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Medienabhängigkeit –
Beratungs- und Behandlungspraxis im
Spannungsfeld zwischen Medienangst,
Generationenkonflikt und Verhaltenssucht
Philipp Theis,
14. Bundesweite Fachtagung
HochschulNetzwerk SuchtGesundheit
Vitos Klinik Bad Wilhelmshöhe Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Tagesklinik Wabern
Fallbeispiel
17-jähriger Jugendlicher, seit einem Jahr schulvermeidendes Verhalten, ½ Jahr
Schulabsenz, psychosomatische Beschwerden (unklarer Bauchschmerz, Übelkeit, Angst
vor Erbrechen), reduzierte realweltliche soziale Kontakte, ängstliche / überfürsorgliche
Kindesmutter, wenig präsenter Kindesvater.
Semiprofessioneller CS und League of Legends Spieler, exzessives Spielverhalten bei
Schulvermeidung.
Schulische Reintegration im Rahmen der tagesklinischen Behandlung, KVT bzgl. einer
diagnostizierten Sozialphobie.
Abbruch einer begonnenen Berufsausbildung.
Ambulante psychotherapeutische Weiterbehandlung.
Beratungspraxis im Spannungsfeld – zwischen Generationenkonflikt und
Medienabhängigkeit
Unterschiedliche Nutzungsmuster und Zersplitterung der Generationen
Beschleunigung und „Medienangst der Abgehängten“
Haltung und Bewertung „sinnvoll – sinnlos“
Risikoverhalten in der Adoleszenz
Missbräuchliche Nutzung
Pathologische Nutzung
Binnendifferenzierung der Alterskohorten (M. Jaeckel 2010)
Generation der
Kinder
Frühmoderne
Klassische
Moderne
Spätmoderne
Generation der
Eltern
Generation der
Großeltern
Soziale Mobilität Beschleunigte Veränderung der sozialen Umwelt
Hartmut Rosa, Universität Jena
Technische
Beschleunigung
(Transport,
Kommunikation,
Produktion)
Beschleunigung des
Lebenstempos (Mehr tun
und erleben in weniger
Zeit)
Beschleunigung des
sozialen Wandels
(Gegenwartsschrumpfung,
rutschende Abhänge‘)
Beratungspraxis im Spannungsfeld – zwischen Generationenkonflikt und
Medienabhängigkeit
Unterschiedliche Nutzungsmuster und Zersplitterung der Generationen
Beschleunigung und „Medienangst der Abgehängten“
Haltung und Bewertung „sinnvoll – sinnlos“
Risikoverhalten in der Adoleszenz
Missbräuchliche Nutzung
Pathologische Nutzung
Multiperspektivische Betrachtung
Verhalten in der Adoleszenz
− Autonomiebestreben
− Emotionale Ablösung
− Von der asymmetrischen Beziehung zur Symmetrie
− Identitätsfindung
− Zunahme der Bedeutung der Peers
− Risk-Taking-Behavior (unreifes Dopaminsystem, Verlust von
Rezeptoren für Glücksbotenstoffe)
− Erhöhte Impulsivität („Stirnlappen außer Gefecht“, der für höhere
kognitive Funktionen wie etwa die Handlungskontrolle, das Planen oder
die Risikoabschätzung von Entscheidungen verantwortlich ist.)
limbische Reward-Areale
Neurobiologisches
Modell zur Erklärung
von typischem
Verhalten in der
Adoleszenz (Ärzteblatt
2013)
präfrontaler Kortex
Multiperspektivische Betrachtung
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Belastung des Familiensystems
Broken-Home
Symbiotische Beziehungen
Nähe und Distanz
Verfestigte Beziehungsmuster
Wiederholung von Interaktions- und Kommunikationsabläufen
Konfliktspiralen, Rollenumkehr, Negativ-Interaktionsschleifen
Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit
Computer / Spiel / Anwendung als Ursache
Tendenz Verantwortung zu delegieren
Ambivalentes Elternverhalten, Bereitstellung der Versorgung
Wenig Interesse für die Themen Computerspiele und Internet
Fehlende elterliche Wertschätzung
Psychische Wirkung virtueller Welten aus Patientensicht
Belohnung, prompt und intermittierend
Kurzfristig hoch effektive Bewältigungsstrategie (Coping)
Gruppendynamische Prozesse, reale Mitspieler, intensive soz.
Beziehungen
Hohes Sicherheits- und Kontrollerleben
24h-Verfügbarkeit, persistente Spielwelten
Entkoppelung von Raum und Zeit, Flow, Unendlichkeit
Anonymität vs. Identität
Geschönte Selbstdarstellung
Erfolg und Kompetenzerleben
Geringes Frustrationsrisiko
Vermeidung „belastender“ Entwicklungsaufgaben
Merkmale der „Internet Gaming Disorder“
(DSM 5, Section III)
fünf (oder mehr) der folgenden Symptome über eine Periode von 12 Monaten
Dauer
Andauernde Beschäftigung mit Internet- bzw. Online-Spielen
Keine feste Stundenzahl (Spielzeit als mäßiger Indikator)
Verlust des Interesses an früheren Hobbies oder Aktivitäten als Folge des Online-Spielens.
