänge bestehen zwischen dem Menschen und seinen Werken (der „Kultur“) und
der „Natur“?
Das führte zu Denkfehlern und Missverständnissen. Problem: Wie lassen sich „Natur“ und
„Kultur“ voneinander unterscheiden? Durch die Dichotomie dieser beiden Begriffe lässt sich
keine klare Definition finden, daher sollten sie aus dem wissenschaftlichen Kontext
herausgehalten werden.
Eine neuere Version der Frage
„Welche kausalen Zusammenhänge bestehen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt?“
Problem: „Umwelt“ umfasst jeweils alle Lebensbedingungen der jeweils betrachteten Art.
Eine Reduktion auf die „natürlichen“ Umweltaspekte ist daher unzulässig.
Die zwei Seiten der „Beziehung“
Wie wirken sich physisch-materielle Gegebenheiten auf den Menschen aus?
Auf welche Weise und mit welchen Ergebnissen beeinflusst der Mensch die physischmaterielle Realität?
Mensch
Physischmaterielle
Realität
These
Die Besucherdichte ist von jenen materiellen Eigenschaften (Attributen) des Strandes
abhängig, die von den Besuchern wahrgenommen und bewertet werden. Das Ergebnis dieser
Bewertung kann als „Qualität“ des Strandes bezeichnet werden.
Eine empirische Prüfung der These
Überlegung: Wenn die These, dass zwischen Besucherdichte und Strandqualität ein positiver
Zusammenhang besteht, tatsächlich zu trifft, dann muss sich diese Wirkung auch im
räumlichen Verteilungsmuster der beiden Phänomene widerspiegeln. Die Besucherdichte
sollte also dort am höchsten sein, wo auch die Strandqualität am höchsten ist.
Das Problem liegt nun allerdings in der Definition von Qualität, denn diese kann ganz
unterschiedlich empfunden werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, der Wert der Gegenstände
liegt in der Zuschreibung und ist nicht immanent. Qualität ist also ein relativer Begriff und
abhängig von der Beziehung zu Werten (subjektive Eigenschaften), was nicht wahrgenommen
werden kann, kann nicht bewertet werden.
Analyse der räumlichen Kovariation
Darunter versteht man die vergleichende Gegenüberstellung von zwei oder mehr
Verteilungsmustern unterschiedlicher Phänomene im gleichen Untersuchungsgebiet.
Eine ausgeprägte Kovariation wird als Indiz für kausale Zusammenhänge zwischen den
betreffenden Phänomenen angesehen.
9
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Besucherdichte und Strandqualität: Vergleich der Verteilungsmuster
Linien gleicher
Besucherdichte
5,
5
2,
5
Ausgeprägte Kovariation, positiv
5,
5
2,
5
Ausgeprägte Kovariation, negativ
5,
5
2,
5
Keine Kovariation
Räumliche Kovariation ist ein Indiz, aber kein Beweis für einen Kausalzusammenhang
(wichtig ist weiters, dass die Verteilung nicht normalverteilt sein darf) zwischen den
betreffenden Variablen. Räumliche Kovariation kann auch auf andere Weise verursacht
werden:
• Zufall
• gemeinsame Abhängigkeit von einer dritten Variablen
• Variablen messen das gleiche Phänomen
Wir neigen dazu das frühere Phänomen als Ursache und das spätere Phänomen als Wirkung
zu interpretieren und somit zu vorschnellen Deutungen.
System
Unter einem System versteht man eine Menge von Elementen, die miteinander durch eine
Menge von Relationen funktional verknüpft sind.
„System“ ist ein „ontologisch neutraler“ Begriff, d.h. er ist beliebig definierbar.
In den alten Systemtheorien wurde das System durch den Betrachter abgegrenzt, in den neuen
Systemtheorien grenzt sich das System durch eine spezifische Operationsweise von der
Umwelt (zu anderen Systemen) ab.
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Mensch-Umwelt-System
Lokales Sozialsystem
(Mensch-MenschBeziehungen)
Verschmutzung, Dichtestress (-)
Lokales „Umwelt-System“
(Beziehungen zwischen den
materiellen Elementen des
Gebietes)
Nutzung
Lokales Mensch-Umwelt
System (Beziehungen
zwischen Menschen und
den materiellen
Gegebenheiten des
Gebietes)
Infrastruktur, „Ästhetik“ (+)
Besucherdichte,
Besucherverteilung
Subjektive/soziale
Wahrnehmung
und Bewertung
Struktur und
Eigenschaften des
Strandes
Erreichbarkeit, Jahreszeit, Wochentag, Tageszeit, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen
+ positive Rückkoppelung
- negative Rückkoppelung
Exposition, Wind- und
Wellenenergie, Gesteine,
Ablagerung, Abtragung
Die Verknüpfung der Teilsysteme geschieht durch den Menschen (funktionale Koppelung),
zur Erreichung der Ziele/Wünsche werden physisch-materielle Potentiale genutzt.
→ Beziehungen (Flows: Energie, Material, Informationen)
Informationsflow: Wahrnehmung und Wertung (sozial/subjektiv konstruiert) des Strandes,
Verknüpfung von Sinn und Materie.
Strukturelle Koppelung entspricht keinem kausalen Zusammenhang, es handelt sich um eine
elastische Beziehung.
Der Zusammenhang von Sinn und Materie
Die Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Sinn/Wert und Materie kann als
besonderes Charakteristikum der Geographie angesehen werden.
Die meisten Sozialwissenschaften befassen sich ausschließlich mit Werten, in den
Naturwissenschaften kommen Werte als Objekte nicht vor.
Der räumliche Betrachtungsmaßstab
... definiert die Phänomene und Prozesse der Realität, die in den Brennpunkt unseres
Forschungsinteresses geraten. Änderung der Maßstabsebene → Änderung des
Auflösungsniveaus
Maßstabsfragen I: „Mikroebene“
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Erfassbare Phänomene:
Soziale Interaktionen, Dynamik von Kleingruppen, Nutzung von Einzelparzellen,
Mikromorphologie etc.
Maßstabsfragen II: Regionale Maßstabsebene
Erfassbare Phänomene:
Nodalregionen, Pendlereinzugsgebiete, Wirtschaftsverflechtungen etc.
Das „Fenster“ geographischer Weltbetrachtung
1030
20
10
cm
Durchmesser
Milchstrasse
101
0
Umfang
Äquator
1
Lichtjahr
101
0
100
USA
Distanz
Erde-Sonne
New York
State
Manhattan
Körpergröße
Mensch
Central Park
Wellenlänge
Sichtbares Licht
10-10
10-25
Fußballstadion
Durchmesser
Atom
Kürzeste messbare
Distanz
0
10
Menschlicher
Körper
Quelle: P.
HAGGETT,
1979, 3. Aufl.,
Abb. 1-11
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Raum-zeitliche Maßstabsbereiche der Geographie
x-Achse: G-Skala 500Mio km2 = GO, dann immer 10-1 runter
y-Achse: T-Skala TO = vor 10Mio. Jahren immer 10 eine 10er-Potenz später.
Raumwissenschaftliche Geographie: räumliche Phänomene, Verteilung, Mensch-Umwelt,
Regionalisierung
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die „klassische Geographie“ der Landschafts- und
Länderkunde
Methodologie
Unter „Methodologie“ versteht man alle systematischen Reflexionen zum Theoriesystem, zur
Aufgabenstellung, zur Methodenlehre und zur inneren Organisationsstruktur eines Faches.
Grundlagendisziplinen für die Methodologie sind Wissenschafts- und Erkenntnistheorie.
Methodische Regeln für empirische Forschungspraxis und fürs Aufstellen von Theorien.
Normativ orientiert
„methodology of geography“: Wie entwickelt man Theorien, wie bildet man Begriffe, welche
Genauigkeitsansprüche gelten für welche Verfahren etc.
„philosophy of geography“: Objektkonstitution
erkenntnistheoretischen Orientierung.
und
Zielsetzung,
Wahl
der
Im deutschsprachigen Raum wird zwischen den beiden kein Unterschied gemacht.
Die „klassische“ Geographie und ihr „logisches System“
In den 50er Jahren war der Höhepunkt der „klassischen“ Geographie. Es waren so gut wie alle
Konzepte und Theorien der klassischen Geographie ausgearbeitet.
Die klassische Geographie beschäftigt sich mit den Geofaktoren und den Gesetzmäßigkeiten
nach denen diese funktionieren.
Nomothetisch
Physiogeographische
Anthropogeographische
Allgemeine Geographie
methodische
Begründung
Grundstruktur des „logischen Systems“ der Geographie
Natur
Geist/Kultur
Idiographisch Länderkunde
Landschaftskunde
„ontologische Begründung“
Geist/Kultur = Disjunktion: die beiden Teile schließen einander aus
Idiographie, häufiger als Adjektiv idiographisch (von griech. idios eigen und graphein
beschreiben), ist eine wissenschaftstheoretische Ausrichtung, bei der das Ziel
wissenschaftlicher Arbeit die Analyse zeitlich und räumlich einzigartiger Gegenstände ist.
Nomothetik, häufiger als Adjektiv nomothetisch (von griech. nomos Gesetz und thesis
aufbauen) bezeichnet eine bestimmte wissenschaftstheoretische Ausrichtung, bei der das Ziel
wissenschaftlicher Arbeit die Erarbeitung allgemein gültiger, also von Zeit und Raum
unabhängiger Gesetze ist.
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die „Integrationsstufenlehre“
höchstrangige
Komplexe
LÄNDER
Landschaften
Geofaktoren
Gesteinsuntergrund
Nach H. BOBEK, 1957
Boden
....
Siedlungen
I
N
T
E
G
R
A
T
I
O
N
hochrangige
Komplexe
Elementarkomplexe
GKPD/03/01/06
Landschaften
... „Integrationsprodukte“ der Geofaktoren; Beinhalten solche Erscheinungen und Prozesse, in
denen Regelhaftigkeiten und Gesetzmäßigkeiten zu Tage treten. Sie „personifizieren“ eine
Verknüpfung aller Geofaktoren.
Das Landschaftskonzept hat die Funktion, die Dichotomie zwischen Natur und Kultur zu
überwinden.
Länder
... sind „einmalige Raumindividuen“, die nur idiographisch erfasst werden können.
Aufgabe der Länderkunde: Darstellen des Besonderen in der Erscheinung,
Wirkungsgefüge, im geschichtlichen Werden.
Länder werden als ganzheitliche „Raumindividuen“ aufgefasst.
im
C. RITTER: „Länder“ sind „göttliche Zweckschöpfungen“, mit dem Ziel, den Menschen zu
formen.
Historistische Deutung von Ländern als „räumliche Persönlichkeiten“ mit „totaler
Individualität“ (F. DÖRRENHAUS).
Landschaften und Länder als komplementäre Phänomene
•
•
Der Gegenstand der Länderkunde wird durch das Landschaftskonzept inhaltlich
definiert und eingeengt. Länderkunde ist also ein Residuum (= was von der
Landschaftskunde überbleibt).
