Hunderte von Druckereien vor dem Aus

Schweiz am Sonntag, Nr. 28, 12. Juli 2015
20 WIRTSCHAFT
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Hunderte von Druckereien vor dem Aus
Die grafische Industrie zählt halb so viel Personal wie vor zehn Jahren – und es wird noch schlimmer
Die Druckbranche serbelt nicht
nur wegen der Digitalisierung.
Viele Aufträge landen im Ausland, auch von Swisscom, SBB
oder Migros. Nun setzte sich die
Post-Chefin in die Nesseln.
von Vogt-Schild Druck, einer Tochter der
AZ Medien (Herausgeberin der «Schweiz
am Sonntag»).
«Mit der Verlagerung eines grossen
Teils des Anzeigengeschäfts ins Internet
blieben die ersten Betriebe auf der Strecke», sagt Viscom-Direktor Thomas Gsponer. Der starke Franken habe in den letzten Jahren die Situation verschärft.
«Nach der Aufgabe des Mindestkurses
wird sich die Konsolidierung noch rascher fortsetzen.» Gsponer schätzt, dass
bis in fünf Jahren die Zahl der heute
1700 Betriebe auf unter 1000 fallen wird.
Hunderten von Druckereien droht die
Geschäftsaufgabe. Allein im ersten Quartal dieses Jahres sank die Wertschöpfung
um weitere 5,4 Prozent.
VON BENJAMIN WEINMANN
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M
it dem starken Franken
können Sie jetzt besonders günstig in Österreich einkaufen.» Mit
diesem Satz warb kürzlich die Druckerei Gössler aus Vorarlberg
in der Zeitschrift «DirectNews». Für
Thomas Gsponer, Direktor von Viscom,
dem Arbeitgeberverband der grafischen
Industrie, ein No-Go. Denn «DirectNews»
ist eine Zeitschrift der Post. «Dass
ein staatlicher Monopolbetrieb eine
solche Werbung zulässt und damit
den privatwirtschaftlichen Druckereien
in der Schweiz in den Rücken fällt,
ist empörend.»
Gsponer verlangte eine Stellungnahme von Post-Chefin Susanne Ruoff – und
erhielt sie. Mehr noch: Ruoff entschuldigte sich für das «fehlende Fingerspitzengefühl». Man werde in Zukunft den
Inhalt der Werbung genauer prüfen.
DIE EPISODE ZEIGT, wie angespannt die
Lage ist. Die heimische Druckindustrie
befindet sich in einem dramatischen
Schrumpfkurs. Zählte sie vor zehn Jahren noch 2800 Betriebe und über 30 000
Angestellte, so sind es heute gerade mal
1700 Firmen und knapp 15 000 Angestellte. Zu den prominentesten Opfern
gehörten zuletzt die NZZ-Druckerei in
Schlieren ZH, die Imprimerie St. Paul in
Fribourg, Produktionsstätte der «Freiburger Nachrichten» und von «La Liberté»,
oder die Tamedia-Druckerei Ziegler in
Winterthur ZH, welche die «Schweizer
Familie» und die «Weltwoche» druckte.
Hinzu kommen zig Kleinbetriebe,
die schliessen mussten. «Wer heute Visitenkarten oder Flyer für ein Grümpelturnier drucken lassen will, bestellt diese
oft online und geht nicht mehr zur regionalen Druckerei», sagt Peter Stämpfli
vom gleichnamigen Print- und Kommunikationsunternehmen in Bern. In der
Branche höre man von vielen Betrieben,
die existenzielle Nöte plagen und zum
Verkauf stehen. «Das Sterben wird weitergehen», sagt auch Rolf Steiner, Chef
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mert. Erst als sie die Selbstanzeigen einreichen mussten, hätten sie einen Überblick über die Zahlungsflüsse bekommen. «Die sind dann erschrocken. So
mancher meinte, da hätte er sein Geld
auch in Deutschland lassen können.»
In einigen Fällen wurde die schlechte Beratung durch die Bank für die Kunden besonders teuer, wie Branchenkenner berichten. Auf Empfehlung der Bank
zahlten sie ihr Geld erst in eine liechtensteinische Stiftung ein. Später legten sie
es wieder zurück auf ein persönliches
Konto, weil das Geld dem Fiskus gemeldet werden sollte. Als die Behörden das
später sahen, war der Fall klar. Jede Geldbewegung war eine Schenkung, weshalb
zweimal Schenkungssteuer anfiel.
Viel Geld haben die deutschen Kunden ihren Schweizer Banken auch für
Stiftungen in Liechtenstein gezahlt. Die
Initiative dazu sei meist nicht von den
Kunden ausgegangen. «Die Banken haben das selber angestossen und sich damit eine goldene Nase verdient.» Notare,
Treuhänder, Anwälte, alle hielten die
Hand auf, die Bank verdiente mit. Am
Ende erhielten diese Stiftungen noch
Fantasienamen. Damit hätte das unversteuerte Geld nun wirklich bombensicher sein sollen. Doch häufig landete das
komplette Dossier auf dem Schreibtisch
deutscher Steuerfahnder.
