Marion Bullwinkel Kolping Workcamp September 2015 Arusha - Mianzini vom 29. August bis 27. September 2015 Schon länger hatte ich den Wunsch Tansania zu bereisen, erwog viele Möglichkeiten und fand im Januar 2015 in den Cuxhavener Nachrichten einen Artikel von Bentje Vetter, die von ihrem Freiwilligen-Aufenthalt in Tansania berichtete und einlud unter ihrer Führung an einem Workcamp im Norden des Landes teilzunehmen. Nach nettem Mailkontakt mit Bentje , die mich ermutigte, trotz meines nicht mehr jugendlichen Alters an dem Projekt teilzunehmen, der Anmeldung und Bewerbung bei Kolping, wurde die Reise gebucht. Obligatorisch für die Teilnahme an dieser Art des Reisens ist der Besuch des Workshops zum Workcamp. Ende Juli fand es in Bonn statt. Wir lernten uns kennen, bekamen von Bentje phantastisch vorbereitete Unterlagen, supergute und wie sich im Nachhinein herausstellte, sehr wichtige und nützliche Informationen... sogar eine Packliste!!!! Nun wurde es ernst: Impfungen organisieren, Ideen für Gastgeschenke sammeln, die realistische Menge für den Inhalt eines Rucksacks einschätzen (schwierigste Übung bei 46 kg Freigepäck) und sich tatsächlich auf den Aufenthalt in Tansania - Afrika - vorbereiten. Wir trafen uns auf dem Frankfurter Flughafen, es war heiß, das Gepäck schwer, ich war froh einzuchecken und dann im Flugzeug zu sitzen. Der Flug ging von 22 Uhr bis ca. 6 Uhr morgens nach Addis Abeba, einige Stunden Wartezeit und dann weiter nach Arusha, Kilimandscharo Airport. Tatsächlich flog die Maschine zwischen dem fast 5000 m hohen Mt. Meru und dem nahezu 6000 m hohen Kilimandscharo Richtung Arusha, tolle Ausblicke! Um die Mittagszeit, viele von uns waren nun seit 24 Stunden unterwegs, wurden wir am Airport von Mitarbeitenden des Projekts und Lisa, einer Teamleiterin, die ihren Aufenthalt noch verlängert hatte, sehr freundlich empfangen - mit einer Rose für jede(n)! Alle Einreiseformalitäten waren erledigt, das Gepäck vollständig, die Müdigkeit verflog, die Spannung stieg. Wohin wir wohl fahren würden? Zunächst zur Schule. Es gab eine fröhliche Begrüßung, wir wurden umarmt, geküsst, einander vorgestellt. Wir haben viel gelacht, selten habe ich mich so willkommen geheißen gefühlt. Das Gepäck wurde ins Gästehaus gebracht, nach einigem Hin- und Her bezogen wir Dreier-, Zweier- und sogar Einzelzimmer. Allgemeine Zufriedenheit mit der Unterbringung in einem Haus mit Blick auf den Mt. Meru und über die Dächer Mianzinis. Für tansanische Verhältnisse eine sehr luxeriöse Unterkunft mit meistens Strom und fast immer Wasser (fließend!). Wir hatten einen Gemeinschaftsraum, in den wir auch die Mahlzeiten gebracht bekamen und aßen. Zum Frühstück gab es Tee, Toast und Marmelade, mittags und abends entweder Reis, Nudeln oder Ugali (ein aus Maismehl gekochter Brei) mit Bohnen, Linsen oder Kohl in den verschiedensten Kombinationen. An den Wochenenden waren wir immer auf Reisen und konnten in den Restaurants bestellen, was wir mochten. Die Schule Wir waren eingeladen, an der „assembly“ (dem Morgenappell) teilzunehmen. Ich war verblüfft zu sehen, wie sich alle Schüler von der Babyclass (ab vier Jahren) bis zur siebten Klasse in Reihen aufstellten und sich auf Kommando bewegten, sangen und Parolen skandierten. An diesem Tag waren die Ferien zu Ende, daher wurden nochmals alle Lehrer, Fachlehrer und auch die für ein Praktikum anwesenden Studenten