IFIM - NEWS 11 / 2015 Der Inhalt - IFIM Institut für Interkulturelles

IFIM - NEWS 11 / 2015
Der Inhalt:
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Auslandserfahrung ist Personalern unwichtig!
Termine Offene Seminare bis Jahresende 2015
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Auslandserfahrung unwichtig?
Am 1. Oktober zeigte sich Spiegel-Online 'überrascht': "Auslandserfahrung ist Personalern unwichtig"
titelte das Portal unter Berufung auf die Personalleiterbefragung des Instituts für Wirtschaftsforschung
(Ifo) und des Personaldienstleisters Randstad (ifo-flexindex 2. Q. 2015).
Bei diesen quartalsweise vorgenommenen Befragungen wird bei jeweils mehr als 1000 Personalleitern
erhoben, welche Maßnahmen zur Flexibilisierung der
Arbeitswelt sie einsetzen. In jedem Quartal werden aber auch eine oder zwei 'Sonderfragen' gestellt und
diesmal hieß sie
"Welche Faktoren sind Ihnen in der Personalauswahl wichtig?"
Dazu wurde gebeten, zehn Aspekte für die Vorauswahl und die Endauswahl von Bewerbern nach Wichtigkeit einzuschätzen. Bei der Vorauswahl fanden nur 20% Auslandserfahrung 'eher wichtig', ganze 6%
hielten sie für 'wichtig' und 33% schlichtweg für 'unwichtig'.
Bei der finalen Auswahl erhöhen sich diese Werte leicht. Doch damit liegt 'Auslandserfahrung' bei beiden Bewerbungszeitpunkten mit deutlichem Abstand auf dem letzten Platz der vorgegebenen 'Aspekte',
selbst das Bewerbungsfoto wurde für weitaus wichtiger gehalten.
Im Gegensatz zu Spiegel-Online geben die Autoren der Studie selbst keinerlei Bewertungen ab. Sie referieren nur kühl ihre Ergebnisse. Aber natürlich ist die Frage erlaubt, wie die geringe Wichtigkeit von Auslandserfahrung zu deuten ist.
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Ist das Ergebnis ein Hinweis darauf, dass Personaler die Herausforderungen der Globalisierung immer noch unterschätzen?
Passt das Ergebnis zu den Klagen vieler Rückkehrer, ihre Auslandserfahrung werde in ihren Unternehmen kaum geschätzt?
Wird in Deutschland die Bedeutung 'relevanter Berufserfahrung' – für die Befragten der mit Abstand
wichtigste Aspekt – immer noch überschätzt?
Vielleicht!
Aber wenn, dann sind die Ergebnisse des 'flexindex' dafür kein ernsthafter Beleg.
IFIM - News: Aktuelle Informationen aus der Arbeit des Instituts
29. 10. 2015
Bei welchen Bewerbern wäre Auslandserfahrung wichtig?
Wenn die Frage an die Personalleiter tatsächlich hieß "Wie wichtig sind Ihnen folgende Aspekte bei der
Personalauswahl", ist sie ja sehr allgemein gestellt. Es geht weder um bestimmte Hierarchieebenen,
noch um bestimmte Berufe oder Aufgabenfelder. Erfasst ist auch ein breites Feld von Unternehmen, von
solchen mit unter 50 Mitarbeitern bis zu Großunternehmen. Da sollten wir uns als Autoren und Leser
eines News-Letters, der von einem Institut für Interkulturelles Management herausgegeben wird, doch
daran erinnern, dass die Mehrzahl aller Stellen in der deutschen Wirtschaft bis heute tatsächlich weder
'interkulturelle Kompetenz' noch 'Auslandserfahrung' erfordert!
Natürlich: In vielen Unternehmen hat heute ein größerer Anteil der Inlandsmitarbeiter häufiger mit
fremdkulturellen Partnern zu tun als noch vor zwanzig Jahren. Und sie erleben oft Schwierigkeiten damit, mit fremdsprachigen und fremdkulturellen Partnern gelegentlich mailen oder telefonieren zu müssen oder an Telefon- oder Videokonferenzen mit ihnen teilzunehmen. Aber selbst in global tätigen Unternehmen betreffen diese internationalen Kontakte nur eine Minderheit der Mitarbeiter.
Natürlich: Auch in einem Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitern, das lokale Dienstleistungen anbietet,
wird es Mitarbeiter und Kunden geben, die einen Migrationshintergrund aufweisen. Es ist sicher hilfreich, wenn die deutschstämmigen Bewerber ein wenig 'Fingerspitzengefühl' mitbringen, um mit diesen
Kollegen oder Kunden angemessen umzugehen. Aber dazu braucht es gewiss keine 'Auslandserfahrung',
jedenfalls keine, die über die 'Auslandserfahrung' hinausgeht, die heute jeder besitzt, der seinen Urlaub
mal außerhalb Deutschlands verbracht hat.
