Suizid ist nicht die Lösung

Frederica Hartmann,
18 Jahre, Emil Molt Akademie
Wettbewerbsbeitrag für „Suizid ist nicht die Lösung“
Von Frederica Hartmann
Roonstrasse 8, 14163 Berlin
19.8.2015
Suizid ist nicht die Lösung
Kennt ihr das Gefühl, nicht mehr weiter leben zu wollen? Kennt ihr die Qualen, die einen jagen?
Es ist schrecklich und man kann es nicht stoppen, so denkt man. Die schlaflosen Nächte, die man
mit Weinen verbringt. Die Tränen, die keiner sieht. Man fühlt sich leer und verlassen. Wie ein
Toter wandelt man durch die Welt, Blick nach unten gerichtet und Mund versiegelt. Die
Suizidgedanken häufen sich:Sie werden mehr und mehr und man kann nichts dagegen tun. Ist
Suizid die Lösung? Ist Suizid die lang ersehnte Erlösung?
***
Liebes Tagebuch,
Ich fühle es. Heute ist der Tag gekommen. Heute bring ich mich um. Ich habe zu lange gewartet
und zu viel Lied und Qualen erlitten. Wie ein riesiger Schatten umgibt mich das Leid. Ich kann
nicht mehr atmen. Meine Brust hebt sich nicht mehr. Als ob man mir einen schweren Stein darauf
gelegt hat. Ich kann nicht mehr... Ich habe genug gekämpft und nichts erreicht. Bitte, kann mir
denn Keiner helfen?Es tut so weh... Ich falle und falle und lande nicht. Ich strecke meine Arme
aus um mich an etwas halten zu können. Doch nichts... Es ist nur Leere. In meinen Innerin ist
nichts. Ich bin eine leere Hülle. Verdammt, mein Leben ist doch gar nichts wert. Ich gebe auf.
Der Teufel spielt mit mir. Doch ich kann das Spiel nicht mehr länger spielen. Meine Hände
zittern, mein Körper bebt, und ich sitze hier und denke an nichts anderes, als die Klinge durch
meine Haut zu ziehen. Ich will sterben. Meine Zeit ist um. Tick Tack, Tick tack...
Mein Herz klopft stark. Ich fühle: Mein Herz springt aus mir. Doch das tut es nicht. Es wär mir
lieder gewesen. Denn das Hämmern tut auf eine Art und Weise weh und trotzdem spühre ich
nichts. Alles in mir ist taub.
Meine Gedanken lenken immer zum Suizid. Mein Körper tut weh, als ob mich jemand ersticht.
Ich versuche krampfhaft Zugang zu meinen Gedanken zu finden – versage aber immer wieder.
Ist es komisch, dass ich nicht weiß, was ich denke und trotzdem weiß, dass ich es tue. Ich finde es
verstörend. Doch meine Meinung interessiert keinem. Alte Not und Qual wird immer wieder neu.
Als ob es nicht ausreichte, dass ich es schon mal gefühlt habe. Es wird mir fremd, schlägt zu und
trifft mich wie ein Schlag. Ich denke, dass ich es aushalten muss. Aber kann man nicht verstehen,
dass ich es nicht kann? Ich bin fertig und kaputt und ich weiß wirklich nicht, wie lange ich das
noch aushalten kann. Ist es falsch an Suizid zu denken?
Jetzt beende ich das, was ich angefangen habe.
Fiona
Ich versteckte das Büchlein und nahm meine Klinge zur Hand. Ich wusste, dass das die einzige
Lösung war- zumindest dachte ich es. Wie konnte ich nur so weit sinken? Heiße Tränen rannten
mir über meine Wange und tropften zu Boden. Ich legte die Klinge an und bekam Gänsehaut.
