SZ Januar 2016 - Bei den Opfern der Globalisierung

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26. Januar 2016, 18:57 Uhr Sauerlach
Bei den Opfern der Globalisierung
Einmal auf die andere
Seite der Erde: Leona
Erren war als Volunteer
in Kambodscha. (Foto:
Claus Schunk)
Leona Erren war über eine Hilfsorganisation als Freiwillige in
Kambodscha, wo sie Volksstämme traf, denen Stück für Stück ihre
traditionelle Lebensgrundlage geraubt wird. Was sie dort im
Einzelnen erlebte, hat die 19-jährige Sauerlacherin in einem
Dokumentarfilm festgehalten
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Von Magdalena Mock, Sauerlach
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Grillen zirpen, während die aufgehende Sonne das üppige
Grün des kambodschanischen Urwalds in goldenes Licht
taucht. In der Ferne kräht ein Hahn. Zwei kleine Jungen
winken strahlend vom Rücken der dicken Wasserbüffel
herunter, auf denen sie über die rote Erde ihres Dorfes reiten.
Diese eindrücklichen Bilder hat Leona Erren mit ihrer Kamera
festgehalten. Die 19-jährige Sauerlacherin war als Freiwillige
mit der Hilfsorganisation Concultures drei Wochen in
Kambodscha unterwegs - und hat einen kurzen Film
darüber gedreht.
Es ist Trend, etwas Gutes zu tun. Möglichst armen Menschen
zu helfen, an Projekten im Ausland mitzuarbeiten. Ein paar
Wochen soziale Arbeit machen sich außerdem gut im
Lebenslauf. Die Nachfrage nach Freiwilligenjobs steigt. Neben
den gemeinnützigen Organisationen tummeln sich auch rein
kommerzielle Anbieter auf dem Markt. Durch das große
Interesse junger Menschen hat sich eine regelrechte Industrie
gebildet, in der einige schwarze Schafe versuchen, Kasse zu machen. Das
Geschäft mit dem Mitleid boomt - auf Kosten der eigentlich zu helfenden
Bevölkerung vor Ort.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/sauerlach-bei-den-opfern-... 31.01.2016
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Concultures, die kleine effektive Hilfsorganisation aus Sauerlach, mit der Leona
nach Kambodscha gereist ist, grenzt sich sehr entschieden von dieser CharityIndustrie ab. Als deutscher Repräsentant der britischen Organisation United
World Schools unterstützt der gemeinnützige Verein Bildungsinitiativen in den
entlegensten Regionen Kambodschas. Die dort ansässigen indigenen
Volksstämme, von denen jeder seine eigene Sprache hat, leben in
Subsistenzwirtschaft von ihren Reisfeldern. Durch Rodung und Landenteignung
wird ihnen Stück für Stück ihre traditionelle Lebensgrundlage genommen. Sie
sind gezwungen, sich an die neuen Umstände anzupassen und Berufe
zu ergreifen.
Die meisten Dorfbewohner können jedoch die Landessprache Khmer weder
lesen noch schreiben. "Das sind Opfer der Globalisierung", sagt Amelie von
Borries, Vorsitzende von Concultures. Mit ihrer Organisation möchte sie helfen,
die Lebensumstände der Menschen zuverbessern: einerseits mit Fundraising,
andererseits mit gezielten sozialen Projekten für Jugendliche ab 16 Jahren. Das
Motto des Freiwilligen-Projekts: "If you want to help, shut up and listen", zu
Deutsch "Wenn du helfen willst, Mund halten und zuhören".
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Nichts soll über die Köpfe der Dorfbevölkerung hinweg
entschieden werden. Erst nach eingehenden Gesprächen
werden Schulen vor Ort eingerichtet und Einheimische zu
Lehrern ausgebildet. 150 Schüler hat etwa die Schule des
Dorfes Roy in der Provinz Ratanakiri, bei der auch das Team,
zu dem Leona gehört, sechs Tage lang unterrichtet. Die
Jugendlichen von Concultures ergänzen den klassischen
Lese-, Rechen- und Sprachunterricht mit kreativen Fächern
wie Kunst und Musik. Auch sie selbst profitieren von den
sozialen Projekten. Durch den Kontakt zu fremden Kulturen
und das Übernehmen von Verantwortung werden sie im Sinne
Erasmus von Rotterdams zu Weltbürgern erzogen. So die Idee.
