54/2015 UNGARN: Autobahnnutzung ohne gültige E

Mitteilungen der Juristischen Zentrale
VERTRAGSANWÄLTE
Nr. 54/2015
28.08.2015 Ni/Th
UNGARN: Autobahnnutzung ohne gültige E-Vignette
Autobahn Inkasso GmbH
Häufig gestellte Fragen
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach wie vor melden sich in der Juristischen Zentrale zahlreiche Mitglieder, die Aufforderungen der Firma Ungarische Autobahn Inkasso GmbH oder des britischen Inkassobüros Euro Parking Collection (EPC) zur Zahlung einer Zusatzgebühr (Nachgebühr) wegen Nutzung ungarischer Autobahnen ohne ordnungsgemäßer Entrichtung der Autobahngebühr (sog. E-Vignette oder e-Matrica) erhalten haben, obwohl
vermeintlich eine E-Vignette erworben wurde.
In einem ersten Fall wurde jetzt vor einem ungarischen Gericht ein Europäischer
Zahlungsbefehl wegen Nichtbezahlung der Nachforderung beantragt. Die Juristische
Zentrale nimmt dies zum Anlass, Ihnen und den betroffenen Mitgliedern anhand der
aktualisierten Mitteilung der Juristischen Zentrale am häufigsten gestellten Fragen
Informationen und – soweit möglich – Empfehlungen zur Handhabung derartiger
Zahlungsaufforderungen zu geben.
Diese Mitteilung ersetzt die Mitteilung für Vertragsanwälte Nr. 54/2014.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ulrich May
Leiter Juristische Zentrale
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UNGARN: Autobahnnutzung ohne gültige E-Vignette
Autobahn Inkasso GmbH
Häufig gestellte Fragen
1. Was sind Autobahn Inkasso bzw. EPC für Unternehmen?
Liegt hier ein Betrug vor?
Bei der Firma „Ungarische Autobahn Inkasso GmbH“ handelt es sich um ein in Deutschland,
bei „Euro Parking Collection (EPC)“ um ein in London/Großbritannien ansässiges Inkassounternehmen. Sowohl die „Autobahn Inkasso GmbH“ als auch „EPC“ werden ordnungsgemäß
von der ungarischen Autobahngesellschaft „Nemzeti Útdíjfizetési Szolgáltató Zrt. – NÚSZ
Zrt.” (früher: Àllami Autopálya Kezelö Zrt. – ÀAK Zrt.) zur Durchsetzung der Zusatzgebühren
(Nachgebühren) bei Autobahnbenutzung ohne ordnungsgemäße Entrichtung der Autobahngebühr beauftragt. Ein Betrug liegt hier nicht vor.
2. Wie wird die Autobahngebühr in Ungarn entrichtet?
Worum handelt es sich bei der E-Vignette?
Die Benutzung der Autobahnen und sonstiger Schnellstraßen in Ungarn ist grundsätzlich
gebührenpflichtig. Hierfür muss vor Benutzung der Autobahn eine Gebühr entrichtet und das
Kfz-Kennzeichen registriert werden (sog. elektronische Vignette / E-Vignette oder e-Matrica).
Das Aufkleben einer Vignette ist hierbei nicht erforderlich, die Kontrolle erfolgt elektronisch
über einen Kennzeichenabgleich.
Beim persönlichen Erwerb einer E-Vignette ist die Verkaufsstelle verpflichtet, dem Käufer
einen Kontrollabschnitt mit folgenden Angaben auszuhändigen:
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Name und Anschrift (oder Sitz) der Verkaufsstelle
Ort und genauer Zeitpunkt (inkl. Uhrzeit) des Verkaufs
individuelle Identifizierungsnummer der Berechtigung
Gebührenkategorie sowie Kennzeichen und Nationalitätszeichen des vom Käufer angegebenen Fahrzeuges
Beginn des Gültigkeitszeitraums der E-Vignette mit Angabe des Tages, Monats und
Jahres sowie der genauen Uhrzeit
Die Gültigkeit der E-Vignette beginnt, wenn das Verkaufsexemplar des Kontrollabschnitts,
der den Erwerb der Berechtigung bestätigt, vom Käufer unterzeichnet und das Käuferexemplar vom Verkäufer ausgedruckt und vom Käufer entgegengenommen wird. Mit seiner
Unterschrift bestätigt der Käufer die Richtigkeit aller auf dem Kontrollabschnitt angeführten
Daten (siehe oben).
