Ich darf hier so sein, wie ich bin

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General-Anzeiger • Nr. 28
9. Juli 2015
REGION
AUENSTEIN: Begegnungen im Naturistengelände «Chläb»
«Ich darf hier so sein, wie ich bin»
Tag der offenen Tür bei Heliosport
Aargau am Südhang der Gislifluh.
Vor einem Jahr beschrieb der GA bei
gleicher Gelegenheit das Gelände
und den ideellen Hintergrund. Diesmal geht es um die Menschen.
was völlig Natürliches, und ich
fand es schön, nach dem Bad nicht
diese feucht-kühlen Badehosen zu
tragen.» Unnatürlich kommt ihm
hingegen vor, dass nicht sehr viel
mehr Menschen diese Art von Entspannung betreiben. Er macht gesellschaftliche, künstlich errichtete Schranken dafür verantwortlich. Und dann wird Ruedi grundsätzlich: «In unserer Gesellschaft
wird so vieles versteckt, gibt es so
viel Verlogenheit. All das ist hier
kein Thema. Man macht sich
nichts vor. Jeglicher Geltungsdrang entfällt. Und das finde ich
extrem schön.»
Peter Belart
I
m Prospekt steht: «Der Naturismus bietet eine Lebensphilosophie, die auf Toleranz und Respekt basiert – sich selbst, den Anderen und der Umwelt gegenüber.
Und sie bietet eine passende Besonderheit: das Nacktsein! Diese Nacktheit ist kollektiv, gesund und natürlich. Sie ist eine Quelle des Wohlbefindens und wird hauptsächlich in
freier Natur erlebt.» Und: «Naturisten zeigen sich nicht nackt; sie leben
nackt. Das ist der grosse Unterschied.» Der General-Anzeiger wollte
wissen, wie einzelne Mitglieder dies
erleben und wie sie zum Naturismus
kamen.
Charlotte
Die erste Gesprächspartnerin ist
nicht mehr jung, wohl schon über 70
Jahre alt. Sie ist in der ehemaligen
DDR aufgewachsen. «Mein erster
Kontakt mit FKK entstand anlässlich
einer Velotour an die Ostsee. Wir
hatten so Lust, ein Bad zu nehmen,
hatten aber das Badezeug nicht bei
uns, und so stürzten wir uns nackt
ins Wasser. Es war wunderbar, das
Wasser und die Luft auf dem ganzen
Körper zu spüren.» Es folgten Ferien
an FKK-Stränden in Jugoslawien, zusammen mit den vier Kindern. «Für
Kinder ist das ja völlig selbstverständ-
Erich
Das Gelände im «Chläb» ist sorgfältig gepflegt
lich und unkompliziert.» Und heute?
«Es hilft mir, mich selbst und meinen
alternden Körper zu akzeptieren.
Ich darf hier so sein, wie ich bin.
Kein Körper ist perfekt; man darf
anders sein! Mit den Kleidern lege
ich sozusagen allen Schutz ab – und
fühle mich vollständig frei. Und
wenn ich in depressiver Stimmung
bin, kann ich hier regenerieren.»
Hier treffe man unterschiedlichste
Menschen, sagt Charlotte, und sie
selbst geniesse den unbelasteten Umgang mit allen Sorten von Personen.
«Wir erleben das ‹Chläb› nicht als
ideologisch. Da sind welche, die sich
vegan ernähren, neben andern, die
Bild: pbe
dort oben ihr Fleischstück grillieren.
Leben und leben lassen.» Dann doch
noch eine gewisse Nachdenklichkeit:
«In meinem Bekanntenkreis offenbare ich diese Seite meines Lebens
nicht ohne Weiteres. Ich tue mich
schwer, diese Schranke zu überwinden.»
Ruedi
Zusammen mit seinem Bruder hat
Ruedi – etwa 65-jährig – schon in
jungen Jahren ab und zu ein FKKGelände aufgesucht. Wie Charlotte, so verbrachte auch Ruedi
Ferien auf einem FKK-Campingplatz in Jugoslawien. «Es ist ja et-
BÖZBERG: Informationsveranstaltung Landschaftsqualitätsprojekt
«Früher hätte ich mir das nicht vorstellen können. Ich dachte, dass ich
das niemals machen würde», erzählt der vielleicht 40-jährige Erich.