„Landschaft“ als Integrationsprodukt natürlicher und kultureller Geofaktoren
begründet die Sinnhaftigkeit einer „einheitsgeographischen“ Länderkunde. („In der
Landschaft erkennen wir die Integration von Kultur und Natur“)
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Das „logische System“
L ä n d e r k u n d e
L a n d s c h a f t s k u n d e
Politische Geographie
Wirtschaftsgeographie
Verkehrsgeographie
Siedlungsgeographie
Physische
Anthropogeographie
Tiergeographie
Vegetationsgeographie
Bodengeographie
Hydrogeographie
Klimageographie
Geomorphologie
N a t u r
Bevö
ölkerungsgeographie
Bev
Sozialgeographie
Landschaftsö
Landschaftsökologie
K u l t u r
GKPD/03/01/11
Teildisziplinen sollen mit ihren Geofaktoren nomothetisch arbeiten
Länderkunde soll mit der Einzigartigkeit der Länder arbeiten
Landschaftskunde untersuchen hochrangige Komplexe der Atmosphäre (=Landschaften)
Sozialgeographie fasst die Humangeographischen Kategorien zusammen (=Integration)
Landschaftsökologie fasst die physiogeographischen Kategorien zusammen.
Das Landschaftskonzept
„Was aber ist Landschaft? Das ist die ungelöste Grundfrage der Geographie.“ (H. CAROL, 1956)
Einzige Antwort: Landschaft ist der Hauptgegenstand und zentrales Objekt der Geographie
Mutmaßungen über „Landschaft“:
• „Landschaften“ werden als konkrete „Gegenstände“ der Realität aufgefasst; man kann
sie sehen. Natur + Kultur verschmelzen
• sie werden durch Systemzusammenhänge zwischen den Geofaktoren konstituiert;
• sie werden als „ganzheitliche Raumorganismen“ aufgefasst;
• sind Gegenstände der visuellen Erfahrung.
• Mehr als die Summe ihrer Einzelteile.
Ad „sind das was man sehen kann“: dieser Gedanke wurde von manchen Geographen so weit
getrieben, dass sie sagten, Landschaftskunde behandle nur die sichtbaren Geofaktoren,
wodurch z.B. der Luftdruck, eine elementare Größe im Klima unbeachtet bleiben würde.
Das „physiognomische Prinzip“
Unter „geographischer Substanz“ versteht man den „... gesamten, physiognomisch
erfassbaren geographischen Stoffbereich der Erdoberfläche.“ H. LAUTENSACH, 1952, S. 2
Hierbei handelt es sich allerdings um eine zirkuläre Definition!
Länderkunde
In „Westermann – Lexikon der Geographie“ (1968), einem „Quellenwerk“ der klassischen
Geographie wird Länderkunde folgendermaßen definiert:
„Länderkunde (auch Regionale Geographie ...) beschreibt die Länder der Erde als
Individuen (idiographisch), d. h. als einmalig in Raum und Zeit vorkommende
16
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Ausschnitte der Geosphäre oder des Landkontinuums. Besonders die spezifische Lage,
die geschichtliche Situation und organisatorische Zusammenhänge machen einen ...
Erdraum ... zum Land.“
Die Länderkunde behandelt:
„... die höchstrangigen Komplexe der stufenweisen Integration, die die einzelnen
Geofaktoren nicht mehr unmittelbar aus der analytischen Behandlung in der
Allgemeinen Geographie übernimmt. Diese werden vielmehr von der
Landschaftskunde mit Hilfe typologisch erfasster Struktureinheiten schon in
„landschaftskundlichen Modellen“, deren individuelle Züge und Abweichungen aber
nun in der Länderkunde besonders hervorgehoben werden, der Länderkunde
erschlossen.“
Weichhart weiß auch nicht was das bedeuten soll!
Länder sind Geistige Gebilde die im Kopf des Forschers entstehen.
Das „länderkundliche Schema“
Das „länderkundliche Schema“ bedingt eine geodeterministische Weltdeutung.
Lage
Die Abfolge des Stoffes
Größe
wird danach bestimmt,
Geologie
dass sich der Inhalt der
Morphologie
Kapitel jeweils kausal auf den
Klima
Inhalt der vorhergehenden
Hydrographie
Abschnitte bezieht.
Böden
Vegetation
Geodeterministische oder
Siedlung
possibilistische Weltdeutung
Landnutzung, Verkehr, Politik etc.
Der Geodeterminismus meint, dass alles durch die Geofaktoren beeinflusst wird. Der Mensch
kann sich zwar dessen bewusst sein, bleibt jedoch stets beeinflusst.
„HETTNER-Sandwich“
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Ein „Musterbeispiel“ einer Länderkunde
Das Buch „Das Mittelmeergebiet – seine geographische und kulturelle Eingenart“ von Alfred
Philippson (1904) galt zur Zeit seiner Veröffentlichung als höchst intellektuelles Werk.
Zu dieser Zeit ging man davon aus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den
physiogeographischen Faktoren und dem Mensch bestehe, solche geodeterministischen
Erklärungsmodelle waren sehr verbreitet. Dem entsprechend leitet Philippson all seine
Behauptungen aus Geofaktoren ab. Er beschreibt in 4/5 des Buches physische Faktoren und
im letzten fünftel den Faktor Mensch.
Im Kapitel „Soziales“ steht folgendes:
„Bei allen Verschiedenheiten ... gehen gewisse gemeinsame Züge durch alle diese
(Mittelmeer-) Völker hindurch, welchen Stammes sie auch seien, die der
Einheitlichkeit ihres Lebensschauplatzes entstammen... Diese Eigenschaften der
mediterranen Menschheit, die ihr die Beschaffenheit des Mittelmeergebietes
aufgeprägt hat, sind teils geistiger und sozialer Art, teils zeigen sie sich in Wirtschaft
und Siedlungen.
Der Nachbar, der Fremde darf jederzeit eintreten und ist willkommen; die
weitherzigste Gastfreundschaft wird ausgeübt. Das ist im Grund die Folge des warmen
Klimas, das uns dazu zwing, im Sommer die Wohnräume der Luft zu öffnen...“
Die hohe Bedeutung des öffentlichen Raumes für soziale Beziehungen „... ist ein Zug
des menschlichen Lebens, der unmittelbar dem Klima entstammt.“
„Die mangelnde Gewohnheit sesshafter, ausdauernder geistiger Arbeit, die uns bei
dem Durchschnitt der südländischen gebildeten Stände entgegentritt, und sich so oft in
Oberflächlichkeit der Kenntnisse und Leistungen äußert, ist eine weitere Folge des
Lebens im Freien“.
Warum spricht man vom „logischen“ System der Geographie?
Grundlagen:
• Die Organisationsstruktur der Geographie wird als „Spiegelbild“ der geosphärischen
Realität interpretiert;
• Objektverständnis der klassischen Geographie.
Das Objektverständnis der Klassiker:
„Eine Wissenschaft kann nach drei generellen Kriterien von anderen Wissenschaften
ausgesondert werden: (1) durch einen spezifischen Forschungsgegenstand, eine spezifische
Domäne; (2) durch besondere Methoden, die zu dem besonderen Zweck geschaffen worden
sind, die Domäne zu erfassen; (3) durch ihre eigene Geschichte, welche die historische
Entwicklung von Begriffen und Methoden verfolgt und damit gestattet, eine Wissenschaft
stetig zu entwickeln. Von den drei genannten Kriterien zur Definition einer Wissenschaft ist
die Domäne als das Grundlegende erkannt, da im Kern konstant bleibend ...“H. CAROL, 1963 S. 25/26
Die Konsequenz:
„Wie ist die geographische Wissenschaft ihrem Forschungsobjekt gemäß aufzubauen?“ H.
CAROL, 1956, S. 111 Die Organisationsstruktur des Faches Geographie ergibt sich „logisch“ aus der
Struktur der Realität.
Immunisierung gegenüber jeder Kritik!
Zwei Dimensionen des Objektbegriffs:
Erfahrungsobjekt (Realobjekt): Gegenstandsbereich oder Ausschnitt der Realität, mit dem
sich eine Wissenschaft befasst.
Erkenntnisobjekt (Formalobjekt): Interessierender Aspekt des Gegenstandes, spezifische
Fragestellung der Disziplin.
18
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die Folgen des „substanz-zentrierten“ Objektbegriffs:
Beziehungen, Interrelationen und Wechselwirkungen zwischen Elementen der Realität
konnten nicht in die Objektdefinition der klassischen Geographie aufgenommen werden. →
Umdeuten von Relationen zu Substanzen, Gegenstände (=Vergegenständlichung der
Forschungsfragen)
Objekt der Geographie sei der „... Bereich der Erdhülle – der Litho-, Hydro-, Atmo-, Bio- und
Anthroposphäre – in seiner gesamten Ausstattung und Gestaltung. Die geographische
Wissenschaft sucht also das Wesen der Gesamtheit des Durchdringungsraumes der genannten
Sphären zu erfassen.“ H. HAHN, 1957, S. 38,
Aber niemand kann sagen was „Wesen“ eigentlich bedeutet → Finger weg von
Definitionen die „Wesen“ beinhalten!
„Vielmehr wird die räumliche Gesamtwirklichkeit als solche zum Forschungsgegenstand
gemacht“. J. SCHMITHÜSEN, 1964, S. 10
Totalitäts- und Allanspruch der klassischen Geographie: Umdeutung eines Programms zu
„Entitäten“ (Landschaften, Länder)
19
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die „Revolution“ am Kieler Geographentag 1969
Die „Vorboten“ der Revolution
• Hinweise auf eine Krise der „Einheitsgeographie“
„Der Zerfall der geographischen Geamtwissenschaft ist nicht mehr aufzuhalten, überall kracht
es in ihrem Gebäude und keine Stützen werden das Zusammenbrechen hindern können.“ A.
RÜHL, 1933 (!), S. 32
•
•
Kritik am Landschaftskonzept
Krise der Länderkunde
Der Kieler Geographentag
•
•
•
Fundamentale öffentliche Kritik an der Gesamtkonzeption der klassischen
Geographie;
„Agitatoren“: junge Dozenten mit soliden Kenntnissen der neueren
Wissenschaftstheorie und kritische StudentInnen;
Wohlbegründete Vorschläge für eine Neukonzeption des Faches, Kiel als Symbol
eines Umbruchs.
„Schlüsselpublikationen“ der Revolution
D. BARTELS, 1968, Zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung einer Geographie des
Menschen;
Er erkannte die Tatsache an, dass theoretische Grundlagen unbedingt notwendig seien. Er
wollte Geographie im Sinne der positivistischen Philosophie der Wissenschaft mit
wissenschafts-theoretischen Mitteln begründen.
G. HARD, 1970, Die „Landschaft“ der Sprache und die „Landschaft“ der Geographen.
Semantische und forschungslogische Studien zu einigen zentralen Denkfiguren in der
deutschen geographischen Literatur.
Er setzte sich mit dem Begriff „Landschaft“ sprachwissenschaftlich auseinander und stellte
gravierende Logikfehler fest.
Die „Logik“ des Landschaftsbegriffs
„Nach dem Anteil des Menschen unterscheidet man allgemein Naturlandschaft und
Kulturlandschaft, wobei zu beachten ist, dass zu einer Kulturlandschaft außer den natürlichen
Bestandteilen nicht nur die Einrichtungen der wirtschaftlichen Kultur gehören ... sondern auch
der Niederschlag und die Einflüsse der geistigen Verfassung ihrer Bewohner...
Bei der Zusammenschau natur- und kulturlandschaftlicher Merkmale zu den komplexen
Gebilden der Kulturlandschaft ...“ C. TROLL, 1950.