Die Banken hatten sich offensichtlich nicht genügend gegen Datendiebe
geschützt. «Es kann jemand nur dann
SCHULD DARAN IST AUCH die Konkur-
Eines von vielen Opfern: Die NZZ-Druckerei in Schlieren.
KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER
renz im Ausland. «Zum Teil können sie
bis zu 30 Prozent günstiger offerieren»,
sagt Peter Stämpfli. «Da können wir oft
nicht mehr mithalten.» Auch der inländische Konkurrenzdruck sei hoch.
Tatsächlich drucken viele Grosskonzerne schon seit Jahren im Ausland. So
stammen beispielsweise die Reisekataloge von Hotelplan und Kuoni, Flyer der
Detailhändler Denner und Landi sowie
diverse Uhrenkataloge von Swatch aus
Deutschland, Österreich oder Italien –
pro Jahr mehrere hundert Millionen Seiten und Tonnen. Zuletzt verlagerte auch
das Magazin «Astrea» des Schweizerischen Apothekerverbands und die Kinozeitschrift «Film Demnächst» den Druck
ins Ausland, genauso wie das Bordmagazin der Swiss. Aber auch Staatsbetriebe
drucken ennet der Grenze. Die Swisscom-Tochter Local.ch lässt fast alle
Schweizer Telefonbücher in Deutschland drucken, die SBB mehrere Kursbücher der Bahn und des Postautos.
Praktisch alle erwähnten Firmen betonen, den grössten Teil ihrer Aufträge
in der Schweiz zu vergeben. Zum Gang
über die Grenze sei man nur bei Ausnahmen gezwungen, da dafür hierzulande
die Kapazitäten oder Technologien
fehlen würden. Mehrheitlich stimmt
das, sagen Branchenvertreter. Doch in
einigen Fällen gehe es auch einfach nur
um den Preis.
Zudem setzen die Firmen das ausländische Preisniveau in den Verhandlungen als Druckmittel ein, um bessere
Konditionen zu erreichen, wie mehrere
Firmen bestätigen. Mit der Folge, dass
die Marge der Druckerei weiter schmilzt.
Immerhin: Beim Papiereinkauf, der in
Euro erfolgt und bis zu 50 Prozent der
Produktionskosten ausmacht, wirkt der
starke Franken positiv.
Um den Schock zu dämpfen, setzt
der Verband bei den Personalkosten an –
womit der Druck für die Angestellten
der Branche weiter steigt. Viscom hat
den Gesamtarbeitsvertrag der grafischen
Industrie per Ende 2015 gekündigt. In
den laufenden Verhandlungen mit der
Gewerkschaft Syndicom verlangt Viscom
neu 44 Arbeitsstunden pro Woche für
die Drucker statt wie bisher 42 und tiefere Zuschläge für Nacht- und Schichtarbeit. Zudem fährt Viscom eine Swissness-Kampagne mit Plakaten und Inseraten, in denen sich Firmen wie Victori● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●
1700
So viele Betriebe zählt die Schweizer
Druckindustrie heute. Vor zehn Jahren waren es noch 2800.
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nox, Rivella, Ragusa, Raiffeisen und
Coop zur Beschaffung in der Schweiz bekennen. Der Luzerner SVP-Nationalrat
Felix Müri fordert in einer Interpellation
an den Bundesrat gar eine Deklarationspflicht für Druck-Erzeugnisse. «Gerade
auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen bleibt zu hoffen, dass die
Parteien und Kandidaten für ihre Werbematerialien auf die hiesige Druckindustrie setzt», sagt Müri.
FÜR DEN BERNER UNTERNEHMER Peter
Stämpfli ist klar, dass es auch in zehn
Jahren hierzulande noch Druckereien
geben wird. «Aber sie werden noch spezialisierter und diversifizierter als heute
sein.» Seine Firma habe diesen Schritt
bereits gewagt. Das Druckgeschäft trägt
heute nur noch 50 Prozent zum Geschäft bei, den Rest erzielt die Stämpfli
AG mit Kommunikations- und InternetDienstleistungen. Damit fahre man erfolgreich. Der Umsatz sei in den letzten
Jahren kontinuierlich gestiegen.
Auch Rolf Steiner von Vogt-Schild
Druck glaubt an die Printprodukte,
einerseits an besonders qualitative für
das haptische Erlebnis. Aber auch an
simple Werbung. Denn: «Ein Flyer im
Briefkasten wirkt noch immer mehr als
einer von hundert Newsletters im SpamOrdner.»
Zugriff auf solche Daten erhalten, wenn
diese nicht sonderlich sorgsam geschützt waren», sagt Wehrheim. Die
Steuerfahnder hingegen waren natürlich erfreut. «Mit solchem Material liegt
der Steuerhinterzieher gleichsam wehrlos vor ihm auf dem Tisch.»
CS sucht Schweiz-CEO
WAS DEN KUNDEN BESONDERS sauer aufstiess, war das Zwischenmenschliche.