Das ist also mein letzter Tag. Das solle jetzt alles gewesen sein? Habe ich wirklich versagt? Ich
spürte keine Angst, nur Aufregung. Als ich an all die schlechten Dinge dachte, fing ich an zu
schluchzen. Mein Herz bebte und mein Kopf tat mir weh. Ich legte die Klinge zur Seite, zog
meine Knie an und legte meinen Kopf darauf. Die Dunkelheit umgab mich uind ließ mich nicht
los. „Ich kann nicht mehr...“ wisperte ich erstickt. Ich atmete tief ein und aus. Dann hob ich
meinen Kopf und öffnete meine Augen. Ich hatte Angst zu leben und Panik vor dem Leid. Es gab
nichts schlimmeres, als diese ganzen Qualen zu spüren. Mein Herz raste. Ich nahm die Klinge
wieder zur Hand und setzte es an. Ich atmete tief ein und schnitt tief- Das Blut hörte nicht auf zu
fließen. Ich ließ meinen Arm fallen. „Es tut mir leid.“
***
Meine Augen flatterten auf. Grelles Licht blendete mich. „Fiona?“ eine fremde Stimme. „Wo bin
ich?“ stöhnte ich. Ich drehte meinen Kopf. Zuerst sah ich eine Ärztin und dann meine Mutter. Sie
saß mit verweinten Augen da und zitterte am ganzen Körper. Ich schaute an mir hinunter und sah,
dass ich an Schläuchen hing. Plötzlich erinnerte ich mich an alles. Ich sollte eigentlich tot sein.
Meine Mutter stand auf und fing wieder an zu weinen. Sie kam zu mir und nahm meine Hand.
„Ach Schätzlein!“ wimmerte sie. Man sah ihr die Trauer und Sorge an. Ich war so fixiert auf
mich selber, dass ich nicht daran dachte, wie es meiner Mutter gehen würde.Ich fühlte mich wie
auf einen Schlag so schuldig. „Es tut mir leid.“ murmelte ich. Ich versuchte aufzustehen, doch ich
konnte nicht. Ich war fixiert am Bett. „Bind mich sofort los!“ schrie ich panisch. Die Ärztin
zögerte. „Bis der Arzt kommt, darf ich das nicht machen.“ sagte sie. Meine Mutter strich mir
über das Haar. „Tu das nie wieder.“ flüsterte sie erstickt. Ich fing an zu weinen. „Warum weinst
du?“ Meine Mutter strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Ich kann nicht mehr..“ flüsterte ich.
„Verlass mich bitte nicht!“ erwiderte sie. „Du brauchst Hilfe.“ Ich schüttelte meinen Kopf.
„Sicherlich wirst du was finden, was dir hilft!“ Der Arzt trat hinein und schaute mich musternd
an. „Kannst du dich von Suizidgedanken trennen?“ fragte er. Ich konnte es nicht aber ich nickte.
Ich musste es wenigstens versuchen. Er kam zu mir, machte die Schläuche ab und band mich los.
Ich setzte mich aufrecht hin. „Du hattest Glück, dass deine Mutter dich gefunden hatte. Du wärst
sonst nicht hier.“ sagte er. Ich schaute meinen Arm herunter und sah den Verband um meinen
Handgelenk. Dann blickte ich auf zu meiner Mutter. Nach einigen Minuten Schweigen stand ich
auf und sagte. „Ok.“ Meine Mutter lächelte erschöpft. „Wir haben hier einen therapeutischen
Kreis bei uns in dem Krankenhaus. Man spricht sich aus und man malt oder zeichnet.“ meinte der
Arzt. Ich schwankte ein wenig und musste mich wieder hinsetzten. Der Arzt unterhielt sich mit
meiner Mutter und ich saß da und überlegte. Will ich denn leben? Will ich Hilfe? Oder tu ich das
nur für meine Mutter? Was wenn Gott mir verboten hat zu sterben und mich gerettet hatte? Ich
glaube nicht wirklich an den Gott. Ich glaube eher an den Teufel. Und was ich von ihm weiß, ist
dass er jeden an den Zügeln hält und gerne spielt. Und dieses Spiel spiele ich nicht noch einmal
mit. „Fiona!“ Ich schaute zu meiner Mutter. „Ich muss gehen.“ Als sie meinen verwirrten Blick
bemerkte erklärte sie mir, dass ich noch eine Nacht im Krankenhaus bleiben muss. Ich schüttelte
heftig meinen Kopf. Aber ich hatte keine Wahl. „Ich hole dich morgen ab.“ Sie ging und ich saß
ratlos da. „Ich zeige dir dein Zimmer.“ sagte die Ärztin. Ich stand auf und merkte, wie ich
schwankte. „Du hast viel Blut verloren.“ Ich sah meine Tasche und nahm sie, dann ging ich
hinter der Ärztin her und war auch schon gleich in meinem Zimmer. „Ruh dich ein wenig aus.