Kulturlandschaft
I n t e g r a t i o n
Naturlandschaft
Kulturlandschaft
Integration
Integration
Physische Geofaktoren, „Natur“
Kulturelle Geofaktoren, „Kultur“
Troll
behauptet
zuerst,
Naturlandschaft
und
Kulturlandschaft seien Co-Elemente.
Dann
jedoch
meint
er
Kulturlandschaft beinhalte Naturlandschaft,
sei
also
ein
Überbegriff.
KL ist also nicht gleich KL!!!
20
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Dieser Logikfehler wurde von allen damaligen Geographen übersehen und die Integration
nach Troll ohne zu überlegen übernommen.
Laut Hard besteht ein erstes Problem des Landschaftsbegriffes darin, dass er kein rein
wissenschaftlicher Term ist, sondern auf umgangssprachlich verwendet wird.
Die „Landschaft“ der Alltagssprache
„Landschaft1“ = „Gegend“, „Ansicht“, „Panorama“
„Landschaft2“ = „Areal“, „Bezirk“, „Gebiet“
„Landschaft3“ = künstlerisches Abbild der Landschaft1
Die „Landschaft“ der Geographen
1Landschaft ~ Systemzusammenhang der Geofaktoren in einem bestimmten Bereich der
Geosphäre
2Landschaft ~ Verbreitungsgebiet, Bereich der Dominanz eines bestimmten Phänomens
(„Hauslandschaft“, „Moränenlandschaft“)
1Landschaft ist mit 2Landschaft jedoch unkompatibel!
Funktionen sprachlicher Ausdrücke
• lexikalischer Aspekt (Semantik): Denotation, Konnotation
• syntaktischer Aspekt: Verknüpfungsregeln
• pragmatischer Aspekt: soziale Bedeutsamkeit des Sprechaktes (wer spricht zu
welchem Zweck mit wem?)
„Hypostasierung“ oder „Reifikation“
... bedeutet wörtlich etwa „Vergegenständlichung“, Verdinglichung eines bloß in Gedanken
existierenden Begriffs, Substantialisierung von Beziehungen.
Beziehungen, Interaktionen und Relationen werden „... in ontologisierender Manier für
gegenständliche Objekte gehalten.“ B. WERLEN, 1993, S. 42
Auf der Metaebene reden wir nicht über das Ding selbst, sonder über die Zeichen die wir für
das Ding verwenden. Wie wird der Begriff verwendet.
Folgerungen in der Metaebene können für Aussagen über die Realität gehalten werden. In
diesem Fall wird die Betrachtungsperspektive mit der realen Welt verwechselt. Die
Geographen meinten also die Art und Weise wie sie auf die Welt schauten, sei die Welt, das
Beobachtungsgerät wurde für die Welt gehalten.
Als Konsequenz daraus wurden Landschaften als Organismen angesehen, die mehr als die
Summer ihrer Teile waren.
Der Reifikationsprozess
Reflexionen über
„Landschaft“ auf der
Ebene der Metasprache
Ontologisierung = Relation zu einem
Gegenstand des Seienden machen
ONTOLOGISIERUNG
„Landschaft“ als Begriff der
Umgangssprache zur
„abgekürzten“ Benennung
der Relationen
Beschreibbar auf der
Ebene der Objektsprache
Von der „Idee“ der
Landschaft zum „Ding“
Relationen zwischen
Phänomenen der Erdoberfläche
→ LANDSCHAFT
21
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Konsequenzen und Grundlagen der Hypostasierung
• „Allanspruch“ der Landschaftsmethodologie („Totalcharakter“, „Totalbetrachtung“)
• Holismus und Organismus-Metaphern
• Affinität der klassischen Geographie zum Idealismus
Auf dem Weg zur Dekonstruktion der Realobjekte
Schon 1929 stellte Kraft die Unsinnigkeit dieses Allanspruches fest:
„Es kommt aber für eine Wissenschaft gar nicht so sehr darauf an, dass sie ein ihr allein
eigenes Gegenstandsgebiet hat, als dass sie ihr eigenes Forschungsziel hat, ihren besonderen
Gesichtspunkt, unter dem sie die Objekte betrachtet, auch wenn sie ihr mit anderen
Wissenschaften gemeinsam sind.“ V. KRAFT, 1929, S. 7
Deutlicher formulierte es Gerling, der meinte:
„Als ein wesentliches Erkenntnisziel der Geographie kann man die jeweils örtliche, regionale
und kontinentale Ausprägung des Bedeutungs- und Wirkungszusammenhangs der
Geofaktoren ansehen.“ W. GERLING, 1965, S. 20
Er beschreibt ziemlich genau das was die Klassiker auch versuchten zu definieren, gibt dem
ganzen aber keinen Namen, sucht es nicht in der realen Welt.
„Keine Wissenschaft wird also durch einen monopolistischen Anspruch auf bestimmte
,Objekte‘, ,Objektbereiche‘ oder durch ,eigene Methoden‘ ,gerechtfertigt‘, sondern durch das
Vorhandensein einer Klasse von logisch und arbeitsökonomisch mehr oder weniger
zusammengehöriger Fragestellungen und entsprechender Lösungsansätze.“ G. HARD, 1970, S. 178
Wie lassen sich Erkenntnisobjekte begründen?
Das anthropologische (pragmatische) Obligat (=verpflichtende Vorstellung) der Erkenntnis:
„Erkenntnis ist für den Menschen und er selbst ist ihr Schöpfer, sowie der ihrer Methoden.
Die sich dadurch ergebende Abhängigkeit der Erkenntnis, ihrer Methoden und
Voraussetzungen vom Menschen selbst soll ... als pragmatische Abhängigkeit verstanden
werden.“ W. LEINFELLNER, 1967, S. 14
Folgerung
Die Erkenntnisobjekte von Wissenschaften sind pragmatische Festsetzungen. Sie können
nicht durch den Verweis auf Gegebenheiten der Realität begründet werden.
Die wichtigsten Konstitutionsbedingungen von Erkenntnisobjekten
Erkenntnisobjekte haben drei zusammenhängende Wurzeln:
• subjektive Erkenntnisinteressen von Forscherpersönlichkeiten;
• der „Konsens der Fachgelehrten“;
• allgemeine gesellschaftliche Interessenlagen; Was die Welt gerade bewegt.
z.B.: Im 19.Jh.: Determinismus
In den 80ern: Ökologisierung der Wissenschaften
Heute: postmoderner Pluralismus
Die Klassiker übersahen den gesellschaftlichen Einfluss auf das EKO und meinten das Fach
ergebe sich nur aus der Natur.
Das Obligat der sprachlich-begrifflichen Repräsentation
„Erst wenn das Ergebnis des Erkenntnisprozesses in zusammenhängender begrifflichsprachlicher Form (,Sprache‘ ... im weitesten Sinn verstanden) vorliegt, kann man es sinnvoll
an Hand operativer und operationaler Kriterien überprüfen.“ W. LEINFELLNER, 1967, S. 15
22
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Das Prozessobligat der wissenschaftlichen Erkenntnis
Wissenschaftliche Erkenntnis entsteht in einem fortwährenden Prozess von Wahrnehmung,
begrifflicher Darstellung und theoretischer Deutung. Die Theorie wird an der Empirie erprobt,
was zu neuen Wahrnehmungen und Begriffen führt. Dies gibt Anlass für neue theoretische
Ansätze etc.
Erkenntnis ist ein Prozess der sich selbst steuert.
Das spieltheoretische Obligat der Erkenntnis
Es kann kein für alle Zeiten gültiges und absolut sicheres Wissen geben.
„Das im Spiel um die Erkenntnis errungene Wissen ist ... nur ein jeweils Optimales, und
dasselbe gilt für die Methoden und Kriterien des theoretischen Wissens.“ W. LEINFELLNER, 1967
Die Kieler Wende
Von den Landschaften und Ländern zur „raumanalytischen“ Geographie des „spatial
approach“
Grundlage: die „Philosophy of Science“
Ziel: Modernisierung des
raumanalytischen Disziplin.
Faches,
Umbau
zu
einer
quantitativ
ausgerichteten
Dieser Umbau war 1969 schon längst fällig, denn international (v.a. im englischsprachigen
Raum) hatte der Prozess bereits 1940 begonnen und wurde Ende der 1950er abgeschlossen.
Es war also ein Wandel zum internationalen Mainstream, weg vom deutschen Idealismus, hin
zum Neopositivismus.
Die „quantitative“ Revolution
23
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Das Programm der „quantitativen Revolution“
Ein neues Grundverständnis von Geographie als Wissenschaft
Ausgangspunkt: Bemühen um objektive Erfassung und Erklärung realer Sachverhalte.
„Die Erfassung von realen Sachverhalten bedeutet nämlich die Herauslösung distinkter
(=unterscheidbarer) Beobachtungstatbestände aus der zusammenhängenden Fülle aller
Wahrnehmung, beinhaltet ihre gedankliche Isolierung ... in einer gewählten Grundperspektive
der Welterfahrung.“
D. BARTELS, 1970, S. 13
„...die Erklärung von realen Sachverhalten bedeutet deren gedankliche Verknüpfung auf
Grund von vorhandenen Erfahrungen über regelhafte Züge der Wirklichkeit und gemäß neuen
Erwartungen und Annahmen über solche Invarianzen, beinhaltet die Voraussetzung
bestimmter Gesetze, Vermutungen und Theorien über ... bestehende Zusammenhänge.“
D. BARTELS, 1970, S. 13
„...aus den Theorien erwachsen die Aspekte der Beobachtung, aus diesen ergeben sich
Anstöße zur Bildung neuer Theorien, im Rahmen jeder Grundperspektive entwickelt sich ein,
Wechselspiel von Theorie und Erfahrung‘“. D. BARTELS, 1970, S. 13
Theorien und Modelle
„Eine wissenschaftliche Theorie kann als inhaltlich interpretiertes Modell verstanden werden,
ein Modell als rein formales, symbolisches Abbild des Verknüpfungssystems zwischen den
Sachverhalten, welche die Theorie erklären will. Ein Modell gibt nur die logische Struktur des
Erklärungszusammenhangs wieder ...“ D. BARTELS, 1970, S. 13
Eine Theorie stellt also den Sprachrahmen für Beobachtung dar.
Grundfragen geographischer Modellbildung
Es wird nicht mehr in der realen Welt gesucht um Raumeinheiten zu entdecken, sondern man
konstruiert Räume selber.
Beobachtungen geben Sachverhalte wieder, die wir als Dinge und als Merkmale der Dinge
interpretieren.
Merkmale: Attribute und Relationen
Zu den Attributen eines Dinges gehört seine räumliche und zeitliche Position (=Standort)!
Raum wird als Attribut von Dingen bezeichnet und nicht mehr als Seiendes Ding gesucht!
Während die Klassiker die Erdoberfläche noch als Gefüge von Objekten ansahen, stellt diese
für die Revolutionäre Standorte von Beobachtungseigenschaften dar. Es gibt kein
Totalgefüge, nicht alle stehen mit einander in Verbindung.