Wird die Straßenbenutzungsgebühr auf dem elektronischen Weg erworben, so gilt die elektronische Bestätigungsnachricht als Nachweis der Berechtigung.
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3. Wie kann es sein, dass trotz Entrichtung der Autobahnbenutzungsgebühr
(E-Vignette) eine Zusatzgebühr verhängt wird?
Eine unberechtigte Autobahnbenutzung kann trotz Erwerb einer E-Vignette vorliegen, wenn:
•
die Gebührenkategorie der erworbenen E-Vignette niedriger ist als die Gebührenkategorie, die für das kontrollierte Kraftfahrzeug bzw. die Fahrzeugkombination tatsächlich notwendig wäre
•
das auf dem Kontrollabschnitt angegebene Kennzeichen nicht mit dem tatsächlichen
Kennzeichen des Fahrzeugs übereinstimmt oder
•
die Vignette nicht mehr oder noch nicht gültig ist.
4. Wie und wo wird kontrolliert?
Die Bezahlung der Straßenbenutzungsgebühr kann auf dem gesamten gebührenpflichtigen
Straßennetz (Autobahnen) sowohl manuell als auch elektronisch kontrolliert werden. Kontrollen sind auch auf Raststätten, die direkt an die gebührenpflichtigen Straßen anschließen,
sowie bei ausschließlich von den gebührenpflichtigen Straßenabschnitten erreichbaren oder
auf die gebührenpflichtigen Straßen hinauf- bzw. von solchen hinunterführenden Knotenpunkten möglich.
5. Was passiert bei unberechtigter Straßenbenutzung?
Bei unberechtigter Straßenbenutzung wird eine Zusatzgebühr fällig.
Für Motorräder, Pkw, Wohnmobile und Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von maximal 3,5 t sowie solche Fahrzeuge mit jeder Art von Anhängern beträgt die Zusatzgebühr
binnen einer Zahlungsfrist von 30 Tagen 14.875 Ungarische Forint (HUF) (ca. 50 Euro), nach
Ablauf dieser Frist 59.500 HUF (ca. 200 Euro).
Für Busse beträgt die Zusatzgebühr binnen einer Zahlungsfrist von 30 Tagen 66.925 HUF
(ca. 230 Euro), nach Ablauf dieser Frist 267.700 HUF (ca. 910 Euro).
6. Kann die Zusatzgebühr bei unberechtigter Straßenbenutzung auch mehrfach
verlangt werden?
Im Laufe eines Kalendertages entsteht nur eine einmalige Verpflichtung zur Zahlung einer
Zusatzgebühr. Dies gilt auch im Falle von mehreren unberechtigten Straßenbenutzungen
innerhalb eines Tages.
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7. Wer haftet für Zusatzgebühr?
Nach ungarischem Recht ist bei einem im Rahmen der automatischen Kontrolle festgestellten Verstoß der Fahrzeughalter für die Zahlung der Zusatzgebühr verantwortlich.
8. Was kann ich unternehmen, wenn nachweislich das Kfz-Kennzeichen falsch notiert wurde?
Falls das Kennzeichen bei Erwerb der E-Vignette auf dem Kontrollabschnitt falsch notiert
wurde, besteht die Möglichkeit binnen 60 Tagen, gerechnet vom Beginn der Straßenbenutzungsberechtigung bzw. binnen 30 Tagen ab Erhalt der schriftlichen Aufforderung zur Zahlung der Zusatzgebühr (z. B. erstes Schreiben der Autobahn Inkasso GmbH bzw. EPC), in
einem Kundendienstbüro der NÚSZ Zrt. (www.autobahn.hu) oder auch durch die Autobahn
Inkasso GmbH (www.autobahninkasso.de) das falsche Kennzeichen korrigieren und das
richtige Kennzeichen registrieren zu lassen. Hierfür sind die Zulassungsbescheinigung Teil I
für das Kfz sowie der Kontrollabschnitt mit dem falschen Kennzeichen vorzulegen.
Die Möglichkeit der Korrektur besteht allerdings nur bis zu einer Abweichung von maximal
drei Zeichen. Des Weiteren wird zusätzlich eine Änderungsgebühr von 1.470 HUF (rund 5
Euro) pro Zeichen erhoben (zzgl. der Bearbeitungsgebühren der Autobahn Inkasso GmbH).
