Was Wille und Unterstützung möglich machen - Marion

Was Wille und Unterstützung möglich machen
Spastisch gelähmte Gymnasiastin absolvierte ein Betriebspraktikum in der Verwaltung der Lebenshilfe
Nienburg. Um Schule und Be­
rufsleben besser zu verzahnen,
absolvieren die meisten Schüle­
rinnen und Schüler Berufsprak­
tika. So gesehen ist Saskia Fusas
14-tägiges Gastspiel in der Ver­
waltung der Lebenshilfe nichts
Besonderes. Und doch ist es al­
les andere als alltäglich: Saskia
ist spastisch gelähmt, sitzt im
Rollstuhl und braucht bei vie­
lem, was anderen ganz normal
erscheint, Unterstützung. Doch
die 16-Jährige hat einen eisernen
Willen: Sie besucht das MarionDönhoff-Gymnasium, will das
Abitur machen und hat - wie
andere auch - ihr Betriebsprak­
tikum absolviert.
Es ist noch nicht lange her, da
hätte ein Mädchen wie Saskia
keine Chance gehabt, jemals eine
„normale“ Schule zu besuchen,
erst recht kein Gymnasium. In­
zwischen aber hat sich die gesell­
schaftliche Einstellung gegen­
über Menschen mit Behinderun­
gen gewandelt, und jüngst hat
auch der Gesetzgeber das Recht
auf „inklusive Beschulung“ fest­
geschrieben. „Doch auch wenn
Kinder und Jugendliche mit Be­
hinderung den schulischen An­
forderungen entsprechen - oft
brauchen sie professionelle Un­
terstützung, um ihr Wissen und
Können auch ausdrücken zu
können“, heißt es in einer Mittei­
lung der Lebenshilfe.
„Die Lebenshilfe kämpft seit
Langem dafür, Kindern mit Be­
hinderung
einen
.normalen
Schulbesuch in ihrem persönli­
chen Umfeld zu ermöglichen“,
sagt Jan Christoph Hogrefe, Be­
reichsleiter Offene Hilfen bei der
Lebenshilfe. „Kinder mit Handi­
cap sollen die Chance bekom­
men, sich selbstbestimmt zu ent­
wickeln - auch um ihnen ein
selbstbestimmtes Leben als Er­
wachsene zu ermöglichen.“ Die
Schulbegleitung der Lebenshilfe
biete die dazu nötige Unterstüt­
zung: Im Rahmen der „Hilfe zur
angemessenen
Schulbildung“
kommt die Schulbegleitung mit
in den Unterricht, um dem Kind
je nach Art und Ausprägung der
Behinderung Unterstützung zu
geben. Die geforderten schuli­
schen Leistungen müssen die
Schülerinnen und Schüler frei­
lich selbst bringen.
Die Dönhoff-Schülerin Saskia
wird von Martina Cordes be­
gleitet. Sie hat die 16-Jährige
auch beim Praktikum in der
Verwaltung
unterstützt.
Jan
Christoph Hogrefe: „Das reicht
vom Transfer mit dem Rollstuhl
von A nach B über Hilfe beim
An- und Ausziehen der Jacke bis
beispielsweise zum Anreichen
von Akten.“
Saskia schnupperte in den Be­
ruf der Bürokauffrau - eine Ar­
beit, die ihr Spaß macht. Vor al­
lem, weil sie nicht nur zugucken
oder für den Papierkorb arbei­
ten musste, sondern schnell ein­
gebunden wurde: „Ich habe Ab­
rechnungsunterlagen
auf
ihre
Richtigkeit überprüft, eine Spitz­
abrechnung
gemacht,
die
Grundzüge
der
Buchhaltung
und
das
Rechnungsschreiben
am Computer gelernt“, erzählt
sie. Saskia hat sich im Prakti­
kum sichtbar wohlgefühlt, sie
wäre ihrerseits am liebsten
gleich dageblieben: „Man hat
mich sehr offen als neues Team­
mitglied aufgenommen“, freut
sie sich. Möglich war das Prakti­
kum auch deswegen, weil in der
Verwaltung zu der Zeit die
räumlichen Möglichkeiten be­
standen und Saskia über Marti­
na Cordes die notwendigen As­
sistenzleistungen erhielt.
Trotzdem steht für Saskia zu­
nächst weiter das Abitur im Fo­
kus, was dem Sinn der schuli­
Saskia Fusas absolvierte ein Berufspraktikum bei der Lebenshilfe Nienburg. Obwohl sie spastisch gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt, erledigte sie
alle Aufgaben mit Bravour. Am liebsten wäre sie gleich dort geblieben, doch erst mal hat das Abitur am Marion-Dönhoff-Gymnasium Priorität.
schen Betriebspraktika ja auch
nicht entgegensteht. Unterneh­
men, die Menschen mit Behin­
derungen auch unabhängig von
der Schule ein Praktikum bieten
oder jemanden (befristet) ein­
stellen wollen, können dafür fi­
nanzielle Unterstützung durch
die Agentur für Arbeit erhalten,
weiß Jan Christoph Hogrefe:
„Gerade Langzeitpraktika sind
eine gute Möglichkeit, sich von
potenziellen
Mitarbeitern
ein
Bild zu machen.“ Infos gibt es
bei der Arbeitsagentur oder bei
der Lebenshilfe.
DH