Choristische Deskription
Darstellung von Tatbeständen hinsichtlich ihrer Lage auf der Erdoberfläche als Punkte, Linien
und Flächen in einem Koordinatensystem. Wird als Propädeutik angesehen. D. BARTELS, 1970, S. 15
Das Koinzidenzprinzip
Die choristische Beschreibung erlaubt Aussagen über die räumliche Nähe und Ferne von
Sachverhalten bzw. die Feststellung räumlicher Koinzidenz oder Distanz.
Dies ist von Bedeutung, wenn bei Ursachen-Wirkungs-Interpretationen die räumliche
Koinzidenz für die Geltung eines kausalen Zusammenhangs vorausgesetzt wird.
24
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Räumliche Koinzidenz als „heuristisches Prinzip“
Das Koinzidenzprinzip wird gleichsam als „Hypothesengenerator“ eingesetzt.
Heuristik: methodische Anweisung oder Anleitung, die dazu dient, etwas Neues zu entdecken.
Analyse von Koinzidenzen
Ziel: Feststellen statistischer Gesetzmäßigkeiten bei Koinzidenzbeziehungen.
Methoden:
• Bestimmung relativer Häufigkeiten
• Korrelationskoeffizienten
• Komplex-Indizes
• inverse Assoziationskoeffizienten etc.
Quantitative Analyse von Geodaten, statistisch-mathematische Beweisführung
Beschreibungsmodelle räumlicher Verteilungen
Die choristische Darstellung von Einzeltatbeständen erlaubt eine gedankliche Ordnung der
Beobachtungen in Form von erdräumlichen Strukturmustern.
Areale: Gruppierung punktueller Standorte gleicher oder ähnlicher Sachverhalte.
Areale
... sind „relativ geschlossen und homogen gedachte Verbreitungseinheiten auf der
Erdoberfläche“. D. BARTELS, 1970, S. 17
Areale sind das Ergebnis einer gedanklichen Zusammenfassung von Einzelstandorten zu
größeren Raumeinheiten.
„Regionalisierung“: spezielle Form der klassenlogischen Begriffsbildung
Beziehungsareale
Die Elemente von Beziehungsarealen sind miteinander in irgendeiner Hinsicht verbunden,
über die Arealgrenzen hinaus sind keine oder nur geringe Beziehungen vorhanden.
Beispiel: räumliche Heiratskreise mit einem am Außenrand abbrechenden Intensivgeflecht
von Verwandtschaftsbeziehungen. D. BARTELS, 1970, S. 18
Räumliche Felder
Begriffliche Zusammenfassung gleichmäßig abgewandelter Sachverhalte.
Zentralfeld: Sachverhalte variieren distanzabhängig um einen Mittelpunkt.
Katena: gesetzmäßige Variation einer Erscheinung entlang eines Raumprofils.
Nearest-Neighbour-Methode
Es werden die zu erwartenden Verteilungsmuster mit den beobachteten
Verteilungsmustern verglichen.
Bestimmung von De: Messung der Distanzen zum jeweils nächsten
Nachbarn, Berechnung des Mittelwertes
N = Gesamtzahl der Standorte
A = Fläche des Untersuchungsgebietes
R=
De
Dt
Dt= 1/2√(N/A)
25
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Häufung und Streuung ländlicher Siedlungen
Quelle: D. BARTELS,
1970, S. 19
Chorologische Theoriebildung
Chorologische Theorien formulieren Annahmen über Regelhaftigkeiten, die zur Ausbildung
räumlicher Systeme im Sinne überörtlicher Zusammenhänge zwischen entfernten Standorten
führen.
Suche nach „Raumgesetzlichkeiten“
Distanz als Schlüsselvariable
Das Programm der Revolutionäre von Kiel
•
•
•
•
Umbau der Geographie zu einer modernen,
Erfahrungswissenschaft;
Suche nach eigenständigen „Raumgesetzlichkeiten;
Neukonzeption von Raumbegriffen;
choristische Analytik.
quantitativ
orientierten
Basisbegriffe der „raumwissenschaftlichen“ Geographie
Dargestellt in Anlehnung an:
M. BOESCH, 1989, Engagierte Geographie. Zur Rekonstruktion der Raumwissenschaft als
politik-orientierte Geographie. – Stuttgart, (= Erdkundliches Wissen, H. 98).
Vorüberlegungen
„Dem Ausdruck ,Raum‘ ist also zunächst zu misstrauen...“ (S. 42).
Es geht nicht darum, nach dem „wahren Wesen“ der Dinge „hinter den Begriffen“ zu fragen.
Nicht ontologische, sondern semantische Überlegungen sind anzustellen: „Wie, in welcher
Bedeutung, wird das Wort ,Areal‘ in welchem Zusammenhang verwendet?“ (S. 42)
Zweckmäßigkeit des Begriffsapparates
„Als unzweckmäßig erscheint es auch, eine Ausdrucks- bzw. Begriffspluralität zu akzeptieren
und ... dabei aber an begrifflicher Prägnanz zu verlieren ...“
„Ebenso problematisch ist es, einige Basisbegriffe als intuitiv zu akzeptierende ...
axiomatische Setzungen zu erklären, die keiner Diskussion zugänglich wären“ (S. 43).
Für Bösch besteht das Problem auch in der Verschränkung von Lage uns Sache, es bedarf
Begriffe die nur eine Lage beschreiben und „inhaltsleer“ sind. Stellen, Netze und Gebiete sind
solche Begriffe. Sie sind inhaltsleer und wenn sie Attribute aufweisen werden sie anders
benannt.
26
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
y
„Stelle“
Position
Quasi-Punkt auf der Erdoberfläche.
Stellen
besitzen
nur
Lageeigenschaften,
keine
eigentliche Ausdehnung und auch
x
keinen „Inhalt“. Sie lassen sich
durch Lagekoordinaten oder durch ihre relative Lage zu anderen Stellen (Position) festlegen.
Stellen sind maßstabsabhängig.
Distanz, Richtung, Netze
Zwei Stellen A und B stehen in Relation zueinander: Distanz y
und Richtung bezeichnen die Entfernung von A nach B bzw.
die Abweichung der Verbindung A-B von einer
Grundorientierung. Bei objektiv gegebener Position von A
und B lassen sich auch Distanz und Richtung objektiv
angeben.
Netze sind mehrere Verbindungen (=Kanten) zwischen Knoten.
Gebiete
B
A
x
y
Gebiete
sind
sachdimensional
nicht
spezifizierte
Teilbereiche der Erdoberfläche. Ihre Abgrenzung ist
A
grundsätzlich beliebig und wird vom Betrachter definiert,
das heißt die Grenzen existieren in der Natur nicht, sondern
werden pragmatisch zugeschrieben. Je nach Zwecksetzung
kann die Größe, Form und Lage variieren (=diese sagen aber nichts über den Inhalt aus, ein
Gebiet ist inhaltsleer). Es kann sich um administrative Territorien, Rasterfelder oder andere
zweidimensionale Strukturen handeln.
x
Verschränkung von Lage und Sachaussage
An Stellen und Gebieten befinden sich beliebige „Objekte“, finden „Ereignisse“ statt. Dies
wird als „Ausstattung“ der Stelle oder des Gebietes bezeichnet.
y
Gebäude M
Mischwald
x
Standort
Eine Stelle verbunden mit Sachattributen wird als „Standort“ bezeichnet. „Standort“
bezeichnet also nicht allein die Position, aber auch nicht nur die „Ausstattung“, sondern die
Verknüpfung beider Aussagen.
Areal
y
X
Ein Gebiet, das durch eine gleiche Sachausstattung
Kalk
gekennzeichnet ist.
Areal beschreibt ein exklusives Verbreitungsgebiet
für X. Areale haben gleiche und invariante
(=Qualität und Quantität an alles Stellen des Areals in etwa gleich) Sachausstattung
x
27
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Feld
Ein Gebiet, in dem eine Sacheigenschaft regelhafte variante
Merkmalsausprägungen aufweist, die von der Distanz zu einer
bestimmten Stelle abhängig sind, z.B.: Zentralität/Peripherie.
Schroll Philip, 0704672
y
x
Bedeutungsvarianten des Begriffes „Region“
Bosch hat hier nur 3 Bedeutungen angeführt, mittlerweile gibt es aber auch eine vierte.
Methode des Konstruktionsprinzips:
Regionen sind Methodische Konstrukte für quantitative Analysen. Durch Regionalisierung
entstehen Regionen, dabei handelt es sich um Artefakte (= methoden- und zweckabhängig) →
resultieren aus sozialer Praxis; Regionen sind also Produkte analytischer Regionalisierung.
Territorien sind normative Regionen die sich aus staatlichen Verwaltungsgebieten ergeben,
z.B.: Gemeinde, Land, Staat, Staatenbund
Definitions ÄhnlichkeitsFunktionale
GültigkeitsLebensweltliche
-kriterium prinzip
Verflechtungen bereich
Regionen
von Normen
Homogene
FunktionalProgrammregion, WahrnemungsGängige
regionen;
Regionen, formal
Nodalregion,
Planungsregion,
Bezeichregion,
Verflechtungsnormative Region Identitätsregionen
nung
Strukturregion
bereich
Alltagsweltliche
Interaktionen
Räumliche
Bedeutung Gebiete, die in
kognitive
Bezug auf ein
zwischen den
„Gestaltungsbestimmtes
Struktur,
räumlichen Teil- einheiten“,
Attribut
Projektionsfläche
elementen eines GültigkeitsÄhnlichkeiten
Untersuchungs- bereiche von
von Ich-Identität
aufweisen, werden gebietes
Normen,
zu einer Region
→ verhaltens(Pendlerpolitischzusammengefasst
beziehungen,
wissenschaftadministrative
(Regionalisierung) zentralörtlicher
Aktivitätsliches Paradigma
Einzugsbereich) regionen
Zwischenbilanz
Klassische Geographie
Raumwissenschaftliche Geographie
Landschaften und Länder
Stellen, Gebiete, Standorte, Areale, Felder
und Regionen
Organismische Raumeinheiten
Taxonomische Raumeinheiten
Gestaltqualitäten der Realität
Methodische Konstrukte
Das Klassische Raumkonzept wurde verworfen, weil es nicht quantitativ einsetzbar war und
Hyperstasierung … Neue Raumkonzepte wurden von vornherein als Artefakte geplant und
waren möglichst präzise um operationalisiert werden zu können.
28
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die
Revolution:
ein
Paradigmenwandel
Erklärungsansätze der Wissenschaftstheorie
–
Kuhn beschrieb als erster die sozialen Elemente des Wissenschaftsprozesses. Seiner Meinung
nach würden „Revolutionen oder revolutionäre Umbrüche“ immer wieder kommen;
„Evolutionstheorie“ der Wissenschaften.
„Paradigma“
Das Wort „Paradigma“ wird in zwei Bedeutungen verwendet:
1.) in einem allgemeinen Sinn in der Bedeutung „Beispiel“ oder „Musterbeispiel;
2.) als spezifischer Fachausdruck der Theorie von Thomas S. KUHN.
„Paradigma“ im Sinne von KUHN
Unter einem Paradigma versteht man eine forschungsleitende Perspektive oder Sichtweise
(=alle Konzepte und Annahmen einer Wissenschaft) die für eine bestimmte Zeit und
bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern konsensbildend ist.
Der Entwicklungsprozess der Forschung nach KUHN
Protowissenschaftliche
Am Anfang steht die mühsame Suche nach Fakten. Es liegen
oder vorparadigmatische noch keine Selektionskriterien der Datenerhebung in Form von
Phase
Hypothesen und Theorien vor.
