Reisende übernachten im Zug

seite 4 / dienstag, 5. januar 2016
norden
Ostfriesischer Kurier
Gegen 22.30 Uhr strandeten in Norddeich rund 300 Bahnreisende, die mit dem Zug nicht weiter als bis kurz vor Emden kamen. Mit an Bord waren zudem zwei Hunde und 15 Kinder.
Fotos: stroMaNN
Reisende übernachten im Zug
wetter
ic bleibt sonntag vor emden stecken und kehrt nach norddeich zurück
deutsche Bahn, ag
reederei norden-frisia
und drK versorgen gäste.
norddeich/KUE/dpa – Zirka
22.30 Uhr am Sonntagabend:
Der IC 2203 rollt langsam im
Bahnhof Norddeich-Mole ein
– geschoben von einer Diesellok, die aus Emden zu Hilfe
geholt worden war.
Zug, Feldbetten und hotel
An Bord des Zuges sind
noch rund 300 Gäste, die
morgens gemeinsam mit 200
weiteren Reisenden den Zug
am gleichen Bahnhof bestiegen hatten, um sich von dort
auf den Heimweg zu machen.
Eigentliche Abfahrt war um
11.36 Uhr – fahren konnten
sie jedoch erst gegen 14 Uhr.
Doch weit kommen sie auch
dann nicht. Kurz vor Emden
ist Schluss. Vereiste Oberleitungen verhindern die Weiterfahrt des Zuges.
„In Georgsheil gab es den
ersten Stopp. Dort war dann
auch die Feuerwehr vor Ort“,
berichtet der Norderneyer
Arne Goerndt. Er will eigentlich nach Bonn, sitzt stattdessen jedoch den ganzen Tag
im Zug fest. Lange steht das
Fahrzeug auf offener Strecke
und fährt schließlich wieder
in Richtung Norddeich. „In
Marienhafe ist dann das Deutsche Rote Kreuz in den Zug
gekommen und hat Getränke
verteilt“, berichtet Goerndt
weiter. Trotz der auswegslosen Situation sei die Stimmung in den Waggons aber
immer entspannt gewesen.
„Auch das Bahnpersonal war
sehr bemüht“, lobt er.
Die Reisenden nehmen ihr
Schicksal somit relativ gelassen entgegen. Auch wieder
ruhig und geordnet stellten sich die 300 Fahrgäste im Juist-terminal in die schlange, um etwas
zu essen und zu trinken zu erhalten. der Zug war morgens mit rund 500 Gästen gestartet. 200
waren bereits in Marienhafe wieder ausgestiegen.
in Norddeich angekommen,
stellen sie sich geduldig in die
Reihe, um etwas zu essen zu
bekommen. Dabei schließen
sie Freundschaften und spielen Karten. „Das ist natürlich
blöd, aber was will man machen“, sagt eine rüstige ältere
Dame, die eigentlich nach
Steinfurt möchte. Sie hatte
den Jahreswechsel auf Norderney verbracht und ist an
diesem Tag bereits seit 6 Uhr
auf den Beinen.
Die Mitteilung, dass der Zug
in seinen Ursprungsbahnhof
Norddeich zurückkehrt, erreicht die AG Reederei Norden-Frisia gegen 16 Uhr. Rainer Sürken lobt in diesem
Zusammenhang die gemeinschaftliche Arbeit mit NPorts.
„Die haben uns tatkräftig
die Gäste schliefen im Zug, im Hotel oder auf Feldbetten, die das
drK aufbaute. Zudem verteilten die Helfer warme decken.
beim Räumen der Wege unterstützt.“ Das Unternehmen
Frisia habe zunächst alles vorbereitet und vor allem das
Juist-Terminal als Unterkunft
zur Verfügung gestellt. „Den
Rest haben aber die Bahn
und das DRK organisiert.“ Ein
großes Dankeschön richtet
er zudem an Frank Freese,
Pächter des Kioskes im Terminal. „Wir haben zwar den
Terminal aufgemacht, aber er
hat gleich die Versorgung der
Gäste übernommen.“ Mit sieben Leuten ist er im Einsatz.
„Die Brötchen holen wir aus
allen Betrieben und backen sie
hier auf“, berichtet Freese. Die
Deutsche Bahn kommt für die
Kosten auf. Ebenso wie für die
Hotelrechnungen, die anfallen, weil 100 Betten gebucht
werden. Dort kommen ältere
Reisende und Familien mit
Kindern unter.
Der Rest der Gruppe muss
die Nacht im Zug oder im
Juist-Terminal
verbringen.
Dafür hat das DRK, das mit
mehr als 50 Personen im Einsatz ist, Feldbetten aufgebaut,
auf denen sich die Reisenden
ausruhen können. „Wir sind
froh, dass wir auf den JuistTerminal zurückgreifen können“, betont Johanna Fokken,
Kreisbereitschafsleiterin des
DRK. Ansonsten hätten noch
Zelte aufgebaut werden müssen, was angesichts der frostigen Temperaturen keine optimale Lösung gewesen wäre.
Eine Mitarbeiterin der
Deutschen Bahn erzählt, dass
die Gäste vor allem glücklich
das Bahnpersonal versuchte die Informationen schnell an die
reisenden weiterzugeben.
Normalerweise schrubben die Züge mit ihren stromabnehmern
Eis und schnee von der oberleitung ab. Eine Möglichkeit, diese
zu beheizen, gibt es nicht. so musste der IC zum Beispiel in
Marienhafe anhalten.
Foto: LoGEr
seien, weil sie nicht auf freier
Strecke im Zug übernachten
mussten. „Gegen das Wetter
kann man nichts machen.“
Panne nach der Panne
Die
Strecke
zwischen
Norddeich und Leer konnte
schließlich gestern Morgen
gegen 9.30 Uhr wieder freigegeben werden, nachdem ein
Spezialfahrzeug der Bahn die
Oberleitungen enteist hatte.
Im Zug wurden Wetten abgeschlossen, wie weit die Reise
diesmal geht.
In Emden gab es dann die
nächste Zwangspause – aufgrund einer Weichenstörung.
Die Panne konnte laut Bahn
nach zehn Minuten behoben
werden – dennoch schlug die
weitere Pause auf die Stim-
mung im Zug, berichtete Fahrgast Maximilian Mühlens:
„Hier ist es spiegelglatt. Aber
in Russland fahren die Züge ja
auch“, sagte der Student aus
Bonn.
Ein anderer IC von Köln
nach Emden, der am Sonntag
etwa einen Kilometer vor dem
Bahnhof Emden vermutlich
wegen einer vereisten Weiche
liegen geblieben war, wurde
geräumt. „Die Passagiere sind
die Strecke bis nach Emden
zu Fuß gegangen“, sagte ein
Bahnsprecher.
Ein Ehepaar aus Köln, das
ebenfalls in Norddeich gelandet war, sieht das Ganze
gelassen: „Diesen Urlaub werden wir nie wieder vergessen.“
Nach Norderney wollen sie
auch weiterhin reisen.
die Inhaber des „piers“ in Norddeich übernahmen die Versorgung mit Essen. das team war mit sieben personen im Einsatz.