Der Kreis beginnt morgen.“
***
„Ich bin bei Pflegeeltern, die mich hassen. Ich werde geschlagen, und ich kann mich nicht
wehren. Meine Mutter steht und schaut zu. Sie kann nichts dagegen tun. Ich weiss nicht, ob mich
das Leben will. Ich habe das Gefühl, dass jeder mich hasst.“ sagte die Blondhaarige. Sie erzählte
noch etwas, über ihren Suizidversuch. Doch ich hörte nicht hin. Ich fand es lächerlich. Die ganze
Gruppe. Vielleicht weil ich neu bin. Vielleicht muss ich mich daran gewöhnen. „Ich wurde
gemobbt in meiner Schule. Sie warfen Sachen an meinem Kopf, womit ich nicht klar kam. Es
ging viele Jahre so.“ sagte ein Junge im Alter von 12 Jahren. Ich biss meine Zähne aufeinander
und dachte nach.
Alle starrten mich an. „Fiona?“ Ich blinzelte irritiert. „Ich habe nichts zu erzählen.“ murmelte ich
unsicher. Es überraschte mich, dass es vielen so ging wir mir. Doch aus Gründen, die ich selber
nicht kannte, wollte ich den anderen nicht glauben. Keiner kennt diese Qualen, die ich verspühre,
dachte ich. „Ich habe nichts zu erzählen.“ erwiderte ich meinen Satz mit fester Stimme. „Na gut.
Du musst dich nicht gezwungen fühlen. Die Sitzung ist jetzt vorbei.“ Ich atmete erleichtert auf
und verließ schnell das Zimmer. Meine Mutter stand im Flur und schaute mich mit traurigen
Blicken an. „Was ist passiert?“ fragte ich. „Ich habe mit dem Chefarzt gesprochen. Er möchte,
dass du hier
bleibst.“ Ich schüttelte heftig meinen Kopf. „Es sind nur drei Monate.“ Ich sank auf meine Knie
und schluchzte. Meine Mutter kniete sich neben mich hin und nahm meine Hand in ihre. „Ich
kann nicht mehr.“ wimmerte ich. Eine Therapeutin eilte zu uns und schaute mich an. „Du wirst
diese Qualen nicht aushalten müssen. Du wirst hier unter unseren Therapieangeboten etwas
finden, wo du dich ausleben kannst. Gib die Hoffnung nicht auf.“ Sie half mir auf. „Verabschiede
dich von deiner Mutter.“ Ich krallte meine Nägel in meinen Arm. „Ich will nicht hier
bleiben.“ „Du schaffst es.“ sagte meine Mutter und umarmte mich. Dann drehte sie sich um und
ging. Eine Träne kullerte auf meine Wange runter. Dann fing ich hemmunglsos an zu weinen.
***
Der Tag verflog wie im Flug. Ich lernte die Menschen kennen, die ich zuerst verachtet habe. Jetzt
war ich mir sicher, dass sie nicht gelogen haben. Aber ich war immer noch der Meinung, dass es
mir am aller schlimmsten ging. Die meißten von anderen Patienten. sahen Suizid als einzigen
Ausweg Andere hingegen meinten, das Leben solle man nicht wegwerfen. Ich persönlich änderte
meine Meinung nicht. Suizid ist der gute Weg, und ich hatte Angst, dass man mir den Suizid
wegnimmt.
Mittlerweilen ist schon eine Woche vergangen und ich malte, bastelte, sprach und tat alles
Mögliche. Doch wieso verbessert es nichts? Ich bin noch am Anfang und ich komme nicht weiter.
Ist der Teufel nicht gnädig und erspart mir all die Qualen? Ich saß im Zimmer und wusste nicht,
was ich tun sollte. Unter meinem Bett hatte ich ein Messer versteckt, das ich aus der Küche
genommen habe. Langsam stand ich auf und holte das Messer. Es war nicht sehr scharf aber
schneiden oder umbringen konnte ich mich damit. Tu das nicht! Ich versuchte meine Gedanken
wegzuschieben. Ich wollte das. Nein, Suizid ist nicht eine Lösung!