Normalwissenschaftliche Es existieren verbindliche und als adäquat angesehene Konzepte
Phase
und Beschreibungskategorien zur Darstellung und Erklärung der
Realität; man verfügt über bewährte Strategien zur Lösung
fachlicher Probleme.
Es entstehen verschiedene Schulen, sie kommen in Streit, schließlich kann sich eine
besonders hervortun und siegt letztlich über die anderen. Es kommt zur Konsultierung, es
wird „aufgeräumt“ und damit kommt es zu einer Einschränkung der Methoden. Alles läuft
nun darauf hin das Paradigma zu bestätigen und bestehende Schubladen zu füllen, dabei
bemüht man sich nicht mehr neue Wege und Zugänge zu finden (Neues wird sogar beharrlich
unterdrückt).
Funktionen eines Paradigmas
• Ausbildung von dogmatischen Überzeugungen, die gegen alle Einwände gesichert
erscheinen;
• Basiskonzepte werden gleichsam „außer Streit“ gestellt; man kann sich vertiefen ohne
lästige Grundsatzdebatten führen zu müssen.
• soziale Bedeutsamkeit: das Erlernen des Paradigmas ist ein Sozialisationsprozess, der
zu einem „gemeinsamen Weltbild“ führt.
„Minimalbestandteile“ eines Paradigmas
• Symbolische Verallgemeinerungen („abgekürzte Redeweisen“) z.B.: Siedlung; jeder
weiß was gemeint ist, niemand kann es definieren.
• ontologische Modelle: über die Seienden Dinge
• heuristische Modelle: bewährte Struktur zur Problemlösung; „Kochbuch“
• Werte und normative Festlegungen
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Symptome einer Grundlagenkrise von Paradigmen
• Intensivierung methodisch-konzeptioneller Diskussionen; Die methodischen
Instrumente werden als unzureichend empfunden.
• Entwicklung eines „Krisenbewusstseins“;
• Ausbrechen offener Unzufriedenheit bei bestimmten Teilgruppen der „Scientific
Community“.
Die Bühne für eine Revolution wird aufgebaut.
Ein neues Paradigma tritt auf den Plan
• Verheißung einer neuen Weltsicht;
• grundlegend neue ontologische, heuristische und methodische Modelle, neue
normative Festlegungen;
• andersartige Probleme, andere Lösungsansätze.
Das zentrale Problem der Neuerer:
Die Vorzüge des neuen Paradigmas lassen sich nicht mit rationalen Argumenten plausibel
machen, denn sie beruhen ebenfalls auf axiomatischen Vorannahmen. Aus der Sicht ihrer
Gegner (der Anhänger des „alten“ Paradigmas) sind diese Begründungen nur
„Scheinargumente“.
Axiomatisch = denknotwendig vorausgesetzt. Ein Axiom ist ein oberster, als richtig
vorausgesetzter Grundsatz, der selbst nicht mehr beweisbar und unbestreitbar ist.
Die „Entscheidungsschlacht“
• Die Auseinandersetzung zwischen den konkurrierenden Paradigmen hat den Charakter
eines „Glaubenskrieges“; Es gibt auch Ambivalente, sie sehen die Probleme, sind aber
dem Alten verbunden
• das „Old Establishment“ setzt sich mit allen disziplinpolitischen Mittel zur Wehr und
nutzt die bestehenden Machtpositionen für die Verteidigung.
Schließlich kann sich das neue Paradigma durchsetzen („biologische Lösung“).
Implikationen des KUHNschen Entwicklungsmodells
• Die Geschichte von Wissenschaften ist durch einschneidende Traditionsbrüche
gekennzeichnet;
• bestimmte Phasen der Fachgeschichte lassen sich sehr umfassend mit dem Konzept
des Paradigmas beschreiben;
• Ein Paradigmenwechsel bewirkt die Zerstörung eines sozialen Bezugsrahmens.
Paradigmenwandel als revolutionärer Prozess - die „radikale“ Lesart KUHNs
„normalwissenschaftliche Phase“ P 1
„Anomalien“
„normalwissenschaftliche Phase“ P 2
In der normalwissenschaftlichen
Phase ist immer nur ein
Paradigma vorhanden!
t
P 1 ist inkommensurabel mit P 2
(P1 und P2 sind rational unvergleichbar; diese These ist heute nicht mehr haltbar)
30
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die axiomatischen Grundlagen von Paradigmen
• Erkenntnisobjekte werden im Rahmen von Paradigmen postuliert und durch einen
Paradigmenwandel verändert; Es kann keine Wissenschaft wissenschaftstheoretisch
begründet werden, es muss immer eine axiomatische Basisentscheidung getroffen
werden.
• auch die Wissenschaftstheorie gründet auf axiomatischen Vorannahmen und
Setzungen, die nicht „beweisbar“ sind.
Vorentscheidungen der Philosophie
Die Tatsache, dass man in der Philosophie nicht ohne gewisse Entscheidungen auskommt ist
neuerdings von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden.“
H. ALBERT, 1961, S. 508
(Verweis auf K. R. POPPER, V. KRAFT, P. K. FEYERABEND und W. STEGMÜLLER.)
Normative Konzeptionen
„Auch die Auffassung, dass es keine Aussagen geben dürfe, die der rationalen Diskussion und
der kritischen Überprüfung im Lichte der Logik und der Erfahrung prinzipiell entzogen sind,
geht auf eine Entscheidung zurück, nämlich die Entscheidung zum Rationalismus, der
insofern eine normative Konzeption ist.“
H. ALBERT, 1961, S. 508/9
Rationalismus als nicht begründbares methodisches Prinzip
„Die Anerkennung einer solchen Auffassung schließt eine dogmatische Begründung ...
prinzipiell aus ... Ein so formulierter Rationalismus ist nicht eine ontologische Auffassung
über die Beschaffenheit der Welt und ihre Erkennbarkeit, ... sondern nur ein methodisches
Prinzip ...“
H. ALBERT, 1961, S. 509
Weitere methodische „Setzungen“ bei den empirischen Wissenschaften
Entsprechend der spezifischen Zielsetzung einer Disziplin sind axiomatische Vorannahmen zu
treffen:
• Festsetzungen bezüglich der Relevanz von Beobachtungen;
• Festsetzungen, welche die intersubjektive Prüfbarkeit von Aussagen betreffen.
Beispiel: „Falsifizierbarkeits-Kriterium“
Eine erfahrungswissenschaftliche Theorie ist grundsätzlich so zu formulieren, dass sie die
prinzipielle Möglichkeit aufweist, an der Erfahrung scheitern zu können.
Die Folgerung:
„Wer derartige methodische Festsetzungen nicht anerkennt, kann natürlich niemals mit
rationalen Mitteln gezwungen werden, seine Überzeugung zu revidieren. Letzten Endes geht
die Lösung aller Gültigkeitsprobleme auf solche Basisentscheidungen zurück. Nur wer sie
anerkennt, muss die Gültigkeit bestimmter inhaltlicher Aussagen zugeben.“ H. ALBERT, 1961, S. 509
Konsequenzen für den Vergleich von Paradigmen
Weil die grundlegenden Vorentscheidungen der Wissenschaftstheorie auf normativen
Setzungen basieren, kann es keine objektive und endgültige vergleichende Bewertung von
Paradigmen geben.
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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
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Paradigmenwandel – Eine unendliche Geschichte
Die Entwicklung in der Geographie des englischen Sprachraums
•
•
Die quantitative Revolution setzte hier wesentlich früher ein, verlief eher evolutionär
und war Anfang der 60er Jahre weitgehend abgeschlossen;
Anfang der 70er Jahre zeichnete sich im englischen Sprachraum bereits der nächste
Paradigmenwandel ab. Am US-Geographentag in Bosten wurde das fehlen von
Normen und Werten im spatial approach kritisiert.
Die „soziale Revolution“:
Ausgangspunkt der Krise des Spatial Approach waren Fragen der „sozialen Gerechtigkeit“.
Neue Problemstellungen:
• Wem nützt eine bestimmte räumliche Struktur?
• Wem schadet sie?
• Wer profitiert, wer wird ausgeschlossen?
Es sollen die sozialen Strukturen hinter räumlichen Verteilungen erforscht werden.
Zwei neue Ansätze:
„Radical Geography“ – marxistische Theoriepraxis; Innovatoren: D. HARVEY, 1973 a und b,
R. PEET, 1977
„Welfare Geography“ – Innovatoren: D. M. SMITH, 1977, D. MORILL, 1973.
Neue Kategorien der Realität treten in den Vordergrund: Klassen, Schichten, Macht,
Herrschaft, Ausbeutung, Konflikt, Nutzen, Schaden, Profit, Gerechtigkeit ...
Das verhaltenswissenschaftliche Paradigma: „What about people in geography“?
Zentraler Kritikpunkt: die im raumwissenschaftlichen Ansatz fehlende Bezugnahme auf das
menschliche Individuum und seine subjektive Wahrnehmung und Wertung der räumlichen
Umwelt.
Die zentrale These des verhaltenswissenschaftlichen Paradigmas:
Das Verhalten des Menschen gegenüber der räumlichen Umwelt richtet sich nicht
nach den objektivierbaren Strukturen der Realität, sondern ist von seinen subjektiven,
vielfach verzerrten, gefilterten und gedeuteten Vorstellungen über die Wirklichkeit
abhängig.
Das Programm des verhaltenswissenschaftlichen Paradigmas:
• Wie wird die räumliche Umwelt des Menschen wahrgenommen?
• Wie sieht die kognitive Weiterverarbeitung der Sinneswahrnehmung aus?
• In welcher Weise hängt das „raumrelevante“ Tun des Menschen vom subjektiv
wahrgenommenen und bewerteten Image der Realität ab?
Verhaltenswissenschaftliche Regionskonzepte: → S. 27
Es sollten lebensweltliche Regionen erforscht werden; Wahrnehmungsregionen (= Sicht von
außen) und Identitätsregionen (= Sicht von innen, man verknüpft die Ich-Identität mit der
Region.
Die Geographie entdeckte die soziale Relevanz für sich.
32
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Ein Zwischenresümee:
Zum Zeitpunkt der „Kieler Revolution“ existierten im englischen Sprachraum vier
eigenständige Paradigmen nebeneinander:
• die „klassische“ Schule von C. SAUER,
• der „Spatial Approach“,
• die „Radical Geography“,
• und die „Behavioral Geography“.
Widerspruch zur Theorie von KUHN!
Die weitere Entwicklung im englischen Sprachraum:
Die Ausdifferenzierung der Paradigmen wird fortgesetzt:
Humanistic Geography:
Der Mensch wird als autonomer Handlungsträger angesehen; Rekonstruktion von Sinn- und
Bedeutungszusammenhängen; „Place“ (= subjektive Bedeutung von Raum).
Erkenntnistheoretische Hintergrundpositionen:
• Existenzialismus, Pragmatismus und Idealismus;
• Phänomenologie (HUSSERL)
Schlüsselautoren: Y.-F. TUAN, A. BUTTIMER, E. RELPH.
