46 | VIEWPOINTS Drei Unternehmerpersönlichkeiten im Gespräch IN LEIDENSCHAFTLICHER MISSION Als kreative Überzeugungstäter leihen sie ihren Firmen den Namen: Ingo Maurer, Nils Holger Moormann, Richard Lampert. Einblicke in Unternehmen einer anderen Art. Lässiger Umgang mit Preisen: die “Wall of Fame” bei Moormann in Aschau. md | 2.2016 Foto: Jäger & Jäger Unternehmen werden heute nach an, “aber zum Glück gibt es auch den Stadtteilen (e15) benannt, nach Katego- Erbsenzähler als Filter in mir”, erzählt rien (Objekte unserer Tage), nach Zie- Moormann. Mit Ende zwanzig hat er len (New Tendency) und mit Fantasie- sein Interesse für Ästhetik entdeckt bezeichnungen (Pulpo). Firmen, die und ist seitdem von kreativer Leideneinen Personennamen vor sich her tra- schaft getrieben auf der Suche nach gen, wirken da wie aus der Zeit gefal- stimmigen Proportionen und Details. len. “Name ist Schall und Rauch”, antwortet Faust dem Gretchen. Die hat PRODUKTE MIT SEELE allerdings die Frage nach Gott, nicht nach dem Geschäftsbetrieb gestellt. Auch für Richard Lampert ist das Selbst mit einem starken Glauben an eigene Bauchgefühl der Kompass im das eigene Tun ist es ein mutiger Business. “Die Entscheidung zu den Schritt, einem Unternehmen den eige- Produkten ist sehr persönlich geprägt”, nen Namen zu geben. Wegducken ist sagt Lampert. “Für mich muss ein Prodann nicht mehr. dukt so etwas wie eine Seele haben. Doch das Modell funktioniert. Einige Die Menschen sollten davon unbewusst wohlbekannte Größen im Bereich Inte- angesprochen werden.” Der Kaufmann rior belegen es.Wobei Größe hier nicht aus Kurpfalz mit Studienjahren in Paris auf den Umsatz abstellt, sondern pri- und London kennt die Facetten der mär auf die Anerkennung in der Bran- Branche. Nach einer Dekade im Möbelche und die Wertschätzung der End- handel und fünf Jahren als Exportleiter kunden für die Produkte referenziert. einer Büromöbelfirma hat er sich in Wie bei Richard Lampert zum Beispiel, den 1990ern an die eigene Unternehbei Ingo Maurer und Nils Holger Moor- mung gewagt. Sein Portfolio sieht mann. Drei Unternehmer, die sich aus- Lampert bisweilen als “Nische in der kennen mit der Herstellung und Ver- Nische”. Heute finde man Tausende marktung von schönen Dingen. Drei Stuhlmodelle im Internet. “Da muss Protagonisten, die mitbringen, was das man schon ein sehr spezielles Radar Business am meisten braucht und goutiert: Persönlichkeit und Charakter. Da muss niemand Geschichten ersinnen, das selbstbewusste Handeln der Unternehmer liefert Gesprächsstoff genug. Und die Genannten erzählen gern. Moormanns Bestseller ‘FNP’. Foto: Tom Vack GELEBTE UNTERNEHMENSKULTUR Nach mehreren Wochen Urlaub legt Nils Holger Moormann gleich los. “Lebensenergie macht nicht vor Unsinn halt.” Mit diesem Satz hat er gleich die Unternehmenskultur skizziert. Der “leidenschaftliche Dickbrettbohrer” ist seine Rolle, der Betrieb lebt von seiner Energie. Machen ist angesagt, weiter laufen auf Wachstumskurs. “Es ist viel zu tun. Die Zeiten werden besser.” Doch eigentlich war Machen bei Moormann schon immer die Devise. Machen, ausprobieren, verwerfen, Fehler machen, optimieren, noch mal verbessern und verkaufen. “Trial and error, no risk, no fun.” 52 Produkte mit einigen Tausend Teilen hat die Firma aktuell im Programm. “Da braucht man Lebensenergie und Disziplin.” Kreativität treibe ihn Nils Holger Moormann. Foto: Dirk Bruniecki md | 2.2016 48 | VIEWPOINTS entwickeln, um bei einer Neuentwicklung den Geschmack und den Preis zu treffen.” Wie das funktioniert? “Vielleicht ist der Prozess ähnlich wie bei Künstlern, die ihr Schaffen auch nicht im Detail begründen können.” Intensiv ist seine Auseinandersetzung mit den Designern, auch “weil ein neues Produkt volles Risiko bedeutet”. Oft wird bei Neueinführungen nicht auf Kleines Helferlein: ‘Mono Reloaded’. Kommission, sondern auf Vorrat gefertigt, da geht allein der Materialeinsatz deutlich ins Kapital. SOZIALE VERPFLICHTUNG Ökonomische Zwänge sind auch Ingo Maurer nicht unbekannt. Mit Schmunzeln erinnert der Lichtdesigner sich an die Anfänge, das “Puff-Programm”. Foto: Richard Becker Richard Lampert. Foto: © Richard Lampert IN LEIDENSCHAFTLICHER MISSION Richard Lamperts Messestand auf der imm cologne 2014. md | 2.2016 Foto: Richard Becker Das klappt! Das schmeckt! Das will ich! Jetzt neu! im Handel Gourmet-Genuss einfach selbstgemacht! 