Zuerst nahm ich mein Tagebuch zur Hand und kritzelte etwas hinein.
Liebes Tagebuch,
Ich habe eine Woche gekämpft und nichts erreicht. Ich weiß, dass es eine lange Zeit braucht,
bevor ich sagen kann, dass ich stabil bin. Es könntein 3 Monaten besser werden. Doch ich kann
nicht warten!
Fiona
Ich wollte sterben. Meine Pulsader aufschneiden und das Blut fließen sehen. Mein heißes rotes
Blut über meine Arme fließen spühren. Ich wollte mit jemanden darüber reden und hätte
eigendlich einen Therapeutin aufsuchen sollen. Aber was soll es? Ich setzte das Messer an und
drückte gerade ab, als eine Therapeutin zu mir rannte und mir das Messer wegriss. „Nein!“ schrie
ich. Sie half mir auf mein Bett, wo ich benommen saß und weinte. „Es dauert. Du wirst sehen,
dass es besser wird. Gib dir Zeit. Nur ein wenig Zeit und dann siehst du deine wahnsinnige
Entwicklung. Sie nahm das Tagebuch zur Hand. „Du schreibst doch so schön. Nutze es doch.
Schreibe mal Geschichten. Du kannst dich doch durch Schreiben ausbluten. Du brauchst keinen
Suizid. Du schaffst es! Du hast einige Skills schon gelernt. Versuche es doch mit der kalten
Dusche oder mit einer Runde Boxen?“ Meine Brust hob und senkte sich schwer. Ich starrte auf
das Messer und auf das Buch in ihrer Hand. Was wollte ich mehr? Schreiben oder sterben? Ich
nahm ihr das Buch weg und legte es aufs Bett. „Kann ich mein Messer haben?“ Sie fing an zu
lachen. „Nein.“ Ich biss auf meine Lippe. Ich war nicht besonders glücklich darüber. „Gib dir
Zeit.“ wiederholte sie den Satz. Ich seufzte und wischte mir die Tränen aus den Augen. Langsam
stand ich auf und schaute das Messer an. Bevor sie reagieren konnte, schnappte ich mir das
Messer und hockte mich in die Ecke, das Messer auf die Pulsader. „Keinen Schritt, sonst
schneide ich!“ schrie ich. Sie stand langsam auf. „Fiona. Beruhige dich.“ Sie nahm ihr Telefon
zur Hand und rief die anderen Therapeuten an. „Die können auch nicht helfen!“ sagte ich mit
zitternde Stimme. Sie schaute mich ruhig an. „Mach es bitte nicht.“ „Was soll ich sonst machen?
Leben? In dieser Welt? Das ist doch alles nur eine Lüge. Hoffnung ist eine Lüge. Hören Sie auf
mir zu sagen, dass es besser wird. Denn er wird nicht besser!“ Meine Stimme brach ab. Ich hielt
das Messer mit zittrigen Hand. Die Tür wurde aufgerissen und fünf weitere Therapeuten traten
ein. Ich schluckte schwer und sprach wieder: „Ich werde nicht weiter leben!“ Ein Mann kniete
sich zwei Meter vor mir hin. „Gib das Messer.“ sagte er. Ich schüttelte meinen Kopf. „Sonst
müssen wir handgreiflich werden.“ Ich atmete tief ein und aus. Und meine Tränen fielen lautlos
zu Boden. Keiner sah meine Not. Keiner kannte sie. Sie zwangen mich zu Leben. Ich kann nicht
mehr warten. Es geht so nicht weiter. Mein erster Suizid gescheitert und den zweite wird gelingen.
Ich wollte gerade das Messer durch meine Haut ziehen, als sie mich packten. Zwei packten meine
Beine, zwei meine Arme und einer meinen Nacken. Ich schlug um mich und schrie wie am Spieß.