Die Rückkehr der Lebenswelt und der qualitativen
Ansätze:
Strukturalistisch-marxistische Geographie
33
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Das Paradigma der feministischen Geographie:
Hintergrundphilosophie: Feminismustheorien
Wichtige Begriffe: Gender, Patriarchat, Reproduktion, Androzentrismus,Gewalt
SchlüsselautorInnen: L. McDOWELL, S. HANSON
Die „Neue Regionale Geographie“ – Paradigma oder erst Paradigmen-kandidat?
Gegenposition zur klassischen Länderkunde: Regionen werden als sozioökonomische
Beziehungsmuster gedeutet, die in einem bestimmten physisch-materiellen Kontext ablaufen.
New Regional Geographie
Theoretische
Hintergrundpositionen:
Strukturationstheorie
Regulationstheorie (M. AGLIETTA), Netzwerk- und Milieutheorien.
Schlüsselautoren: N. THRIFT, G. WOOD, R. DANIELZYK
(A.
GIDDENS),
Das handlungstheoretische Paradigma in der Geographie
Disziplinübergreifende Orientierung in den Sozialwissenschaften.
Erste programmatische Hinweise finden sich bei folgenden Autoren: E. WIRTH, 1981, P.
SEDLACEK, 1982, B. WERLEN, 1983 oder 1987, P. WEICHHART, 1981 oder 1986.
Gegenposition zum verhaltenswissenschaftlichen Paradigma:
Kritik: Der Mensch werde dort gleichsam als „Automat“ dargestellt, der auf äußere Anstöße
bloß reagiert.
„Handeln“ als intentionales Tun, das auf einen subjektiven Sinn bezogen ist;
Humanteleologische Erklärungsmodelle.
Gegenposition zum raumwissenschaftlichen Paradigma:
Der „Raum“ könne nicht Ursache von etwas sein. Die Erforschung menschlichen Tuns hat die
Sinnzusammenhänge der sozialen Welt zu berücksichtigen → Geographie als
Sozialwissenschaft
Hauptvertreter: B. WERLEN (Jena)
Das humanökologische Paradigma
Ontologische Ausgangshypothese: Mensch (Kultur, Gesellschaft) und Natur sind keine
dichotomen Gegensätze, sondern müssen als Aspekte eines ganzheitlichen Zusammenhanges
begriffen werden.
Erkenntnisobjekt: der Mensch in der Natur
Theorem: Die Welt besteht aus hybriden Phänomenen, die sich einer Klassifikation nach
der Theorie der drei Welten von K. POPPER entziehen. Nicht-dichotomes Konzept von
Subjekt (Individuum) und Gesellschaft.
Hauptvertreter: D. STEINER (Zürich), P. WEICHHART (Wien), W. ZIERHOFER (Basel)
Poststrukturalistische Ansätze
Ontologische Ausgangshypothese: Die „Wirklichkeit“ ist das Produkt sozialer Konstruktionen
(Konstruktivismus). Die Sicherheit des Wissens und der Vernunft werden radikal in Frage
gestellt.
Zentrales Element: Sprache als Ort der Konstruktion gesellschaftlicher Realität.
Die gesellschaftliche Realität wird in Diskursen produziert (M. FOUCAULT). Solche
„Wirklichkeiten“ können durch Dekonstruktion (J. DERRIDA) als diskursiv erzeugte
Strukturen entlarvt werden.
Autoren: J. HASSE (Frankfurt), W. ZIERHOFER (Bern), D. REICHERT (Kassel)
34
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Kulturalistische Ansätze
Teilaspekt des Poststrukturalismus (?), „Kultur“ als Schlüsselkonzept. Unter „Kultur“ werden
alle Praktiken der Sinnzuschreibung verstanden (Diskurse).
„... everything in human affairs is a matter of culture (since nothing exists outside of cultural
meaning)“.
(D. MITCHELL, 2000, S. 11)
Paradigmenwandel?
Phänomen der Koexistenz rivalisierender Paradigmen!
Die Geographie als „Multiparadigmen-Spiel“
35
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Die Koexistenz rivalisierender Paradigmen – eine Revision
der KUHNschen Theorie
Die deutschsprachige Geographie – eine „verspätete“ Wissenschaft
•
•
Die „positivistische Wende“ setzte gegenüber dem englischen Sprachraum mit
erheblicher zeitlicher Verspätung ein;
die Sondermethodologie führte zum „Exzeptionalismus“ und damit zu einer
Abschottung gegenüber der generellen Wissenschaftsentwicklung.
Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen
•
Die verspätete Rezeption des raumwissenschaftlichen Paradigmas fällt mit dem
nächsten Paradigmenwandel im englischen Sprachraum zusammen;
• dies gilt auch für das verhaltenswissenschaftliche Paradigma.
Anfang und Ende des Paradigmenzyklus finden praktisch zeitgleich statt!
„Raumstrukturforschung“
• Eher analytische Vorgehensweise, es werden auch komplexere statistische und
choristische Methoden eingesetzt;
• ausdrückliche Vermeidung der Landschaftsmetaphorik;
• „Ersatzbegriffe“: Raum und Region
Tendenz zur Hypostasierung, pragmatischer Empirismus
Die „Paradigmenlandschaft“ der gegenwärtigen Geographie
•
•
•
•
•
•
•
Landschaftsgeographie
"Raumstrukturforschung"
Raumwissenschaftliche Geographie
Welfare Geography
Radical Geography
Marxistische
(strukturalistische)
Geographie
Feministische Geographie
•
•
•
•
•
•
•
Verhaltensgeographie
Humanistische Geographie
Neue Regionale Geographie
Handlungstheoretische Geographie
Humanökologische Geographie
Poststrukturalistische Geographie
Kulturalistische Geographie
Paradigma
Landschaftsgeographie
Kurzcharakteristik
Persistenzform der klassischen „Einheitsgeographie“. Annahme
eines erdraumspezifischen Systemzusammenhanges zwischen
„Kultur“ und „Natur“. „Räume“ werden als organismische
Gegenstände aufgefasst. Neuere Variante (seit Kiel):
„Raumstrukturforschung“.
Konzentration
auf
materielle
Strukturen.
Raumwissenschaftliche
Geographie
Neopositivistisch orientierter quantitativer Ansatz, der nach
spezifischen „Raumgesetzlichkeiten“ sucht. „Räume“ werden als
Produkt eines klassenlogischen Kalküls angesehen.
Familie
der „Welfare geography“, „radical geography“, marxistische
Geographie und feministische Geographie.
politischemanzipatorischen Paradigmen Gemeinsames Kennzeichen: raumstrukturell fassbare soziale
Ungerechtigkeiten
sollen
aufgehoben
werden.
Die
Wertneutralitätsthese wird strikt verworfen.
36
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Familie der subjekt- Landnutzungssysteme und die räumlich-materiellen Ausprägungen
der Kultur werden als „Produkte“ menschlichen Tuns gesehen. Im
orientierten
Zentrum von Verhaltensgeographie, handlungstheoretischer
Paradigmen
Geographie
und
humanistischer
Geographie
stehen
subjektzentrierte Raumbegriffe. Teilweise humanteleologische
Erklärungsmodelle.
Neue Regionale
Geographie
Neuinterpretation des Regionsbegriffs. Regionen werden als
emergente Phänomene angesehen, die auf der Räumlichkeit
sozialer und ökonomischer Beziehungen gründen.
Humanökologische
Geographie
„Transaktionistische“
Erklärungsansätze,
systemtheoretische
Ausrichtung. Zentrale Annahme: Die Welt besteht aus hybriden
Phänomenen, die sich einer Klassifikation nach der „Natur-KulturDichotomie“ oder der Drei-Welten-Theorie entziehen. Zur Zeit
eher „Kümmerform“ eines Paradigmas („Konjunkturaufschwung“
erkennbar).
Poststrukturalistische
Geographie
Poststrukturalistische
Neukonzeption
der
Geographie;
relativistische und relationale Ansätze, Abkehr vom
„Logozentrismus“;
Fokussierungswerte:
(De)Konstruktion,
Diskursanalyse, Hybridität, „gleitender Sinn“, ...
(vergl. N. GELBMANN und G. MANDL, 2002)
„Neue
Kulturgeographie“
Neukonzeption von „Kultur“ als soziale Praxis der
Sinnzuschreibung und der sinnhaften Deutung der Welt;
qualitative, interpretative und hermeneutische Verfahren;
Grundannahme: die soziale Realität ist sozial konstruiert und
kulturell vorinterpretiert.
(vergl. H. H. BLOTEVOGEL, 2003)
Empirischer Befund in den Nichtnaturwissenschaften: Paradigmenpluralismus
P1
P2 P3
P4
P5
Dem Paradigmenpluralismus entspricht auch ein Pluralismus der Theorien. Entgegen der
Theorie Kuhns sterben alte Paradigmen offenbar nicht aus, sie werden nur schwächer,
existieren dann aber weiter. Und das, obwohl sich die Theorien der einzelnen Paradigmen oft
diametral widersprechen!
37
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Zwischen den Vertretern der verschiedenen Paradigmen kommt es zu Mehrfrontenkämpfen
und um ein verfeindetes Paradigma zu bekämpfen bedient man sich nicht selben der
Argumente eines anderen Paradigmas, mit dem man eigentlich auch im verfeindet ist.
Spezialforschungsbereich F012 an der Universität Salzburg:
Theorien- und Paradigmenpluralismus in den Wissenschaften Rivalität, Ausschluss oder
Kooperation
Der Paradigmenbegriff des SFB
Methodologischer
Rahmen
PARADIGMA
Epistemologische Werte
Methodologische Werte
Fokussierungswerte
Theorie
1
TheorieTheoriekern
Theorie
2
Theorie
3
Forschungsprogramm
Drei Paradigmen im Vergleich
Paradigma
Raumwissenschaftliches
Paradigma
„Raumtheorien“
Theoriekern
ObjektivEpistemologische
distanzierend,
Werte
Wertneutralität
bejaht
Quantitativ,
Methodologische
mathematische
Werte
Repräsentation
Raum, Distanz,
Thematische
Richtung,
FokussieKonnektivität
rungswerte
Handlungstheoretisches
Paradigma
Handlungstheorien
Objektivdistanzierend,
Wertneutralität
bejaht
Qualitativ,
natursprachliche
Repräsentation
Handlung, Subjekt,
Intentionalität,
alltägliche
Regionalisierung
Feministisches
Paradigma
Feminismustheorien
Subjektivteilnehmend,
Wertneutralität
abgelehnt
Qualitativ,
natursprachliche
Repräsentation
Gender,
Androzentrismus,
Gewalt
Reaktionen auf den Paradigmenpluralismus
In der deutschsprachigen Geographie:
• Der Paradigmenpluralismus wird als unangenehm empfunden, man möchte nicht
darüber reden, betreibt beinahe Realitätsverweigerung!
• die jeweils „anderen“ Paradigmen werden oft als „deviantes Verhalten“ interpretiert,
nur das eigene als „wahr“ und zielführend anerkannt.
38
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Ein Beispiel:
Wenn Benno WERLEN „... das klassische Paradigma der Geographie ...“ nicht passt, dann
möge er sich doch eine „ihm genehmere Disziplin suchen“. Das sei einfacher, als „das
Paradigma der Geographie“ WERLENs abweichender Meinung anzupassen. H. KÖCK, 1997, S. 89,
Anmerkung: Köck war am Kieler Geographentag einer der Revolutionäre! Und nun bedient er
sich beinahe der selben Argumente die einst die Klassiker mit ihrem Logischen System
verwendeten um den spatial approach aufzuhalten.
