Strafrechtsprävention für GmbH-Geschäftsführer Dr. Franz Althuber LL.M. Fachtagung GmbH 2015 22. September 2015 I. Inhaltsübersicht Potentielle Haftungsrisiken des GmbH-Geschäftsführers im Überblick Unternehmensstrafrecht Bilanzstrafrecht neu Untreue neu Überblick Kridadelikte Interne Kontroll-Systeme und Compliance 2 II. Potentielle Haftungsrisiken Umfangreiche Pflichten des Geschäftsführers Gesellschaftsrecht § 22 GmbHG – Rechnungswesen und IKS § 24a GmbHG – Nachvertragliche Auskunftspflicht § 25 GmbHG – Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes Bilanzrecht Führung eines ordnungsgemäßen Rechnungswesens; doppelte Buchhaltung Jahresabschlusserstellung Adäquates internes Kontrollsystem Planung und Soll-Ist-Analyse 3 II. Potentielle Haftungsrisiken Umfangreiche Pflichten des Geschäftsführers Insolvenzrecht Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Steuerrecht § 80 BAO – Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten Öffentliches Recht Gewerberecht Arbeitsrecht 4 II. Potentielle Haftungsrisiken Haftung Haftung ist das Einstehenmüssen des Geschäftsführers für Sorgfaltsverstöße Unterschiedliche Konsequenzen der Haftung Zivilrechtliche Haftung Haftung aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen "Schärfste Waffe des Staates" ist das Strafrecht 5 III. Unternehmensstrafrecht In-Kraft-Treten des VbVG am 1. Jänner 2006 Zweites Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 19. Juli 1997 Schaffung einer eigenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Verbände Persönlicher Anwendungsbereich Verbände iSd § 1 Abs 2 VbVG Ausgenommen sind insbesondere Gebietskörperschaften, die in Vollziehung der Gesetze handeln, sowie Kirchen und Religionsgemeinschaften in Ausübung seelsorgerischer Tätigkeiten 6 III. Unternehmensstrafrecht Sachlicher Anwendungsbereich des VbVG alle mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen Keine unmittelbare Anwendbarkeit des VbVG auf Finanzvergehen Strafbarkeitsvoraussetzungen Verantwortlichkeit des Verbandes, wenn die Tat zugunsten des Verbandes begangen wurde bzw durch die Tat Pflichten verletzt wurden, die den Verband treffen und die Tat durch einen „Entscheidungsträger“ begangen wurde und diese Person selbst rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat oder die Tat durch einen Mitarbeiter rechtswidrig begangen wurde und Organisationsverschulden vorliegt 7 III. Unternehmensstrafrecht Straftaten „zugunsten des Verbandes“ Verband wird bereichert oder hätte bereichert werden sollen Verband erspart sich Aufwendungen Mittelbare materielle Vorteile zB „Kundenbindung“ durch Gefälligkeitsrechnungen Verletzung von Pflichten, die den Verband treffen Verletzung von Rechnungslegungspflichten Verletzung von Bilanzierungsvorschriften Verletzung von (abgabenrechtlichen) Offenlegungspflichten Verbandsgeldbuße (§ 4 VbVG) 8 III. Unternehmensstrafrecht 9 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Ergebnis der Arbeitsgruppe "StGB 2015" Veröffentlichung im BGBl am 13. August 2015 Inkrafttreten 1. Jänner 2016 Ursprünglicher Gesetzesentwurf wurde tiefgreifend geändert Eckpunkte Neuordnung des Bilanzstrafrechts Reform des Untreuetatbestandes Änderungen beim Sozialbetrug ("Scheinanmeldungen") Diversion bei Schöffen- und Geschworenengerichten etc. 10 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht - Rechtslage alt Strafbestimmungen in gesellschafts- und anderen verbandsrechtlichen Materiengesetzen § 122 GmbHG § 255 AktG § 41 PSG etc. Abstrakte Gefährdungsdelikte Irrelevant, ob jemand geschädigt wurde oder ob überhaupt die Möglichkeit bestand, dass jemand auf Falschauskünfte oder auf unrichtige Angaben vertraut hat 11 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht - Rechtslage alt § 122 GmbHG als Sonderdelikt Anwendung nur auf die im Gesetz genannten Personen Geschäftsführer Mitglied des Aufsichtsrates Beauftragter Liquidator Viele Unklarheiten Faktischer Geschäftsführer? Wer ist Beauftragter? Private Äußerungen? 