9. Ich habe eine E-Vignette erworben, kann das aber nicht mehr anhand des Kontrollabschnitts beweisen. Was kann ich tun?
Der Nachweis über den Erwerb einer E-Vignette ist grundsätzlich nur mit Hilfe des Kontrollabschnitts möglich.
Betroffene, die nicht mehr im Besitz des Kontrollabschnitts sind, können allerdings versuchen, bei ihrer Verkaufsstelle eine Kopie des Kontrollabschnitts anzufordern und diese innerhalb von 30 Tagen nach der ersten Zahlungsaufforderung der Ungarischen Autobahninkasso GmbH einzureichen.
Ein entsprechendes Musterschreiben in ungarischer Sprache sowie ein Verzeichnis der Verkaufstellen finden Sie unter www.autobahninkasso.de (Verkaufsstellen).
Die „Autobahn Inkasso GmbH“ ist nach eigener Aussage zu keiner Kulanzlösung bereit,
wenn der Betroffene weder im Besitz des Kontrollabschnitts im Original noch in Kopie ist.
Demzufolge hat z. B. auch die Benennung von Zeugen, die den Erwerb der E-Vignette bestätigen, keine Erfolgsaussichten.
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10. Was passiert, wenn ich auf das Schreiben von „Autobahn Inkasso“ bzw. „EPC“
nicht reagiere und nicht bezahle?
Was passiert, wenn „Autobahn Inkasso“ / „EPC“ meinem Einspruch nicht stattgibt und ich daraufhin nicht bezahle?
Bei den nachträglich geltend gemachten Zusatzgebühren handelt es sich nach ungarischem
Recht um zivilrechtliche Forderungen. Rechtlich ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen,
dass derartige zivilrechtliche Forderungen auch hierzulande gerichtlich geltend gemacht und
unter Umständen auch vollstreckt werden können. In derartigen Fällen müsste gegebenenfalls von einem deutschen Gericht geprüft werden, inwieweit bei einer Zahlungsaufforderung
an den Halter möglicherweise ein Verstoß gegen die sogenannte Ordre-Public-Klausel des
Art. 6 EGBGB vorliegt: Wird dem Halter ein Vertragsabschluss auf Nutzung der Autobahn
unterstellt, ohne dass er das Fahrzeug tatsächlich selbst gefahren haben muss, liegt fingierte
vertragliche Halterhaftung vor, die dem deutschen Zivilrecht unbekannt ist.
Neben einem gerichtlichen Mahnverfahren oder einer Klage in Deutschland kann im Rahmen
des sog. Europäischen Mahnverfahrens auch die Beantragung eines Europäischen Zahlungsbefehls bei einem ungarischen Gericht in Betracht kommen. In diesem Fall muss – sofern im Einzelfall der Vorwurf des Mautverstoßes widerlegt werden kann – in jedem Fall sofort innerhalb der 30-tägigen Einspruchsfrist Einspruch bei dem ungarischen Gericht eingelegt werden (idealerweise mit Hilfe eines ADAC Vertrauensanwalts in Ungarn). Anderenfalls
kann aus dem Europäischen Zahlungsbefehl in Deutschland vollstreckt werden, der o. g.
Ordre-Public-Einwand kann in diesem Verfahren (anders als z. B. bei einem Verfahren vor
einem deutschen Gericht) nicht vorgebracht werden.
Dem ADAC ist aktuell ein Fall bekannt, in denen die „Autobahn Inkasso GmbH“ bzw. „EPC“
oder der staatliche ungarische Autobahnbetreiber tatsächlich einen Europäischen Zahlungsbefehl bei einem ungarischen Gericht beantragt haben.
11. Wie kann ich künftig Problemen bei der Mautzahlung in Ungarn vorbeugen?
Beim Erwerb der E-Vignette müssen vor Unterzeichnung des Kontrollabschnitts die angeführten Daten auf ihre Richtigkeit überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf das KfzKennzeichen und die Gültigkeitsdauer. Eventuelle Abweichungen müssen sofort gegenüber
dem Verkäufer reklamiert werden. Zu beachten ist, dass mit der Unterschrift diese Angaben
bestätigt und somit für deren Richtigkeit die Verantwortung übernommen wird.
Des Weiterem ist der Kontrollabschnitt bzw. die elektronische Bestätigungsnachricht zu Beweiszwecken bei etwaigen späteren Reklamationen zwei Jahre lang aufzubewahren, da Ansprüche auf Bezahlung der Zusatzgebühren erst nach zwei Jahren verfallen.