In der englischsprachigen Geographie:
Seit Anfang der 80er Jahre wird die Geographie als Disziplin mit einer ausdrücklich
multiparadigmatischen Struktur beschrieben, was als wesentliches Element der Fachidentität
anzusehen sei.
Vergl. z. B. M. E. HARVEY und B. P. HOLLY, Hrsg., 1981, R. J. JOHNSTON, 1983 und
1986, P. CLOKE, C. PHILO u.D. SADLER, 1991
Strategien zur Bewältigung des Paradigmenpluralismus
Kognitive und fachpolitische Bewältigungsstrategien:
Reaktionstyp
Vertreter
Konsequenzen
„Menfoutisten“
Blockade
neuer
Ansätze,
Abkoppelung,
Ignoranz
(=“Die denen es Abschottung durch Zitierkartelle, einseitige
wurscht ist“)
Berufungspolitik.
Die Gruppe der Ignoranten ist besonders groß.
Dogmatisches
Beharren
„Bischöfe“
(eigenes Paradigma
ist
allein
seligmachend)
Aktive
Blockade
und
Unterdrückung
konkurrierender
Paradigmen;
ablehnende
Gutachten,
selektive
Einladungsund
Berufungspolitik.
Ablehnung der "VereinheitlichungsIdealisten"
Paradigmenvielfalt
Negative Beurteilung des Erkenntnisrelativismus,
nach langer Auseinandersetzung zu dem Ergebnis
gekommen
dass
Pluralismus
nicht
zufriedenstellend ist → es kann letztlich nur ein
Paradigma richtig sein und die Wahrheit
beschreiben; dezisionistische (=pragmatische
Entscheidung
machen
ohne
Grundlage)
Fachpolitik,
letztlich
ebenfalls
einseitige
Berufungspolitik.
Evolutionärer
Pragmatismus
"ErkenntnisDarwinisten"
Paradigmenvielfalt wird versuchsweise akzeptiert,
denn die Geographie sei noch keine echte
Wissenschaft, es müsse noch probiert werden;
vorsichtige Öffnung; Paradigmenvielfalt als Mittel
zum Zweck, liberale Berufungspolitik, Toleranz.
Akzeptanz
"KomplementaritätsIdealisten"
Erkenntnispluralismus und Paradigmenvielfalt
werden als Ziel akzeptiert, die Paradigmen
ergänzen einander → Mehrwert; grundsätzliche
Offenheit
bei
Berufungspolitik
und
programmatischen Entscheidungen.
39
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Paradigmen als
„Komplementoren“
Schroll Philip, 0704672
P2
Paradigmenpluralismus:
„R“
P1
STÄRKE,
nicht
SCHWÄCHE
einer
Disziplin
P3
Quelle: P. WEICHHART, 2000, S. 488
Paradigmenspezifische
Modelle der „Realität“
GKPD/04/03/24
Fragen die zu den letzten Prüfungen gekommen sind:
Hautphasen der Objektbetrachtung in der Humangeographie:
Die Phasen ersetzen einander nicht sondern ergänzen einander.
1. Geodeterministische Phase:
Erscheinungen der Kultur sind durch Naturgegebenheiten bestimmt. Natur beeinflusst
Kultur.
2. Physiognomisch-morphologische und historisch-genetische Perspektive:
Beschreibung und Klassifikation der äußeren Gestalt von Phänomene, Herkunft und
Entstehungsgeschichte.
3. Funktionale Phase:
„Stoffwechsel“ und „Physiologie“ der Landschaft. Z.B: funktionale Stadt-Umland
Beziehungen.
4. Raumwissenschaftliche Phase:
Suche nach Raumgesetzen, quantitative Zusammenhänge
5. Verhaltenswissenschaftliche Phase:
Die Welt in unseren Köpfen – Wahrnehmung und Bewertung.
6. Handlungstheoretische Phase:
Die Kulturlandschaft als Produkt beabsichtigte und unbeabsichtigte Folgen
menschlichen Handelns.
7. Kulturwissenschaftliche Phase
40
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
3 Dimensionen von Wissenschaft:
Wissenschaft als System von Aussagen:
- Wahrheitsanspruch (Aussagen gelten solange als „wahr“ bis das Gegenteil bewiesen
ist)
- Aufstellen von Erklärungen (das Hauptaugenmerk von Wissenschaft)
- Suche nach Gesetzlichkeiten (Theorien; keine Theorien ohne Wissenschaft;
Generalisierung)
Wissenschaft als Tätigkeit:
- Streben nach inhaltlicher Wahrheit und formaler Korrektheit (Forschungsergebnisse
und Prozesse müssen nachvollziehbar und belegbar sein)
- Beweis- und Begründungspflicht
- Methodische Nachvollziehbarkeit
Wissenschaft als soziales System:
- Organisatorisch-institutionelle Struktur (Räumlichkeiten, soziale Interaktion)
- Spielregeln und Normen (Gesetze und Kriterien)
- Soziale Eigendynamik (Geltungsbedarf von Egos, Macht)
Konzept Analyse räumlicher Kovariation, Strandbeispiel, zu
welchem Paradigma gehört es?
Vergleichende Gegenüberstellung von zwei oder mehr Verteilungsmustern
unterschiedlicher Phänomene im gleichen Untersuchungsgebiet.
Unter räumlicher Kovariation versteht man ein Indiz (kein Beweiß!) für den kausalen
Zusammenhang zwischen den betreffenden Variablen. Kovariation ist nicht dasselbe wie
Korrelation, sie kann im Zufall oder einer gemeinsamen Abhängigkeit von einer dritten
Variable begründet sein. Unter Umständen messen auch beide Variablen das gleiche
Phänomen.
Im Strandbeispiel von Peter Hagget wird räumliche Kovarianz anhand der Variablen
Besucherdichte und Umweltqualität erklärt. Hagget nahm and, dass die Hypothese, zwischen
Besucherdichte und Strandqualität bestünde ein positiver Zusammenhang, sich auch in den
räumlichen Verteilungsmustern widerspiegeln würde. Die Position dieser Phänomene wurde
kartiert, die räumliche Kovariation analysiert. Hierbei sind folgende Ergebnisse möglich:
Ausgeprägte positive Kovariation: Die Besucherdichte ist dort am höchsten wo die
Strandqualität am besten ist.
Ausgeprägte negative Kovariation: Die Besucherdichte ist dort am höchsten wo die
Strandqualität am niedrigsten ist.
Keine Kovariation: Es besteht kein Zusammenhang zwischen den Variablen.
Haggets Vorgehensweise ist ein typischer Ansatz des spatial approachs.
Systemdefinition
„System“ ist ein ontologisch neutraler Begriff. Darunter versteht man eine Menge von
Elementen die miteinander durch eine Menge von Relationen funktional verknüpft sind.
In der neueren Systemtheorie geht man davon aus, dass sich Systeme durch ihre
Eigenschaften (spezifische Operationsweise) von der Umwelt abgrenzen.
41
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Mensch-Umweltsystem am Beispiel Strand
Zwischen Mensch und Strand besteht eine wechselseitige Beeinflussung.
Das lokale Umweltsystem prägt durch Exposition, Wind- und Wellenenergie, Gesteine,
Ablagerung und Abtragung das äußere Erscheinungsbild des Strandes.
Das lokale Sozialsystem beeinflusst durch zeitliche, soziale und kulturelle
Rahmenbedingungen die Besucherdichte am Strand.
Beide Systeme stehen miteinander im lokalen Mensch-Umweltsystem in Verbindung. Es
kommt zur Bewertung der Erscheinungsform und zur Beeinträchtigung dieser durch die
Nutzung. Hierbei kann es sowohl zu positiven als auch negativen Rückkoppelungen kommen.
Räumliche und zeitliche Maßstabsfragen
Der räumliche und zeitliche Betrachtungsmaßstab definiert die Phänomene und Prozesse der
Realität die in den Brennpunkt des Forschungsinteresses geraten. In der Geographie ist das
relative kleine Betrachtungsfenster die räumlich etwa zwischen der Größe des Menschlichen
Körpers und dem Umfang des Äquators und zeitlich zwischen der Entstehung von
Gebirgszügen und der Dauer eines Platzregens anzusiedeln.
Methodologie
Unter Methodologie versteht man alle systematischen Reflexionen zum Theoriesystem, zur
Aufgabenstellung, zur Methodenlehre und der inneren Organisationsstruktur eines
Faches.
Zwei Hauptprobleme der Methodologie in der Geographie sind einerseits die technische
Fragestellung („methodology of geography: Wie entwickelt man neue Theorien, wie bildet
man Begriffe, welche Genauigkeitsansprüche gelten für welche Verfahren, etc) und die
Grundlagenreflexion (philosophy of geography: Objektkonstitution und Zielsetzung, Wahl
der erkenntnistheoretischen Orientierung).
Das logische System der klassischen Geographie:
In den 50ern war die klassische Geographie fertig gedacht, alle Theorien und Konzepte
ausgearbeitet.
Die unterste Stufe des Integrationsmodells des Logischen Systems bilden die einzelnen
Teildisziplinen die sich nomothetisch mit ihren Geofaktoren beschäftigen. Sie werden
gegliedert in Sozialgeographie und Landschaftsökologie.
Die nächste Stufe, die Landschaftskunde, beschäftigt sich mit Landschaften. Landschaften
sind Integrationsprodukte der Geofaktoren, das Landschaftskonzept sollte die Dichotomie
zwischen Kultur und Natur überwinden.
Die letzte Stufe bildet die Länderkunde, sie beschäftigt sich mit dem was die
Landschaftskunde über lässt (= Residuum der LK), geodeterministische Argumentation.
Länder sind einmalige Raumindividuen die idiographisch erfasst werden.
Mutmaßungen zur Landschaft: keiner weiß was genau eine Landschaft ist…
Konkreter Gegenstand der Realität, ganzheitlicher Raumorganismus, durch die
Systemzusammenhänge der Geofaktoren begründet. → mehr als die Summe ihrer Einzelteile.
42
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Was versteht man unter „Erkenntnisobjekt“? Was sind die
wichtigsten Konstitutionsbedingungen von Erkenntnisobjekten?
Erfahrungsobjekt (Realobjekt) = Gegenstandsbereich, oder Ausschnitt der Realität mit dem
sich die Wissenschaft befasst → Granitblock.
Erkenntnisobjekt (Formalobjekt) = Der Aspekt am Realobjekt der interessiert, bzw. die
spezifische Fragestellung der Disziplin.
Die Erkenntnisobjekte von Wissenschaften sind pragmatische Festsetzungen, sie können nicht
durch Verweis auf Gegebenheiten der Realität begründet werden; denn Erkenntnis ist in
pragmatischer Abhängigkeit vom Menschen als Forscher.
Die Klassiker haben übersehen, dass es ein Erkenntnisobjekt gibt und leiteten aus der
Tatsache dass sie sich mit allen Geofaktoren beschäftigen einen Totalitätsanspruch ab. Schon
1929 kritisierte V. Kraft dieses Verhalten.
Konstitutionsbedingungen:
- subjektive Erkenntnisinteressen der Forscherpersönlichkeit
- Konsens der Fachgelehrten
- Allgemeine gesellschaftliche Interessenlagen (z.B.: Ökologisierung in den 80ern)
Was versteht man unter „Hypostasierung“ („Reifikation“)?