Toleranzentwicklung und Interessenverlust
Entzugssymptome (Gereiztheit, Ängstlichkeit oder Traurigkeit)
Erfolglose Versuche, die Teilnahme am Online-Spielen zu beenden.
Andauerndes exzessives Online-Spielen trotz des Wissens um die psychosozialen
Probleme.
Täuschen von Familienmitgliedern, Therapeuten oder anderen Personen in Bezug auf das
wirkliche Ausmaß des Online-Spielens.
Gebrauch der Online-Spiele, um aus negativen Emotionen (wie z.B. Gefühle von
Hilflosigkeit, Schuld oder Ängstlichkeit) herauszukommen oder um diese zu lindern.
Gefährdung oder Verlust von wichtigen Bekanntschaften, Beruf, Ausbildung oder KarriereMöglichkeiten wegen des Online-Spielens.
Medienabhängigkeit in Zahlen
•Prävalenz
•
1,0% der 14- bis 64-jährigen deutschlandweit (PINTA I und II ca. 560.000)
•
4,6% der 14- bis 64-jährigen, problematische Nutzer
•Altersdurchschnitt 29,3 Jahre (Müller et al. 2011)
•Prävalenz altersbezogen
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14-24 Jahre
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Frauen 2,5%
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Männer 2,5%
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14-16 Jährige
•
Frauen 4,9%
•
Männer 3,1%
•Genderspezifische Nutzungsmuster (bei auffälliger Nutzung)
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Frauen 14-24 Jahre 77,1% nutzen Soziale Netzwerke
•
Männer 14-24 Jahre 33,6% nutzen Onlinerollenspiele
Begriffsdifferenzierung oder Verwirrung?
Computer(spiel)sucht
Rollenspielsucht
Internetsucht
TV-Sucht
Konsolensucht
Smartphonesucht
Tabletsucht
Internet Gaming Disorder
Online Glücksspielsucht
Pornographiesucht
Endgerät / Funktion XYZ-Sucht
Medienabhängigkeit?
Multiperspektivische Betrachtung
Chronisches Aufschiebeverhalten (Prokrastination)
• Defizite in der Selbststeuerung
• Schwierigkeiten in der Abgrenzung gegen alternative
Handlungstendenzen
• Abneigung gegen die Aufgaben
• Angst vor Versagen oder Kritik
• Fehleinschätzungen der Aufgabe
• Reduzierte Anstrengungsbereitschaft /
Frustrationstoleranz
• unrealistische Planung
Medienassoziierte Störungen oder Medienabhängigkeit
Medienmissbrauch
- Abhängigkeit
Angststörungen
Depressive Störungen
Arbeitsstörungen
Hyperkinetische Störungen
Risk-Taking-Behavior
Dissoziale Verhaltensstörungen
Affektive Störungen
Angststörungen
Stoffgebundene Abhängigkeit
Medienmissbrauch
- Abhängigkeit
… ein(e) Sucht- / Abhängigkeitsbegriff ausgehend vom
genutzten Endgerät erscheint perspektivisch wenig
sinnvoll…
… medienassoziierte Störung im Kindes- und
Jugendalter…
… Medienabhängigkeit im (jungen) Erwachsenenalter…
Behandlungsformen:
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Einzelpsychotherapie
Bezugspersonenarbeit
Reintegration in Schule
Bewegungstherapie (Kraftsportgruppe, Interaktionsgruppe)
Arbeits-/Ergotherapie
Psychoedukationsgruppe (Krankheits-/Therapiekonzept)
Medienassoziierte Behandlungsbausteine
Medikamentöse Behandlung anderer psychiatrischer und somatischer
Erkrankungen
Beratung von Jugendämtern, Einrichtungen, ambulanten Diensten
Therapieplan
1.
2.
3.
4.
Diagnostik / Clearing (Eigen- und Fremdanamnese, Screener)
Konfliktreduktion (Waffenstillstand, Splitting, Experiment „nur Positives“)
Psychoedukation (Störungsmodell, individuelle Genese, Medien-, Lebenslinie)
Motivation (4-Felder-Schema, Verhaltensexperimente: Medienprotokoll, medienfreier
Tag /Woche, Selbstbeobachtung)
5. Parallele Angehörigenarbeit (Analyse der aufrechterhaltenden Bedingungen,
Familiensitzungen im Beobachtermodus)
6. Individuelle Veränderungsplanung und Umsetzung (Medienbudget, Tagespläne,
Aktivitätenaufbau, soziale Integration, Ampelmodell, Verträge)
7. Trauerarbeit
8. Parallele Behandlung der Komorbiditäten
9. Expositionsübungen
10. Sicherung /Überprüfung
Beratung und Behandlung im Erwachsenalter
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Suchtberatungsstellen mit Medienabhängigkeitsberatungsangebot
(www.fv-medienabhaengigkeit.de)
Spezialambulanzen
Ambulante Rehabilitation
Stationäre Rehabilitation (Abhängigkeit oder Psychosomatik)
Nachsorgebehandlung
medizinisch / berufliche Rehabilitation
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vitos Klinik Bad Wilhelmshöhe
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Kurfürstenstr. 26
34590 Wabern
Tel.: 05683-9239190
E-Mail: [email protected]