Zudem rekrutiert kaum ein Unternehmen Personal, um es sofort ins Ausland zu
entsenden. Die Entsendung ergibt sich nach einigen Jahren im Unternehmen und
einem gewissen Karriereweg – oder auch nicht. Zum Zeitpunkt der Einstellung wird
bei manchen Gruppen zwar die grundsätzliche Bereitschaft zu einer Auslandstätigkeit abgefragt, aber jeder Bewerber kennt die erwartete Antwort. Ob es tatsächlich zu einer Entsendung kommt, entscheidet sich viel später.
Vielleicht resultiert die festgestellte geringe Bedeutung von 'Auslandserfahrung'
beim Bewerbungsprozess einfach daraus.
Welche Art von 'Auslandserfahrung' wird gegebenenfalls benötigt?
'Auslandserfahrung' wird bei der Befragung nicht weiter spezifiziert. Spiegel-Online assoziiert: "Ein Praktikum in Singapur, zwei Semester in den USA, das Arbeitsjahr in Spanien: Vor allem junge Berufstätige
gehen gern für eine Weile ins Ausland".
Vielleicht verstanden die befragten Personalleiter 'Auslandserfahrung' ja ähnlich. Dann aber stimmen
wir beim IFIM ihnen völlig zu, dass solche Erfahrungen tatsächlich nicht sehr wichtig sind.
Diese Aussage wird Widerspruch auslösen, vor allem bei den jungen Menschen, die allerlei Schwierigkeiten auf sich genommen haben, um solche Erfahrungen zu machen und überwiegend glauben, ihr Auslandsaufenthalt sei 'lohnend' gewesen. Das war er sicher auch, für ihre Sprachkompetenz und eigene
Persönlichkeitsentwicklung! Viele Menschen berichten glaubhaft, sie seien im Ausland selbständiger,
und flexibler geworden, hätten ihren 'Horizont' erweitert.
IFIM - News: Aktuelle Informationen aus der Arbeit des Instituts
29. 10. 2015
Das ist gut und nützlich. Diese wahrgenommenen Entwicklungen sind allerdings keine, die sich nur beim
Auslandsaufenthalt durchlaufen lassen. Es ist auch keineswegs gesagt, dass jemand, der "zwei Semester
in den USA" studiert hat, flexibler, kultursensibler oder weltoffener ist als jemand, der sich das nicht
leisten konnte.
Unter den zehn 'Aspekten' die IFO-Randstad zur Bewertung vorlegen, fehlen 'Soft-skills' ohnehin völlig:
Drei beschreiben 'Noten', zwei 'Kenntnisse' (Sprachkenntnisse und IT-Kenntnisse), zwei formale Kriterien
(Anschreiben und Foto) und drei 'Erfahrungen': Neben der 'Auslandserfahrung' 'relevante Berufserfahrung' und 'Praktika'. Was nicht gefragt wird, kann man auch nicht beantworten.
Doch dann stellen die Forscher noch eine Zusatzfrage zur 'finalen Auswahl'
und berichten: "Die Persönlichkeit des Bewerbers hielten 78% der Personalleiter für 'wichtig', bzw. 21% für 'eher wichtig'." Bleibt 1% der Befragten, die sie
für 'weniger wichtig' hielt.
Leider bleibt ungeklärt, welche Persönlichkeitseigenschaften den Personalleitern denn so wichtig sind.
Vielleicht sind es ja doch grade die, die durch einen Auslandsaufenthalt gestärkt werden können. Vielleicht auch nicht.
Spätestens an dieser Stelle stellt sich uns die Frage, ob die vom ifo-Institut beauftragten Forschungen
wirklich so seriös sind, wie uns Hans-Werner Sinn immer glauben machen will.
Aber selbst wenn wir diese Zweifel beiseite wischen:
Viele Unternehmen machen heute 'qualifizierte (!) Auslandserfahrung' zu einem notwendigen, aber
nicht hinreichenden Kriterium für einen Aufstieg im Management. Diese 'qualifizierte' Erfahrung muss in
der Regel durch einen mehrjährigen beruflichen Auslandsaufenthalt in verantwortlicher Position erworben werden. Ohne entsprechende Erfahrung könnten Führungskräfte ihrer Verantwortung für ein global
agierendes Unternehmen nicht wirklich gerecht werden.
Wir halten das für richtig, sofern der 'auslandserfahrene' Manager seine Erfahrungen richtig einordnet.
Wenn er aufgrund einer dreijährigen Tätigkeit in – sagen wir – Singapur glaubt, er kenne 'die Welt', mag
das eher schädliche Folgen haben. Wenn er bei seinem Aufenthalt allerdings gelernt hat, dass Kunden,
Mitarbeiter, Zulieferer und Behörden in seinem Einsatzland ganz anders 'ticken' als die entsprechenden
Gruppen in Deutschland und daraus den Schluss zieht, dass es in allen anderen Ländern, in denen sein
Unternehmen tätig ist, wieder anders ist, und es deshalb sehr aufwendiger und mühevoller Prozesse
bedarf, um auf vielen Märken zu bestehen, ist das eine wichtige Voraussetzung dafür, eine Führungsposition in einem globalen Unternehmen erfolgreich ausfüllen zu können.
