Der Glycintransporter 1-Inhibitor Bitopertin wirkt antinozizeptiv bei tierexperimentell induzierten neuropathischen Schmerzen E. Neumann1, V. Kötter1, I. Bauer1, T. Brandenburger1, H. Hermanns2, A. Armbruster3, V. Eulenburg3, R. Werdehausen1 1 Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf 2 3 Klinik für Anästhesiologie, AMC Amsterdam Institut für Biochemie, Universität Erlangen-Nürnberg Fragestellung: Die Dysfunktion der inhibitorischen glycinergen Neurotransmission im Rückenmark trägt wesentlich zur Entstehung und Aufrechterhaltung neuropathischer Schmerzen bei (1). Eine pharmakologische Verstärkung der glycinergen Inhibition stellt demnach einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz dar (2). Die Glycinkonzentration im synaptischen Spalt wird durch die Glycintransporter GlyT1 und GlyT2 reguliert. Bisher untersuchte Inhibitoren von GlyT können nozizeptives Verhalten reduzieren, weisen aber auch erhebliche unerwünschte Wirkungen auf und wirken irreversibel. Der reversible, spezifische und oral applizierbare GlyT1-Inhibitor Bitopertin ist in Phase-III-Studien zur Therapie von Schizophrenie mit guter Verträglichkeit untersucht worden (3). Im Kontext neuropathischer Schmerzen liegen bisher keine Daten zu Bitopertin vor. Wir überprüften daher die Hypothese, dass Bitopertin nozizeptives Verhalten im Tiermodell für neuropathischen Schmerz beeinflusst ohne zu unerwünschten Wirkungen zu führen. Methodik: Die Untersuchungen erfolgten mit Zustimmung der zuständigen Tierschutzbehörde. Neuropathische Schmerzen wurden mittels operativer Ligatur des linken N. ischiadicus (Chronic Constriction Injury; CCI) der Wistar Ratte sowie C57BL/6-Maus induziert. Am Tag 10-12 nach CCI erhielten 2 Gruppen der Ratten randomisiert und verblindet einmalige orale Dosierungen von Bitopertin (0,3; 1 mg/kg), während die Kontrollgruppen Vehikel erhielten. Mechanische Allodynie wurde mittels von Frey Filamenten vor und 10-12 Tage nach CCI, sowie 1, 2, 4, 8 und 24 h nach Applikation von Bitopertin bzw. Vehikel überprüft. Zusätzlich wurde die Wirkung von Bitopertin 10 Tage nach CCI in Mäusen bei kontinuierlicher Langzeitapplikation mittels subkutan implantierter, osmotischer Mini- Infusionspumpen (2 mg/kg/Tag) über 27 Tage untersucht. Neuromotorische Wirkungen von Bitopertin in Mäusen wurden im Open-Field-Test 1 h nach Injektion bzw. bei kontinuierlicher Applikation nach 12 Tagen analysiert. Statistik: Alle Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± Standardfehler; ANOVA und Bonferroni post hoc Test; Signifikanzniveau p<0,05. Ergebnisse: Bei Ratten führte Bitopertin (0,3 mg/kg) 2 und 4 h nach oraler Applikation zu einer Reduktion der durch CCI induzierten mechanischen Allodynie (Abb. 1A). Eine höhere Dosis von 1 mg/kg Bitopertin führte zu vergleichbar ausprägten Effekten (Abb. 1B). Die kontinuierliche subkutane Applikation von Bitopertin in Mäusen (2 mg/kg/Tag) nach CCI führte 7 Tage nach Beginn bis zur Beendigung der Therapie zu einer verminderten Schmerzempfindlichkeit der neuropathischen Extremität der Mäuse (Abb. 1C). Es wurden keine Unterschiede in Wegstrecken und Aufenthaltsdauern nach einmaliger Gabe von Bitopertin (2 mg/kg s.c.) und kontinuierlicher Applikation (2 mg/kg/Tag s.c.) in naiven Mäusen und nach CCI im Vergleich zu Kontrolltieren nach Erhalt von NaCl 0,9% beobachtet (je n=4). Abbildung 1. Effekt des GLYT1-Inhibitors Bitopertin auf die mechanische Allodynie bei Nagern mit Neuropathie nach CCI. (A) Einmalige orale Applikation bei Ratten 0,3 mg/kg; n=9-11; (B) 1 mg/kg; n=6-13; Vehikel: 0,3% Polysorbat 80 und 0,02 bzw. 0,06 % DMSO (C) kontinuierliche subkutane Applikation bei Mäusen; n=4; Vehikel: NaCl 0,9%; *p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001. Interpretation: Die Applikation des GLYT1-Inhibitors Bitopertin führt nach einmaliger sowie kontinuierlicher Gabe im Tiermodell für neuropathischen Schmerz zu einer signifikanten Verminderung von mechanischer Allodynie. Es kommt dabei nicht zu unerwünschten neuromotorischen Wirkungen. Weitere Untersuchungen werden notwendig sein, um die klinische Anwendbarkeit bei chronischen Schmerzpatienten zu prüfen. Literatur: 1. Zeilhofer HU et al. Annu Rev Pharmacol Toxicol 2012; 52:111-33. 2. Werdehausen R et al. Pain 2015; 156:1647-59. 3. Martin-Facklam M et al. Neuropsychopharmacology 2013; 38:504-12.
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