Doch sie hielten mich so fest, dass ich mich nicht wehren konnte. „Nein!“ schrie ich. Plötzlich
ging die Tür auf und ein Fixierbett wurde herein getragen. Ein Bett mit Schnallen. „Nein, bitte
nicht!“ schluchzte ich. Doch ich konnte sagen was ich wollte, es ändert nichts daran, dass ich
fixiert wurde. Sie trugen mich aufs Bett und ich kickte mit meinen Beinen, als sie versuchten die
Schnallen fest zuziehen. Am Ende lag ich weinend drauf und konnte mich nicht bewegen.
Ich wachte auf und wollte mich reken, doch ich war fixiert. Meine Gedanken kreisten sofort in
meinem Kopf, und ich wimmerte. Die Schmerzen saßen tief, und ich konnte mich nicht krümmen.
Ich bemerkte, dass ich nicht alleine war. Eine Therapeutin saß neben mir. „Wann kann ich
raus?“ „Das müssen wir mit dem Chefarzt bereden.“ Ich kniff meine Augen zu. „Wann kommt
er?“ „Jeden Moment.“ Ich seufzte und starrte die weiße Decke an. Ich muss hier raus. Ich muss
endlich hier raus. „Guten Morgen.“ Der Chefarzt Dc. Hauke kam ins Zimmer und kam zu mir.
„Wie geht es dir?“ „Nicht gut.“ gab ich zu. „Wie lange muss ich noch fixiert bleiben?“ „Eine
Woche.“ Ich schluckte schwer. „Eine Woche?!“ „Nur so bist du am besten vor dir
gesichert.“ „Dass kann doch nicht wahr sein!“ Ich fing wieder an zu weinen und ärgerte mich
darüber. Ich bin so schwach. „Das ist das Beste für dich momentan.“ „Muss ich in die Pfanne
pinkeln oder kann ich dafür defixiert werden und auf Klo gehen?“ Dc. Hauke überlegte kurz und
sagte dann. „Du kannst aufs Klo gehen solange du dich dann freiwillig fxieren lässt. Wenn es
nicht klappt, dann darfst du es nicht mehr.“ „Ich kann doch nicht eine Woche Tag und Nacht
fixiert bleiben!“ „Das ist zur deiner eigenen Sicherheit.“ Nach einer Weile ging er wieder und ich
lag da fassungslos.
***
Mittlerweile ist eine Woch vergangen und ich bin defixiert. Ich fühle mich besser als zuvor und
vor allem hatte ich die Zeit über alles nachzudenken. Ich wollte mich jetzt bei den Therapien
mitmachen und überlegte, ob ich vielleicht doch anfange zu schreiben. Jetzt gerade ist
Kunsttherapie. Ich setzte mich neben der Blondhaarigen, die Stefanie hieß. Ich nahm meinen
Blog und einen Stift zur Hand und kritztelte etwas. Zuerst waren es wirre Sätze, die ich aufs
Papier schrieb, Gedanken, die ich als wichtig empfand und Szenen, die in meinem Kopf spielten:
Über ein Mädchen, dass nie geliebt wurde. Oder über Mädchen und Jungen, die Suizid begingen.
Meine Einfälle waren dunkel und grausam. So wie es auch in meinem Kopf zuging. Ich empfand
so etwas wie Erleichterung diese Gedanken aus der Seele schreiben zu können.
Sie kannte jeden Zentimeter in diesem einfachen weißen Raum, der leer war. Sie sah nur
weiß. Sie war eingesperrt. Das Einzige was sie hatte war ein Glas Wasser. Sie konnte den
immer näher kommenden Wände nicht entfliehen.
Es fiel mir leicht, etwas zu schreiben. Es fehlte nicht an Fantasie.
Ich hatte vor, ein Buch zu schreiben über ein Mädchen, dass Suizid begeht und dann in einer
Psychatrie landet. Also sprich, ich schrieb über meinen Leben und benutzte dafür mein Tagebuch.
Doch manches änderte ich. Es sollte nicht mein Leben widerspiegeln. Es sollte einfach die Not
und Qual darstellen, die viele Mädels spühren. „Therapiekreis!“ rief Frau Klein. Wir verstauten
die ganzen Sachen und wechselten den Raum. Wie immer waren Stühle in einem Kreis aufgebaut,
und ich ließ mich auf einer der Stühle plumpsen. Heute war ich zuerst dran.