Aber dann nahm er doch einmal
ein Bad in der Aare – ohne Badehosen!, «und ich fand es eigentlich
noch schön; ich fühlte mich richtig
wohl». Dann las er einen Zeitungsbericht über das «Chläb» und
dachte sich: «Da gehe ich mal hin.»
Das Nacktsein war ihm ja nicht
fremd; er kannte und schätzte es
von den Saunabesuchen. Am Tag
der offenen Tür erkundigte er sich
nach den Aufnahmebedingungen.
«Damals war man alleinstehenden
Männern gegenüber eher zurückhaltend, vielleicht sogar etwas misstrauisch.» Doch er wurde aufgenommen. Inzwischen ist Erich ein
überzeugter Naturist. «Auf dem
Vereinsgelände sünnelen und baden und entspannen, die Sonne auf
dem ganzen Körper spüren – ich
würde jedem und jeder empfehlen,
das wenigstens einmal auszuprobieren!»
Jeanine
«Ich bin sozusagen hier im ‹Chläb›
aufgewachsen», lacht die 25-jährige
Jeanine. Und sie erzählt, wie sehr sie es
schon als Kind genossen hat, sich auf
dem ganzen grossen Gelände frei bewegen zu dürfen. «Man fühlt sich einfach aufgehoben.» Auch in der Zeit
der Pubertät kam sie regelmässig ins
Naturistengelände. «Mir war ja alles
vertraut. Ich fühlte mich hier, in dieser Gemeinschaft, immer wohl. Einige
Gleichaltrige zogen sich damals zwischenzeitlich zurück, doch jetzt kommen sie nach und nach wieder zurück.» Die Begegnung und der Austausch mit Menschen unterschiedlichsten Alters fielen ihr immer leicht;
sie empfand das als etwas Bereicherndes. «Man begegnet sich unabhängig
vom Alter auf Augenhöhe. Der Umgang mit andern ist absolut unkompliziert. Der Mensch steht im Vordergrund.» Sie bedauert, dass die Öffentlichkeit teils zurückhaltend, teils unbeholfen reagiert, und sie begegnet
vorgefassten Meinungen, die nicht
einmal auf einem persönlichen Augenschein basieren. Seit 2009 ist
Jeanine im Vorstand des Vereins. Sie
engagiert sich dort für Jugendliche
und ist für besondere Veranstaltungen
zuständig. «Ich bin so gern hier im
Paradies; es gibt nichts Vergleichbares.
Es ist ein Privileg, hier sein zu dürfen.»
Das schöne Gesicht von Jeanine
●
strahlt.
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PRI M A RS C HUL E M ÜL L I G EN
Vielfalt erzeugen durch Kontraste
Um Landwirten und Behörden das
regionale Landschaftsqualitätskonzept LQK näherzubringen, hat Brugg
Regio in Oberbözberg zur Informationsveranstaltung geladen. Rund fünfzig Interessierte haben sich die Neuerungen erklären lassen. Und viel
Spannendes erfahren.
Nach einer musikalischen Weltreise gehts für die Kinder erst mal
in die Sommerferien
Hans Lenzi
L
andschaftsarchitekt
Victor
Condrau führte mittels PowerPoint-Darstellung und vertiefender Erläuterungen durchs
Thema. Die Fragerunde am
Schluss bot Gelegenheit zu Klärungen.
Das LQK stellt eine neue Direktzahlungskategorie zugunsten der Landwirtschaft dar, welche sich offenbar
im Rahmen der überarbeiteten eidgenössischen Agrarpolitik aufdrängt. Sie steht – wie aus dem Namen ersichtlich – für den Erhalt, die
Aufwertung und Neuschaffung
landschaftlicher Qualität. Sie unterstützt die gezielte Pflege traditioneller Kulturterritorien sowie die nachhaltige
Neugestaltung
solcher
Räume. Damit erhält und fördert sie
auch die Erholungsqualität und den
Erlebniswert solcher Regionalgebiete und deckt die spezifischen Ansprüche, nicht zuletzt jene an eine
schöne Landschaftsästhetik, der
Bevölkerung ab. Das stiftet Identität
und verhilft Gemeinden zu einem
Wettbewerbsvorteil, ohne dass die
landwirtschaftliche
Flächennutzung ins Hintergrund gerät. Tatsache ist nämlich, dass solche Parameter für viele Zeitgenossen bei der
Wahl ihres künftigen Wohnorts
keine unwesentliche Rolle spielen.
