Architekt Villa für Herrmann J. Meyer (Gustav Müller, 1873), Aufnahme 2014 (Foto: Stefan W. Krieg) Max Pommer mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, um 1860 Max Pommer muss eine gewinnende Persönlichkeit gewesen sein. Das zeigt sein Lebensweg, der ihn nach schwieriger Kindheit und Wanderjahren zu einem erfolgreichen Architekten und Unternehmer machte. Mut, Durchhaltewillen und eine große Bereitschaft, neue Wege zu gehen, prägen seine beruliche Biographie. Die Quellen zeichnen aber auch das Bild eines warmherzigen Familienmenschen und spiegeln seine Sorge um die ärmeren Bevölkerungsschichten wider. Emil Max Pommer wurde am 4. April 1847 in Chemnitz als Sohn eines Kaufmanns geboren. Einer Zimmererlehre und dem Besuch der Königlichen Gewerbschule und der Baugewerkenschule in Chemnitz folgte 1865 bis 1867 ein Studium am Polytechnikum Hannover. Dem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger schlossen sich kurzfristige Anstellungen in Duisburg, Paderborn und Hannover an. 1907 erwarb Max Pommer sein erstes Automobil, Tagestouren und mehrtägige Reisen – wie hier im Mai 1912 nach Karlsbad – gehörten nun zunehmend zu seinen Aktivitäten Nach der Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 fand Pommer eine Anstellung beim Architekten Gustav Müller in Leipzig, für den er 1873 die Bauleitung einer Villa für Herrmann Julius Meyer übernahm – eine für sein weiteres Leben und Wirken entscheidende Verbindung nahm ihren Anfang. 1879 machte sich Max Pommer selbstständig. „Am 9. Dezember warf ich Müller die Sache vor die Füße – nur auf Bitten meiner Frau war ich geblieben, da wir ohne Mittel und Stellung waren, sobald ich die Stelle aufgab – u. machte mich selbständig. Das Bureau wurde im Fremdenzimmer eingerichtet u. die sogenannten Salonmöbel auf dem Zwischenboden untergebracht. Die Frau klagte nicht und hielt sich tapfer.“ Nach schwierigen Anfangsjahren mit wenigen Aufträgen wurde er mit wesentlicher Unterstützung von Herrmann J. Meyer zum wichtigsten Architekt für die Villen des Leipziger Musikviertels, und die Meyer‘schen Häuser sollte sein umfangreichster Werkkomplex werden. Daneben entwarf Pommer auch andere Wohnhäuser; auf dem Südfriedhof finden sich zudem etliche Beispiele für Grabanlagen aus seiner Hand. Es war aber ein Industriebau für die Druckerei C. G. Röder, der 1898 Max Pommers Berufsleben umfassend wandelte. Als er in Leipzig keinen Unternehmer fand, der sich an die neue Stahlbeton-Bauweise wagte, nahm er die Sache selbst in die Hand und wurde Bauunternehmer. In den Folgejahren verlagerte sich sein Wirken immer mehr auf diesen Bereich; die Arbeit im Architekturbüro mochte er ofenbar immer weniger. Ende 1911 schrieb Pommer: „Ich konnte im Architektur Bureau meine Leute nicht voll beschäftigen, weil die Aufträge fehlten. Ich fühle, daß ich mit meinen Leuten […] in der neueren Architektur Richt[un]g nicht fort kann & beschloß im nächsten Jahr mein Architektur[bureau] aufzulößen. – Hier ist doch Selbsterkenntnis das Richtige. Wenn’s nicht mehr geht, soll mann lieber aufhören.