50 | VIEWPOINTS Jung verheiratet begann er mit der Her- blick. Was für ihn allerdings bis heute Aus den Dialogen speist sich sein gestellung von massentauglichen Leuch- gilt: “Licht muss einen packen. Das ist stalterisches Programm. Maurer: “Ich ten mit Baumwollschirmchen. Ein klei- der Großteil des Erfolgs.” Maurer versuche umzusetzen, was ich empfinner Betrieb, der ihn und eine Handvoll spricht über Licht, weniger über Leuch- de.” Nicht als Egotrip, denn der DesigMitarbeiterinnen ein paar Jahre lang be- ten. Üppig sei die Welt, beim Licht dürfe ner ist sich seiner unternehmerischen schäftigte. Dabei hatte Maurer Grafik- es ruhig etwas weniger sein, “denn Licht Verantwortung und sozialen Verpflichdesign studiert und zunächst als Schrift- hat etwas Sakrales”. tung für die rund 70 Mitarbeiter durchsetzer in der Schweiz gearbeitet. “Der Noch immer reist der 83-Jährige viel, aus bewusst. Zufall spielt eine größere Rolle als die “denn ich genieße den Dialog mit Bei aller Leidenschaft für Licht und Absicht”, sagt Ingo Maurer im Rück- Menschen und mit anderen Kulturen”. seine Wirkung entstehen wohl auch IN LEIDENSCHAFTLICHER MISSION Lichtprojekt von Ingo Maurer in Luxemburg: ‘Gudde Vol’. md | 2.2016 Foto: Hagen Sczech VIEWPOINTS | 51 deshalb die kreativen Lösungen zuneh- Und folgt für Ingo Maurer bald der mend im Team. Bei Nils Holger Moor- Wechsel ins “Austragshäusl”? Die Frage mann liegt der Vertrieb fest in seinen nach dem Ausscheiden aus dem UnterHänden. “Das wird sich in nächster Zeit nehmen hat er oft gehört, doch Rückändern”, das eingeschworene Team als zug sei für ihn keine Option. Einfach akzeptiertes Korrektiv hat interveniert. weitermachen wolle er, “vielleicht ein Moormann sieht die Verantwortung wenig herunterschrauben”. Die Firma im eigenen Betrieb und die Veränderun- bleibe in der Familie,Tochter Claude sei gen im Markt. bereits fest in der Geschäftsführung, “darauf bin ich stolz”. Ingo Maurer, DIE ZUKUNFT IM BLICK Nils Holger Moormann und Richard Lampert – drei Unternehmer, deren 40 Mitarbeiter sind im Unternehmen in Namen zum Programm geworden sind. Aschau beschäftigt, bei den regionalen Kreative Persönlichkeiten, die mit siZulieferern kommen noch hundert da- cherem Gespür ihren Marken nicht nur zu. “Größe macht die Prozesse träge. ein Gesicht, sondern auch Herz und Man ist verleitet, der Erfahrung zu fol- Verstand geben. Sie sind unterwegs in gen.” Zunehmend wichtig sei das The- einer leidenschaftlichen Mission. Es gibt ma Marke, “wenn es denn mit Wahrheit in der Branche nicht viele ihrer Art. gefühlt ist”. Der traditionelle EinzelhanIngo Maurer. del werde zerrieben und zum Erfül- Autor: Jörg Zimmermann lungsgehilfen der großen Firmen. Ein eigener Markenshop könnte eine Lösung sein. “Design war etwas Besonderes”, erinnert Moormann, und mit Kurt Tucholsky gesprochen “Es lastet auf dieser Zeit der Fluch der Mittelmäßigkeit.” Optimistisch sieht Lampert in die Zukunft. “In der Branche zeigt sich eine Konzentration. Vieles wird über das Internet laufen.” Das Kapital suche nach Investitionsmöglichkeiten. “Kleine, bewegliche Firmen haben aber eine gute Chance.” Ihm helfe der direkte Kontakt zu den Händlern, „die ihren Kunden etwas Besonderes liefern wollen“. Auch ohne Werbebudget ist das Stuttgarter Unternehmen mit nicht mal einem Dutzend Angestellten bekannt. “Der jährlich wechselnde Messestand ist unsere Visitenkarte”, erläutert Lampert den Kommunikationsansatz, der offensichtlich gut funktioniert. Immer wieder überrascht sei er von den internationalen Anfragen im wichtiger werdenden Objektgeschäft. Er hat seine Möbel ins Google Headquarters nach London geliefert, jüngst gingen hundert Stühle nach Barcelona in ein Restaurant. “Es ist fast eine Gnade, dass ich hier mein Ding machen kann.” Für den Markenbotschafter in eigener Sache ist das Bild eines Nachfolgers noch unscharf. “Ein reiner Manager kann das nicht sein. Es braucht den ästhetischen Blick”, so viel steht für den Die Glühlampe begleitet Maurer ein Leben lang. ‘Bulb Clear’, 1966. 65-jährigen Unternehmer fest. Foto: © Artcurial md | 2.2016
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