Besprechen Sie ein Beispiel!
Hypostasierung bedeutet „Vergegenständlichung“. Ein bloß in Gedanken existierender
Begriff bekommt reale, körperliche Qualitäten, wird zum also zum Ding. Beziehungen,
Interaktionen und Relationen werden zu Objekten umgedeutet.
In der Geographie gibt es hierfür ein Paradebeispiel, nämlich das Landschaftsverständnis der
klassischen Geographie der Landschafts- und Länderkunde, wodurch sie auch unaufhaltsam
in die Krise schlitterte.
Folgendes war passiert: Beziehungen von Phänomenen auf der Erdoberfläche wurden im
Landschaftsbegriff zusammengefasst und beschrieben. Auf der Metaebene kam es zur
Reflexion über Landschaften, daraufhin zur Ontologisierung und damit wurde aus der Idee ein
Ding. Die Geographen hatten den Fehler gemacht, ihre Betrachtungsperspektive mit der
realen Welt zu verwechseln.
Das pragmatische Obligat der Erkenntnis und seine Folgen
Erkenntnis ist für den Menschen und von ihm selbst geschaffen. Daraus ergibt sich eine
pragmatische bzw. anthropologische Abhängigkeit der Erkenntnis, ihrer Methoden und
Voraussetzungen.
Folgerung: Erkenntnisobjekte von Wissenschaften sind pragmatische Festsetzungen und
können nicht durch den Verweis auf Gegebenheiten der Realität begründet werden.
43
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Koinzidenzprinzip
Das Koinzidenzprinzip (Koinzidenz: lat. Zusammenfallen) ermöglicht auf Basis der
choristischen Deskription (Tatbestände werden hinsichtlich ihrer Lage auf der Erdoberfläche
als Punkte, Linien oder Flächen in einem Koordinatensystem dargestellt) Aussagen über
räumliche Nähe von Sachverhalten bzw. die Feststellung von räumlicher Koinzidenz oder
Distanz.
Dies ist von Bedeutung wenn bei Ursache-Wirkungs-Interpretationen die räumliche
Koinzidenz für die Gültigkeit eines kausalen Zusammenhanges vorausgesetzt wird. Dieses
Prinzip wurde in der Geographie vor allem von Anhängern des spatial Approach mit großer
Intensität zur Generierung neuer Hypothesen betrieben: quantitative Datenanalyse, statistischmathematische Beweisführung.
Diskutieren
Sie
Begriffe
des
raumwissenschaftlichen
Paradigmas (Feld, Areal, Gebiet, usw.)
Es bedarf Begriffe die nur die Lage beschreiben und inhaltsleer sind.
Stelle: ist ein Quasi-Punkt auf der Erdoberfläche. Stellen besitzen nur Lageeigenschaften und
weder Ausdehnung noch Inhalt. Sie lassen sich durch Lagekoordinaten oder eine relative
Lage zu einer anderen Stelle festlegen. Stellen sind Maßstabsabhängig.
Distanz, Richtung und Netze: resultieren aus den Relationen von Stellen. Distanz bezeichnet
die Entfernung von Stelle A zu Stelle B, Richtung die Abweichung der Verbindung AB von
einer Grundorientierung. Die Verbindung von mehren Stellen, bzw. Knoten werden als
Kanten bezeichnet. Mehrere Kanten bilden Netze.
Gebiete: sind beliebig abgegrenzte, sachdimensional nicht spezifisierte, Teilbereiche der
Erdoberfläche. Ihre Grenzen werden pragmatisch vom Betrachter festgelegt, sie existieren in
der Natur nicht.
Sie besitzen nur die Eigenschaften: Form, Lage und Größe, mach kann ein Gebiet auch als
flächenbezogene Adressangabe bezeichnen.
Ein Territorium ist ein Gebiet dessen Grenzen administrativ festgelegt sind.
Wenn Stellen oder Gebiete „Ausstattungen“ haben nennt man sie:
Standort: ist eine Stelle die mit Sachattributen verbunden wird. Ein Standort ist also die
Verknüpfung von Lage und Attribut, aber nicht jedes für sich alleine.
Areal: Ein Areal ist ein Gebiet das durch eine invariante Sachausprägung gekennzeichnet ist.
Sind also die gedankliche Zusammenfassung von Einzelstandorten zu einer größeren
Raumeinheit.
Feld: bezeichnet ein Gebiet mit varianter Sachausprägung in Abhängigkeit von der Distanz zu
einer bestimmten Stelle.
Region: Regionen sind Artefakte, Produkte analytischer Regionalisierung. Für das
raumwissenschaftliche Paradigma sind drei Definitionen von „Region“ wichtig: Homogene
Regionen, Verflechtungsregionen und normative Regionen.
44
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Erörtern Sie die vier Bedeutungsvarianten des Begriffs Region!
Homogene Regionen: Definiert nach dem Ähnlichkeitsprinzip, sind Gebiete die im Bezug
auf ein bestimmtes Attribut und dessen Ausprägung Ähnlichkeiten aufweisen. Sie sind
Produkt eines Forschungsprozesses, in dem Gebiete nach ihren Attributsausprägungen
zusammengefasst werden. Die Grenzen enden dort wo die charakterisierende Eigenschaft
nicht mehr (in ausreichender Ausprägung) vorhanden ist.
Funktionalregionen: Definiert durch funktionale Verflechtungen und Interaktionen zwischen
den räumlichen Teilelementen eines Untersuchungsgebiets. Diese Nodalregionen können als
Felder interpretiert werden und unterliegen ständiger Veränderung. Die Grenzen werden nach
definiertem Schwellenwert der Intensität von Beziehungen, Nutzung und Verflechtungen
gezogen. Ein Beispiel hierfür sind Heiratskreise oder Pendlerbeziehungen.
Normative Regionen: Definiert durch den Gültigkeitsbereich von Normen. Hierunter fallen
administrative oder politische Gebiete sowie Hoheitsgebiete und Regionen welche einer
bestimmten Machtausübung unterliegen. Die Grenzen sind Artefakte, räumliche Konstrukte
die von politischer Willenskraft abhängig sind.
Wahrnehmungs- und Identitätsregionen: Sind für Individuen selbst definierte
lebensweltliche Regionen. Hierfür sind vor allem eine persönliche Verbundenheit zur Region,
sowie Heimatgefühl und Loyalität charakteristisch. Sie weisen kognitive Strukturen auf und
dienen als Projektionsfläche für Identität.
Diskutieren Sie ausführlich das wissenschaftliche Konzept des
„Paradigma“!
In der Theorie von Thomas Kuhn ist das Paradigma ein zentraler Begriff, obwohl er selbst
keine exakte Definition liefern konnte; er verwendete ihn in zahlreichen verschiedenen
Bedeutungen.
Im Grunde versteht man unter einem Paradigma eine forschungsleitende Perspektive oder
Sichtweise, das Weltbild, die für eine bestimmte Zeit und eine bestimmte Gruppe von
Wissenschaftlern konsensbildend ist.
Paradigmen unterliegen also zeitlichen Abfolgen. Sie durchlaufen – so Kuhn – evolutionäre
Stadien. Am Anfang steht die protowissenschaftliche oder vorparadigmatische Phase in der
es noch kein einheitliches Denkgebäude gibt. Es wird ohne Selektionskriterien nach Daten
gesucht.
In dieser Phase bilden sich verschiedene Schulen, die alle andere
Herangehensweisen haben, es kommt zum Streit, schließlich kann sich eine durchsetzten. Es
folgt eine Konsultierung der Disziplin.
Damit beginnt die normalwissenschaftlichen Phase. Das Paradigma hat seine Blütezeit. Man
hat symbolische Verallgemeinerungen, ontologische und heuristische Modell, sowie Werte
und normative Festlegungen. Es wird nun daran gearbeitet die bestehenden Konzepte zu
verfeinern und das Paradigma zu bestätigen. Dabei wird aber vergessen oder vermieden neue
Wege und Zugänge zu finden. Hierdurch werden die Basiskonzepte des Paradigmas außer
Frage gestellt, es kommt zur Ausbildung dogmatischer Überzeugungen und zur Sozialisation
im Sinne des Paradigmas. Kritik wird also im Keim erstickt.
Im Lauf der Zeit wächst aber die Unzufriedenheit mit den vorhandenen methodischen
Instrumenten, langsam entwickelt sich ein Krisenbewusstsein. Nun kann ein neues Paradigma
auf den Plan treten, mit neuen ontologischen und heuristischen Modellen, neuer Weltansicht
und neuen Problemen und Lösungsansätzen.
45
Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie
Schroll Philip, 0704672
Es kommt zum Kräftemessen, da ein Paradigma letztlich auf axiomatischen Vorannahmen
beruht und daher also nicht mit rationalen Argumenten plausibel zu machen ist. Wenn man
gewissen Grundannahmen nicht annimmt, bleiben es Scheinargumente. Letztlich setzt sich
das neue Paradigma gegen den heftigen Widerstand des „Old Establishments“ durch, zum
Teil auch durch Überalterung desselben.
Entgegen der Theorie Kuhns sterben „alte“ Paradigmen jedoch nicht aus, sie durchlaufen so
etwas wie Konjukturzyklen. Diese Paradigmenpluralität eröffnet dem, der sie (an)erkennt
eine Vielzahl von Perspektiven und Sichtweisen.
Charakterisieren Sie ausführlich zwei neuere Paradigmen der
Humangeographie!
Das
Verhaltenswissenschaftliche
Paradigma:
Zentrale
Frage
des
verhaltenswissenschaftlichen Paradigmas ist: What about people in geography? Es definiert
sich damit selbst als Gegenbewegung zum Raumwissenschaftlichen Paradigma, dem es an
Bezugnahme auf das menschliche Individuum und seiner subjektiven Wahrnehmung und
Wertung der räumlichen Umwelt fehle.
Zentrale These: Das Verhalten des Menschen gegenüber der räumlichen Umwelt richtet sich
nicht nach objektivierbaren Strukturen der Realität sondern ist von seinen subjektiven,
verzerrten, gefilterten Vorstellungen über die Wirklichkeit abhängig.
Wie wird räumliche Umwelt wahrgenommen, wie hängt das raumrelevante Tun des
Menschen vom subjektiv wahrgenommenen und bewerteten Image der Realität ab?
Verhaltenswissenschaftliche Regionskonzepte: Identitätsregion, Wahrnehmungsregion
Das Handlungstheoretische Paradigma: Hierbei handelt es sich um eine Disziplin
übergreifende Orientierung der Sozialwissenschaften. Man wandte sich gegen das
verhaltenswissenschaftliche Paradigma, in dem der Mensch als Automat dargestellt würde,
der nur auf äußere Einflüsse reagiere. Handeln sei aber intentionales Tun und auf den
subjektiven Sinn bezogen. Die Welt wird als Produkt beabsichtigter und unbeabsichtigter
Folgen menschlichen Handelns interpretiert → Kulturlandschaft, der Mensch als handelnder
Akteur untersucht.
Auch gegen das raumwissenschaftliche Paradigma grenzte man sich klar ab: Raum könne
nicht Ursache von etwas sein, es müssen die Sinnzusammenhänge der sozialen Welt erforscht
werden.
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