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Drei Unternehmerpersönlichkeiten im Gespräch
IN LEIDENSCHAFTLICHER
MISSION
Als kreative Überzeugungstäter leihen sie
ihren Firmen den Namen: Ingo Maurer,
Nils Holger Moormann, Richard Lampert.
Einblicke in Unternehmen einer anderen Art.
Lässiger Umgang mit Preisen: die “Wall of Fame” bei Moormann in Aschau.
md | 2.2016
Foto: Jäger & Jäger
Unternehmen werden heute nach an, “aber zum Glück gibt es auch den
Stadtteilen (e15) benannt, nach Katego- Erbsenzähler als Filter in mir”, erzählt
rien (Objekte unserer Tage), nach Zie- Moormann. Mit Ende zwanzig hat er
len (New Tendency) und mit Fantasie- sein Interesse für Ästhetik entdeckt
bezeichnungen (Pulpo). Firmen, die und ist seitdem von kreativer Leideneinen Personennamen vor sich her tra- schaft getrieben auf der Suche nach
gen, wirken da wie aus der Zeit gefal- stimmigen Proportionen und Details.
len. “Name ist Schall und Rauch”, antwortet Faust dem Gretchen. Die hat PRODUKTE MIT SEELE
allerdings die Frage nach Gott, nicht
nach dem Geschäftsbetrieb gestellt. Auch für Richard Lampert ist das
Selbst mit einem starken Glauben an eigene Bauchgefühl der Kompass im
das eigene Tun ist es ein mutiger Business. “Die Entscheidung zu den
Schritt, einem Unternehmen den eige- Produkten ist sehr persönlich geprägt”,
nen Namen zu geben. Wegducken ist sagt Lampert. “Für mich muss ein Prodann nicht mehr.
dukt so etwas wie eine Seele haben.
Doch das Modell funktioniert. Einige Die Menschen sollten davon unbewusst
wohlbekannte Größen im Bereich Inte- angesprochen werden.” Der Kaufmann
rior belegen es.Wobei Größe hier nicht aus Kurpfalz mit Studienjahren in Paris
auf den Umsatz abstellt, sondern pri- und London kennt die Facetten der
mär auf die Anerkennung in der Bran- Branche. Nach einer Dekade im Möbelche und die Wertschätzung der End- handel und fünf Jahren als Exportleiter
kunden für die Produkte referenziert. einer Büromöbelfirma hat er sich in
Wie bei Richard Lampert zum Beispiel, den 1990ern an die eigene Unternehbei Ingo Maurer und Nils Holger Moor- mung gewagt. Sein Portfolio sieht
mann. Drei Unternehmer, die sich aus- Lampert bisweilen als “Nische in der
kennen mit der Herstellung und Ver- Nische”. Heute finde man Tausende
marktung von schönen Dingen. Drei Stuhlmodelle im Internet. “Da muss
Protagonisten, die mitbringen, was das man schon ein sehr spezielles Radar
Business am meisten braucht und goutiert: Persönlichkeit und Charakter. Da
muss niemand Geschichten ersinnen,
das selbstbewusste Handeln der Unternehmer liefert Gesprächsstoff genug.
Und die Genannten erzählen gern.
Moormanns Bestseller ‘FNP’.
Foto: Tom Vack
GELEBTE UNTERNEHMENSKULTUR
Nach mehreren Wochen Urlaub legt
Nils Holger Moormann gleich los. “Lebensenergie macht nicht vor Unsinn
halt.” Mit diesem Satz hat er gleich die
Unternehmenskultur skizziert. Der “leidenschaftliche Dickbrettbohrer” ist seine Rolle, der Betrieb lebt von seiner
Energie. Machen ist angesagt, weiter
laufen auf Wachstumskurs. “Es ist viel zu
tun. Die Zeiten werden besser.” Doch
eigentlich war Machen bei Moormann
schon immer die Devise. Machen, ausprobieren, verwerfen, Fehler machen,
optimieren, noch mal verbessern und
verkaufen. “Trial and error, no risk, no
fun.” 52 Produkte mit einigen Tausend
Teilen hat die Firma aktuell im Programm. “Da braucht man Lebensenergie und Disziplin.” Kreativität treibe ihn
Nils Holger Moormann.
Foto: Dirk Bruniecki
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entwickeln, um bei einer Neuentwicklung den Geschmack und den Preis
zu treffen.” Wie das funktioniert?
“Vielleicht ist der Prozess ähnlich wie
bei Künstlern, die ihr Schaffen auch
nicht im Detail begründen können.”
Intensiv ist seine Auseinandersetzung
mit den Designern, auch “weil ein neues
Produkt volles Risiko bedeutet”.
Oft wird bei Neueinführungen nicht auf
Kleines Helferlein: ‘Mono Reloaded’.
Kommission, sondern auf Vorrat gefertigt, da geht allein der Materialeinsatz
deutlich ins Kapital.
SOZIALE VERPFLICHTUNG
Ökonomische Zwänge sind auch Ingo
Maurer nicht unbekannt. Mit Schmunzeln erinnert der Lichtdesigner sich an
die Anfänge, das “Puff-Programm”.
Foto: Richard Becker
Richard Lampert.
Foto: © Richard Lampert
IN LEIDENSCHAFTLICHER MISSION
Richard Lamperts Messestand auf der imm cologne 2014.
