Predigt Jesus Sirach 30,22-27 Liebe Gemeinde - Evang.

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Predigt Jesus Sirach 30,22-27
Liebe Gemeinde,
„Nennen Sie einen typischen Satz aus der Bibel!“
Ich vermute, wenn Sie so gefragt werden, dass die
meisten antworten würden:
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“
Und sollte ein Quizmaster diese Aufgabe gestellt
haben, müsste er dem Kandidaten 100 Punkte
geben, denn die Antwort ist …. richtig!
Wenn ich nun aber weiterfrage, welcher Teil dieses
Satzes am ehesten bedacht und reflektiert wird,
dann ist genauso klar:
Der Anfang: „Liebe Deinen Nächsten!“
Dazu gibt es nicht nur in der Bibel selber, sondern
in unzähligen Schriften seither unzählige
Auslegungen.
Und wenn die mit dazu geführt haben, dass derzeit
so viele Menschen sich dafür einsetzen, dass die
Flüchtlinge, die noch vor dem Einbruch des
Winters ein menschenfreundliches Land erreichen
wollen, hier in Deutschland erst mal an- und
unterkommen können, dann ist das eine gute Frucht
des Nachdenkens darüber, was Nächstenliebe auch
heißt!
Gleichwohl: Auf Dauer geht es nur, den ersten Teil
des Satzes von der Nächstenliebe zu leben, wenn
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auch der zweite Teil sein Recht bekommt: das „Wie
dich selbst!“
Aber: Was meint denn „sich-selbst-lieben“? – und:
Wie macht man das?“
Eine dieser Stellen ist unser heutiger Predigttext:
Sirach 30,22-27:
Luther hat unseren Predigttext mit der Überschrift
versehen: „Lob eines fröhlichen Herzens“.
Man könnte auch sagen: Nicht Traurigkeit, sondern
Fröhlichkeit und Freude sind Gottes Wille für uns!
Und dafür, dass dieser Wille Gottes bei uns
geschieht, können wir durchaus etwas tun!
Damit nun aber kein Missverständnis entsteht,
müssen wir zwischen Traurigkeit und Trauer aber
auch Depression klar unterscheiden.
Wenn wir einen Menschen verloren haben, den wir
liebgehabt haben, dann tragen wir Trauer – und das
hat seine volle Berechtigung: Auch Jesus weinte,
als er vom Tod seines Freundes Lazarus erfuhr –
oder als er über das künftige Geschick Jerusalems
redete.
Trauer braucht ihre Zeit und ist eine notwendige
Arbeit der Seele, um einen Verlust im Lauf der Zeit
„unter die Füße zu bekommen“.
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Depression ist keine innere Einstellung – auch
wenn sie manchmal durch innere Einstellungen
entstehen kann – sondern eine Erkrankung der
Seele, die Therapie und Zeit zum Heilen braucht.
Anders die Traurigkeit. Sie ist so etwas wie eine
Grundeinstellung, die bei sich und anderen und in
der Welt das Negative hervorhebt und sich im
Schmerz darüber einrichtet. Wer kennt nicht
Menschen, auf die der Satz zutrifft: „Dem/Der
geht’s nur gut, wenn’s ihm/ihr schlecht geht!“
Gewiss: Meistens sehen die Betroffenen das gar
nicht so: Sie haben ganz real das Gefühl, dass das
Leben und ganz besonders ihres nicht gut zu ihnen
ist:
Dass sie selber nicht so gut sind, wie sie eigentlich
meinen, sein zu sollen;
dass sie selber nicht gut genug schaffen, was
eigentlich geschafft werden müsste,
dass die anderen nicht gut mit ihnen umgehen,
und dass die Zukunft sehr wahrscheinlich weniger
Gutes als Schlechtes bringen wird.
Keine Frage:
- Wer daran leidet, dass er immer schlechter ist, als
er gerne wäre, den muss diese dauernde negative
Selbsterfahrung traurig über sich machen.
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- Wer denkt, dass er eigentlich mehr schaffen
können müsste, als er zuwege bringt, der wird im
Hamsterrad der Leistungssteigerung, die unsere
Gesellschaft ja so nahe legt, mit immer größerem
Eifer rennen, bis er zusammenbricht.
- Wer ständig meint, dass andere ungerecht mit
ihm umgehen, der wird sich im Zorn über dieses
„Schlecht-Behandelt-Werden“ aufreiben,
- und wer von der Zukunft denkt, dass sie ihm oder
anderen sehr wahrscheinlich mehr Schlechtes als
Gutes bringen wird, der wird sich in Sorge um sich
oder andere verzehren.
Traurigkeit, Eifer, Zorn und Sorge: Da sind sie: Die
vier Feinde eines fröhlichen Herzens, von denen
unser Predigttext spricht, man könnte auch sagen:
die vier Werkzeuge aus der Folterkammer des
Teufels.
Aber – und das finde ich das Großartige an
unserem Predigttext: Wir sind diesen vier Feinden
der Lebensfreude nicht wehrlos ausgeliefert.
Sie mögen uns zu schaffen machen, aber sie werden
uns nicht unterkriegen, wenn wir uns ihnen nicht
ausliefern und hingeben, sondern sie bewusst
loslassen und ihnen etwas entgegensetzen, wogegen
sie letztlich machtlos sind: Die Freude an Gott, an
seiner Liebe!
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Aber das geht nicht nur mit dem Kopf und dem
Denken – das braucht auch das entsprechende
Handeln!