Und zu guter Letzt stehen all diese
Bemühungen in keinem Widerspruch zum schon früher fixierten
Ziel, eine gute Biodiversität – Artenförderung,
Lebensraum-Vernet-
Landschaftsarchitekt Victor Condrau trägt die Neuigkeiten vor
zung als Stichworte – zu gewährleisten.
Differenziertes Anreizsystem
Der aufgelegte Massnahmenkatalog verräts: Das LQK von Brugg
Regio kommt sehr differenziert daher. Auf Wunsch werden die Landwirte beraten. Es werden die verschiedenen landschaftlichen Einsatzmöglichkeiten aufgelistet und
Beiträge definiert, beispielsweise
für blütenfreudige Magerwiesen
(«sie aktivieren unsere Sinne, ergeben gesundes Öko-Heu und ermöglichen vielfältige Synergien»).
Dafür lassen sich immerhin zwischen 10 und 15 Franken pro Are
abholen. Etwas weniger schenken
extensiv genutzte sowie strukturreiche Weiden ein: Sie sind mit vier
Franken/Are veranschlagt, wobei
es Kumulierungsmöglichkeiten mit
zusätzlich vorgesehen Massnahmen gibt. Als Kleinstrukturen –
nur unvollständig aufgezählt – gelten Natursteinmauern, Asthaufen,
Feucht- und Nassstellen, aber auch
Totholzbäume. Weitere qualitäts-
Bild: hle
fördernde Einsatzelemente stellen
sogenannte
Ackerschonstreifen,
Lebensraum vernetzende Säume,
farbige Hauptkulturen, Zwischenund Gründüngungskulturen und
andere mehr dar. Und noch ist von
Rebflächen, Hecken-, Feld- und
Ufergehölzen sowie Waldgebieten
und den verschiedenen Baumarten
gar nicht gesprochen; gerade letztere sind oft markante Landschaftszeichen.
Finanzierung (einigermassen)
gesichert
Laut Condrau verpflichten sich interessierte Landwirte vertraglich auf
eine achtjährige Laufzeit der entschädigten Massnahmen. Damit sichert sich der Auftraggeber eine
gewisse Nachhaltigkeit. Kontrolliert
wird einmalig. Die Finanzierung ist,
mit Vorbehalten, gesichert; eingestellt sind für die acht Jahre 400 000
Franken, wobei der Bund neunzig
Prozent der Ausgaben übernimmt.
Je nach Nachfrage müssten die Gelder im schlimmsten Fall linear gekürzt werden.
●
■ Eine musikalische Weltreise
Bei hochsommerlichen Temperaturen fand am Mittwoch, 1. Juli, die
Serenade, der musikalische Abschluss des Schuljahres der Schule
Mülligen, auf dem Pausenplatz statt.
Über 60 Kinder der ersten bis sechsten Primarklasse sangen Lieder aus
aller Welt und in verschiedenen
Sprachen. «Un poquito» zauberte
spanische Stimmung, «Ne dolazi»
entführte nach Bosnien, «Ho taru
koi» grüsste auf Japanisch, weitere
Songs klangen in afrikanischen
Sprachen. Natürlich durften englische Stücke nicht fehlen, und schon
gar nicht gut Schweizerisches wie die
pfiffige Version von «S’Ramseiers».
Die Kinder überwanden sogar ihr
Lampenfieber und sangen Soli mit
dem Mikrofon. Der Applaus war für
alle mehr als verdient!
Die Lehrerinnen hatten sich zu einem kleinen Chörli zusammengetan
Bild: zVg
und sangen die Geschichte des kleinen Chalet «Là-haut sur la montagne». Roberto Vacca und Corina
Landes begleiteten den Chor mit Akkordeon, Gitarre, Keyboard und
Geige – eine wunderschöne Abrundung des Gesanges.
Viel Lob haben die beiden Chorleiterinnen Madeleine Zeller und Janine
Ramseier verdient. Die beiden Lehrerinnen haben mit den Kindern
nicht nur sehr viel geübt, sondern
auch die ganze Planung und Vorbereitung für diesen grossartigen Auftritt übernommen.
Die Schule freut sich über die Kollekte, die an Terre des hommes zugunsten der Kinder in Syrien und
Jordanien weitergegeben wird.
Zum Abschluss sang die Schule «We
are the world», und mit dem schönen
Gefühl der Gemeinschaft endete die
musikalische Weltreise.
Andrea Pasinelli, Schule Mülligen