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Foto: Richard Becker
Das klappt!
Das schmeckt!
Das will ich!
Jetzt
neu!
im Handel
Gourmet-Genuss einfach selbstgemacht!
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Jung verheiratet begann er mit der Her- blick. Was für ihn allerdings bis heute Aus den Dialogen speist sich sein gestellung von massentauglichen Leuch- gilt: “Licht muss einen packen. Das ist stalterisches Programm. Maurer: “Ich
ten mit Baumwollschirmchen. Ein klei- der Großteil des Erfolgs.” Maurer versuche umzusetzen, was ich empfinner Betrieb, der ihn und eine Handvoll spricht über Licht, weniger über Leuch- de.” Nicht als Egotrip, denn der DesigMitarbeiterinnen ein paar Jahre lang be- ten. Üppig sei die Welt, beim Licht dürfe ner ist sich seiner unternehmerischen
schäftigte. Dabei hatte Maurer Grafik- es ruhig etwas weniger sein, “denn Licht Verantwortung und sozialen Verpflichdesign studiert und zunächst als Schrift- hat etwas Sakrales”.
tung für die rund 70 Mitarbeiter durchsetzer in der Schweiz gearbeitet. “Der Noch immer reist der 83-Jährige viel, aus bewusst.
Zufall spielt eine größere Rolle als die “denn ich genieße den Dialog mit Bei aller Leidenschaft für Licht und
Absicht”, sagt Ingo Maurer im Rück- Menschen und mit anderen Kulturen”. seine Wirkung entstehen wohl auch
IN LEIDENSCHAFTLICHER MISSION
Lichtprojekt von Ingo Maurer in Luxemburg: ‘Gudde Vol’.
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Foto: Hagen Sczech
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deshalb die kreativen Lösungen zuneh- Und folgt für Ingo Maurer bald der
mend im Team. Bei Nils Holger Moor- Wechsel ins “Austragshäusl”? Die Frage
mann liegt der Vertrieb fest in seinen nach dem Ausscheiden aus dem UnterHänden. “Das wird sich in nächster Zeit nehmen hat er oft gehört, doch Rückändern”, das eingeschworene Team als zug sei für ihn keine Option. Einfach
akzeptiertes Korrektiv hat interveniert. weitermachen wolle er, “vielleicht ein
Moormann sieht die Verantwortung wenig herunterschrauben”. Die Firma
im eigenen Betrieb und die Veränderun- bleibe in der Familie,Tochter Claude sei
gen im Markt.
bereits fest in der Geschäftsführung,
“darauf bin ich stolz”. Ingo Maurer,
DIE ZUKUNFT IM BLICK
Nils Holger Moormann und Richard
Lampert – drei Unternehmer, deren
40 Mitarbeiter sind im Unternehmen in Namen zum Programm geworden sind.
Aschau beschäftigt, bei den regionalen Kreative Persönlichkeiten, die mit siZulieferern kommen noch hundert da- cherem Gespür ihren Marken nicht nur
zu. “Größe macht die Prozesse träge. ein Gesicht, sondern auch Herz und
Man ist verleitet, der Erfahrung zu fol- Verstand geben. Sie sind unterwegs in
gen.” Zunehmend wichtig sei das The- einer leidenschaftlichen Mission. Es gibt
ma Marke, “wenn es denn mit Wahrheit in der Branche nicht viele ihrer Art.
gefühlt ist”. Der traditionelle EinzelhanIngo Maurer.
del werde zerrieben und zum Erfül- Autor: Jörg Zimmermann
lungsgehilfen der großen Firmen. Ein eigener Markenshop könnte eine Lösung
sein. “Design war etwas Besonderes”,
erinnert Moormann, und mit Kurt
Tucholsky gesprochen “Es lastet auf dieser Zeit der Fluch der Mittelmäßigkeit.”
Optimistisch sieht Lampert in die Zukunft. “In der Branche zeigt sich eine
Konzentration. Vieles wird über das Internet laufen.” Das Kapital suche nach
Investitionsmöglichkeiten. “Kleine, bewegliche Firmen haben aber eine gute
Chance.” Ihm helfe der direkte Kontakt
zu den Händlern, „die ihren Kunden etwas Besonderes liefern wollen“.
Auch ohne Werbebudget ist das Stuttgarter Unternehmen mit nicht mal einem Dutzend Angestellten bekannt.
“Der jährlich wechselnde Messestand
ist unsere Visitenkarte”, erläutert
Lampert den Kommunikationsansatz,
der offensichtlich gut funktioniert. Immer wieder überrascht sei er von den
internationalen Anfragen im wichtiger
werdenden Objektgeschäft. Er hat seine Möbel ins Google Headquarters
nach London geliefert, jüngst gingen
hundert Stühle nach Barcelona in ein
Restaurant. “Es ist fast eine Gnade, dass
ich hier mein Ding machen kann.”
Für den Markenbotschafter in eigener
Sache ist das Bild eines Nachfolgers
noch unscharf. “Ein reiner Manager
kann das nicht sein. Es braucht den
ästhetischen Blick”, so viel steht für den
Die Glühlampe begleitet Maurer ein Leben lang. ‘Bulb Clear’, 1966.
65-jährigen Unternehmer fest.
Foto: © Artcurial
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