12 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht - Rechtslage alt Sehr komplizierte Tatbestände und unklarer sachlicher Anwendungsbereich Täuschung über Verhältnisse der Gesellschaft Unrichtige Wiedergabe / Verschleiern / Verschweigen Verschiedene Tatbegehungsformen Öffentliche Erklärungen Erklärungen an Gesellschafter Vorträge in der Generalversammlung Unrichtige Angaben gegenüber den Prüfern der Gesellschaft Keine Tätige Reue 13 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht – Rechtslage neu Schaffung der §§ 163a bis 163d StGB Primär anwendbar auf Entscheidungsträger von inländischen Verbänden GmbH, AG, SE, Genossenschaften, VVaG, große Vereine, Sparkassen, Privatstiftungen, Stiftung nach dem ORF-Gesetz Vergleichbare ausländische Verbände, deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt im Inland zugelassen sind oder die im Hinblick auf eine Zweigniederlassung im Inland im Firmenbuch eingetragen sind (§ 12 UGB) Sondertatbestand (§ 163b StGB) für Prüfer Abschlußprüfer, Gründungsprüfer, Sonderprüfer, Verschmelzungsprüfer,… 14 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht – Rechtslage neu Neu: Anwendbarkeit auf OG und KG iSd § 189 Abs 1 Z 2 lit a UGB Rechnungslegungspflichtige Personengesellschaften Umsatzerlöse von > EUR 700.000 Ausgenommen jedenfalls Freiberufler sowie Land- und Forstwirte Tätige Reue (§ 163d StGB) 15 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht – Rechtslage neu Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen durch Entscheidungsträger oder Beauftragte § 163a StGB Tathandlung Falsche oder unvollständige Darstellung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Verbandes oder von für die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage bedeutsame wesentliche Information in unvertretbarer Weise Eignung, einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen 16 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht – Rechtslage neu Begehungsformen Jahres- oder Konzernabschluss, Lage- oder Konzernlagebericht oder jeder andere an die Öffentlichkeit oder die Gesellschafter gerichtete Bericht Öffentliche Aufforderung zum Beteiligungserwerb Vortrag in der Haupt- oder Generalversammlung Auskünfte oder Nachweise, die einem Prüfer gegeben werden Firmenbuchanmeldung, die die Leistung von Einlagen auf das Gesellschaftskapital betrifft Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bei börsenotierten Gesellschaften 17 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht – Rechtslage neu Unvertretbare Berichte von Prüfern § 163b StGB Falsche oder unvollständige Darstellung von wesentlichen Informationen Verschweigung von falschen oder unvollständigen Darstellungen in Jahresoder Konzernabschlüssen, Berichten,… Inhaltlich unrichtiger Bestätigungsvermerk in unvertretbarer Weise Eignung, einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bei börsenotierten Gesellschaften 18 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Bilanzstrafrecht – Rechtslage neu Tätige Reue § 163d StGB Freiwilligkeit Rechtzeitigkeit Vollständige Richtigstellung von falschen Angaben 19 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Untreue – Rechtslage alt § 153 StGB derzeitige Fassung (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich mißbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen (2) Wer durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen 20 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Untreue – Rechtslage alt Wissentlicher Befugnismißbrauch Geschäftsführer ist Vertreter der Gesellschaft (Befugnis) Im Innenverhältnis aber Bindung an ausdrückliche Beschränkungen und