begrüßt und die Schüler_innen lauthals an die Tugenden Disziplin, Konzentration und Respekt gegenüber allen erinnert. Wir wurden auch vorgestellt und bekamen von Kindern jeweils ein Armband aus kleinen Perlen geschenkt und umgebunden – damit wir uns zugehörig fühlen! Eine rührende Geste. In fröhlicher Stimmung ging es in die Klassen. Wir hatten gleich darauf eine Besprechung mit dem „headteacher“ Lubuva. Wir wurden nach unseren Vorlieben befragt und entsprechend den Klassen zugeteilt, konnten selber Unterricht geben, oder so wie ich, nur hospitieren. Unsere Teilnahme, der Stundenplan und der Inhalt der jeweiligen Stunden wurden recht flexibel gehalten. Der Unterricht läuft vollkommen anders als wir es gewohnt sind ab. Frontalunterricht. Der Lehrer sagt etwas, die Schüler wiederholen im Chor, dreimal; wenn Aufgaben gestellt werden, werden sie an die Tafel geschrieben und von den Schülern kopiert; das Fehlen von Hilfsmitteln, wie z. B. Kopien oder Arbeitsheften, kostet unglaublich viel Zeit. Die Antworten bestehen aus Ergänzen der Textlücken oder dem Rezitieren von Sätzen oder Textpassagen aus dem Lehrbuch. Eigene Formulierungen oder Diskussionen habe ich kaum erlebt. Die Disziplin und Hilfsbereitschaft unter den Schülern ist genauso erstaunlich. Es herrscht eine gute Stimmung in den Klassen, es wird viel gelobt. In der großen Pause am Vormittag bekommen die Kinder eine Tasse Porridge, eine dünne Suppe aus Maismehl gekocht, mittags gibt es aus der Schulküche zubereitetes Essen. Mittwochnachmittags gibt es zusätzlich christlichen Religionsunterricht, donnerstags Sozialkunde und freitags Sport. Die Schule ist ein bewundernswertes Projekt, das Mama Hindu schon vor 20 Jahren initiiert hat. Hauptsächlich dank Spenden gibt sie Kindern die Möglichkeit bis inkl. der siebten Klasse zu lernen. Sie erzählte uns, dass die Schüler dieser Schule im landesweiten Vergleich sehr gute Ergebnisse erzielen. Aktuell baut sie auf dem Schulgebäude einen weiteren Raum, damit auch schwer gehandicapte Kinder die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen. Für die Zukunft plant sie auch noch die weiterführende Stufe, Secondary School, einzurichten. Mama Hindu ist eine unglaublich beeindruckende Frau. Das Alter von Anfang sechzig nimmt man ihr nicht ab, so energiegeladen, voller Tatendrang und immer gut gelaunt, wie sie jeden Tag beginnt. Für jeden hat sie ein freundliches Wort, ist immer aufmerksam und kann gut zuhören – trotz ständigen Handyklingelns. Sie hat wirklich viele Projekte neben der Schule. An den Nachmittagen hat sie uns daran teilnehmen lassen. Maasaidörfer Wir konnten zwei verschiedene Maasaidörfer besuchen. Mama Hindu unterstützt die Frauen dort, sich zu organisieren. Die Männer fehlen oft in den Dörfern, da ist es besonders wichtig, die wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen. Geld verdienen die Frauen in erster Linie mit dem Verkauf von Schmuck und Gebrauchsgegenständen aus kleinen Perlen. Sie haben uns gezeigt, wie man in den Dörfern wohnt, kocht und Hütten baut. Das Gerüst der runden Hütten wird aus Zweigen aufgestellt und dann mit Lehm, Asche und Kuhdung verputzt. In wenigen Tagen ist so eine Wohnung, Küche oder ein Lager fertig. Wir haben die Ziegen und Esel bewundert, Kunsthandwerk gekauft, geplaudert und miteinander getanzt. Kitchengarden Ein weiteres wichtiges Anliegen sind Mama Hindu die `kitchengarden`. Sie zeigt in den Dörfern, wie man aus Erde, Zweigen und Kuhdung eine Art Beet anlegen kann und wie man das Brauchwasser zum Wässern von Gemüsepflanzen nutzen kann. Hierzu werden Bambusstäbe wie ein Trichter in die verschiedenen Gesteinsschichten eingebaut. Eine einfache Arbeit mit in der Umgebung vorkommenden Materialien, die positive Effekte auf die Ernährungssituation in den trockenen Gebieten hat. CWCD Ein großer Teil ihrer Arbeit steckt im Center for Women and Children Development (CWCD). In einem anderen Stadtteil von Arusha gibt es ein großes Büro, das alle Aktivitäten koordiniert. Ich hatte die Chance dort einige Tage mitzuarbeiten. Es war wiederum eine völlig neue Erfahrung. Ich bin Bankkauffrau und glaubte, schon viel gesehen zu haben. Die „Organisation“ von Verwaltung in Tansania unterscheidet sich allerdings so sehr von meinen bisherigen Erfahrungen, dass ich nur so staunen konnte, wie und, dass etwas funktioniert. Am Ende unseres Aufenthaltes war Mama Hindu sehr stolz, dass sie auch wegen der guten Arbeit im Office die beste Bewertung im Wettbewerb um die Ernennung zur NGO bekommen hat. Ich drücke ganz fest die Daumen, das sie das Ziel als NGO anerkannt zu werden, erreicht. Es würde ihrer Arbeit nicht nur Anerkennung, sondern, noch viel wichtiger, Sicherheit und Unterstützung bringen. Freizeit – Reisen Wie schon erwähnt, hatten wir die Wochenenden zur freien Verfügung. Wir besuchten den Ngorogoro-Krater und den Arusha-Nationalpark und staunten über die vielfältige Tierwelt. Wir fuhren nach Moshi an den Fuß des Kilimandscharo, durch Steppengebiet an und in heiße Quellen, besuchten ein Chagga Museum und herrliche Wasserfälle. Wir bereisten den Norden Tansanias. Es ist ein atemberaubend schönes Land: weite, trockene Steppenlandschaften, verschwenderisch grüne Gegenden wo es Wasser gibt, gigantische Berge und die weißen Strände des Indischen Ozeans. Nach drei Wochen in Arusha machten wir uns auf den Weg an den Indischen Ozean. Das Reisen in den für die Bevölkerung erschwinglichen Bussen ist langwierig und sehr beschwerlich. So waren wir froh, einen Zwischenhalt in den Usambara Bergen in Lushoto eingeplant zu haben. In dieser ruhigen Kleinstadt in den Bergen des Regenwaldes war es herrlich zu spazieren. Schon am nächsten Tag ging es weiter über Tanga und Pangani nach Ushongo-Beach, wo wir in Rundhütten logierten und das Strandleben genossen. Im Rückblick war es eine der interessantesten Reisen, die ich gemacht habe. Durch die Möglichkeit der Mitarbeit im Projekt gibt es ganz intensive und einmalige Einblicke in das Leben Tansanias und unvergessliche Begegnungen mit Menschen. Ob wir in Städten oder Dörfern waren, alle waren sehr freundlich und interessiert. Ich bin beeindruckt von den höflichen Begrüßungen und dem immer stattfindenden „Smalltalk“. Ich habe die Reise durch das Land sehr genossen und bin - natürlich - fasziniert von der Tierwelt. Für mich war es auch ein ganz besonderes Erlebnis in einer Gruppe mit so jungen Menschen zu reisen, sie kennenzulernen, zu diskutieren und durch sie einen neuen Blick auf die Welt zu richten. Ich habe mich gefreut, dass schwierige Situationen in der Gruppe sachlich besprochen werden konnten und sich eigentlich alle an Verabredungen gehalten haben. Ich freue mich sehr diese Reise und dieses Workcamp gemacht zu haben.
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