„Ich habe eine gut funktionierende Familie, ich war gut in der Schule und hatte ein paar ganz
gute Freunde. Ich war nicht allein oder misshandelt wurden. Aber dennoch fühlte ich mich
einsam und leer. Ich hasste mein Leben und hatte dafür keinen einzigen Grund. Ich hasste mich.
Und ich tus immer noch. Ich lag nachts weinend in meinem Bett, ich bekam keine Luft und schrie
in mein Kopfkissen. Keiner hörte es und keiner sah, wie ich litt. Wie ich leide. Ich habe lange
über Suizd nachgedacht. Und immer wusste ich, dass die Zeit kommt, wann ich es machen werde.
In meiner Klasse redete ich über schwarze und weiße Gedanken. Ich peilte nicht, dass ich gerade
damit jeden in meiner Klasse zeigte, wie krank ich bin. Ich wand mich an meine
Lieblingslehrerin und erzählte ihr meine Sorgen. Ich ging dann auch zur Schulspychologin und
am Ende wurde meiner Mutter alles gesagt, da die Situation brenzlich wurde. Meine Mutter war
besorgt, und sie weinte oft. Ich dachte, ich hätte jeden in meiner Familie zerstört, nur weil ich
mich an Suizid festklammerte. Und dann eines Nachts schnitt ich mir die Pulsader auf. Meine
Mutter fand mich auf dem Boden liegend und rief die Ambulanz an. Ich wachte in diesem
Krankenhaus auf und das einzige was ich dachte war. „Nein,Nein, Nein.... wieso lebe ich
noch?“ Und dann kam ich in diese Psychatrie. Mein Einstieg war nicht gut und die Fixierung
machte mir klar, dass ich an mir arbeiten muss. Doch mir fehlt die Kraft zu arbeiten. Ich bin zu
schwach um mich wieder hoch zu rappeln. Ich kann nicht atmen, und ich kann nicht essen. Ich
kann nicht schlafen und ich kann nicht denken. Um eure Frage zu antworten: Ja. Ich will sterben.
Aber ich weiß, dass es da draußen eine Welt gibt, die mir Chancen gibt und ein besseres Leben,
wenn ich nur kämpfe. Also kämpfe ich.“ Alle fingen an zu klatschen, und ich rutschte auf meinen
Stuhl hin und her. Ich war denTränen nahe. Ich starrte auf dem Boden und mir wurde plötzlich
übel. Es war zu viel. Ich stand auf und der Stuhl krachte zu Boden. Dann rannte ich aus dem
Zimmer zum Flur. Und lehnte mich japsend gegen die Wand. Ich wusste, ich wollte kämpfen.
Doch ich hatte Angst, dass ich es nicht schaffe. Sofort eilte wieder eine Therapeutin zu mir und
sprach mich an. „Willst du reden?“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Komm wir machen mal ein
Experiement. Möchtest du mir dabei helfen?“ Ich wusste, dass dies eine billige Masche war um
mich wieder auf die Beine zu bringen. Doch ich nickte. „Komm mit in den Kunstraum.“ Ich lief
ihr hinterher und wir setzten uns in den Raum. „Erklär mir, wie du dich fühlst.“ „Ich fühle mich
leer, und ich habe Angst. Angst, dass ich versage.“ „Nun, jetzt schreibe ein paar Sätze.“ Ich nahm
den Stift zur Hand und schrieb los.
Sie sitzt zitternd im Wald und umschlingt ihre Arme um sich. Sie ist allein, und sie hat Angst. Sie
schaut umher. Doch sie findet keinen Weg raus. Es wird dunkler, und sie zündet ein Feuerzeug an.
Das gibt ihr ein wenig Licht. Sie hört nicht auf zu zittern. Ihr weißes Nachthemd ist kaputt
gerissen.Sie hört etwas und springt auf. Dabei verliert sie ihr Feuerzeug. Ohne groß zu überlegen
rennt sie los. Äste peitschen ihr ins Gesicht.