auch an Grundsätze redlicher und verantwortungsbewusster, an den Interessen der Gesellschaft orientierter Geschäftsführung Missbrauch = Deutliche Überschreitung des Ermessens Zufügung eines Vermögensnachteils Problem: Bewußte Unterlassung von nutzbringenden Handlungen? Gefahr der Kriminalisierung von unternehmerischen Fehlentscheidungen 21 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Untreue – Rechtslage alt Praktische Relevanz BGH 21.12.2005, 3 StR 470/04 – Mannesmann Untreue möglich bei Zustimmung von 98% der Gesellschafter OGH 21.8.2012, 11 Os 19/12 x – Styrian Spirit Kreditvergabe durch HAA Prekäre finanzielle Situation des Kreditnehmers OGH 30.1.2014, 12 Os 117/12 s – Libro Ausschüttung einer Sonderdividende Untreuehandlung der Geschäftsführung trotz Wissen und Willen des Gesellschafters 22 IV. Strafrechtsänderungsgesetz 2015 Untreue – Rechtslage neu § 153 StGB idF StRÄG 2015 (1) Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen (2) Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen (3) Wer durch die Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen 23 V. Überblick Kridadelikte § 156 StGB – Betrügerische Krida Gläubigerschutzvorschrift Vermögensverheimlichung oder -verminderung Beiseiteschaffung von Vermögen Vortäuschung von Verbindlichkeiten Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, wenn der Schaden > EUR 300.000 24 V. Überblick Kridadelikte § 157 StGB – Schädigung fremder Gläubiger Gläubigerschutzvorschrift Täter begeht Kridahandlungen ohne Einverständnis des Schuldners Vermögensverheimlichung oder -verminderung Beiseiteschaffung von Vermögen Vortäuschung von Verbindlichkeiten Relevant, wenn der Täter selbst Gläubiger ist 25 V. Überblick Kridadelikte § 158 StGB – Begünstigung eines Gläubigers Begünstigung eines Gläubigers nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und damit Benachteiligung von anderen Gläubigern Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre Der begünstigte Gläubiger ist hingegen nicht zu bestrafen (§ 158 Abs 2 StGB) 26 V. Überblick Kridadelikte § 159 StGB – Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen Grob fahrlässige Herbeiführung einer Zahlungsunfähigkeit oder einer beeinträchtigten wirtschaftlichen Lage durch eine Kridahandlung Vermögensverschleuderung oder –verschenkung außergewöhnlich riskante Geschäfte außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit Mangelhafte/Keine Buchführung oder Bilanzierung Freiheitsstrafe grundsätzlich bis zu einem Jahr oder Geldstrafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, wenn der Schaden > EUR 1.000.000 27 V. Überblick Kridadelikte Tätige Reue bei allen Kridadelikten möglich (§ 167) Rechtzeitigkeit (bevor die Behörde von der Tat erfahren hat) Schadensgutmachung oder vertragliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung Alternativ: Selbstanzeige bei der Behörde durch Erlag des verbrachten Vermögens Auch ein Dritter kann den Schaden für den Täter gutmachen 28 VI. IKS und Compliance Organisationsverschulden Verbandsverantwortlichkeit Verschuldenskomponente bei sämtlichen Delikten im Strafrecht Je größer die Struktur, desto höhere Anforderungen Klare Strukturen im Unternehmen und Einrichtung von Maßnahmen zur Verhinderung von kriminellen Handlungen (4-Augen-Prinzip) Einrichtung eines Compliance-Beauftragten Regelmäßiges Reporting sämtlicher Entscheidungsträger an die Geschäftsführung (Schriftlichkeitsgebot) Regelmäßiger Bericht an die Generalversammlung 29 DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT ! Dr. Franz Althuber LL.M. Rechtsanwalt / Partner DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH 1010 Wien, Schottenring 14 Tel: +43 (0)1 531 78-1124, Fax: +43 (0)1 533 52 52 e-mail: [email protected] www.dlapiper.com
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