«Das waren ja häufig sehr lange Geschäftsbeziehungen, und viele hatten
ein gutes Verhältnis zu ihrem Berater.»
Doch am Ende hätten die Berater ihre
deutschen Kunden schief angeguckt. So
als ob sie persönlich von ihren Kunden
enttäuscht seien. «Da tut der Berater so,
als ob er niemals gedacht hätte, dass sein
Kunde sein Geld nicht versteuert hatte.»
Dabei hätten alle Beteiligten immer gewusst, dass das Geld an der Steuer in
Deutschland vorbei in die Schweiz eingeführt wurde. «Das ist schon sehr scheinheilig, was da geschieht.»
Was Wunder, geben diese ehemaligen Schwarzgeld-Kunden nun den
deutschen Steuerfahndern nicht ungern
Auskunft. Bewaffnet mit der Munition
aus Tausenden von Selbstanzeigen, haben Nordrhein-Westfalens Steuerfahnder nun über 50 Schweizer Banken ins
Visier genommen. Das deutsche Bundesland verdächtigt sie, systematisch deutschen Bürgern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. NordrheinWestfalen droht mit Verhaftungen und
will hohe zweistellige Millionen-Zahlungen durchdrücken.
VON BEAT SCHMID
Grossbank hat Probleme, einen Chef für die Schweizer «Too big to fail»-Einheit zu finden
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Seit Roger Federer für Credit Suisse
wirbt, kennt jedes Kind Bonviva, das Retailprodukt der Grossbank. Erfunden hat
es der CS-Manager Christoph Brunner.
Wie mehrere Quellen bestätigen, war
Brunner für einen Topjob in der Grossbank vorgesehen. Er sollte den CEO-Posten der neu gegründeten CS Switzerland
AG übernehmen. Das ist die Organisation, die im Krisenfall die systemrelevanten Geschäfte der Schweiz wie bisher
fortführen soll.
DOCH SO WEIT KOMMT es nicht. Denn
Brunner ist gesundheitlich angeschlagen und fällt für die nächsten Monate
mehrheitlich aus. Damit hat die Credit
Suisse ein ernsthaftes Problem. Der Bank
fehlen schlicht geeignete Leute, die diesen Job mit nationaler Ausstrahlung
übernehmen könnten.
Mit Firmenkundenchef Barend
Fruithof und dessen Stellvertreter Urs
Gauch haben ausgerechnet zwei Topkandidaten die Grossbank diesen Frühling
verlassen, denen man diesen Job zugetraut hätte. Fruithof wechselt Gerüchten
zufolge zur Bank Bär. Gauch wird neuer
Firmenkundenchef von Raiffeisen und
nimmt in der Geschäftsleitung platz.
Durch den gesundheitlichen Ausfall
und die beiden Abgänge ist das Machtvakuum in der CS perfekt. Eigentlich
käme als Chef nur noch Hans-Ulrich
Meister infrage. Doch für ihn käme dies
einem Abstieg gleich, da er derzeit
neben seiner Rolle als CS-Schweiz-Chef
Co-Chef der internationalen Vermögensverwaltung ist.
Wie lange er diesen Führungsspagat
durchhalten wird, ist fraglich. Es ist
davon auszugehen, dass der neue CEO
der Credit Suisse, Tidjane Thiam, sehr
genau die Leistung der weltweiten
Vermögensverwaltungssparte unter die
Lupe nehmen wird.
DIE ZEIT DRÄNGT. Weltweit machen Regulatoren Druck, dass systemrelevante Banken im Ernstfall geordnet abgewickelt
werden können, ohne dass die Steuerzahler zu Hilfe eilen müssen. Die Notfallkonzepte sehen vor, dass im Krisenfall
die systemrelevanten Teile vom Rest abgetrennt werden können.
Damit will etwa der Regulator verhindern, dass bei einem durch die Investmentbank ausgelösten Kollaps nicht
gleich die ganze Bank in den Abgrund
gerissen wird. Für Schweizer Grossbanken ist entscheidend, dass in einem
Krisenfall das Schweizer Geschäft mit
Zahlungsverkehr, Firmenkrediten und
Spargelder geschützt wird.
DIE UBS HAT beim Ausbau der Schweizer
Rettungsgesellschaft die Nase vorn.Die
Organisation hat von der Finma bereits
eine Banklizenz erhalten und ist
operativ. Sämtliche Schweizer Kunden
sind in einer Mammutübung bereits
in die neue Gesellschaft übergeführt
worden. Die CS ist noch nicht so weit.
Noch immer muss sie mit der Finma
Verhandlungen führen.
Einen kleinen Sieg scheint die CS
möglicherweise davonzutragen. Offenbar ist es ihr gelungen, den Kundenhandel in die systemrelevante Einheit einzubringen. So wird es möglich sein, dass
Kunden im Katastrophenfall weiterhin
Wertpapiere handeln können. Bei der
UBS ist das anders. Dort befindet sich
der Handel ausserhalb der UBS Schweiz
AG. Die Handelsaktivitäten dürften
erheblich gestört sein. Allerdings: Die
Finma hat die Pläne der CS noch nicht
bewilligt.