Im Weinviertel von Ehedem bis Heute Brunhilde Truppe Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://www.d-nb.de/ abrufbar. Impressum Verlag Eurodoc Telemedizin Forschungsgesellschaft mbH Albertgasse 3/6 1080 Wien www.eurodoc-verlag.com ISBN 978-3-200-02490-8 Copyright © 2011 Brunhilde Truppe Brunhilde Truppe Email [email protected] Aquarell auf Seite 171 Lydia Leydolf Klosterneuburg Inhaltsverzeichnis Das Haus aus Lehm 1 Der Brunnen 7 Der Backofen 12 Der Kirtag 18 Federnschleißen 22 Das Wanddeckerl 31 Der Stuhl 40 Der Ring 47 Die Kaffeehäferln 51 Das Nudelbrett 57 Zwei Weitlinge 64 Die Truhe 72 Die Uhr 78 Spiegel mit goldenem Rahmen 84 Die Petroleumlampe 88 Die Tabakspfeife 94 Das Schwalbennest 98 Der Marillenbaum 101 Die Blutzer 106 Die ausgestopfte Marietante 111 Die schwarze Königskerze 117 Die Saatkrähe 120 Tanz auf der Tenne 128 Das Schneeglöckchen 134 Das Chemiserl 137 Ostereier 140 Die Monarchiestraße 148 Das Dorf ohne Grenze 158 Das Haus aus Lehm Das Haus aus Lehm blickte einige Jahrzehnte erschreckt und verstört in das stachelige Antlitz der Grenze, wo es während hundert Jahre davor die Leute von hie und drüben in gegenseitigem Austausch von täglichen Belangen mit Genugtuung beobachten konnte. Und auf einmal rückt es direkt in das Herz von ganz Europa, so heißt es, ist das nicht wunderbar? Mit diesem Alter auf seinem Rücken muss ihm etwas Eigenbrötelei verziehen sein, zudem man schnell feststellen kann, dass es bemüht ist, sich ehrwürdig zu präsentieren, stets in einem weißen Gewand, wenngleich auch mit einigen nicht zu glättenden Falten. Aber gerade diese, entstanden durch die vielen Schichten von Kalk, machen sein Kleid attraktiv und vornehm. Es hat nur einen Nachbarn zur linken Hand, der mit ihm in langer Freundschaft verbunden ist, ansonsten wird es von den übrigen, neu geschaffenen, wenig beachtet. Es hat nie gelernt, zu protzen, zumal es auch sehr schwere Tage durchlebte, als die russischen Salven um seine Ohren pfiffen. Dieses Erlebnis macht es zurückhaltend und überlegen gegenüber den Neulingen ohne Erfahrung. Das Haus aus Lehm stand für viele Jahre im Schutze von Strohschindeln, schließlich wollte man sich dem Fortschritt nicht verschließen und gab ihm ein Dach aus 1 handgeschlagenen Ziegeln, die die Treue bereits hundert Jahre lang halten. Sie sind richtig edel, fast schwarz, so verwittert, jedoch unbedingt verlässlich. Nicht zuletzt die Fenster zu vergessen. Sie sind bereits etwas größer als sie ursprünglich waren, aber immerhin freundlich, sie grüßen in einem slawisch gehaltenem Blau. Soweit sein Äußeres. Man kommt durch eine Gassentüre in den Wohnbereich und durch ein großes Tor in den Innenhof. Zu Zeiten meiner Großeltern schritt noch ein großer Schimmel mit beladenem Wagen durch dieses Tor. Die Form des Hauses ist ein Hakenhof mit Arkaden, und der Gang entlang von diesen heißt die Trette, das ist so eine Art Laube, ein Schmuckstück für das Gebäude und eine große Annehmlichkeit, bietet Kühlung sowie Schutz bei Regen und erlaubt zugleich den Aufenthalt im Freien. Hinter der Trette waren ehedem die Stallungen, klein gehalten, denn das Gebiet in der Laaer Ebene eignet sich für Getreideanbau und nicht für Viehwirtschaft. Pferdestall, Kuhstall und Schweinestall waren getrennt und hatte jeder eine Tür auf die Trette. Man kann sich vorstellen, wie mühevoll die Fütterung, Tränkung und Entmistung damals war, alles Handarbeit. Ja, und in der Mitte des Hofes war der mit einer weiß getünchten Mauer eingesäumte Misthaufen, und nicht zu vergessen der Taubenkobel. Er fehlte in keinem Haus. 2 Der Wohnteil des Hauses, vorne zur Straße zu, besteht noch heute aus den ungebrannten Lehmziegeln und die dicken Mauern von ehedem schützen vor Hitze, wie auch vor Kälte. Die Holzdecken machen die Räume heimelig und die Holzböden, obzwar schon etliche Male erneuert, runden die bäuerliche Atmosphäre ab. Ein besonderes Stück der Beachtung ist der Schlieferkamin, er hat etliche Funktionen zugleich, vor allem für den gemauerten Herd und eine Selch. Das war der äußere Eindruck bei einer flüchtigen Betrachtung. Etwas, das nicht gleich zutage tritt, ist seine Atmosphäre. Dieser Hauch der Geschichte im Leben einiger Generationen der Familie Eder, die durchlebten Kämpfe, Nöte und Erschwernisse eines harten Bauernlebens im Laufe von Verfolgungen und zwei Weltkriegen. Das Haus hat alles festgehalten und gespeichert, ich kann es jederzeit ablesen und ein wenig nachvollziehen, soweit meine Großmutter alle Begebenheiten aus ihrem Leben und jene aus Überlieferungen gerne erzählte und vieles preisgab, was bereits früher aufgezeichnet wurde. Einzelne alte Möbelstücke, wie liebe ich sie. Sie erzählen mir ganze Geschichten und wärmen mir dabei das Herz. So ist ein Wohnen in diesem Haus aus Lehm verbunden mit Bewunderung für handwerkliches Können und Geschick seiner Bewohner vor mir. Es sind oft sehr einfache Gegenstände, die ästhetisch erhaben wirken. Die Dimensionen, Formen und Maße allgemein waren sehr ausgewogen und für das Praktische perfekt ausgerichtet. Das macht sie liebenswert. 3 Gleich wie im menschlichen Leben, erfordert das alte Haus aus Lehm viel Beachtung, viel Liebe und Verständnis für seine Bedürfnisse und ist nicht zimperlich, ständig Pflege in Anspruch zu nehmen. Es merkt jedoch sogleich, ob ihm mein Verhalten und meine Fürsorge ungezwungen und mit Freude widerfahren und zeigt natürlich auch seinen Dank. Es hat mich immer mit offenen Armen empfangen, sobald ich es, aus der Ferne kommend, wieder betrat und umschloss mich behutsam und wärmend in seinen Schoß. Dort fühle ich mich daheim, das ist meine Heimat und erbitte Schutz von meinen Kindern für dieses Kleinod allemal. 4 5
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