“ Es waren aber auch gesundheitliche Gründe, die Ende 1912 zur Schließung des Architekturbüros führten. Max Pommer verstarb am 5. Juli 1915 und wurde am 11. Juli in dem von ihm bereits 1906 errichteten Familiengrab auf dem Südfriedhof beigesetzt. Max Pommer 1911 in seinem Büro, hinter ihm ein Portrait Herrmann J. Meyers Traueranzeige Grab der Familie Pommer auf dem Leipziger Südfriedhof, 2015 Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA) am Brühl, um 1900 Max Pommer hatte 1891 den ausgeschrieben Wettbewerb für die Umgestaltung gewonnen, baute einen neuen Eingang ein (linker Bildrand) und gestaltete in diesem Bereich Keller, Erdgeschoss und erstes Obergeschoss für die Zwecke der Bank um. Geschäftshaus Gruner (1899/1900), Brühl 4, 1943 ausgebrannt, reduzierter Wiederaufbau 1992–1995 um einen Teil des ursprünglichen Schmucks ergänzt, 1904 (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Geschäftshaus Oelßners Hof, erbaut 1895/96, Nikolaistraße 24 (Foto 1904 vor der Erweiterung, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Von den hochherrschaftlichen Villen Max Pommers in Leipzig sind leider viele durch Bomben im 2. Weltkrieg ausgebrannt und mussten abgebrochen werden. Unter den erhaltenen ist die Villa für den Bankier Sieskind Sieskind in der Wächterstraße 15 hervorzuheben. Außerhalb der großen Wohnanlagen sind derzeit nur wenige Mietshäuser von Max Pommer bekannt. Sie entsprechen in der Architektur dem Zeitgeschmack und den Erwartungen der Bauherren, nehmen darüber hinaus aber auch Rücksicht auf die Umgebung. Pommer verzichtete auf die Extravaganzen, mit denen ab etwa 1900 die jüngere Architektengeneration bewusst auf sich und ihre Bauten aufmerksam zu machen suchte. 1902 für August Mehlbaum erbaute Villa, Schwägrichenstraße 29 (nicht erhalten), 1904 (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Den bedeutendsten Teil des Schafens Max Pommers – hinsichtlich des Umfangs, aber auch hinsichtlich des Beschreitens neuer Wege – nimmt der Bau von Arbeiterhäusern ein. Über den Entwurf der Bauten hinaus konnte Pommer das sozialreformerische Konzept Herrmann J. Meyers grundsätzlich mitbestimmen. Daneben entwarf er auch den größeren Teil der 1902–1912 entstandenen Wohnanlage Alt-Lößnig für die Gemeinnützige Baugesellschaft. Pommers Wohnanlagen haben in ihrer jeweiligen Umgebung die städtebauliche Entwicklung befördert und sind heute deutlich in die weitere städtische Bebauung einbezogen. Von Max Pommers Geschäftshausbauten ist v. a. das für Geheimrat Carl Robert Gruner von 1899 erhalten, das zugleich der erste Stahlbetonbau in der Innenstadt von Leipzig war. Vom Umfang her noch größer, aber von geringerer städtebaulicher Wirkung, ist Oelßners Hof, der ab 1895 zwischen Nikolaistraße und Ritterstraße entstand. Bei den Industriebauten sind zwei Gebäude als beispielhaft zu nennen: 1898 die Erweiterung der Druckerei C. G. Röder und 1899 das Papierlager der Firma Sieler & Vogel. Ersteres gilt heute als die älteste erhaltene mehrgeschossige Hennebique-Konstruktion in Deutschland. Festschrift der Fa. Sieler & Vogel von 1900 mit Abbildungen des neuen Papierlagers Meyer‘sche Häuser in Lindenau, 1897 Am bedeutsamsten ist zweifellos Max Pommers Beitrag zur Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus. Mit den Meyer‘schen Häusern und den Bauten für die Gemeinnützige Baugesellschaft hat er Grundlegendes zum Sozialwohnungsbau in Deutschland beigetragen. Mit den Wohnanlagen in Reudnitz und Kleinzschocher nimmt Pommer städtebauliche Prinzipien der 1920er und gar der 1970er Jahre vorweg. Max Pommer befasste sich nicht nur als Architekt, sondern auch inhaltlich mit der sozialen Wohnungsfrage. 