Diese Erfahrung mit Kunden, Mitarbeitern, Zulieferern und Behörden macht man in der Tat nur dann,
wenn man sich unter Erfolgsdruck verantwortlich mit ihnen auseinandersetzen muss. "Ein Praktikum in
Singapur, zwei Semester in den USA, das Arbeitsjahr in Spanien" sind dafür in der Tat kaum 'wichtiger'
als zehn Urlaube am 'Ballermann', zwei Safaris in Südafrika und eine Wanderung im Grand Canyon!
Qualifizierte Auslandserfahrung ist wichtig! Es ist zum Beispiel wichtig, dass Manager verstehen, dass
sich Probleme mit Aufsichtsbehörden nicht überall dadurch lösen lassen, dass man mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten oder dem Bundeskanzler plaudert. Von Bloomberg über Wikipedia bis
Volkswagen: Im Internet finden sich zahlreiche Biographien von Martin Winterkorn und Ferdinand
Piëch. Keine erwähnt einen qualifizierten Auslandsaufenthalt.
Aber das ist sicher nur Zufall!
IFIM - News: Aktuelle Informationen aus der Arbeit des Instituts
29. 10. 2015
Qualifizierte Auslandserfahrung zu erwerben ist ein aufwendiger Prozess. Aufwendig für den Mitarbeiter, der – meist mit Familie – an einen fremden Ort umziehen muss, aufwendig für das entsendende
Unternehmen, das gut daran tut, alles Mögliche zu tun, um der Entsendung zum Erfolg für Mitarbeiter
wie Unternehmen zu verhelfen. Interkulturelles Ausreisetraining ist dabei nur ein Baustein unter vielen.
Aber ein ganz wichtiger: Es geht dabei ja nicht darum, dem Ausreisenden ein paar Tipps und Tricks für
Alltag und Beruf zu geben, sondern vor allem darum, betriebswirtschaftlich und technisch ausgebildeten
Mitarbeitern ein 'Gespür' für das Phänomen 'Kultur' zu vermitteln, das ihnen nicht nur erlaubt, im Einsatzland eigenständig weiter zu lernen, sondern auch, das dort Gelernte sinnvoll auf andere Kulturen zu
übertragen. Das Selbstverständnis von Aufsichtsbehörden, um beim Beispiel zu bleiben, ist weltweit
keineswegs einheitlich, aber es ist auch nicht in jedem Land ganz eigen. Es gibt gewisse Grundtypen, und
zu welchem Grundtyp die Behörden eines Landes gehören, ist nicht zufällig, sondern hängt von einigen
Bedingungen ab, die sich identifizieren lassen. Sofern man gelernt hat, nicht nur in 'Spaltmaßen' zu denken, sondern seine hohe Analysefähigkeit auch auf kulturell-gesellschaftliche Phänomene anzuwenden!
Denn die wichtigste Erkenntnis ist wohl: 'Culture matters!' Ob im Umgang mit Behörden, mit Kunden
und ihren Vorlieben, mit Mitarbeitern und ihren Erwartungen an einen 'guten Arbeitsplatz', einen 'guten
Chef' oder ein 'gutes Betriebsklima': Global erfolgreich werden Unternehmen sein, deren Führungsspitze
weiß, dass die alte Maxime 'think global – act local' nicht schon deshalb obsolet wird, weil sie sich in
einem global agierenden Unternehmen nur sehr schwer umsetzen lässt. Und die akzeptiert, dass es an
vielen Stellen durchaus Geld kostet, die Mitarbeiter zu befähigen sie umzusetzen!
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Termine offene Seminare bis Jahresende 2015
Reihe 'Leben und Arbeiten in …- Interkulturelles für Ausreisende und Mitausreisende':
= 1 Tag = 1 Berater = 1.250.- € für Einzelpersonen = 1.850.- € für ausreisende Paare
Myanmar 30. 11. 15
Vietnam 01. 12. 15
Reihe 'Interkulturelle Auslandsvorbereitung'
= 2 Tage = Bikulturelles Trainerteam = 1.780.- €
Südostasien 30.11. - 1. 12. 15
Süd-Korea 7. - 8. 12. 15
Indien 7. - 8. 12. 15
China 7. - 8. 12. 15
Brasilien 7. - 8. 12. 15
Türkei 14. - 15. 12. 15
Arabische Länder 14. - 15. 12. 15
Japan 14. - 15. 12. 15
USA 14. - 15. 12. 15
Alle Preise zuzüglich MwSt. und Hotelkosten
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