"Es ist wirklich eine Win-win-Situation", weiß Amelie von Borries aus
Erfahrung. Drei Teams von Jugendlichen hat sie bereits als Leiterin nach
Kambodscha begleitet.
Leonas Gruppe startete ihr Projekt im Oktober. "Da anzukommen ist mir gar
nicht schwer gefallen", erzählt die 19-Jährige. Sie habe eher Probleme gehabt,
sich hinterher wieder in ihren normalen Alltag einzufinden. Trotz der recht
knappen Zeit von drei Wochen sei das Erlebnis unheimlich intensiv und
prägend für sie gewesen. Nachdem Leona leidenschaftlich gern Filme dreht, hat
sie ihre Erlebnisse als Freiwillige mit der Kamera eingefangen. Den Trailer zu
ihrer Dokumentation, die noch fertig gestellt werden muss, gibt es auf der
Facebook-Seite von Concultures zu sehen. Er beginnt mit dem Aufstehen um 6
Uhr früh. Schlaftrunken schälen sich die Freiwilligen aus ihren Hängematten
und schlagen die Moskitonetze zurück. Auf dem Boden schläft in den Dörfern
niemand. Ebenso wenig wie man barfuß läuft. Die Gefahr durch giftige
Skorpionen oder anderen Tieren ist zu groß. Waschgelegenheiten gibt es am
Fluss oder Ziehbrunnen. Dort hätten sie auch einmal ungewollt nahe
Bekanntschaft mit einer Schlange gemacht, erinnert sich Leona schaudernd.
Das Tier hatte sich auf dem Boden des Eimers des
Ziehbrunnens zusammengerollt.
Zum Frühstück gibt es Nudeln, die als Mahlzeit zu so früher Uhrzeit doch eine
Spur zu kurios für die 19-jährige Sauerlacherin sind. Sie freut sich lieber auf die
Fruchtsnacks, die es zwischen den Unterrichtseinheiten gibt. Die Schule beginnt
um 7 Uhr. Auf dem Stundenplan stehen Sport, Kunst, Musik und Theater. Ihre
eigenen Stärken bringen die Freiwilligen in verschiedenen Workshops am
Nachmittag ein. Bei den Kindern besonders beliebt sind das Herstellen von
Freundschaftsbändern und das pädagogische Spielen mit Baukästen. Bis in die
frühen Abendstunden beschäftigt sich das Team deutscher Jugendlicher mit
den Kindern - bei 27 Grad im Schatten und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit.
Selbstverständlich ohne Klimaanlage.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/sauerlach-bei-den-opfern-... 31.01.2016
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"Die ersten Stunden waren super, aber spätestens nach der vierten läuft einem
der Schweiß in Bächen runter", erinnert sich Leona. Dennoch habe das
Unterrichten sehr viel Spaß gemacht. Die Kinder seien sehr interessiert und
eifrig bei der Sache gewesen, manche seien abends sogar noch länger geblieben,
um weiter zu lernen. "Die sind unglaublich wissbegierig", freut sich Leona noch
im Nachhinein.
In der Hauptregenzeit bleiben die Schulen geschlossen. Während die jährlichen
Monsunfälle über dem Land niedergehen, helfen die Kinder des Dorfes ihren
Eltern auf den Reisfeldern. Trotz der einfachen Lebensverhältnisse der
Menschen, die sie besucht hat, möchte Leona nicht direkt vom Armut sprechen.
"Die kamen mir nicht arm vor - jedenfalls nicht im Sinne von arm dran", sagt
sie. Besonders die Kinder steckten voller Energie, Lebensfreude und Kreativität.
Seit ihrem Projektaufenthalt denkt die 19-Jährige anders über Materialismus.
Die Reise hat sie verändert, weltoffener gemacht. Für Leona war das Projekt ein
Erfolg und eine Bereicherung. Mit Oscar Wilde gesprochen: "Reisen veredelt den
Geist und räumt mit all unseren Vorurteilen auf." Am liebsten würde sie noch
einmal mitkommen, bei der nächsten Projektreise von Concultures.
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Themen in diesem Artikel: Sauerlach ©SZ vom 27.01.2016
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