1900/01 erbautes Heim für alleinstehende Frauen und Mädchen, Weißenfelser Straße, 1904 (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Villa für Robert Julius Klinkhardt, 1897/99, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 1904 (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Villa für den Bankier Sieskind Sieskind, 1891/92, Wächterstraße 15, 1904 (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Treppenhaus der Villa Sieskind, Aufnahme von 2015 (Foto: Stefan W. Krieg) Treppenhaus der Villa Klinkhardt, Aufnahme von 2014 (Foto: Stefan W. Krieg) Max Pommer entwarf die meisten seiner Bauten in der Stilepoche des Historismus, Äußerungen über seine Architekturaufassung sind nicht überliefert. Eine Betrachtung seiner Bauten legt jedoch nahe, dass Stilfragen für ihn weniger Bedeutung hatten als für andere Architekten seiner Zeit. In der Wahl der Bauformen hielt er sich wohl an die Wünsche seiner Bauherren; war er selbst Bauherr, blieb er im vorherrschenden stilistischen Umfeld. Es war ihm vermutlich ein Bedürfnis, sich mit seinen Bauten hier ebenso einzugliedern, wie er selbstverständlich seine Aufgaben als Stadtverordneter und Stadtrat übernahm. Als er allerdings bemerkte, wie wenig ihm die neue Richtung des sogenannten Reformstils lag, war dies einer der Gründe, sein Architekturbüro zu schließen. Der Architekt Max Pommer hatte keine Schüler oder Nachfolger, auch nicht unter den Mitarbeitern seines Architekturbüros. Eine Nachfolge hat Max Pommer aber trotzdem gefunden – als Bauunternehmer in seinen Söhnen bei der Weiterführung der Betonbaufirma. Dass seine Bauherren Max Pommer oft über Jahre treu blieben, ist für die Zeit alles andere als selbstverständlich. Es zeugt davon, dass seine Entwürfe ofenbar den Nerv der Zeit trafen und dass er genau das in guter Qualität lieferte, was gewünscht war. Max Pommer hat 1879 bis 1912 Wesentliches zur Leipziger Architektur beigetragen, allein schon mit dem Umfang der von ihm geplanten Bauten gehört er in die erste Reihe der hiesigen Architekten dieser Zeit. Es fehlen die ganz großen Werke, aber er hat den Villenbau Leipzigs mit seinen zahlreichen Bauten im Musikviertel maßgeblich geprägt. Ohne die Kriegszerstörungen und den folgenden Verfall könnte dieses heute ein Musterbuch dafür sein, was großbürgerliche Villen der Kaiserzeit ausmachte – und dies fast alles aus Max Pommers Hand. Seine Bauten zeigen deutlich, dass ihm der Wohnkomfort der Bauherren und Nutzbarkeit wichtiger waren als eine strenge Gesamtform des Gebäudes und Symmetrie. Die Grundrisse zeigen übergreifend ein offensichtlich genaues Eingehen auf die Wünsche der Bauherrschaft und eine über die Konvention hinausgehende Auseinandersetzung mit der Bauaufgabe. Treppenhaus der Villa Meyer, Aufnahme von 2014 (Foto: Stefan W. Krieg) Villa für Herrmann J. Meyer, 1885/86, Käthe-Kollwitz-Straße 115, 1904 (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig) Villa Löblich Gera, Hainstraße 22, 1879/80 für G. Paul Löblich Wohnhaus Ledig Leipzig, Sebastian-Bach-Straße 3, 1881/83 für Kaufmann Friedrich Willibald Ledig Villa Häußler Gera, Friedrich-Engels-Straße 9, 1882/83 für Likörfabrikant Eugen Häußler Villengruppe Meyer-Pommer Leipzig, Käthe-Kollwitz-Straße 107–111, 1889/90 Villa Scheele Leipzig, Schwägrichenstraße 27, 1902 für Justizrat Carl Scheele, nicht erhalten Villa Schunck Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 3, 1897/99 für Fräulein Helene Julie Elisabeth Felicitas Schunck Villa Beckmann Leipzig, Ferdinand-Rhode-Straße 2, 1890/91 für Konsul Hermann Beckmann, im Krieg zerstört Villa Meyer Leipzig, Sebastian-Bach-Straße 44, 1886/87 für Herrmann J. Meyer, verändert erhalten Villa Berger Leipzig, Robert-Schumann-Straße 11, 1893/94 für Pastorenwitwe Louise Anna Berger, nicht erhalten (alle Abbildungen aus dem Jahr 1904, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig)
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