Ich legte den Stift weg. „Wie geht es dir jetzt?“ „Ein wenig besser.“ „Jetzt schreibe über etwas
Fröhliches. Vielleicht eine schöne Zeit, die du dir wünscht.“ Ich nahm den Stift wieder zur Hand.
Sie lächelt breit und fäng an zu Lachen. John nimmt ihre Hände und küsst sie. Sie schnappt sich
seine Hand und zieht ihn hinter sich her. Sie setzt sich neben ihrer Mutter, und John setzt sich
neben sie. Sie legt ihren Kopf auf seine Schulter und fühlt sich lebendiger und geliebt. Das
Wasser rauscht und der Himmel ist blau. Sie genießt die Sonnenstrahlen, die ihren Körper
erwärmten. Sie weiß, es kann nicht besser werden. Sie dreht sich zu John um und küsst ihn. Sie
küssen leidenschalftlich.
„Gut.“ sagte die Therapeutin, als sie meine Zeilen durchlas. „Wie fühlst du dich
jetzt?“ „Besser.“ „Jetzt schreibe etwas, was dich ermutigt.“ Ich nickte.
Ich weiß, dass ich es schaffe. Ich weiß, dass alles besser wird. Und vor allem weiß ich, dass ich
Schriftstellerin werden will. Hey! Ich habe ein Ziel! Ich werde Schriftstellerin! Und ich werde
mein Leben schön finden. Suizid ist nicht die Lösung! Ich werde mein Leben wieder genießen
können. Ich muss nur die Therapie beenden, und ich werde daraus lernen. Ich werde weiter
Therapie machen um mich zu stärken. Ich schaff es!!
„Wie fühlst du dich?“ „Mir geht es gut.“ stellte ich überrascht fest. Vielleicht haben
dieTherapeuten Recht. Vielleicht ist Suizid nicht der einzige Weg. Ich wusste jetzt, dass ich
weitere Therapie brauche.
Heute ist der Tag meiner Entlassung:
***
„Wie geht es dir jetzt, so mit der Entlassung heute?“ fragte der Chefarzt„Ich muss ehrlich
zugeben, dass ich mich nicht so gut fühle.“ „Das ist normal. Du hast Angst.“ „Ich kann mir nicht
vorstellen, wie mein Leben verlaufen wird. Ich habe so viel gelernt, und ich bin fast fertig mit
meinem Buch. Aber ich habe Angst, dass ich wieder solche Qualen haben werde.“ „Wir können
dir die Qualen leider nicht nehmen. Aber du hast gelernt, damit umzugehen und das Wichtisgte
ist, dass du gelernt hast, dass es auch andere Wege als Suizid gibt.“ „Der Suizid ist nach wie vor
für mich ein Thema und auch ein Weg, den ich einschlagen kann. Ich habe eingesehen, dass
Suizidgedanken immer meine Begleiter sein werden. Aber ich habe die Kraft und die Mittel dazu,
den Suizid nicht als eine Lösung zu sehen.“ „Du hast Recht. Du wirst weiterhin Suizidgedanken
haben. Aber die werden kommen und gehen. Verschwinden werden sie nicht. Aber du kennst
jetzt Skills, die dich am Leben halten und schreib weiter so!“„Danke für die ganze Hilfe. Ich
schätze es sehr.“ sagte ich. „Ich wünsche dir noch viel Kraft auf deinem weiteren
Weg.“ antwortete er. Ich stand auf und schüttelte seine Hand. Dann ging ich und atmete die
frische Luft draußen ein. Ich fühlte mich neu. Ich fühlte mich endlich gut.
***
Paar Jahre später
Ich stand in der Bücherrei und lief zu meinem Buch. Ich nahm es zur Hand und lächelte zufrieden.
Es war ein gutes Gefühl sein eigenes Buch in einer Bücherei zu sehen. Ich strich über den Titel;
„Suizid ist nicht die Lösung“. Ich hoffte, dass es einigen Menschen die Augen öffnen kann.
Durch das schreiben lernte ich die Welt und das Leben mit anderen Augen kennen. Das Leben
kann auch schön sein. Natürlich gibt es Hochs und Tiefs. Aber keiner muss damit alleine sein.
Wer weiß: vielleicht hilft auch dir das Schreiben.