Gegen die Traurigkeit, nicht so zu sein, wie wir
sein wollen, hilft es, wenn wir nicht nur in der
Kirche sagen: Ich glaube an Gott, den Vater, den
Schöpfer des Himmels und der Erde, sondern wenn
wir uns klarmachen, dass kein geringerer als Gott
uns geschaffen hat, wie wir sind. Wir mögen mit
diesem und jenem bei uns unzufrieden sein – und
manchmal können wir ja auch tatsächlich etwas
verändern und zum Besseren bewegen – aber
Manches ist nun mal so, was ich beim besten
Willen nicht verändert bekomme, was einfach zu
meiner Natur gehört, auch wenn es mir nicht
gefällt!
Dann können und sollen wir uns sagen: Du, - und
da setze jetzt jeder seinen eigenen Vornamen ein Gott hat dich genauso geschaffen, wie du bist, und
ER hat dich lieb, so wie du bist. Also hab dich auch
lieb, so wie du bist, und zeige dir das auch und tue
dir bewusst jeden Tag etwas Gutes!
Nicht umsonst heißt es im letzten Satz unseres
Predigttextes: „Ein Herz, das heiter und beim Mahl
fröhlich ist, sorgt für gutes Essen!“
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Gegen den Übereifer, immer noch mehr leisten zu
müssen, hilft es, nicht nur in der Kirche zu sagen:
„Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen
Sohn, unseren Herrn“, sondern sich klar zu
machen: Dieser Jesus Christus hat zwischen Gott
und mir Frieden gemacht! Wenn also Gott mit mir
„zu-frieden“ ist, weshalb nehme ich mir heraus,
ständig mit meiner Leistung unzufrieden zu sein
und noch mehr und noch Besseres von mir zu
wollen und zu erwarten!?
Konkret hieße das, einmal mitten am Tag
innehalten und sich bewusst für ein oder mehrere
Vorhaben entscheiden, die man an dem Tag
ursprünglich machen wollte, nun aber lässt oder
zumindest verschiebt!
Gegen den Zorn auf Andere, die uns Unrecht
angetan haben, kann es helfen, nicht nur in der
Kirche im Glaubensbekenntnis zu sagen: „Ich
glaube an die Vergebung der Sünden“, sondern sich
dann, wenn man sich mal wieder so richtig über
jemanden geärgert hat, wenn es mal wieder so
einen richtig blöden Streit gegeben hat,
klarzumachen: „Gott vergibt mir, wenn ich ihn
darum bitte; will ich dann dem anderen meinen
Zorn ewig nachtragen?“ Keine Frage: Auf
Knopfdruck abschalten können wir den Zorn nicht;
aber ob wir an ihm festhalten oder ihm ein wenig
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nachhelfen, sich wieder zu verziehen, das können
wir sehr wohl sehr verschieden halten!
Sicher: Manches darf man nicht einfach schlucken,
manchmal muss man dem Zorn auch Ausdruck
geben, um deutlich zu machen: „So kann es nicht
bleiben!“ Aber wenn dann der Zorn raus ist und die
Sache, um die es geht, klar; dann wäre es fatal, am
„Gekränktsein“, das ja immer irgendwie Ursache
des Zorns ist, festhalten zu wollen!
Und gegen die Sorge kann es helfen, nicht nur im
Gottesdienst an Gott, den Vater, den Sohn und den
Heiligen Geist zu denken, sondern sich dann, wenn
Sorgen uns übermächtig zu werden drohen, wenn
sie unser Herz gefangen nehmen wollen, klar zu
machen: Es gibt in dieser Welt eine gute Macht, die
letztlich stärker ist als alles, was uns ängstigen will.
Und dann – wie es der Wochenspruch empfiehlt,
ganz bewusst zu sagen: „Gott, ich werfe die und die
Sorge auf dich, denn du sorgst für mich!“ Und das
nicht nur einmal, sondern immer wieder, bis wir im
Inneren merken: Die Last der Sorge ist nicht mehr
so groß, da ist eine Kraft bei uns, die sie mitträgt, ja
die sie ein Stück von unserer Schulter nimmt.
So – jetzt habe ich ziemlich viel davon gesprochen,
was wir gegen Traurigkeit, Übereifer, Zorn und
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Sorge als Feinde unserer Seele, als Feinde der
Lebensfreude tun können.
Da wird es dringend Zeit, wenigstens zum Schluss
der Predigt das anzusprechen, was die
Lebensfreude an sich stärken und ihr aufhelfen
kann; was von sich aus dazu beträgt, dass die Vögel
der Sorge, die um unser Haupt kreisen mögen, sich
wenigstens keine Nester in unseren Haaren bauen
können, um einen Satz Luthers aufzunehmen:
Was ich meine, ist der Dank! Für alles, was ich an
Schönem sehe oder höre, rieche oder fühle, für
Musik und Farben, für ein lachendes Gesicht oder
eine kleine Blume, für die Sonne am Morgen und
die Sterne in der Nacht, für ein gutes Getränk oder
ein leckeres Essen, für eine helfende Hand und ein
freundliches Wort: Für alles, was mein Herz positiv
berührt, im Inneren ein „DANKE“ sagen: Das
verdoppelt die Freude, das stärkt ihre
Wahrnehmung, das macht sie gewichtiger als das,
was uns das Leben vergällen will.
Gott will unser Leben und unsere Lebensfreude:
Hindern wir ihn nicht daran, sondern helfen ihm,
dass es so sein darf.
Oder mit anderen, noch kürzeren Worten:
Gott liebt uns! Machen wir es ihm nach!
Amen